Cursed or not von April_Jones ================================================================================ Kapitel 5: Versunken - Der Tropfen ---------------------------------- Versunken Der Tropfen "Once you touch that darkness, it never goes away. The truth is, I'm past saving." Dean 10x07 Ihr wirres, dunkles Haar um ihren Kopf ausgebreitet wie ein Heiligenschein. Leuchtend blaue Augen, die ihn ansahen, während er sich zu ihr in die Kissen hinunter beugte. Ihre Hände auf seinen Schultern. Es war perfekt. Er wusste nicht, was es war, aber sie hatte das gewisse Etwas. Vielleicht das völlig deplatzierte Gefühl der Vertrautheit. Irgendetwas an ihr erinnerte ihn an etwas Gutes. Dann das Verlangen, der Rausch, wie ein Fieber, langsam ansteigend, immer drängender und unausweichlicher. Keine Bedenken mehr, keine Zügel, keine Kontrolle. Hemmungslos. Schwer atmend erwachte Dean. Schweiß rann seinen Körper hinab und ließ seine Kleidung unangenehm an seiner Haut kleben. Und doch fror er als wäre sämtliche Wärme aus ihm gewichen. Für einen kostbaren Moment war es, als wäre all das tatsächlich nur ein Traum gewesen, aber das war es nicht. Panisch schloss er seine Lider und öffnete sie erneut. Immer wieder. Immer wieder sah er ihre vor Angst geweiteten Augen, hörte ihr Schluchzen, spürte ihren zuckenden Körper unter sich. Es war als würde er ertrinken, immer tiefer von einem Strudel hinabgezogen werden, als würde er versinken in einem Meer aus Dunkelheit und Schuld. * Der zerborstene Spiegel zeigte sein Gesicht nur bruchstückhaft, seine Faust hatte deutliche Spuren hinterlassen. Dean konnte seinen eigenen Anblick nicht länger ertragen, und so blickte er hinab auf seine zitternde Hand. Die Haut über den Fingerknöcheln war aufgeplatzt, das Blut verschmiert über dem Handrücken. Der körperliche Schmerz fühlte sich gut an, er verdrängte für einen Moment den in seinem Inneren. Er konnte nichts anderes als den Menschen, die ihm nahe standen, weh zu tun, er war ihr Verderben, also hatte er diesen Schmerz mehr als verdient. Auf ganzer Linie hatte er versagt, als Sohn, Bruder und Freund. Er war nichts als eine Enttäuschung. Er war nichts. Bedächtig hob er eine Spiegelscherbe auf. Kurz noch zögerte er, aber dann führte er sie zu seinem Unterarm. Langsam stach er in seine Haut und schnitt sie auf. Die brennenden Schmerzen ließen ihn nach Luft ringen. Er sah zu wie das Blut dickflüssig aus der Wunde sickerte, fühlte wie es warm über seinen Arm lief. Der Lebenssaft, der durch seine Adern floss, quoll nun aus seiner Haut hervor. Wieso durfte er leben, wenn er solche Dinge getan hatte? Seine Finger schlossen sich fester um die Scherbe. „Dean, was tust du da…?!“ Er wurde am Handgelenk gepackt... Sam. Seine Knie gaben nach. Er wurde aufgefangen bevor er auf den kalten Boden aufschlagen konnte. Warum ließ sein Bruder ihn nicht einfach fallen? Er wollte nicht mehr fühlen, nie wieder. Doch er fühlte. Scham, für den Moment. Sein Blut beschmutzte und verunreinigte Sams Kleidung. Aber der hielt ihn bloß unbeirrt weiter fest. Hielt ihn und ließ ihn nicht los. Warum hatte er ihn finden müssen? Sein Bruder hätte nichts von alle dem sehen sollen. Sag es nicht Cas, oh Gott, sag es nicht Cas, war der einzige Gedanke, den Dean zustande brachte. Hier zusammengesunken auf den unwirtlichen Fliesen eines Badezimmers. Blut tropfte herab und färbte alles rot, was damit in Kontakt kam. Absurd. In so einer Situation machte er sich ausgerechnet Sorgen darum, sein bester Freund könnte herausfinden, dass er sich selbst verletzt hatte. Sein bester Freund, der ihm schon so oft das Leben gerettet hatte… Wenn Sam nicht gewesen wäre… Wer weiß, was er sonst getan hätte… Nein, in seinem tiefsten Inneren wusste Dean genau, was er getan hätte, was er hätte tun müssen. Wenn er die Scherbe nur ein kleines bisschen tiefer gedrückt hätte… Er hätte es verdient. Der Jäger glaubte nicht an das Schicksal, aber es waren nicht nur die Schuldgefühle. Sie waren nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. War er nicht froh, dass endlich alles enden würde? Versprach der Tod nicht die lang ersehnte Erlösung? Hatte er nicht schon seit langem einen Grund gesucht alles enden zu lassen? Nun hatte er ihn gefunden. * Einen Monat war es nun schon her seit der Fluch Dean sein Eigen genannt hatte. Spiegel vermied er noch immer, denn alles, was er darin sah, war ein Monster. Er hatte bereits unter dem Einfluss des Kainsmals gestanden, war ein Dämon gewesen, hatte schlimme Dinge getan. Aber was in dieser Neumondnacht geschehen war… Diese Grenze hatte er noch nie überschritten, nicht einmal in der Hölle. Jeder Tag war seither eine Qual gewesen, doch die Nächte waren schlimmer. Die Träume hatten nicht nachgelassen, ihre Schreie waren nie verstummt. Dean war allein jagen gegangen. Oft, sehr oft. Und jedes Mal war er blutüberströmt und völlig am Ende zurückgekehrt. Zurückgekehrt zu seiner eigenen Überraschung. Er hatte jede Hilfe verweigerte, hatte sich nicht von Castiel heilen und Sam nicht einmal seine Wunden ansehen lassen. Es war als hätte er sich vollständigen von ihnen zurückgezogen. Er sprach kaum, aß kaum, vermied Begegnungen mit Menschen, hatte in den vergangenen Wochen einzig und allein so viele Monster getötet wie möglich. Nun neigte der Tag sich dem Ende entgegen, die letzten Sunden bis zum Neumond waren herangebrochen. Hier draußen zwischen den kahlen Bäumen war die Herbstluft überraschend mild, trotz des scharfen Windes. Die Blätter waren gefallen. Laub raschelte unter seinen Schuhen. Dean sah zu wie die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand und sich die Wolken gelb färbten als stünden sie in Flammen. Am Himmel bereits ein erster Stern, der die baldige Nacht ankündigte. Die Schwärze der frühen Dämmerung löste das Orange des Abends ab und ihm wurde bewusst, dass es Zeit für ihn war zu gehen. Sie bemerkten ihn nicht. Sam lachte. Castiel musste wohl wieder etwas Amüsantes gesagt haben, von dem er sich nicht bewusst war, dass es amüsant war. Deans Mundwinkel hoben sich leicht. Zu wenig für ein Lächeln, grade genug um festzustellen, dass er noch fühlte. Zuneigung, Wehmut und Gewissheit zu gleichen Teilen. Die beiden würden zurecht kommen. Sie würden aufeinander aufpassen, so wie es eine Familie nun mal tat, selbst wenn er kein Teil mehr davon sein würde. Eine Weile sah er ihnen zu, dann ging er in sein Zimmer. * Es klopfte. Dean fuhr zusammen, aber gab kein Zeichen der Zustimmung einzutreten. Er wollte allein sein und sich betrinken. Vielleicht würde der Alkohol das Kommende erträglicher machen. Sam trat trotzdem ein. Der Ältere wandte sich ab, vermied Blickkontakt so wie in den Wochen zuvor. Vielleicht hätte er damals besser seinem Bruder einen Vortrag über Privatsphäre und persönlichen Freiraum halten sollen anstatt dem Engel. Jäh stellte Dean die Whiskyflasche ab, die er gerade im Begriff gewesen war zu öffnen. Der Inhalt schwappte bedenklich und das diffuse Licht der alten Deckenlampe brach sich darin. Sam räuspert sich in die aufkommende Stille hinein. „Ich kann dich fahren, wenn du willst. Wohin möchtest du? Ich habe gehört die Loon Bar soll ganz gut sein“, schlug er vorsichtig vor. Nachdem was beim letzten Mal geschehen war, sollte er seine Worte mit Bedacht wählen. „Ich werde nirgendwo hingehen“, antwortete Dean mit belegter Stimme. Er hatte gehofft, diese Konfrontation vermeiden zu können. Schon allein Sams Anwesenheit war schmerzhaft, führte sie ihm doch vor Augen, was er zurücklassen musste. Sie verdeutlichte ihm, dass er seine Aufgabe nicht länger erfüllen konnte, immer auf seinen Bruder aufzupassen. „Das habe ich mir schon gedacht. Hier“, der Jüngere legte den Flyer eines Escortservices, in dem Callgirls ihre Dienste anboten, auf den Nachttisch neben Deans Mobiltelefon, „Du musst mit jemandem schlafen ehe die Nacht vorüber ist.“ „Das wird nicht passieren.“ Entschlossenheit schwang in jeder Silbe. Sammy sollte nicht einmal denken, er könnte an diesem Umstand etwas ändern. „Dean…“ Nein, ich habe ihn falsch verstanden, er meinte das nicht so. Gott, Dean, tu das nicht, lass mich nicht allein. Der Jüngere war wie paralysiert, er wollte nicht glauben, was er gerade gehört hatte, wollte nicht hören, zu was Dean sich entschieden hatte. „Du musst jetzt gehen.“ Sam durfte nicht länger hier sein. Schon spürte Dean die anfängliche Unruhe, das Kribbeln seiner Nerven. In diesem Zustand war er eine Gefahr für jeden Menschen, der ihm nahe genug kam, auch für seinen Bruder. „Sam, raus hier!“ Klirrend fiel die Whiskyflasche zu Boden und zersprang dort in tausend Stücke. Es war unklar, ob Dean sie mit Absicht fortgeschleudert oder ausversehen umgestoßen hatte. Die goldbraune Flüssigkeit verteilten sich über die alten Holzdielen gespickt von schimmernden Scherben. Das Glas knirschte unter seinen Schuhen, als der Größere einen Schritt auf ihn zutrat anstatt hinaus zu laufen. „Der Fluch wird dein Leben fordern!“ Das durfte nicht sein! Nachdem er seinen großen Bruder blutend im Badezimmer aufgefunden hatte, hatte er doch tatsächlich glauben wollen, das Thema wäre erledigt. So sehr hatte er gehofft, dass das Ganze nur ein einmaliger Tiefpunkt gewesen war, dass Dean sich schon wieder fangen würde. Er war ja so naiv gewesen. „Raus!“ Dean bereute ihn anschreien zu müssen. Er bereute, dass ausgerechnet das die letzten Worte an seinen Bruder sein würden. Er bereute, dass Sam ihn so in Erinnerung behalten würde, ihn wegschickend, ihn von sich stoßend. Aber es ging nicht anders. Noch ein letzter entsetzter Blick aus graubraunen Augen, Verzweiflung auf beiden Seiten, dann verließ Sam tatsächlich den Raum und Dean war allein. Endgültig. * Der Abend war nun vollständig hereingebrochen, es war bereits weit nach 20 Uhr. Die veraltete Beleuchtung des Bunkers sirrte dann und wann. Es war kühl geworden, doch Castiel spürte es nicht. Angespannt wartete er. Die Situation war heikler als Sam sie ihm beschrieben hatte, da war er sich sicher. Denn obwohl die Brüder nichts erwähnt hatten, hatte er die neuen Narben auf Deans Armen gesehen, und auf seiner Seele. Dann hörte er Schritte auf dem Gang. Sobald er Sams kreideweißes Gesicht sah, ahnte er, wie das Gespräch verlaufen war. Und der Größere bestätigte seine Befürchtung. „Dean weigert sich… weigert sich Sex zu haben. Er wird sterben, wenn er nicht…“ Seine Stimme brach. Verloren stand der jüngere Winchester-Bruder mitten im Raum. „Ich weiß nicht, was ich tun soll…“ Der Engel verstand. Dean wollte sterben, er glaubte den Tod verdient zu haben. Im Wellental konnte man den Himmel nicht sehen, das wusste Castiel nur zu gut. Er schloss die Augen, sammelte sich, als müsse er eine Entscheidung treffen. Dann blickte er auf und sagte zu Sam: „Egal was geschieht, geh nicht in das Zimmer.“ Sam schluckte. „Was hast du vor?“ „Ich werde tun was auch immer nötig ist“, antwortete der Engel monoton. Nur wenige vermochten die Furcht zu erkennen, die darin lag. "If there's even a small chance that we can save you, I won't let you walk out of this room." Castiel zu Dean 10x22 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)