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Cursed or not

von

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Verloren - Der erste Neumond


 

Verloren

Der erste Neumond

"I guess I'm not the man either of our dads wanted me to be.

I'm not a hero. I'm not strong enough."

Dean zu Castiel 4x16
 

Ein Wohngebiet in irgendeiner neuen Stadt, in einer dieser dunklen Nächte. Nur ein paar Laternen spendeten vereinzelt ihr kaltes Licht, halb verdeckt von den umliegenden Bäumen. Ihr Rauschen im Wind war das einzige, was die Stille dieser beschaulich anmutenden Straße aus bescheidenen kleinen Einfamilienhäusern durchbrach.

Ein blonder Mann stand schwankend an einen Wagen gelehnt. Schatten tanzten auf seinem Gesicht. Er hielt sein Telefon umklammert, während er auf das Freizeichen lauschte. Dann ein Klicken in der Leitung.
 

„Sam? Kannst du mich abholen?“ Etwas lag in dessen Stimme, das nur diejenigen zu erkennen vermochten, die sich seiner gewiss waren. Die Farbe einer Erinnerung, die das Timbre dunkel schwingen ließ.
 

Eine Bar beim nächsten Neumond, der Geruch von abgestandenem Zigarettenrauch, der Geschmack des letzten Drinks noch auf der Zunge, das Klicken von Billardkugeln. Eine hübsche Brünette am Nachbartisch, ein Lächeln hier, ein Kompliment dort, Dean in seinem Element. Eines hatte zum anderen geführt. Und nun stand er hier in dem flackernden Licht einer Straßenlaterne.
 

„Was? Wieso? Du hast das Auto“, sein Bruder klang schläfrig. Er hörte das Rascheln von Bettzeug am anderen Ende. Der Anruf musste ihn geweckt haben, herausgerissen aus einem der so seltenen guten Träume.
 

„Ich kann nicht fahren.“ Dean war überrascht, dass er es überhaupt geschafft hatte die Nummer zu wählen. Seine fahrigen Hände hatten ihm kaum gehorchen wollen.
 

„Bist du betrunken?“, der genervte Unterton war selbst über das Telefon unüberhörbar, „Soll ich etwa den ganzen Weg vom Motel zu dir laufen?“

In einigen Tagen löste der November den Oktober ab. Nachts war es schon empfindlich kühl. Bald würde der erste Bodenfrost seine unbarmherzigen Fesseln um die Wurzeln der Bäume legen. Verständlich, dass Sam nicht allzu erpicht darauf war hinaus zu gehen.
 

„1537 Constantine Road. Bitte, hol mich ab“, bat der Ältere eindringlich, fast flehend. Das war nicht seine Art. Nein, es war geradezu unnatürlich wie es über seine Lippen kam. Ein Verhalten völlig aus der Norm gefallen. Ein überdeutliches Warnzeichen.
 

Alarmiert von dem Zittern in der Stimme seines Bruders horchte Sam auf. Plötzlich war er hellwach. Das Wanken, das Straucheln seines sonst so unerschütterlichen felsenfesten großen Bruders beunruhigte ihn zutiefst. „Dean, was ist passiert?“
 

Es war berauschend gewesen, anders als all die unzähligen Male zuvor. Berauschend auf eine beängstigende Art und Weise. Er hatte versucht dagegen anzukämpfen und er hatte verloren, die Kontrolle und sich selbst. All seine Moralvorstellungen und Prinzipien waren hinweggespült worden. Übriggeblieben waren allein seine Impulse, seine Triebe, wie ein Tier. Erst nachdem sein Verlangen gestillt gewesen war, hatte er das leise Weinen unter sich gehört.

Und nun stand er hier in dem flackernden Licht einer Straßenlaterne und versuchte sich an ihren Namen zu erinnern. Es ging nicht. Er wusste nicht mal mehr ihren Namen.
 

Dean ließ das Telefon sinken. Er wusste nicht, ob er noch etwas gesagt hatte. Er wusste nicht, wie lange er schon hier stand. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war bis Sam auftauchte. Der Autoschlüssel fiel aus seinen bebenden Fingern, als er ihn übergeben wollte. Sein Bruder hob ihn auf.
 

„Steig ein“, sagte der jüngere Winchester, doch der Angesprochene reagierte nicht. „Dean, steig ein.“ Sanft berührte Sam ihn an der Schulter und er zuckte zusammen als hätte dieser ihn geschlagen. Dean wich dem besorgten Blick seines Bruders aus und begab sich mit vor Kälte steifen Gliedern auf den Beifahrersitz. Er hatte sie nicht bemerkt, die Kälte.
 

Der Größere fuhr schneller als gewöhnlich. Weiße, gelbe und rote Lichter vermischten sich zu undefinierbaren Schlieren, die aufleuchteten, blendeten und dann wieder in der Dunkelheit verschwanden als wären sie nie da gewesen. Dean sah apathisch aus dem Fenster, sah zu wie die Welt an ihm vorüberzog und sah doch nichts.
 

Sam bog ab. Das rhythmische Geräusch des Blinkers drang hohl und stumpf in sein Gehör.

„Nein, nicht zum Motel. Ich will nachhause, Sam. Bring mich einfach nur nachhause…“, zum ersten Mal seit ihrem Telefonat hatte er gesprochen. Die Worte krochen kratzig und scharfkantig aus seiner Kehle, als würden sie sich dagegen wehren ausgesprochen zu werden.
 

„Okay, ich hole noch unsere Sachen aus dem Zimmer.“ Dann würden sie zum Bunker fahren. Sam warf seinem Bruder einen besorgt fragenden Seitenblick zu, doch der reagierte nicht. Kein genervtes Schnauben, nicht einmal die Augen verdrehte er. Den aufgebracht schreienden oder wütend schweigenden Dean konnte er ertragen, aber das hier, das war anders. Es machte ihm Angst.
 

*
 

Es war kein Gebet gewesen, mehr ein verzweifelter Hilferuf einer Seele, der den Engel hier an diesen Ort gebracht hatte. Bäume rauschten im Wind. Dunkle Wolken wurden über das nächtliche Firmament getrieben. Der Himmel sah aus als würde er regnen wollen, aber es regnete nicht, ganz so als ob er nicht könnte.
 

Alles würde in Ordnung sein, hatte Castiel sich immer wieder gesagt, es würde so laufen wie die 218 Male zuvor seit sie sich kannten. Eine flüchtige Bekanntschaft, das was die Menschen Liebe nannten für ein paar Stunden, dann war Dean immer zurückgekehrt. Bis auf das eine Mal mit Lisa, als Sam sich geopfert hatte. Er konnte sich noch gut daran erinnern. Etwas, das seither nie wieder geschehen war. Stets war es für Dean bei kurzweiligen Begegnungen geblieben, keine festen Bindungen. Er wusste nicht, wieso er froh darüber war.
 

Doch dieses Mal war es anders gewesen. Castiel war nervös auf und ab gegangen. Irgendetwas stimmte nicht. Eine Störung in ihrer Verbindung, wie weißes Rauschen. Ähnlich wie damals während der Schübe ausgelöst durch das Kainsmal. Als Dean ein Dämon gewesen war, hatte er ihn gar nicht mehr fühlen können. Ein befremdliches und beängstigendes Gefühl. Er hatte sich so allein gefühlt. Das durfte sich nie wiederholen. Soweit würde er es nie wieder kommen lassen. Denn kaum noch konnte oder wollte Castiel sich an sein Leben vor dem Menschen zurückerinnern. Er war ein anderer gewesen. Vielleicht hatte Dean ihn zu dem gemacht, der er schon immer hätte sein sollen.
 

Eine Unruhe hatte den Engel erfasst, die er nicht hatte zuordnen können. Ihre Verbindung hatte unbestimmt gesirrt, angespannt und undeutlich. Ihm war schlecht geworden, er hatte nicht gewusst, was los war. Nur dass irgendetwas nicht stimmte, das hatte er genau geahnt. Die Ungewissheit hatte an ihm genagt und ihn an den Rand der Verzweiflung getrieben. Dann auf einmal dieses klare Signal und er hatte gewusst, was zu tun war.
 

Zwar hatte Castiel den Brüdern die Henochischen Sigillen in die Rippen geritzt, sodass er Dean eigentlich nicht hätte finden dürfen, aber er hatte seinen exakten Aufenthaltsort ausmachen können. Es hatte ihn förmlich zu dem Menschen gezogen. Dessen Sehnsucht war so stark, so intensiv, immer präsent gewesen. Wie ein klares Bild in sonst so weißem Rauschen. Ein Leuchtfeuer in vollkommener Dunkelheit. Es war mehr als ein Gebet gewesen, alles in Dean hatte nach ihm geschrien.
 

Und nun stand Castiel hier in dem flackernden Licht einer Straßenlaterne.
 


 

"You don't think you deserve to be saved."

Castiel zu Dean 4x01
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Angel_of_Thursday
2019-01-13T19:16:00+00:00 13.01.2019 20:16
Holy shit... was hat Dean nur getan? Bin ich vielleicht gespannt, wie es weiter geht! Sehr gut!
Von:  KiraNear
2019-01-12T19:51:18+00:00 12.01.2019 20:51
Es ist wirklich sehr interessant geschriewben und ich hoffe, dass Dorothy ihren Frieden am Ende finden konnte. Aber auch der Fluch hat sehr interessante Aspekte, wie auch die Zitate am Anfang und Ende eines Kapitels. Bin ebenfalls gespannt, wie es weitergehen wird und ob sie nicht doch noch einen Weg finden, um den Fluch zu brechen^^


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