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Sherry - Jenseits von Gut und Böse

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein frohes neues Jahr, wünsche ich euch allen. Ich hoffe ihr seit alle gut ins Jahr 2019 gerutscht. ^^
Gestern habe ich bereits meinen Lesern eine kleine Überraschung für den Neujahrstag versprochen und hier ist diese kleine Überraschung. Mein offizielles Zweitprojekt neben "Wegweiser ins Licht". Eine kleine Sidestory über das Leben der Shiho Miyano oder besser gesagt von Sherry und ihrem Leben in den Reihen der Männer in Schwarz.
Mich persönlich hat schon immer interessiert, wie die Vergangenheit der rotblonden Wissenschaftlerin wohl so aussah. In dieser Geschichte möchte ich genau darauf eingehen, der Zeitraum seit ihrer Rückkehr nach Japan bis zu ihrem Versuch die Organisation zu verlassen und wie ihr ihre spektakuläre Flucht gelang.
Desweiteren werden viele andere Themen von mir beleuchtet, wie sie zum Beispiel das APTX-4869 entwickelte, wie sie Gin zum ersten Mal begegnete und ihrem Verhältnis zu ihm (kein offizielles GinxSherry Pairing) und die Beziehung zu ihrer Schwester Akemi und der Umgang mit ihrem Tod. Auch andere Charaktere dürften im Verlauf der Geschichte einen kleinen Auftritt haben, hauptsächlich dreht sich die Story aber um Sherry/Shiho.
Da dies ein Nebenprojekt ist, wird ein neues Kapitel nicht jede Woche, sondern nur alle zwei oder drei Wochen erscheinen, so zumindest ist der Plan. Spätestens zum Ersten jedes Monats wird ein Kapitel hochladen, aber "Wegweiser ins Licht" hat nun einmal Vorrang.
So das war es von meiner Seite, viel Spaß mit dem Prolog. Auf eure Meinungen und Reviews bin ich sehr gespannt.

Bis dahin
Cognac Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und da melde ich mich auch schon mit dem ersten Kapitel meiner kleinen Sidestory wieder.
Es freut mich sehr, dass es bereits so zahlreiche Interessenten an dieser Geschichte gibt. Ich hoffe der weitere Verlauf wird euch zufrieden stimmen.
Während der Prolog schon ein wenig tiefer in Sherrys Leben innerhalb der Organisation gegangen ist, springt die Handlung im ersten Kapitel ganz zum Anfang. Außerdem haben gleich zwei weitere wichtige Charaktere in dieser FF ihr Debüt.
Viel Vergnügen und scheut euch nicht mir ein Review zu hinterlassen. :)

Cognac Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey Leute, es ist jetzt schon ein wenig länger her, doch nun endlich habe ich ein neues Kapitel zu "Sherry" fertig geschrieben bekommen. Es erweist sich doch schwieriger als gedacht zwei Fanfiktions parallel laufen zu haben und gerade die Beschreibungen von Gefühlen und Gedanken, die in dieser Geschichte von großer Wichtigkeit sind, sind äußerst knifflig zu schreiben und benötigen viel Zeit und eine Menge Korrekturlesen.
Daher würde ich mich um so mehr freuen, wenn ich mir doch ein Review hinterlassen könntet.
Den bisherigen Schreibern und Favoriten möchte ich schon einmal meinen Dank aussprechen.
Und nun, viel Freude bei Kapitel 3. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es hat zwar nur ein gutes halbes Jahr gedauert, aber nun endlich geht es auch mit der Sidestory Sherry weiter.
Ich kann gar nicht sagen, wie leid es mir tut, dass solange zu dieser Geschichte nichts kam, vor allem da sich einige mehr gewünscht und bestimmt schon die Hoffnung aufgegeben haben.
Eine Sache will ich aber klar stellen, ehe ihr euch auf das neue Kapitel stürzt. Ich beende eine Sache die ich begonnen habe. Das war schon immer so und das wird auch bei meinen Fanfiktions so sein, also keine Bange. Die Geschichte wird nicht einfach abgebrochen, sondern fertig geschrieben werden.

Beste Grüße, euer Cognac Komplett anzeigen

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Im Dienste der Organisation

Detektiv Conan: Sherry – Jenseits von Gut und Böse
 

»Jetzt NEU, meine Fanfiktion auch als Hörbuch: Prolog: Im Dienste der Organisation
 

Prolog: Im Dienste der Organisation
 

Die junge Frau wandelte durch die schier endlos dunkle Stille. Ihre Schritte hallten dabei durch den langen Flur. Sie folgte stumm seiner Richtung, als würde eine mysteriöse Aura sie leiten und genau wissen, wo sie hinsollte.

Der weiße Kittel, den sie trug, wehte beim Laufen um ihre grazilen Beine. Ihr schönes, jedoch blasses Gesicht wurde von rotblonden Haaren geziert. Ihr Blick war ausdruckslos und ihre Augen müde von den langen Nächten des Forschens. Die Arbeit schien nie enden zu wollen.

Sie senkte ihren Kopf und sah zu Boden, als Schwarze Gestalten, wie schweigsame Geister, an ihr vorbei wandelten. Sie beachtete sie kaum, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie interessierten sich nicht für sie und auch sie wollte, so gut es eben nur ging, den Kontakt mit ihnen aus dem Weg gehen. Der Grund dafür, die bloße Furcht von denjenigen, die sie hier hergebracht haben.
 

Die Frau mit Kittel und einem roten Rollkragen erreichte schlussendlich eine Tür, vor der sie stehen blieb. Sie verschaffte sich mit der Schlüsselkarte, die sie stets um ihren Hals trug, Zutritt zu dem Raum, welcher dahinter aus sie wartete.

Sie strich mit ihren Fingernägeln über das beschichtete Stück Plastik mit ihrem Foto darauf. Diese Karte war ihre Daseinsberechtigung, ein Zeichen und ständiger Weckruf, wer sie war und zu welchen Leuten sie gehörte und dass sie nie etwas anderes sein oder zu jemand anderen gehören würde, als zu ihnen.

Als sie eintrat und die Tür sich hinter ihr automatisch schloss, lehnte sie sich gegen die kalte glatte Wand und atmete tief durch. Sie war zurück, zurück in ihrem kleinen Reich, ihrem Labor.

Die junge Frau war der ganzen harten Arbeit überdrüssig geworden, doch war dies immer noch besser, als dort draußen zu sein, dort wo die eigentlichen Gefahren lauerten und die wahren Grausamkeiten stattfanden.

Immer, wenn sie ihr Fort verließ, aus welchem Grund auch immer, fürchtete sie sich. Immer wenn sie sich unter ihresgleichen begab, wuchs die Angst in ihr. Sie setzte ihre Maske auf, eine Maske aus gefühlsloser Gleichgültigkeit, welche sie sich mühsam antrainiert hatte, um sich und auch ihre Schwester zu schützen.

Jedes Mal betete sie, sie würde wieder unbeschadet zurückkehren, nur damit sich alles von Neuem wiederholen konnte.

Sie würde gerne behaupten, sie wünschte sich frei zu sein, doch die grausame Wahrheit war, dass sie gar nicht wusste, wie sich eine solche Freiheit anfühlte. Ihr Leben begann im Schoße der Organisation und ihr Leben würde vermutlich auch genau dort enden. Sie hat nie etwas anderes kennengelernt, im Gegensatz zu ihrer Schwester. Wie häufig schwärmte diese ihr vor, wie schön es wäre, wenn sie beide einfach von diesem Ort verschwinden könnten und nie wieder zurückblicken müssten.

Sie liebte ihre Schwester, sie war die einzige der sie vertrauen konnte, die einzige Rettungsleine, die sie davor bewahrte in den Fluten des Verbrechens zu ertrinken und neben ihr, dass einzige noch lebende Mitglied ihrer einstigen und wahren Familie.
 

Seit gerade mal drei Monaten war die junge Frau wieder in ihrer Heimat, in Japan, nachdem sie für Jahre in Amerika auf eine spezielle Schule gehen musste, getrennt von ihrer Schwester und jeder Verbindung zu ihren Wurzeln.

Wie lange sie ihre Schwester dadurch nicht mehr gesehen und wie sehr sich die rotblonde Frau, in der Zeit ihrer Abwesenheit, doch verändert hatte.

Das Leben in der Organisation hat sie zunehmend abgestumpft, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie nicht zu ihnen gehörte und auch nie ein Teil von ihnen sein wollte. Niemals.

Doch saß sie fest. Es gab kein Entrinnen, für keine der beiden Geschwister.

Im Grunde müsste sie sich keine Sorgen machen, dass ihr etwas passieren könnte, sie war zu wichtig für die Männer in Schwarz, wie sie sich nannten. Sie brauchten sie und das gab ihr eine gewisse Sicherheit, setzte sie aber gleichzeitig auch unter massiven Druck. Es wurde viel von der jungen Wissenschaftlerin -die sie war- erwartet, eigentlich schon fast das schier unmögliche, doch wenn es jemand schaffen konnte, dann einzig und allein sie. Es war Fluch und Segen zugleich, da die Organisation sie nie aus den Augen und niemals ziehen lassen würde. Zu wertvoll war sie und zu viel wusste sie, um jemals aus freien Stücken lebend ihrem Griff zu entfliehen.
 

Allmählich gelang es ihr, all diese düsteren Gedanken wegzuwischen und sich wieder bewusst zu machen, dass Arbeit auf sie wartete und baldige Fortschritte verlangt wurden.

Sie fasste sich an ihr Herz und fühlte wie es wild in ihrem Brustkorb schlug.

Langsam ging sie hinüber zu einer Kaffeemaschine und goss sich etwas von dem fertigen koffeinhaltigen Heißgetränk in eine Tasse, ehe sie an ihren Arbeitsplatz herantrat und sich auf dem Stuhl davor niederließ.

Die rotblonde Wissenschaftlerin massierte angespannt ihre Schläfen und schloss nur für einen kurzen Moment die Augen, bevor der Stress aufs Neue an ihr Nagen würde.

Sie nahm einen großen Schluck von dem braunen Gebräu und starrte auf den flimmernden Monitor vor sich.

Die junge Frau begutachtete eine neue Formel, welche sie kreiert hatte, seit sie Teil der neuen Forschungsabteilung wurde. Einst eine Erfindung ihrer Eltern, welche genau wie sie fest in der Gewalt dieser Männer waren, bis zu jenem schicksalshaften Tag an denen sie aus ihrem Leben gerissen wurden, bevor sie sie überhaupt richtig kennenlernen konnte. Das alles geschah schon vor so vielen Jahren, dass sie sich nicht einmal mehr an ihre Gesichter erinnerte.

Ihr Vermächtnis, ihre Forschung, war alles was von ihnen übrig geblieben ist.

Seit der Aufnahme ihrer Tätigkeiten in diesem Verbrechersyndikat, hat sie diese Forschung, nach Jahren der Stagnation, wieder aufgenommen und versuchte die Erfindung ihrer Eltern weiterzuentwickeln.

Die junge Frau konnte es sich nicht erklären, doch wenn sie daran arbeitete fühlte sie sich ihnen nah, obwohl sie wusste, dass das Unsinn war. Jedoch spendete es ihr auf eine gewisse Art und Weise Trost.

Ihr Ziel, oder besser gesagt ihr Auftrag war es, ihre Erfindung zunehmend zu perfektionieren, sodass sie bald ihren ersten großen Einsatz haben würde.

Die Frau starrte auf die Bezeichnung, die ihre Eltern sich für das Projekt ausgedacht hatten. In der Organisation war es allgemein als „Detektiv in Kinderschuhen“ bekannt, wobei sie allerdings nicht so recht nachvollziehen konnte, wie sie damals wohl darauf gekommen waren. Sie selbst nannte es lieber einfach nur Apoptoxin.

Das "Apop" kam hierbei von dem Wort Apoptose, was so viel wie programmierter Zelltod bedeutete und das "Toxin" wiederum, vermittelte unmissverständlich die Funktion ihrer neuesten Entwicklung.

Es war ein Gift, geschaffen um zu töten, um für die Organisation zu töten, um ihren Unterdrückern zu dienen.

Wenn das Gift erst einmal vollständig ausgereift sei, wäre niemand in der Lage nach dessen Einsatz, die Ursache des Todes eines jeden, der diese tödliche Erfindung einnehmen sollte, festzustellen. Der heilige Gral für einen perfekten Mord, für viele unzählige Tötungen, die durch ihre Kreation erst ermöglicht werden würden. Zwar wäre sie nicht dabei, wenn es passieren würde, wenn das Gift zur Anwendung käme, doch mit jedem Menschen, der dem Apoptoxin zum Opfer fallen würde, würde mehr und mehr Blut an ihren Händen kleben.

Ihr wurde wieder schlecht. Sie hatte das Gefühl, als müsste sie sich übergeben.

Schnell sprang sie auf und eilte aus ihrem Labor.
 

Als sie blinklinks hinausstürmte, stieß sie ungewollt mit jemandem auf dem Flur zusammen. Die junge Frau fiel dabei unsanft auf den Boden und hielt sich benommen den Kopf.

„Hey kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?“, fuhr sie ein stämmiger Mann an.

„Entspann dich Wodka. Du führst dich ja so auf, als wäre sie mit DIR zusammengestoßen.“, entgegnete eine gelassene aber gleichzeitig unfassbar kalt klingende Stimme.

Die rotblonde Wissenschaftlerin sah hinauf zu den beiden Männern in Schwarz und schaute dabei in das Gesicht eines Mannes mit auffällig langem blonden Haar, einem schwarzen Hut auf seinem Haupt und gefährlich funkelnden grünen Augen.

Sie bekam eine Gänsehaut und kroch instinktiv einige Zentimeter zurück.

Als sie merkte, wie dadurch ihr dunkelroter Rock nach oben rutschte, hielt sie Inne und zog ihn schnell wieder ein Stück nach unten. Sie drückte ihre Hände in den Schoß und atmete nervös ein und aus.

Ein einziger Fehler. Nur ein Moment der Unachtsamkeit, fluchte sie innerlich, während der blonde Mann vor ihr, welcher vom Boden aus die Größe eines Riesen hatte, sie neugierig aber auch mit einem Hauch von Argwohn beäugte.

„E-Es tut mir leid. Das war mein Fehler bitte entschuldigen Sie.“, druckste die Frau, als sie sich wieder aufrappelte.

„Sei das nächste Mal einfach vorsichtiger, verstanden? Nicht jeder hier ist so herzensgut wie ich es bin.“, erwiderte der große stattlich gebaute Mann kühl.

Sein Partner, mit einer Sonnenbrille auf der Nase, sah sie nur grimmig an.

„J-Ja selbstverständlich.“, versicherte ihm die Frau und ging schnellen Schrittes an den beiden Männern vorbei.
 

Der Blonde sah ihr auffällig lange hinterher, sodass sein Partner nicht sofort weiterging.

„Hey Aniki…“

Keine Reaktion.

„Hey… äh…“

Wieder nichts.

„Gin, …alles in Ordnung?“

Endlich reagierte der Angesprochene und wandte sich zu ihm um, ehe er sich seelenruhig eine Zigarette anzündete.

„Wer ist sie?“, fragte er trocken.

„Meinst du die Kleine von eben?“

Wodka deutete in die Richtung, in die die rotblonde Frau verschwunden war.

„Wenn ich mich nicht Irre lautet ihr Name Shiho Miyano. Sie ist noch nicht lange bei uns und arbeitet bei Pernod in der Forschungsabteilung. Ich kann ihm gerne sagen, er soll ihr etwas bessere Umgangsformen beibringen, wenn du verstehst was ich meine.“, grinste Wodka daraufhin.

Gin hingegen blies, unbeeindruckt von Wodkas Vorschlag, den Rauch zwischen seinen Zähnen hindurch.

„Ich will alles über sie wissen. Kümmere dich darum.“, verlangte er.

Wodka kratzte sich nachdenklich am Kopf.

„N-Nun gut ja mach ich, aber warum eigentlich?“, wollte sein Partner wissen.

Gin setzte sich in Bewegung und Wodka musste zusehen, dass er hinterherkam und nicht einfach so im Gang stehen gelassen wurde.

„Ich habe ihren Blick gesehen. Dieser Ausdruck in ihren Augen. Sie ist anders als die üblichen Laborratten, die hier ein und aus gehen.“, erwiderte Gin entschieden.

„Um ganz genau zu sein, die Kleine interessiert mich.“, grinste er nun bittersüß.

Tue was verlangt wird

Kapitel 1: Tue was verlangt wird
 

Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 1: Tue was verlangt wird
 

Die Nacht war bereits hereingebrochen, als eine Frau mit langem braunen Haar, Mitte zwanzig, an einen der vielen Anlegestellen für Schiffe am Frachthafen von Tokyo stand und auf das triste rabenschwarze Meer hinaussah.

Ein Zigarettenstängel glühte auf, als die Frau ihre Lippen an den Filter legte und das Nikotin langsam aufsog. Sie hielt den Rauch dabei eine Weile, ehe sie diesen mit einem lauten Seufzer gen Himmel blies. Sie wirkte nachdenklich und hatte ihre Augen geschlossen.

Es war schummrig. Die Sonne schon vor geraumer Zeit vom Antlitz des Horizontes getilgt worden, sodass ihr Körper fast gänzlich mit dem Schatten der mächtigen Frachtcontainern verschmolz, welche sich hinter ihr zu dutzenden Reihen, übereinander gestapelt, in den Himmel erhoben.

Die Frau schaute auf ihre Armbanduhr. Sie wartete auf jemanden, auf jemand ganz bestimmten und er sollte lieber auftauchen, ehe sie zu ende geraucht hätte, dachte sich Akemi ein wenig ungeduldig.
 

„Du sagtest doch, du wolltest mit dem Rauchen aufhören.“, ließ sie eine Stimme zusammenfahren.

Rasch drehte sie sich um und da stand er auch schon vor ihr. Wie ein Geist, war er still und heimlich hinter ihr aufgetaucht. Er verstand es wirklich unauffällig zu sein, als wäre er eins mit der Nacht.

„Dai, da bist du ja endlich.“, sprach die junge Miyano erfreut.

Sie sah auf ihre Zigarette, ehe sie sie schnell wegschnipste.

„Du hast recht, ich wollte damit aufhören, bevor meine Schwester zurückkehrt. Was wäre ich denn für ein Vorbild, wenn sie mich dabei erwischen würde. Sie würde mir womöglich sofort eine Predigt halten, wie viele schädliche Stoffe man seinem Körper damit tagtäglich zufügt.“

Sie sah dem Mann vor sich in die markanten grünen Augen, dann umarmte sie ihn und drückte sich fest an ihn.

„Wieso hast du so lange gebraucht?“, flüsterte Akemi, während sie ihr Gesicht in seinen schweren schwarzen Mantel vergrub.

Sein langes ebenso schwarzes Haar, wehte dabei um seine Schultern, getragen von der kühlen frühnächtlichen Meeresbrise.

„Es tut mir leid, aber ich konnte nicht früher kommen. Ich hatte einen Auftrag zu erfüllen.“, antwortete Dai kühl, jedoch versöhnlich gestimmt.

Akemi löste sich wieder von ihm.

„Tue mir einen gefallen und lass uns heute Abend bitte nicht über die Organisation reden.“

Er nickte stumm und ging einige Schritte.

„Du hast deine Schwester eben erwähnt. Ist es wahr, dass sie aus Amerika zurückbeordert wird, um Teil der Forschungsabteilung zu werden?“

Akemi bestätigte dies.

„Ja es stimmt. Da ihr Studium nun abgeschlossen ist, soll sie hier in Japan künftig für sie arbeiten. Sie sagten mir, meine kleine Schwester sei unerlässlich für die künftigen Pläne der Organisation.“
 

In Akemi brodelte eine ungewöhnliche Mischung aus Vorfreude und Missbilligung auf.

Sie wünschte sich nichts Sehnlicheres, als nach all den Jahren wieder mit Shiho vereint zu sein. Sie direkt vor sich zu haben, um sie in den Arm nehmen zu können.

Normalerweise telefonierten sie ausschließlich miteinander und auch nur, wenn es ihnen erlaubt wurde. Allein anhand von Bildern, die sie sich hin und her schickten, wusste Akemi wie ihre kleine Schwester inzwischen zu einer bildschönen jungen Frau herangewachsen war.

Wie glücklich reagierte sie daher, als Shiho erlaubt wurde, wieder nach Hause zu kommen. Sie war ganz aus dem Häuschen, in Erwartung ihrer Rückkehr. Als sie aber mehr und mehr in sich ging und ihr so langsam klar wurde, weswegen die Männer in Schwarz sie wieder in ihrer beider Heimat haben wollten, schlug ihre Stimmung blitzschnell um.

Auch wenn sie ihr wieder nah sein würde, wäre es nicht so wie früher, als sie noch klein waren und schon damals war es nicht immer leicht gewesen, vor allem nach dem Tod ihrer Eltern.

Akemi war bewusst, wofür sie Shiho brauchten, man hatte sie schließlich jahrelang darauf vorbereitet und ausgebildet. Sie war immerhin die Tochter von Elena und Atsushi Miyano. Diese Namen waren jedem in der Organisation bekannt und diese Namen würden sicherlich schwer auf den Schultern ihrer jüngeren Schwester lasten. Sie würde unweigerlich immer tiefer in dem Morast dieses Verbrechersyndikats versinken und Akemi wusste nicht, wie sie sie davor bewahren sollte.

Zwar befand sie sich in einer ähnlichen Situation, war aber freiwillig der Organisation beigetreten, um ihrer Schwester beistehen zu können. Für Shiho würde alles noch um einiges schlimmer werden. Sie war immerhin um einiges wertvoller, als Akemi.
 

Die junge Frau wollte nicht länger über solche Dinge nachdenken, sich nicht länger damit quälen, was passieren könnte. Sie würden das schon gemeinsam durchstehen. Wenn sie erst einmal wieder vereint wären, würden sie alles überleben. Das haben sie schließlich damals auch, zusammen mit der Hilfe eines guten alten Freundes der Familie. Womöglich war dieser sogar der Grund, warum sie beide überhaupt noch lebten. Er würde sicherlich ebenso auf sie Acht geben, wie Akemi es tun würde. Zumindest wäre er häufiger in Shihos Nähe, als die Braunhaarige.

Sie gesellte sich neben Dai und verfolgte seinen Blick erneut hinaus auf das Meer.

„Ich kann es kaum erwarten euch endlich miteinander bekannt zu machen. Seit wir zusammen sind, erzähle ich Shiho ständig von dir, wenn wir miteinander telefonieren.“

Akemi schloss die Augen und spürte den Wind auf ihrer Haut.

„Immer wenn ich ihre Stimme höre und ich meine Augen dabei schließe, fühlt es sich fast so an, als würde sie genau vor mir stehen. Kannst du dir das vorstellen?“

Dai hob eine Augenbraue und sah seine Geliebte fragend an.

„Ihr redet über mich?“

Akemi sah ihn nun etwas beleidigt an.

„Du hörst mir ja gar nicht richtig zu, kann das sein?“

Dai legte seinen Kopf schief, die Augen fest an seiner Freundin verankert.

„Ich habe dir zugehört und du sagtest ihr redet über mich.“, erwiderte er monoton.

Akemi musste grinsen und hakte sich bei ihm ein.

„Ein wenig.“

„Was hast du ihr denn erzählt?“

„Die Wahrheit natürlich.“, entgegnete Akemi sofort.

Dai runzelte die Stirn, was sie natürlich bemerkte und sogleich hinzufügte:

„Ich gebe zu, sie ist zwar skeptisch was dich anbelangt, aber das ist nun einmal ihre Masche und wir sind nun einmal Schwestern, da solltest du nicht allzu viel Begeisterung erwarten, aber ich bin mir sicher, ich werdet euch schnell anfreunden.“

Sie lächelte mit einem Gesicht, dass einem Engel glich, wodurch Dai sie einfach nur anstarrten konnte.

Sie war so herzensgut und unschuldig. Es hatte immer den Anschein, als könnte sie, allein mit ihrem Lächeln, alles Böse auf dieser Welt und die schrecklichsten Gedanken eines jeden Menschen vertreiben.

Eine solche Frau gehörte einfach nicht in eine Verbrecherbande, wie die Schwarze Organisation, dachte er sich.

Seine Ermittlungen trugen derweilen immer mehr Früchte und er stieg schneller in ihren Rängen auf, als seine Kollegen vom FBI es je für möglich gehalten hätten. Wenn er die Männer in Schwarz erst einmal tief genug unterwandert hätte, so erhoffte er sich, Akemi und wenn es ging auch ihre Schwester, heil aus ihrem Griff befreien zu können, bevor er all ihre Anführer der Justiz ausliefern und den Machenschaften der Organisation ein Ende bereiten würde.

Niemals würde er sie einfach zurücklassen. Anfangs war das vielleicht der Plan gewesen, doch nun hatte sich bereits zu viel zwischen ihnen entwickelt. Aus einem Mittel zum Zweck wurde eine große aufblühende Liebe, die Shuichi niemals aufgeben würde, um keinen Preis der Welt.

Akemi bedeutete dem FBI-Agenten eine ganze Menge und das wusste sie auch. Ihr ging es dabei ja nicht anders, jedoch wusste sie nicht im Entferntesten, wer ihr Dai in Wirklichkeit war.
 

Sein Pieper rüttelte ihn auf einmal aus seinen Gedanken.

Er fischte das kleine schmale schwarze Gerät aus seiner Manteltasche und las die Botschaft. Sein Blick wandelte sich und Akemi ahnte bereits, was das zu bedeuten hatte.

„Sag mir nicht du musst schon wieder los.“, sprach sie enttäuscht.

„Ich habe keine Wahl, es ist etwas Dringendes. Einer unserer Informanten ist dahinter gekommen, dass ein NOC sich in die Organisation eingeschlichen hat. Ich soll mich persönlich darum kümmern.“

Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste ihr entschuldigend auf die Stirn.

Ein schwarzes Auto kam kurz danach herangefahren und hielt zwischen einen der Reihen von Containern.

„Diesmal haben sie mich ja ziemlich schnell gefunden.“, bemerkte er trocken, als er zu dem Wagen hinüber sah.

Das Scheinwerferlicht erhellte die Passage, in der sie standen und Dai konnte deutlich die Bedrücktheit und Beunruhigung in Akemis Augen sehen. Sie war keineswegs zufrieden darüber, dass er schon wieder ging und auch nicht damit wohin er ging.

„Wirst du ihn oder sie töten?“, fragte sie zögerlich.

„Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn nicht sehr gut. Sein Name ist Scotch und es wird bereits nach ihm gesucht. Anscheinend weiß er bereits, dass er aufgeflogen ist und versucht zu fliehen. Ich kann nur hoffen, dass ich ihn als erstes finde, bevor es die anderen tun.“

Er ließ von ihr ab und schritt auf das Fahrzeug zu, welches hier war, um ihn abzuholen.
 

„Rye?“

Er stoppte als Akemi mit seinem Codenamen nach ihm rief.

Zu ihrer und auch seiner Sicherheit, durfte niemand von der Organisation wissen, was zwischen ihnen ablief. Sollte sich ungeplanter Weise vorzeitig herausstellen, dass er ein Undercoveragent ist und nur durch die Hilfe Akemis sich hocharbeiten und Informationen sammeln konnte, so würde gewiss sie als erstes für seine Unternehmungen den Preis zahlen müssen.

Shuichi Akai drehte sich zu ihr um, wobei sein Schatten von den Lichtern des Wagens bis zu den Füßen Akemis getragen wurde.

Er sah ihren Gesichtsausdruck, welcher längst nicht mehr weich und verletzlich war.

Der FBI-Agent war immer wieder erstaunt, wie viel Kraft sie aufbringen und wie taff und mutig sie sein konnte und allem trotzte, was das Schicksal ihr abverlangte.

„Was ist denn noch, Masami Hirota?“, brach er die Stille zwischen ihnen.

Akemi zog eine Diskette aus ihrer Jacke und warf sie zu Rye rüber.

„Vergiss nicht, wofür du mich herbestellt hast.“, antwortete sie gekonnt professionell.

Sie lächelte wieder und auch Shuichi musste kurz schmunzeln.

„Sei vorsichtig.“

Er nickte und ließ die leere und unbedeutende Diskette in seinen Mantel gleiten.

Er öffnete die Beifahrertür und stieg in das Auto, was sofort mit ihm davon fuhr.

Akemi sah dem Wagen noch eine Weile nach, während der Lärm des Motors durch die Containerreihen hallte und bevor sie von der Dunkelheit der Nacht erneut verschluckt wurde.
 

Es war ihr erster Tag, als die großen schweren Türen sich elektronisch gesteuert öffneten.

Der Mann ging zielgerichtet vorneweg, während Shiho ihm mit einem gewissen Abstand folgte.

Sie wurde an mehreren Laboren vorbeigeführt, wo an vielen sterilen weißen Tischen, Leute in ebenso weißen Kitteln mit Chemikalien experimentierten, durch Mikroskope starrten und dabei ihre Erkenntnisse notierten oder ihre entwickelten Proben in Versuchsreihen testeten.

„Das ist sie.“, verkündigte der Mann stolz.

Es war ein eher rundlicher Kerl mit einer Halbglatze, gekleidet wie ein Facharzt und vermutlich Anfang vierzig, so schätzte Shiho. Nur noch ein Kranz aus braunem Haar seitlich von seinem Kopf zeugte davon, dass er früher wahrscheinlich deutlich volleres Haar hatte, als es jetzt der Fall war.

Solche Typen kannte sie zu Hauf aus ihrer Zeit in Amerika. Viele von ihnen hoch angesehene promovierte Professoren, welche auf der Gehaltsliste der Organisation standen und sie unterrichtet hatten.

„Das ist die Forschungsabteilung, dein neues Zuhause und fortan wahrscheinlich auch dein einziges Zuhause.“, sprach er an die junge rotblonde Frau gewandt.

Shiho antwortete ihm nicht, sondern sah sich ganz genau in den Laboren um, die sie passierten. Diese ganzen Forscher und Wissenschaftler, die dort unermüdlich für die Organisation arbeiteten, es waren alles ihre neuen Kollegen. Mit ihnen würde sie voraussichtlich demnächst viel Zeit verbringen.
 

Es war ganz anders als in Amerika und erst recht anders, als sie es erwartet hätte.

Anfangs war Shiho mehr als glücklich darüber gewesen, die Staaten endlich verlassen zu können, um wieder in Japan zu sein und nach all der langen Zeit auch ihre Schwester wiederzusehen. Als diese um die Erlaubnis bat Shiho allein vom Flughafen abzuholen und sie Akemi dann hinter der Gepäckausgabe auf sie warten sah, war die Rotblonde der festen Überzeugung gewesen, dass es jetzt nur besser werden konnte. Immerhin war sie nun nicht mehr allein.

Die Einsamkeit hätte sie fernab der Heimat beinahe aufgefressen. Sie durfte sich mit niemanden treffen, mit niemanden ausgehen, nicht wie eine normale Jugendliche sein.

Als Shiho aber heute zu ihrem ersten Arbeitstag erschien, fand sie sich erneut in einer völlig anderen Welt wieder. Eine dunkle und abgeschottete Sphäre, die Labore der Forschungsabteilung. Gut getarnt in einer, nach außen hin, harmlos wirkenden Arzneimittelfabrik mitten in Tokyo.

Es war der perfekte Ort, um Erfindungen auf Geheiß der Organisation zu entwickeln, ohne dass dies auffallen würde. Chemische Substanzen, biologische Untersuchungen, Wissenschaftler und all ihre Forschungsarbeiten würden an einem solchen Ort genauso wenig Aufsehen erregen, wie Bienen in einem Bienenstock. Nur waren sie keineswegs Bienen. Sie waren viel mehr wie Wespen, ähnlich aussehend, doch ein ganz anderes Ziel verfolgend und ohne Skrupel zuzustechen, wenn es die Situation verlangte.
 

Sie gingen weiter, bis ein etwas älterer Herr sie bemerkte und auf sie zu kam.

Er musste mindestens Ende sechzig sein, mit grauem lichtem und etwas zerzaustem Haar, faltigem Gesicht und einer Hornbrille auf der Nase. Vom äußeren Erscheinungsbild unterschied er sich nicht im Entferntesten vom Rest der um sie herum Anwesenden, doch schienen die Leute ihn auf eine spezielle Weise zu achten.

„Ah das ist sicherlich Frau Miyano. Willkommen in unserer bescheidenden Einrichtung. Danke das du sie vorbei gebracht hast Uchida, ich übernehme hier jetzt für dich. Du hast sicherlich noch eine Menge zu erledigen.“

Der Angesprochene schien aus irgendeinem, für Shiho unerfindlichen Grund, damit nicht vollends einverstanden zu sein.

„Gibt es noch etwas?“, fragte ihn der alte Mann. Seine Augen waren zu Schlitzen geformt und funkelten listig, wie die eines Luchs.

Uchida schüttelte wortlos den Kopf und entfernte sich von den Beiden. Er murmelte bei seinem Abgang etwas Unverständliches vor sich hin.

Shiho sah ihm kurz desinteressiert nach, bevor sie sich an ihre neue Begleitung wandte.

Er stellte sich bei ihr als Pernod vor, der derzeitige Leiter der Forschungsabteilung von der Schwarzen Organisation.

Natürlich wusste Shiho, dass Pernod nicht sein richtiger Name war, sondern eine Spirituose, ein Anisée aus Frankreich, um genau zu sein.

Es war sein Codename, den er von den Männer in Schwarz in seiner Position schon vor vielen Jahren verliehen bekam, wie er ihr erzählte.

Jeder Mann und jede Frau, der oder die eine wichtige Funktion in ihren Reihen innehatte, erhielt einen solchen Titel.

Alle besitzen sie Namen von alkoholischen Getränken, ein Markenzeichen von ihnen, genau wie das tragen ihrer rabenschwarzen Gewänder. Er verleiht dem Träger eine gewisse Stellung und die nötige Autorität. Die unteren Schichten in der Organisation brauchten einen nicht zu kennen, der Name allein sollte ihnen genug Respekt einflößen.
 

Nach ihrer gegenseitigen Bekanntmachung führte er sie weiter durch den Forschungsapparat und Shiho war erstaunt, dass sie nicht bei den anderen Wissenschaftlern blieben, sondern nun, nachdem sie einen großen Forschungssaal durchquert hatten, in einen Bereich mit sondierten einzelnen Laboren, unterschiedlicher Größe und Spezialausstattung geführt wurde.

„Laut den Anweisungen, die ich von oben erhalten habe, wirst du dein eigenes Labor bekommen. Alles was du für deine Forschungen benötigst sollst du bekommen.“, sprach der alte Mann, welcher vorrausging.

„Wieso bekomme ich schon mein eigenes Labor? Ich bin doch gerade erst eingetroffen. Arbeite ich nicht zuerst mit den anderen Wissenschaftlern zusammen?“, fragte die junge Frau, als sie vor einer der Labore Halt machten und Pernod die Tür öffnete.

„Ich fürchte vorerst nicht. Sie sind nur Handlanger, kleine Fische wenn du so willst. Sie tun das, was man ihnen sagt. Beachte sie am besten nicht weiter und sehe dich auch nicht als eine von ihnen. Du bist nämlich zu sehr viel mehr auserkoren worden Shiho Miyano.“, erwiderte der Mann, ehe er verdeutlichte, dass sie doch bitte einzutreten solle.

Die Rotblonde gehorchte nickend, obwohl man ihrem Gesicht ansehen konnte, dass sie noch nicht so recht verstand.
 

Sie betrat das Labor, gefolgt von Pernod. Die Tür hinter ihnen, schloss sich sofort wieder.

„Betrachte es, als dein eigenes kleines Reich.“, grinste der alte Mann, als er seinen Arm durch den Raum wandern ließ.

Shiho war erstaunt, mit welcher Technik das Labor ausgestattet war. In den USA hatte sie, während ihres Studiums, nie ein solches Equipment für ihre Experimente und Recherchen zur Verfügung gehabt. Allein der Platz, den sie hier zur freien Entfaltung hätte.

Ein unscheinbares Lächeln zuckte über ihre Lippen.

„Das ist beeindruckend.“, begegnete sie ihrem neuen Arbeitsplatz mit Begeisterung und ging auf einen der Schränke mit den verschiedensten Chemikalien zu.

„Wie viele unterschiedliche Versuche und Studien ich hier durchführen kann.“

Pernod räusperte sich.

„Es tut mir leid dir das zu sagen, aber du wirst nichts dergleichen tun.“, riss er sie ziemlich schnell wieder aus ihren anfänglichen Schwärmereien.

„I-Ich versteh nicht ganz.“ Die junge Frau drehte sich zu dem alten Forschungsleiter um.

„Die Organisation wollte mich unbedingt wegen meiner Fähigkeiten hier in Japan haben.“

„Die Organisation wollte dich nur aus einem einzigen Grund und allein dafür hat man dich von klein auf geschult und von den Besten unterrichten lassen. Nur du allein wärst in der Lage diese große Aufgabe zu stemmen an dem ich und mein Team schon seit Jahren scheitern.“

Er stellte sich vor sie und schaute sie mit einem festen Blick an.

„Du sollst das Erbe deiner verstorbenen Eltern fortführen, ihre Forschung, die sie selbst nicht beenden konnten.“

„M-Meine Eltern?“, stammelte Shiho.

In ihr machte sich ein Gefühl von aufkommenden Tränen breit, doch das letzte was sie jetzt wollte, war es Schwäche zu zeigen. Das machte einen nur verwundbar und verwundbar zu sein, war gefährlich innerhalb der Organisation. Sie konnten es wittern, wenn du schwach warst, so wie ein Wolf ein verletztes Wild, innerhalb der Herde, problemlos aufspüren konnte.

„Ja, die Forschung deiner Eltern. Dies ist auch der Grund wieso du abseits der anderen arbeiten wirst. Du bist mit einer der wichtigsten Aufgaben unserer Abteilung beauftragt worden.“

Pernod legte ihr fast schon väterlich eine Hand auf die Schulter, was Shiho ein wenig irritierte. Seine Haltung ihr gegenüber war anders als bei den Leuten, denen sie bisher begegnet ist.

„Hör zu mein Kind. Du musst wissen, ich bin schon lange im Dienste der Organisation tätig und kannte auch deine Eltern sehr gut.“
 

Er sah sich kurz zu beiden Seiten um, als befürchte er, jemand könnte ihnen zuhören, doch waren sie vollkommen ungestört.

„Ich habe mit deinem Vater, Atsushi Miyano, seit er bei uns angefangen hat, sehr lange eng zusammengearbeitet und auch seine Frau Elena, deine Mutter, kannte ich gut. Wir waren alle drei über ein Jahr lang die führenden Köpfe dieser Abteilung gewesen.“

Shiho war mehr als überrascht dies zu hören.

„Sie… sie kannten meine Eltern?“

Pernod lächelte kurz.

„Ja allerdings. Elena war eine wunderschöne Frau, du ähnelst ihr sehr mit deinem ebenso rotblondem Haar und Atsushi, ein echter Wissenschaftler mit Leib und Seele. Hin und wieder war er zwar ein echter Dickkopf, wenn es um seine Forschung ging, aber sie liebten sich sehr und auch ihre Arbeit. Was die beiden aber noch mehr liebten als alles andere auf dieser Welt, das waren ihre beiden Töchter.“

Shiho wischte sich schnell, mit ihrem weißen Ärmel, die Tränen aus den Augen. Auf keinen Fall wollte sie weinen, nicht hier, nicht jetzt. Sie musste sich zusammenreißen.

„Wenn das wirklich so sei, dann wären sie für ihre Forschungen niemals einen solchen Deal mit der Organisation eingegangen. Sie haben ihrer Arbeit so viel geopfert, selbst ihre Leben durch diesen dummen Laborunfall.“, antwortete sie traurig und verletzt.

Pernod sah bedrückt zu Boden und schien zu überlegen.

„Tzz, ein Unfall haben sie es genannt.“ Seine Stimme klang auf einmal sehr wütend.

Die rotblonde Frau sah den alten Mann fragend an.

„Was meint ihr damit?“

Pernod bemerkte, was er so soeben gesagt hatte und versuchte schnellstmöglich seine Gedanken wieder zu ordnen und dieses Thema besser hier und jetzt abzuschließen.

Er musste auf der Hut sein. Die Tochter seiner alten Freunde durfte es noch nicht erfahren, nicht bevor der richtige Zeitpunkt gekommen wäre.
 

„Ach vergiss es, es ist schon so lange her, da war ich noch bedeutend jünger als ich es heute bin. Wer weiß wie lange die Organisation noch für mich Verwendung hat.“

Er wandte sich von ihr ab und ging wieder zurück zur Tür, blieb aber davor stehen.

„Alle Informationen über deinen Auftrag und die Forschungsunterlagen deiner Eltern, findest du auf deinem Computer und falls du einmal Hilfe brauchen solltest, so zögere nicht zu mir zu kommen. Auch wenn du es vielleicht nicht glauben magst, aber du hast hier mehr Freunde, als nur deine Schwester Akemi.“

Shiho lächelte ihm dankend zu.

Sie war wirklich froh, dass es jemanden in ihrer Abteilung gab, dem sie anscheinend vertrauen konnte und der sogar ihre Eltern gekannt hatte.

Vielleicht könnte sie mit seiner Hilfe etwas mehr über ihre Mutter und ihren Vater erfahren und was für Menschen sie wirklich waren.

Womöglich würde es ihr eventuell sogar gelingen zu verstehen, wieso ihre Eltern sich damals überhaupt mit der Organisation eingelassen und sie und ihre Schwester nun in eine solch aussichtslose Lage manövriert haben.
 

Pernod war schon fast durch die Tür verschwunden, da fiel der jungen Frau etwas ein, dass sie noch unbedingt wissen wollte, ehe sie sich an die Arbeit machte.

„Was ist das eigentlich voran meine Eltern, bis zu ihrem Tod, geforscht haben?“

Der Forschungsleiter hatte geahnt, dass diese Frage noch kommen würde.

Er machte ein trauriges, aber auch müde wirkendes Gesicht.

„Es ist ein Gift, geschaffen im Namen der Organisation, um Menschen zu töten.“

Rätselhaftes Vermächtnis

Kapitel 2: Rätselhaftes Vermächtnis
 

Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 2: Rätselhaftes Vermächtnis
 

Es herrschte eine absolute Stille in dem Labor. Nur das gleichmäßige Brummen ihres Computers erfüllte die ruhige Atmosphäre.

Der Monitor hatte bereits vor geraumer Zeit auf den Bildschirmschoner gewechselt und zeigte das komplexe 3D-Gebilde eines Moleküls, welches sich kontinuierlich um die eigene Achse drehte.

Mehrere Kaffeetassen standen ausgetrunken um ihren Arbeitsplatz verteilt und auch die Kanne in der Kaffeemaschine beherbergte keinen einzigen Tropfen des koffeinhaltigen Getränks mehr.

Shihos Haupt ruhte auf dem Schreibtisch, die Tastatur beiseitegeschoben. Ihre Augen waren geschlossen und ihre Schultern bewegten sich im Takt ihrer Atemzüge auf und ab.

Sie war eingeschlafen. Die Müdigkeit hat sie einfach übermannt.

Die junge Wissenschaftlerin arbeitete Tag und Nacht und auch wenn sie dagegen war, sie erforschte das Gift ihrer Eltern. Es war immerhin ihr Auftrag, das was die Männer in Schwarz von ihr verlangten und weswegen sie überhaupt hier war.

Insgesamt waren es nun schon sechs Wochen.

Als Pernod es ihr am Anfang auf ihre Bitte hin erzählte, hatte sie es kaum glauben wollen.

Ihre Mutter und ihr Vater haben tatsächlich an etwas gearbeitet, was dazu bestimmt war Menschen zu töten.

Auf den ersten Moment war dies natürlich nur schwer zu verdauen gewesen.

Für solch eine Forschung sollen sie alles aufs Spiel gesetzt haben, sogar ihr Leben?

Shiho war vermutlich zu jung gewesen, um sich zu erinnern, doch selbst Akemi schwor nichts davon gewusst zu haben. Das rotblonde Fräulein hatte keine Ahnung wer ihre Eltern waren und vor allem, wie sie waren. Immer nur hat sie Geschichten von ihrer Schwester erzählt bekommen, was es für sie nur noch schwieriger machte sich vorzustellen, dass ihre Eltern so eine Forschung einst betrieben haben. Vielleicht kannten sie beide ja ihre Eltern nicht wirklich.

Die Forschung der Miyanos wurde solange geheim gehalten und nun wusste Shiho auch wieso. Sie hätte sich von Anfang an geweigert, hätte sie auch nur geahnt wozu die Organisation sie einsetzen würde.

Nun war es jedoch zu spät. Ihr Leben hatte ein Weg ohne Rückkehr eingeschlagen und ihr blieb nichts anderes übrig, als das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Sie wollte weiterhin nicht daran glauben, dass ihre Eltern freiwillig daran geforscht haben, sondern dass auch sie von den Männern in Schwarz dazu gezwungen wurden. Pernod hat ihr leider diesbezüglich nichts Genaueres verraten wollen. Also machte Shiho das, wozu man sie beauftragt hat. Sie entwickelte das Gift weiter, in der Hoffnung, die Wahrheit zu entschlüsseln und durch die Fortsetzung ihrer Arbeit, ihre Mutter und ihren Vater ein wenig besser verstehen zu können. Sie wollte ergründen, wieso sie das alles auf sich genommen haben, was letztendlich auch dafür gesorgt hat, dass auch sie nun hier war.
 

Shiho schrag hoch, als ein lauter Knall sie weckte.

Irritiert und auch ein wenig verängstig sah sie sich um und ihr Blick fiel dabei auf den Tisch gegenüber, den sie für ihre Testreihen benutzte.

Verdammt ihre Proben, erinnerte sich die verschlafene Wissenschaftlerin wieder, als sie das Chaos bemerkte. Die Reagenzgläser sollten doch nur kurz erhitzt werden. Nun waren sie unter der hohen Temperatur zersprungen und die darin enthaltenen Flüssigkeiten auf dem Boden ausgelaufen und das alles nur, weil sie kurz eingenickt war.

Die rotblonde Frau fuhr sich angespannt durch die Haare.

Jetzt durfte sie noch einmal von vorne beginnen und dabei verlangten ihre Vorgesetzten baldige erste Resultate.

Sie sprang ruckartig von ihrem Drehstuhl auf und riss versehentlich dabei eine der leeren Tassen mit sich.

Shiho fluchte lautstark.

„Ah, so ein Mist.“, zischte sie.

Frustriert kniete sich die junge Dame hinunter zu den Scherben, um die Folgen ihrer Ungeschicklichkeit zu beseitigen.

Zur gleichen Zeit betrat Akemi das Labor und hatte dabei ein breites Lächeln aufgesetzt.

„Guten Morgen Schwesterherz, wie geht es dir?“, begrüßte sie Shiho und bemerkte dabei ziemlich schnell das zerbrochene Glas und die auslaufenden Chemikalien.

Ein weiterer Blick in das genervte Gesicht ihrer Schwester, die gerade dabei war die Scherben einer Tasse einzeln aufzusammeln, erübrigte sogleich ihre Frage.

„Nicht so gut wie es scheint.“

Akemi biss sich bei ihren Worten vorsichtig auf die Unterlippe.

Die Jüngere seufzte gestresst.

„Bitte sage mir nicht, es ist wirklich schon wieder Morgen.“

Auch wenn Akemi dies gerne verneint hätte, deutete sie auf ihre Armbanduhr, welche bereits acht Uhr in der Früh anzeigte.

Shiho vergrub das Gesicht in ihren Händen.

Es war also schon wieder eine weitere Nacht herum, stellte die Wissenschaftlerin zerknirscht fest.

Sie spürte deutlich, wie ihr Zeitgefühl in diesem Betonklotz, indem sie Tagaus Tagein arbeitete, vollkommen verloren ging.

Akemi betrachtete das Nervenbündel, dass ihre Schwester darstelle und ihr Blick wurde warm und tröstend. Sie gesellte sich zur ihr auf den Boden und half dabei, all die Unordnung ihres missglückten Versuches zu beseitigen. Gleichzeitig bemühte sie sich, Shihos Stimmung wieder ein wenig zu heben.
 

„Wann warst du das letzte Mal bei dir zuhause gewesen und hast dich mal so richtig ausgeschlafen?“, erkundigte sich die Braunhaarige, nachdem das Labor wieder hergerichtet war.

Shiho zuckte nur mit den Achseln und saß bereits wieder an ihrem Computer.

Ihre Augenringe und ihr übermüdeter Blick sprachen jedoch Bände.

Ihr kleines Appartement in der Stadt hat sie schon seit Tagen nicht mehr von innen gesehen.

Die Couch in der Ecke ihres Labors funktionierte sie daher immer mehr zu einem Bett um, worauf sie vielleicht ein, zwei Stunden Schlaf am Tag fand, ehe sie ihre Arbeit fortsetzte.

Wie ihr bereits schon gesagt wurde, die Forschungsabteilung war ihr eigentliches Zuhause, nicht etwa die vierzig Quadratmeter in Haido. Zumindest gab es im Labor auch eine Dusche, die Shiho benutzen konnte. Ein Mangel an Schlaf bedeutete noch lange nicht, dass sie auch auf ihre Körperhygiene verzichten würde.

Akemi kam einige Schritte auf sie zu und schaute über den Schreibtisch hinweg, auf dem sich die leeren und schmutzigen Kaffeetassen zu stapeln drohten.

„Und wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“

Erneut reagierte die Jüngere kaum merklich.

Sie war noch eifrig am Tippen, als die Wissenschaftlerin an der Hand gepackt und von ihrem Stuhl gezogen wurde.

„Gut wie du willst, dann gehen wir jetzt zusammen in einem Café was frühstücken. Du musst hier dringend einmal raus und zwar schnellstens. Ich bringe dich wieder unter die Menschen Schwesterherz.“, grinste die Ältere mit einer unglaublichen Überzeugungskraft, sodass Shiho nicht mehr außer ein paar vereinzelte Laute des Protests einwerfen konnte, bevor sie das Labor verließen.
 

Eine dreiviertel Stunde später waren sie in einem Café, was Akemi schon seit längerem ins Auge gefasst hatte und saßen sich bei einer Tasse Tee, Orangensaft und Croissants gegenüber.

„Na?“, wollte die Braunhaarige neugierig wissen. „Gib es zu, es tut gut mal die Arbeit zu verlassen und der Laden ist übrigens super, wie ich finde. Wir sollten öfters hier gemeinsam hingehen.“, schlug Akemi vor.

Shiho nickte schwach.

„Es… es hilft tatsächlich dabei den Kopf wieder frei zu bekommen.“, gestand sie vorsichtig und nippte an ihrem Tee.

Akemi lächelte breit. Das war genau das, was sie von ihrer kleinen Schwester hören wollte. Allerdings wollte sie gleichzeitig, da sie jetzt ein wenig ungestört waren, ein Thema ansprechen, was die beiden genau dahin zurückbringen würde, von wo sie vor kurzem noch geflohen waren.

„Wie geht es mit deiner Forschung voran, also mit Mutters und Vaters Forschung meine ich?“, fragte die Ältere zügig über den Rand ihrer Tasse hinweg.

Shiho runzelte die Stirn.

„Du hast mich in ein Café geschleppt, weg von der Arbeit, um dann genau darüber mit mir zu reden?“

„Nein“, erklärte Akemi schnell. „Es ist nur, mich interessiert das sehr. Es geht immerhin um unsere Eltern und um ihr Vermächtnis an uns.“

„Ja, ein wirklich tolles Vermächtnis.“

Shiho stieß einen Laut der Abneigung aus.

„Niemand behauptet ein Gift wäre etwas Gutes oder gar Löbliches.“, erwiderte Akemi.

„Du hast wohl vergessen für wen wir arbeiten Schwester.“

Die Worte der Rotblonden klangen wie ein Weckruf.

„Ich meine ja nur. Sie haben dir all ihre gesammelten Aufzeichnungen überlassen, alles was unsere Eltern in ihrer Zeit in der Organisation getan haben. Vielleicht befindet sich darunter auch etwas, was speziell an uns adressiert ist.“

„Ich hatte noch keine Zeit mir alle Dateien anzusehen, die ich von Pernod bekommen habe.“, gab Shiho zu, wobei sich schlagartig ihre Müdigkeit zurückmeldete.

„Er hat diese Informationen wie seinen eigenen Augapfel gehütet, seit Mutter und Vater verunglückt sind.“, ergänzte sie.

Akemi musste lächeln.

„Ja, er war schon früher immer wie ein Onkel für dich und mich und somit praktisch Teil unserer Familie. Du kannst froh sein, dass er dein Vorgesetzter ist.“

Die junge Wissenschaftlerin schüttelte den Kopf.

„Er ist nicht mein Vorgesetzter. Die hohen Tiere, die die ganz oben in unserer eigenen kleinen Nahrungskette stehen, das sind meine wahren Vorgesetzten und diese interessiert nur eine Sache von unseren Eltern und das ist dieses bescheuerte Gift.“

„Was hat es mit diesem Gift überhaupt auf sich?“, fragte Akemi zögerlich.

Shiho atmete tief ein und wieder aus.

„Ich weiß es nicht um ehrlich zu sein. Du hast ja gesehen wie es um meine Fortschritte steht. Eine solch komplexe Struktur ist mir noch nie unter die Lupe gekommen. Es scheint unglaubliches Potenzial dahinterzustecken, doch die Männer in Schwarz wollen es nur zum Töten einsetzen.“

„Ist es überhaupt tödlich?“

Akemis nächste Frage war nun nicht mehr ganz so zaghaft.

„Schon möglich.“, antwortete ihr Shiho.

„Es besitzt zurzeit zwar nur eine schwache Letalität, doch ich bin mir sicher man kann diesen Wert bis auf hundert Prozent steigern. Somit wäre es, in Bezug auf die Einnahme, in jeder Hinsicht das Ende für den Konsumenten. Mir ist allerdings ein Rätsel, wie eine solche aggressive Substanz später bei einer Untersuchung nicht nachweisbar sein soll.“

„Sie verlangen da anscheinend das unmögliche von dir.“, schlussfolgerte Akemi aus ihrem Bericht.

„Aus irgendeinem unerfindlichen Grund bin ich da anderer Überzeugung Schwester.“, entgegnete Shiho in Gedanken versunken und spielte dabei mit dem Teebeutel, welchen sie um den Griff ihrer Tasse gewickelt hatte.
 

Sie starrte ein Weile in die trübe Brühe, bevor sie den Kopf schüttelte und ein gespieltes Lächeln aufsetzte.

„Doch lass uns doch bitte jetzt über was anderes reden. Ich werde noch früh genug zurück im Labor sein und mich wieder damit auseinandersetzen dürfen.“

Shiho räusperte sich kurz.

„Wie läuft es zwischen dir und diesem Dai?“, kam ihr die spontane Idee eines neuen Unterhaltungsthemas.

Akemi schien sich über diese Frage sichtlich zu freuen und begann sofort munter drauflos zu plaudern.

Die Rotblonde nahm ihre Tasse dabei in ihre beiden Hände und hörte ihrer Schwester genauestens zu. Sie sog jedes Wort von ihr auf, einfach alles, was nichts mit dem zu tun hatte, was sich innerhalb der getarnten Arzneimittelfabrik tagtäglich abspielte.

Sie sah Akemi in die leuchtenden Augen und bemerkte wie glücklich sie mit diesem Dai war. Es musste bestimmt schön sein verliebt zu sein oder zumindest geliebt zu werden. Shiho selbst durfte so etwas noch nie fühlen, noch nie erfahren.

In Amerika wurde sie ständig überwacht. Interaktionen mit Außenstehenden waren strikt untersagt gewesen, jeglicher Kontakt verboten. Selbst wenn ein harmloser Kommilitone sie nur auf einen Kaffee einladen wollte, wurde dies unterbunden. Jeder der sich ihr näherte wurde von ihren Bewachern verscheucht und am Ende, war sie mehr und mehr eine Gemiedene.

Der einzige Kontakt den sie besaß, war der zu den Männern der Organisation, doch sie konnte sich nicht vorstellen mit jemanden von deren Gleichen zusammen zu kommen. Allein dieser Gedanke ließ sie erschaudern und sich schütteln.

Diese Leute waren gefährlich und die meisten interessierten sich nicht das Geringste für sie und darüber war sie eigentlich auch ganz froh. Sie verachtete sich schließlich. Sie waren immerhin seit ihrer Geburt damit beschäftigt ihr Leben Stück für Stück zu ruinieren. Einzig und allein Pernod war ihr freundlich gesonnen und das war die erste Person seit vielen Jahren der Einsamkeit.

Dai Moroboshi schien aber auch eine Ausnahme zu sein, so wie Akemi immer von ihm sprach. Irgendwie wurde Shiho das Gefühl nicht los, dass er anders war, als der Rest dieser Killer, obwohl er auf den ersten Blick auch etwas Furchteinflößendes an sich hatte.

Sie selbst war sich sicher, mit einen von ihnen würde sie sich niemals einlassen. Unter keinen Umständen.
 

Nachdem die beiden Geschwister ihre Pause abseits der Organisation beendet hatten, bezahlten sie ihre Rechnung und machten sich auf nach draußen.

Als Akemi die Eingangstür öffnete, huschte ein junges Paar an ihnen vorbei, hinein in das Café. Shiho warf nur flüchtig einen Blick auf die beiden augenscheinlichen Schüler, ehe sie hinaus auf den Bürgersteig trat.

>Noch so ein Pärchen<, dachte sie sich nur, mit einem Anflug von Neid und zog sogleich mit ihrer Schwester von dannen.

„Hey Shinichi, da am Fenster ist doch ein schöner Platz, oder? Der scheint soeben frei geworden zu sein.“, sprach das junge Fräulein in Schuluniform zu ihrer männlichen Begleitung.

Der junge Bursche mit wildem schwarzem Haar nickte nur stumm und spähte, durch das Schaufenster hindurch, den beiden Frauen nach, die das Café soeben verlassen und vor ihnen an dem nun freien Tisch gesessen hatten. Ihm war die Haarfarbe von einer von ihnen aufgefallen. Sie war keinesfalls eine reine Japanerin. Höchstwahrscheinlich europäische Wurzeln, britische womöglich sogar. Shinichi musste dabei unweigerlich an Sherlock Holmes denken, während er so analysierte.

„Shinichi“, meldete sich eine empörte Ran unweit von seinem Ohr.

„Jetzt sag nicht du siehst schon wieder irgendwelchen Leuten hinterher und versuchst dabei ihre Hobbies oder ihre Berufe oder dergleichen zu erraten. Das machst du nämlich andauernd.“

Der Sprössling der Familie Kudo rieb sich ertappt den Hinterkopf.

„Hey ich bin eben Detektiv und muss meine Augen für meine Umgebung schulen. Jeder noch so kleine Hinweis, kann das Indiz sein, was uns letztendlich zur Wahrheit führt.“, gab er sich geheimnisvoll und nahm eine angeberische Denkerpose ein.

Die junge Mori seufzte lautstark.

>Bestimmt wieder irgend so ein Holmes-Zitat<, dachte sie sich ihren Teil dazu.

Dieser Krimifreak hat auch für nichts anderes Augen und Ohren als dafür.
 

Zurück in ihrem Labor, widmete sich Shiho sogleich wieder ihrer Arbeit und begann ihre missglückte Versuchsreihe aufs Neue.

Endlich machte sie doch erste zögerliche Fortschritte.

Ihr gelang es weitere Teile, die Zusammensetzung des Giftes, zu entschlüsseln. Wenn sie es noch weiter analysieren würde, wäre sie bald in der Lage es nach ihrem Belieben zu verändern.

Der Abend war mittlerweile herangebrochen und während Shiho im Labor forschte und ihre Ergebnisse penibel dokumentierte, raste ein dunkler Porsche 356A über den Asphalt der Straßen Tokyos.

Der Fahrer trug, trotz der Tageszeit, eine Sonnenbrille, auf dessen Gläsern sich die Lichter der Stadt spiegelten. Er verzog keine Miene, während er das Lenkrad fest mit seinen Händen umklammerte, als handelte es sich bei dem Wagen um ein rohes Ei.

Sein Beifahrer, ein Mann mit langen blonden Haaren, zog entspannt an einer Zigarette und tippte auf seinem Handy einige Tasten.

„Ich verstehe das nicht.“, klang der Fahrer ein wenig verärgert. „Was ist denn so besonders an diesem Typen?“

Sein Partner machte einen genervten Eindruck.

„Ich habe es dir doch schon oft genug erklärt Wodka. Die Organisation hat stets ein wachsames Auge auf seinen Nachwuchs und dieser Dai Moroboshi hat einen bisherigen Karrierelauf hingelegt, wie ich ihn bisher nur selten gesehen habe. Er hat noch nicht einmal besonders lange seinen Codenamen und dennoch ist der Boss von seinen Fähigkeiten mehr als beeindruckt.“

„Nur weil er den Verräter Scotch getötet hat und das vor Bourbon.“, schnaubte Wodka unbeeindruckt.

„Das tut vielleicht auch zur Sache, ist aber gewiss nicht ausschlaggebend.“, gab Gin zum Besten. „Rye scheint ein wahres Multitalent zu sein. Seine Fähigkeiten als Scharfschütze sind erstklassig, den meinen schon fast ebenbürtig.“

„Aber das der Boss ihn tatsächlich als potenziellen Partner für dich sieht ist doch…“, Wodka brach ab, als die Augen seines Gesprächspartners ihn fixierten.

„Du bist ziemlich neugierig. Ich weiß nicht ob dir das gut bekommt.“, funkelte ihn Gin bedrohlich an. „Und außerdem ist noch nichts entschieden. Rye muss sich diese Ehre erst noch verdienen. Wir werden ihn testen und sehen, ob er wirklich dem würdig ist.“, sprach er weiter, als er seinen Blick wieder von Wodka abgewendet hatte.

„Eins kann ich dir aber versichern. Er hat ebenfalls die Augen eines Killers.“

Mit diesen Worten zerdrückte der blonde Hüne die heruntergebrannte Zigarette im Aschenbecher des Porsches.

„Und jetzt zerbreche dir nicht weiter den Kopf darüber, sondern sehe zu, dass wir pünktlich am Trainingsgelände ankommen. Ich will die neuen Rekruten die wir bekommen haben in Augenschein nehmen.“

„Geht klar.“, gab Wodka zu verstehen und erhöhte das Tempo.

Auf eine Auseinandersetzung mit Gin war er nun wirklich nicht scharf.
 

Der Oldtimer brauste mit Höchsttempo über die Schnellstraße Richtung Industriegebiet.

Ein paar Minuten später erreichten sie ein abgesperrtes Areal mit mehreren großen und besonders langen Lagerhallen.

Die beiden Männer in Schwarz verließen ihr Fahrzeug und steuerten auf die größte der dort stehenden Hallen zu. Wie die Arzneimittelfabrik, verbarg auch diese nach außen hin, was ihre eigentliche Nutzungsweise anbelangte. Im Inneren war nämlich ein weiter und variationsreicher Schießstand aufgebaut, welcher mehrere Szenarien unter den verschiedensten Einflüssen simulierte. Die jeweiligen Trainingspunkte und ihre Ziele hatten Entfernungen von 300 Yards und aufwärts. Es handelte sich also um eine Ausbildungszone für Scharfschützen.

Gin sah sich zufriedenstellend um.

„Sehr gut, alles ist vorbereitet.“

Er drehte sich zu seinem Partner um, welcher langsam hinter ihm her gelaufen war.

„Warum das alles eigentlich?“, gab Wodka sich schwerfällig.

„Die Organisation erweitert ihre Kapazitäten in Hinsicht auf Attentate und schnelle chirurgische Eingriffe.“, erklärte der Blonde. „Doch dafür brauchen wir verständlicherweise auch mehr Scharfschützen. Die notwendigen Positionen sind durch unseren derzeitigen Bestand, um ehrlich zu sein, ein wenig unterbesetzt. Rye ist zwar ein guter Schütze, wird aber anderweitig benötigt und Calvados hat bereits alle Hände voll zu tun.“

Gin hob einen Arm, um drei Männern im Hintergrund ein Zeichen zu geben.

„Holt das Frischfleisch herein.“, befahl er mit dominanter Stimme.

Kurz darauf wurden vier Personen, zwei Männer und zwei Frauen, zu Gin und Wodka eskortiert.

Sie alle hielten Präzisionsgewehre in ihren Händen, machten aber einen unsicheren und nervösen Eindruck.

Alle vier stellten sich vor Gin in einer Reihe auf und präsentierten ihre Schusswaffen.
 

Der großgewachsene Mann ging vor ihnen auf und ab und musterte jeden von ihnen mit seinem kalten finsteren Blick. Niemand wagte es Augenkontakt aufzunehmen, was ganz und gar Gins Erwartungen entsprach.

„Ihr habt noch einiges vor euch, um echte Scharfschützen zu werden. Dennoch wurdet ihr vier als die Besten von unserer Akademie in den Staaten hierher nach Japan gesandt. Ich kann euch aber bereits versprechen, dass wir uns gewiss nicht mit zweiter Wahl zufrieden geben werden. Wir werden euch auf die Probe stellen und nur die, die wir für fähig genug befinden, werden unserer Organisation auch weiterhin treu dienen dürfen.“, verkündete Gin.

Er bewegte sich auf die erste Trainingseinheit zu.

Wodka verfolgte stumm sein Einführungsprogramm.

„Ihr beginnt mit etwas leichtem, quasi ein Test der Mindestanforderungen unsererseits. Das erste Ziel ist ungefähr 300 Yards entfernt. Die Bedingungen für einen Schuss allesamt optimal. Ich erwarte einen Treffer direkt zwischen die Augen. Wer hier bereits scheitern sollte, ist unwürdig für mehr von meiner kostbaren Zeit.“

Er sah die vier Gestalten vor sich abwechselnd an.

Sein Blick haftete auf einer der beiden Frauen.

„Du“, sprach er so kalt, dass sich bei der jungen Dame die Nackenhaare aufstellten.

„Komm her zu mir.“

Zögerlich hob sie ihren Kopf, schritt auf Gin zu und blieb kurz vor ihm stehen. Er überragte die Anwärterin deutlich.

„Wer bist du?“, fragte Gin bissig.

„Niemand“, druckste die Frau.

„Ich habe gefragt wer du bist?“, wiederholte er seine Frage ein wenig lauter und mit zunehmendem Nachdruck in der Stimme.

Die Frau zuckte zusammen, bemühte sich aber anschließend um eine gerade und selbstsichere Haltung.

„Ich bin niemand.“, sprach sie nun deutlicher.

„Zeig mir dein Gewehr.“

Sie überreichte wortlos ihre Sniper.

Gin prüfte die Waffe ausgiebig.

„Eine HK PSG1“, bemerkte Gin nüchtern. „Ein Selbstlader, 51mm, geformter Griff aus Holz, Magazin mit bis zu zwanzig Schuss, allerdings ein wenig schwerer als andere Modelle und nur bis zu einer Reichweite von 650 Yards zu gebrauchen. Ist das deine Schmerzgrenze? Können wir von dir nicht mehr erwarten, als einen Schützen, der mit seinem begrenzten Gewehr wild drauflos ballert?“

Er kam dem Gesicht der Frau gefährlich nahe.

Sie konnte seinen warmen Atem spüren und wich eingeschüchtert zurück. Ihr linkes Auge, welches von einem Schmetterlingstattoo geziert wurde, zuckte ein wenig vor Anspannung.

„Nettes Tattoo“, flüsterte Gin amüsiert über ihren Anblick.

Er warf ihr das Gewehr entgegen, was die Frau mit rotem Dutt geradeso auffangen konnte.

„Also schön“, fuhr der Hüne fort und trat einen Schritt beiseite, wodurch er ihr den Blick auf die Schießanlage freigab.

„Zeit für eine kleine Darbietung.“, grinste er.

Leid der Generationen

Kapitel 3: Leid der Generationen
 

Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 3: Leid der Generationen
 

„Das ist es.“, triumphierte die rotblonde Wissenschaftlerin und blickte zufrieden auf vermutlich jene Lösung ihrer Probleme, die ihr nächtelang den Schlaf geraubt hatten.

Ihre erste eigene Version des Giftes. Sie nannte es Apoptoxin, kurz APTX.

Woche für Woche hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie man ein ausreichend tödliches Gift entwickeln konnte, ohne dass es jedwede Rückstände im oder am Körper eines Betroffenen hinterließe.

Eines frühen Morgens stieß sie endlich auf die Antwort darauf.

Das Schlüsselwort war Apoptose, ein programmierter Zelltod und mit der richtigen Herangehensweise unmöglich nachzuweisen. Eine saubere Methode zur Vernichtung von auf Kohlenstoff basierenden Organismen und sie wäre vermutlich die erste Wissenschaftlerin, der eine solche Errungenschaft gelingen würde.

Allmählich wurde ihr klar, was sie da eigentlich in Gedanken von sich gab.

Shiho schreckte aus ihrem Erfolgsrausch auf.

Was zum Teufel war los mit ihr? War sie bereits schon so abgestumpft?

Färbte der kriminelle Einfluss dieser Verbrecherorganisation, der sie angehörte, etwa mehr und mehr auf sie ab?

Sie arbeitete ununterbrochen an diesem Gift. Es war mittlerweile zu dem geworden, wofür sie lebte, ihr Lebenswerk wenn man so wollte.

Doch konnte oder sollte man sich für etwas dergleichen überhaupt rühmen?

Es war der Beginn ihrer Beihilfe zu vielen Morden die folgen würden, sobald ihre Formel des Giftes erst einmal ausgereift wäre und erste erfolgreiche Testergebnisse erzielt hätte.

Die Antwort der Organisation zu diesem Thema, konnte sie sich denken, verfolgte sie immerhin ihre Interessen. Was hatte das Wort Moral da noch für eine Bedeutung.
 

Sie brachte ein wehmütiges Lächeln hervor, als sie an ihre Eltern denken musste.

Wären sie stolz auf sie, dass sie drauf und dran war das zu erreichen, woran ihre Kollegen seit Jahren scheiterten oder wären sie eher enttäuscht zu sehen, dass sie ihre Arbeit fortsetzte und zunehmend für das gezielte Töten von Menschen perfektionierte.

Die bittere Wahrheit, sie wusste es nicht.

Das letzte Verbindungsstück zu ihren Eltern und sie hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt zu diesem Gift standen, ob sie es befürworteten oder verabscheuten.

Shihos Lächeln verblasste und eine einzelne Träne kullerte über ihre Wange.

Was sollte sie denn anderes tun? Sie war in einem Teufelskreis gefangen.

Die Rotblonde gab es ja zu, sie vergrub sich absichtlich so sehr in ihre Forschung, um zu vergessen woran sie da überhaupt arbeitete. Denn jedes Mal, wenn sie sich wieder daran erinnerte, fühlte sie sich elendig und ihr wurde schlecht. Da konnte auch ihre Maske aus Emotionslosigkeit, die Mauer, die sie zum Schutz ihrer selbst, begann um sich herum zu errichten, nicht drüber hinweg täuschen.

Die junge Frau erhob sich von ihrem Stuhl und fuhr ihren Arbeitsplatz herunter.

Sie würde morgen noch einige kleine Veränderungen vornehmen, bevor sie Pernod über ihre Fortschritte in Kenntnis setzen würde. Sie wollte wissen was er von ihrer Kreation hielt, denn mit der Zeit hat sie den alten Mann sehr zu schätzen gelernt.

Eine Zustimmung seinerseits und sie könnte sich zumindest ein klein wenig besser fühlen. Wenn er stolz auf sie wäre, dann wären es ihre Eltern womöglich auch gewesen.

Als die letzte Lampe im Labor ausging, warf sich Shiho ihren Mantel um, holte ihre Haare mit einer schwungvollen Bewegung aus dem von ihrer Jacke bedeckten Nacken und wandte ihrer Forschungsdomäne den Rücken zu.

Leiste zischte die Tür, als diese sich schloss und automatisch verriegelte.
 

Am darauffolgenden Tag verbarrikadierte sich Shiho in ihrem Labor.

Sie war mit ihren Nerven so ziemlich am Ende.

Wieder einmal zeigte sich, wie gefährlich das Empfinden von Schuld oder das Zeigen von Schwäche war. Sie hatte einfach nicht aufgepasst, war geblendet gewesen von ihren Gefühlen, denen sie für einen kurzen Moment die Oberhand gewinnen ließ und war somit diesen beiden Typen auf dem Flur direkt in die Arme gelaufen.

Sie dachte wirklich es wäre um sie geschehen. Allein wenn sie sich diesen furchteinflößenden Kerl, mit dem langen blonden Haar, erneut vor Augen führte.

Ein einschneidenderes Erlebnis hatte die junge Frau bisher noch nicht erlebt und durch ihre Unachtsamkeit hätte es auch ihr letztes sein können.

Shiho musste auf der Hut sein. In ihrem Labor war sie zwar sicher, so glaubte sie es zumindest, doch da draußen, außerhalb ihrer heiligen Zone, war sie ein gefundenes Fressen für die Männer in Schwarz, wenn sie es zuließe.
 

Einen Tag später traute sie sich wieder hinaus aus ihrem sicheren Hafen und machte sich auf die Suche nach Pernod.

Mit ihrem weißen Kittel auf den Schultern und einer Akte mit ihrem Zwischenbericht über das Apoptoxin vor der Brust, schritt sie zügig durch die Forschungsabteilung.

Ihre Augen huschten nervös durch die Gegend.

Shiho hing immer noch der Schock ihrer gestrigen Begegnung in den Knochen. Das letzte was sie nun wollte war, noch jemandem, vielleicht sogar ein einflussreiches Organisationsmitglied, auf die Füße zu treten.

Die Wissenschaftlerin versuchte bei klarem Verstand zu bleiben, doch aus irgendeinem Grund musste sie ständig an das Aufeinandertreffen mit diesem Hünen zurückdenken.

Diese Augen, etwas Vergleichbares hatte Shiho noch nie zuvor gesehen. Diese Kälte, die in ihnen ruhte und dann war da noch etwas gewesen, schwer zu erfassen.

Sie ging weiter und erreichte das große Hauptlabor.

Die rotblonde Frau war erleichtert, als sie endlich Pernod in der Ferne erblickte.

Sie steuerte direkt auf ihn zu, erstarrte jedoch und ließ schlagartig ihre Akte fallen, als sie bemerkte wer bei ihm stand.

Ihre Dokumente landeten nicht gerade leise auf dem Boden vor ihren Füßen und das lose gedruckte Papier darin, verteilte sich quer in alle Richtungen.

Alle Blicke der Mitarbeiter im Labor richteten sich auf sie. Auch der Forschungsleiter und der Mann mit dem langen blonden Haar bei ihm, hatten sie inzwischen bemerkt.

Gin grinste vergnügt, als er Shiho dabei beobachtete, wie sie sich hektisch hinkniete, um jeden Teil ihres Berichts wieder einzusammeln.

Ihr Kopf war hochrot und sie warf mit leisen Verwünschungen um sich, die allesamt ihr selbst galten. Wieso konnte sie sich nicht zusammenreißen?

Die anderen Wissenschaftler widmeten sich wieder ihren Aufgaben und beachteten ihre junge Kollegin nicht weiter. Niemand versuchte ihr zur helfen, was entweder Gleichgültigkeit oder der Anwesenheit ihrer gestrigen Bekanntschaft geschuldet war.

Sie spürte, dass er eine gewissen Autorität und Dominanz ausstrahlte.

>Verdammt, also war er tatsächlich ein hohes Tier, welcher sich womöglich bei Pernod beschwerte oder gar schlimmeres<, ging es ihr durch den Kopf.
 

Langsam rappelte sich Shiho, wenn auch ein wenig ungeschickt, wieder auf und strich ihren Rock glatt, bevor sie mit gefühlt immer kleiner werdenden Schritten zu Pernod und dem großgewachsenen Mann herüberging, der sie die ganze Zeit über nicht aus den Augen ließ.

Sie biss sich nervös auf die Unterlippe.

>Bleib ruhig Shiho, ganz ruhig<, befahl sie sich selbst.

„Wirklich reizend.“, lächelte Gin bittersüß, als sie bei ihnen ankam.

Shiho wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen.

Sie hatte bisher noch nie groß Kontakt zu anderen Organisationsmitgliedern außerhalb der Forschungsabteilung, abgesehen von Akemi und ihren Freund Dai. Der Grund dafür lag wohl auf der Hand.

„Nun ja, vielleicht sollte ich euch beiden erst einmal bekannt machen.“, räusperte sich Pernod.

„Oh wir kennen uns bereits.“, kam ihm der blonde Hüne zuvor.

Der Forschungsleiter sah ein wenig irritiert zu Shiho, die seinen Blick nur kurz auffing, ehe sie schwer schluckte.

„Schon gut, war alles halb so wild. Nur ein bisschen ungeschickt die Kleine.“, beruhigte Gin seinen älteren Kollegen mit einem vielsagenden Augenschwenk gen Shiho.

„Wie ich hörte ist sie das große Wunder deiner Forschungsabteilung Pernod.“

Gin deutete ihm mit einer kurzen Geste an, dass er ruhig fortfahren soll.

Dieser nickte verhalten aber bestätigend.

„Ähm, Shiho Miyano?“

Sie schaute auf, als Pernod ihren Namen aussprach.

„Das ist Gin. Er ist einer der sieben direkten Vertreter unseres Chefs und hat die oberste Befehlsgewalt über die Mitglieder der Organisation hier in Japan.“

Die rotblonde Frau biss kaum merklich die Zähne zusammen.

>Das konnte doch alles nicht wahr sein<, fluchte sie innerlich. Wieso musste ausgerechnet ihr das passieren. Der Kerl vor ihr war nicht nur ein hohes Tier, er war DAS hohe Tier. Eine Person mit Macht und Einfluss und niemanden der es wagen würde, sich ihm in den Weg zu stellen.
 

„E-Es tut mir wirklich leid, dass ich gestern, i-ich meine…“, versuchte sie sich zu erklären.

„Vergiss es einfach.“, meinte Gin trocken, was der Rotblonden einen Schauer über den Rücken jagte.

„Gin hat von unserer Weiterentwicklung des „Detektivs in Kinderschuhen“ erfahren und zeigt großes Interesse an dem neuen Gift.“, klinkte sich Pernod wieder in das Gespräch ein und trat einen Schritt vor Shiho.

„Du sagtest du wolltest mir heute deine Zwischenergebnisse vorzeigen? Wenn du sie mir überreichst, kann ich sie Gin später zukommen lassen.“

„Warum denn so umständlich?“, mischte sich Gin ein.

„Jetzt ist sie doch schon einmal hier und es ist immerhin IHRE Erfindung oder etwa nicht? Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass dir nie ein auch nur ansatzweise vergleichbarer Fortschritt zum selbigen Gift gelungen ist Pernod, weswegen das ganze Projekt überhaupt solange auf Eis gelegt werden musste.“, seine Worte hatten etwas Verhätschelndes und auch Nachtragendes an sich.

Pernod hüllte sich in Schweigen, während Gin sein Augenmerk nur allzu gern wieder auf Shiho richtete und diese nun erstmals seinen Blick zaghaft erwiderte.

„Erzähl mir von deinem Gift.“, forderte er sie auf.

„N-Nun ja ich bevorzuge die Bezeichnung Apoptoxin.“

Sie tat sich ungemein schwer das Wort über die Lippen zu bringen.

„Es funktioniert mithilfe der namensgebenden Apoptose und sorgt für einen schnellen und kontrollierten Zelltod. E-Es bedarf gewiss noch einigen Feinabstimmungen, immerhin beruht das bisher alles auf theoretische Untersuchungen, doch ich bin davon überzeugt, dass es die effizienteste und unauffälligste Methode für das gewünschte Gift ist.“

Gins Augen funkelten gefräßig und Shiho war sich unsicher ob das ein gutes oder eher fatales Zeichen für sie war.

„W-Wenn ich grünes Licht bekommen würde, dann könnte ich innerhalb der nächsten zwei Wochen einen ersten Prototypen mit der neuen Formel herstellen und diese auf ihre Wirksamkeit in ersten Praxistests bei tierischen Versuchsreihen überprüfen.“, ergänzte sie schnell, in der Hoffnung, damit noch die kurze Kratzen zu können.

Einen Moment lang war es still.
 

„Wirklich beeindruckend.“

Gins Blick haftete an Shihos Körper und seine Augen glitten langsam ihre Kurven entlang.

„Nicht nur hübsch, sondern auch unglaublich schlau und talentiert wie mir scheint.“

Die junge Wissenschaftlerin lief bei dem Kompliment rot an vor Verlegenheit und Pernod schenkte Gin einen skeptischen Gesichtsausdruck.

„Hier scheint mir jemand die nötige Kompetenz und das gewisse Know-how zu besitzen, die diese Forschungsabteilung so dringend nötig gehabt hat und dabei ist sie noch so jung.“, Gin betrachtete sie weiter.

„Ich bin mir sicher in dir steckt noch großes Potenzial Shiho Miyano.“

Er beugte sich zu ihr vor, sodass sie seinen Geruch nach Zigaretten wahrnehmen konnte.

„D-Danke“, erwiderte die Rotblonde kurzgehalten.

Pernod bat um die Unterlagen und Shiho gab sie ihm.

Er blätterte sie durch. Seine Augen wirkten unruhig und besorgt, ehe er die Akte in seinen Händen wieder zuklappte.

„Ich werde das mit meinen Leuten überprüfen, doch ich bin mir sicher, dass wenn sich Shihos Theorie bewahrheitet, wir schnell in die nächste Phase starten können.“, erklärte Pernod.

„Dann tut das.“, verlangte Gin ungeduldig.

„Ein solches Gift ist unverzichtbar für die künftigen Pläne der Organisation und ich will es so schnell wie möglich einsatzbereit wissen, verstanden?“, er fixierte den alten Mann mit einem strengen Augenmerk.

Dieser verneigte sich leicht.

Gin setzte sich in Bewegung, doch blieb er neben Shiho noch einmal stehen.

„Wer werden dein Gift auch weiterhin mit großem Interesse verfolgen. Du darfst damit rechnen, schon bald mit den Besten zusammen arbeiten zu dürfen. Mach einfach so weiter, dann wird aus dir gewiss noch was werden.“

Danach verschwand er, ohne eine mögliche Antwort abzuwarten.
 

Shihos Herz hämmerte in ihrer Brust.

Dieser Gin strahlte eine solche Selbstsicherheit aus, die beeindruckend als auch einschüchternd zugleich auf sie wirkte.

Sie sah dem Mann in Schwarz zögerlich hinterher.

Jeder in seinem Umkreis hatte einen unheimlichen Respekt vor ihm, was anhand seiner Stellung und seiner Erscheinung auch kein Wunder war. Er hatte sicherlich vor nichts auf der Welt Angst, vielmehr fürchtete sich wohl der Rest der Welt vor ihm.

Einer solchen Person war Shiho bisher in ihrem Leben noch nie begegnet.

Pernod packte sie an ihren Schultern und riss sie aus ihren Tagträumen.

„Hey Shiho, ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte er sich besorgt.

„W-Was, wie?“

Sie schaute ihn ein wenig geistesabwesend an, ehe sie sich wieder besann.

„Tut mir leid. Die letzten Tagen waren vielleicht etwas viel für mich.“, entschuldigte sie sich.

Der Blick des Forschungsleiters wurde dabei weicher.

„Dann ruhe dich am besten für den Rest des Tages aus und mache dir nicht mehr so einen Kopf um die ganze Sache. Die Apoptose ist zweifellos der Schlüssel.“

Shiho war verwirrt.

„A-Aber sie sagten doch, dass sie die Ergebnisse erst genauestens überprüfen müssen.“

Pernod sah sich um und deutete ihr an, ihn in sein Büro zu folgen.
 

„Ich weiß was ich sagte.“, erwiderte er, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte und sie ungestört waren.

Der alte Mann holte kurz Luft. Man sah ihm an, dass die Worte, die er versuchte zusammenzulegen, ihm viel Überwindung kosteten.

„Hör zu Shiho, schon deine Eltern haben damals versucht das Gift auf Basis der Apoptose zu entwickeln. Es waren die letzten Wochen vor ihrem Tod, als sie die neue Variante des Giftes testeten. Es trat jedoch eine ungeahnte Nebenwirkung auf, welche sie sich nicht erklären oder beheben konnten. Ich weiß leider nichts Genaueres, aber sie wollten danach nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben. Kurze Zeit später verstarben sie und ich habe darauffolgend bei meinen Versuchen die Apoptose bewusst nicht mehr in Betracht gezogen. Kein anderes Ergebnis kam allerdings dem Beinahe-Erfolg deiner Eltern so nah und um ehrlich zu sein, war ich heil froh darüber, dass meine Anstrengungen über die Jahre hinweg vergeblich waren.“

Pernod ließ sich schwerfällig in seinem Sessel nieder und strich sich über das graue Haar.

Shiho wirkte etwas durcheinander.

„Ich verstehe nicht ganz. Ich habe nichts davon in den Unterlagen meiner Eltern gefunden und auch sonst gibt es über Versuchsreihen mit Apoptose keinerlei Einträge in der Datenbank.“

„Weil ich sie alle beseitigt habe.“

„Was?“

Das kam vielleicht ein wenig lauter als beabsichtigt aus ihrem Mund, da Pernod angespannt durch die Fenster seines Büros schaute.

„Shiho, egal um was für eine Nebenwirkung es sich handelte und egal wieso deine Eltern von ihrer Idee abließen, mit zunehmenden Alter bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass niemand ein solches Gift besitzen darf. Ich hege keinerlei Zweifel, dass du es schaffen könntest, dein Apoptoxin mit seiner vorhergesehenen Wirkungskraft umzusetzen, doch das Resultat daraus, wäre sicherlich nicht mit deiner Überzeugung als Wissenschaftlerin zu vereinbaren.“

„Denken sie etwa ich habe mir das ausgesucht? Das ich scharf darauf bin einen solchen Job zu machen, ein solches Gift zu entwickeln?“

Die junge Frau reagierte zunehmend erbost auf die Worte des alten Mannes.

„Natürlich nicht.“, warf dieser beschwichtigend ein.

„Ich habe keine andere Wahl. Sie werden mir oder womöglich eher Akemi etwas antun, wenn ich meinen Pflichten nicht nachkomme.“, protestierte Shiho mit belegter Stimme.

Sie verstand nicht warum Pernod auf einmal so war, warum er sie mit alldem so urplötzlich erschlug.

Das war nicht das, was sie sich erhofft hatte als sie zu ihm kam und es quälte sie zu erfahren, dass ihre Eltern die Arbeit an dem Gift angeblich eingestellt hatten, noch bevor sie verstarben.

Sie fanden etwas heraus, was Shiho bisher noch nicht erahnen konnte und sie wären dem Anschein nach nicht begeistert, dass sie denselben Weg noch einmal beschritt.

Wieso musste Pernod ihr das nur erzählen?

Hätte er nicht sagen können, es sei eine Notwendigkeit an dem Gift zu arbeiten.

Das sie richtig handle und sich keine Vorwürfe zu machen bräuchte.

Wieso konnte er sie nicht einfach anlügen?
 

„Ich habe doch keine Wahl.“, wiederholte sich die junge Frau.

„Man hat immer eine Wahl Shiho.“, erwiderte Pernod ruhig.

„Ich bestreite nicht, dass eure Lage prekär ist. Ich hatte es leichter, es gab nur mich. Wenn sie mich töten wollten, hätten sie es einfach tun können. Es wäre okay für mich gewesen. Schließlich haben sie es ja auch mit deinen…“

Er brach ab.

Die rotblonde Wissenschaftlerin grübelte über seine Worte nach.

Pernod hat eine Menge riskiert indem er, trotz seiner Arbeit und seiner Funktion als Forschungsleiter, die Entwicklung an dem Detektiv in Kinderschuhen über Jahrzehnte hinweg bewusst stagnieren ließ und sein eigenes Leben damit riskierte, nur um all die Menschen, die durch ein funktionierendes Gift den Tod finden würden zu schützen.

Säße nur sie im Boot, dann würde es Shiho womöglich genauso leicht fallen und würde nach ihren Überzeugungen her handeln. Ohne Akemi, ihrer Schwester, würde sie keine Sekunde länger für die Organisation arbeiten.

Sie handle doch nicht egoistisch, wenn sie sich und ihre Schwester schützen wollte, oder doch?

Nur war Gin persönlich nun auf sie und ihre Forschung aufmerksam geworden.

Doch machte das denn einen Unterschied?

Sie steckte sowieso schon zu tief im Morast der Organisation mit drin.

Ob es überhaupt noch ein Entkommen gab?

War es vielleicht ohnehin schon zu spät?

Shiho dachte angestrengt nach.

Wenn dieser Gin wirklich der Einflussreichste von ihnen war…

Sie dachte an seine letzten Worte: „Du darfst damit rechnen, schon bald mit den Besten zusammen arbeiten zu dürfen. Mach einfach so weiter, dann wird aus dir gewiss noch was werden.“

Das Gift könnte womöglich ihr und Akemis Ticket in die Freiheit werden.
 

Sie schaute den alten Wissenschaftler an.

„Wie gut kennen sie Gin eigentlich?“, brach es unerwartet aus ihr heraus.

Pernod sah sie eindringlich an.

Seine alten Augen, hatten einen todernsten Ausdruck.

„Ich kann dir nur ans Herz legen, ihm aus dem Weg zu gehen. Er ist unberechenbar und wäre gewiss nicht gut für dich. Ich habe bereits nach besten Kräften versucht ihn von dir fern zu halten, jedoch vergeblich, wie du gesehen hast. Das war auch der Grund warum ich ihm selbst von deinen Ergebnissen berichten wollte, um dich aus diesen tiefen und düsteren Kreisen der Organisation fern zu halten. Er kam mir allerdings zuvor, als er heute in unserer Abteilung auftauchte. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass der Kerl gefährlich ist. Ich bin schon lange genug dabei, um zu wissen, dass niemand es so weit in ihren Reihen bringt, ohne einer Menge Blut an den Händen.“

Shiho setzte ein warmes Lächeln auf.

„Ich danke ihnen, für ihre Bemühungen. Ich weiß ihr tut das alles für meine Eltern und ich schätze eure Hilfe sehr. Ich kann all eure Entscheidungen verstehen und euren Rat werde ich mir zu Herzen nehmen.“

Pernod reagierte erfreut über die schnelle Einsicht und das Verständnis seiner jungen Mitarbeiterin und nickte ihr dankend zu.

Die Rotblonde verbeugte sich noch kurz und verließ anschließend das Büro.

Ihre Miene erkaltete, als sie sich von dem Hauptlabor entfernte.

Nichts desto trotz musste sie ihren eigenen Weg gehen und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Niemals würde sie, wie Pernod, den Rest ihres Lebens in der Organisation verbringen. Auch wenn er die Meinung vertrat, dass Zurückhaltung der einzige Weg sei, so war Shiho inzwischen der Überzeugung, dass genau das Gegenteil der Fall war.

In ihrer derzeitigen Situation würde sie sich nur unweigerlich im Kreis drehen ohne jeglichen Fixpunkt und Ausblick auf ein besseres Leben.

Sie musste aktiv werden, wenn sie eine Veränderung für sich und ihre Schwester herbeiführen wollte. Sie war die einzige die die Chance dazu besaß und vielleicht hat ihr Gin ungewollt eine Tür geöffnet.

Schleier der Vergangenheit

Kapitel 4: Schleier der Vergangenheit
 

Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 4: Schleier der Vergangenheit
 

„ELENA? ELENA?“

Ein stattlicher Mann mit Brille und weißem Kittel stürmte durch die Tür, hinein in die Gemächer seiner Frau.

Er sah hinüber zu einer großen aber grazilen Dame mit langen rotblonden Haaren, die ihr elegant über die Schulter fielen.

Sie saß auf einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch, ihr Ärztemantel auf der Rückenlehne hängend.

Elena Miyano stoppte das vor ihr liegende Tonbandgerät, auf das sie bis eben gesprochen hatte und drehte sich zu ihrem Ehemann um.

Sie war wunderschön und ihre Augen tiefgrün, doch ihr Gesicht wirkte ausdruckslos.

„Was brüllst du denn hier so rum Atsushi? Du weißt doch, dass ich hier mit etwas Wichtigem beschäftigt bin.“

„D-Das Gift.“, keuchte der Wissenschaftler.

„Ich habe eine unglaubliche Entdeckung gemacht.“, rief er überwältigt.

„Psst, nicht so laut.“, ermahnte ihn die Britin und schritt besorgt zu einem kleinem Bettchen in der Ecke des Raumes, indem ein süßes Baby friedlich schlief.

„Du weckst ansonsten noch Shiho auf.“

Die fürsorgliche Mutter beobachtete ihre gerade einmal zwei Monate alte Tochter.

„Oh, tut mir leid.“, entschuldigte sich der vielzeitbeschäftigte Vater der Kleinen.

„Ist sie nicht das unschuldigste Geschöpf auf der Welt? Meine Augen haben nie etwas Schöneres erblicken dürfen.“, schwärmte Elena, ehe sie sich wieder zu ihm umdrehte.
 

„Was ist das für eine Entdeckung, die du und deine Kollegen gemacht haben?“

Atsushi begann, wie ihre gemeinsame Tochter im Schlaf, zu strahlen.

„Es ist ein Wunder. Ich kann mir noch nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, doch es würde einen langersehnten Traum der Menschheit Wirklichkeit werden lassen.“, verkündete er heroisch.

Die Engländerin warf ihm einen anzweifelnden Blick zu.

„Was könnte dieses todbringende Gift schon für Wunder beherbergen.“

Der Wissenschaftler kam auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern.

„Den Wunsch nach Unsterblichkeit.“, flüsterte er Elena zu und ließ sie nicht einmal antworten, sondern fuhr sogleich fort:

„Es birgt so unglaublich viel Potenzial, mehr als ich mir hätte erträumen können. Es ist zu so viel mehr fähig, als das wozu es vorgesehen ist. Es könnte die Welt nachhaltig verändern.“

Elena wirkte verunsichert, besaß aber eine Ahnung worauf er ansprach.
 

„Du meinst…“

„Ja“, bestätigte ihr Mann und sah hoffnungsvoll zu ihrer gemeinsamen Tochter.

„Es könnte die Silver Bullet sein, nach der wir gesucht haben. Ich brauche aber deine Hilfe dabei, denn die Organisation darf unter keinen Umständen von dieser Nebenwirkung des Giftes erfahren. Den Missbrauch, den sie damit betreiben könnten, wäre ansonsten verheerend.“

Seine Frau verschränkte nachdenklich die Arme vor ihrem Bauch.

„Und wie willst du das bewerkstelligen? Du kannst nicht einfach die Arbeit an dem Gift einstellen. Denk dran was auf dem Spiel steht.“

„Ich muss es oder sie werden es mit der Zeit selbst herausfinden und dann ist alles verloren. Unsere Lage ist doch ohnehin aussichtslos, du weißt das. Sie werden uns niemals am Leben lassen, wenn sie das bekommen haben, was sie wollen.“

Er sah zu den siebzehn Tonkassetten hinüber, die Elena bereits aufgenommen hatte.

„Du musst mir dabei zur Seite stehen. Ich schaffe das nicht ohne dich meine Liebe.“

Er küsste sie flüchtig auf die zarten Lippen.

„Bedenke, es ist von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Töchter.“

Sie sah ihm eine Zeit lang schweigend in die Augen und schien zu überlegen.

Ihr Blick huschte zum Kinderbett und dann wieder zurück in seine blauen Augen.

„Zeig es mir.“, verlangte sie anschließend und folgte ihrem Mann hinaus aus dem Zimmer.
 

Shiho starrte gebannt durch die Linse ihres Mikroskops.

„Ja, genau so.“, murmelte sie, während sie dabei zusah, wie das mit Apoptoxin induzierte Gewebe seine eigenen Zellen in rasanter Geschwindigkeit absterben ließ.

„Es funktioniert tatsächlich.“, stellte sie fasziniert fest.

Nachdem sie von der Führungsetage grünes Licht zu Fortsetzung ihrer Forschung bekam, hatte sie sich unverzüglich daran gemacht, ihre Theorie in die Praxis umzuwandeln und die Apoptose an ersten Proben zu testen. Ihre Wirksamkeit überstieg sogar die eigenen Erwartungen der engagierten und ehrgeizigen jungen Frau.

Der nächste Schritt wäre nun, der Versuch an Nagetieren, um festzustellen, dass das Ergebnis bei größeren lebenden Organismen dasselbe wäre.

Zufrieden mit ihrer Leistung wandte sie sich vom Experimentiertisch ab und ging zu ihrem Computer, um die erneuten Fortschritte festzuhalten.

Wenn es ihr gelingen würde Gin und die anderen hohen Mitglieder der Organisation zufrieden zu stellen, wenn ihr Soll erfüllt wäre und sie das fertige Gift in Händen halten würde, hätte sie vielleicht die Stellung und das nötige Druckmittel ihre und Akemis Freiheit zu erlangen.

Sie beugte sich über ihre Tastatur und schrieb flink einige Zeilen nieder.
 

Während sie so dastand und, wie so oft, vertieft in ihrer Arbeit alles andere ausblendete, betrat eine zweite Person ihr Labor, ohne dass sie es mitbekam.

Der Mann, der sich einfach so Zutritt verschafft hatte, sah der rotblonden Wissenschaftlerin angetan dabei zu, wie sie ihr Gesäß in seine Richtung hielt.

Zu verlockend, um wiederstehen zu können.

Shiho erschrak, als sie eine Hand an ihrem Hinterteil spürte und drehte sich hektisch um.

Vor ihr stand der karge rundliche Uchida, der Kerl, der sie an ihrem ersten Tag in der Forschungsabteilung herumgeführt hatte.

Er sagte nichts, sondern grinste sie nur aufdringlich an.

Sein verwaschener Blick wanderte von Shihos entgeisterten Augen hinunter zu ihrem Vorbau. Die Aussicht, die sich ihm dabei bot, schien ihm sehr zu gefallen.

„Was zum Teufel fällt ihnen ein.“, fuhr sie den älteren Herren entrüstet an.

„Ach, j-jetzt stell… dich mal nicht so an.“, lallte er und kam ihr noch etwas näher.

Shiho konnte die Fahne, die er hinter sich herzog, wittern und schob ihn angewidert von sich. Was wollte er überhaupt hier?

„Sie haben getrunken und das während ihrer Arbeit. Das werde ich dem Forschungsleiter Pernod berichten.“, verkündete sie streng, musste aber ein Wanken in ihrer Stimme unterdrücken.

Etwas dergleichen war ihr bisher noch nie passiert.

Außerdem war ihr Uchida in seinem derzeitigen Zustand nicht geheuer.

Männer ließen sich zu so einiges verleiten, wenn sie unter dem Einfluss von zu viel Alkohol standen und waren dann zu allem fähig. Ein Grund, warum die rotblonde Frau selbst, nichts mit derartigen Getränken zu tun hatte.

Für sie war es immer wichtiger gewesen bei klarem Verstand zu bleiben.
 

Uchida rümpfte beleidigt die Nase.

Ihm schien der scharfe Ton der jungen Dame nicht gerade zuzusagen.

„Du glaubst wohl du kannst dir jetzt alles erlauben, seitdem man dich für eine große Nummer in der Abteilung hält.“

Er wedelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht.

„D-Doch ich durchschaue dich, du Flittchen.“, gluckste er genervt.

„Ich weiß nicht wovon sie da reden, aber wenn sie nicht sofort verschwinden…“

„Andere arbeiten seit Jahren für die Organisation und haben so viel in diese Abteilung investiert, dafür geopfert und dann taucht so ein junges hübsches Ding von heute auf morgen auf und wird prompt als zukünftige Forschungsleiterin gehandelt.“

Uchida warf ihr seine Worte regelrecht an den Kopf und gestikulierte dabei wild, während er vom einen Bein auf das andere schwankte.

„Was?“ Shiho hörte diese Neuigkeit zum ersten Mal.

Wollte man sie wirklich als Nachfolgerin von Pernod auserwählen?
 

Uchida stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden.

„Ich bin dazu bestimmt, der zukünftige Leiter dieser Abteilung zu werden und das lasse ich mir bestimmt nicht von so einem Gör ruinieren, das noch Grün hinter den Ohren ist, hast du mich gehört?“

Shiho verschränkte ihre Arme.

Daher wehte also der Wind. Er war selbst scharf auf den obersten Posten und sah sie als Gefahr an, diesen zu bekommen.

„Wenn es Pernod für an der Zeit hält sich von seinen Tätigkeiten zurückzuziehen, wird er bestimmt der Person mit den besten Qualitäten seinen Platz an der Forschungsspitze anvertrauen.“, argumentierte sie gelassen.

„Achja, die besten Qualitäten.“, wieder sah Uchida auf Shihos Oberweite.

Er musste hicksen. Anscheinend hatte er schon einige Flaschen intus.
 

„Verrate mir doch einfach dein kleines versautes Geheimnis. Wie oft musstest du es dem alten Knacker besorgen, damit er dir den Job in Aussicht stellt?“

Uchida streckte seine Hand aus, um seiner Aussage auf anstößige Art und Weise Ausdruck zu verleihen, doch hatte der betrunkene Wissenschaftler die Rechnung ohne Shiho gemacht.

Ehe er sie nochmal unsittlich berühren konnte, griff die Rotblonde nach einem leeren Erlenmeyerkolben, der auf dem Tisch neben ihr stand und schlug mit diesem auf den Kopf von Uchida.

Das Glas zersplitterte bei dem Schlag und der getroffene Mann schrie auf, als ein brennender Schmerz über sein Gesicht zog.

Er taumelte nach hinten und hielt sich seine Hände an Stirn und Wange, wo die Splitter des Kolbens ihm mehrere tiefe Schnitte beschert hatten.

Das Blut lief über sein linkes Auge, sodass er gezwungen war es zu schließen.

Langsam tröpfelte die rote Flüssigkeit auf seinen weißen Kittel und den Laborboden zu seinen Füßen.
 

„Du blödes Miststück.“, fluchte Uchida.

„Brauchst dich gar nicht so zu zieren du…“

Ein Aufjammern seinerseits ließ seinen Satz unvollständig.

Shiho Herz schlug ihr bis zum Hals und sie konnte ihrem Gegenüber ansehen, dass seine Verletzung unglaublich wehtat, doch habe er die Qualen sehr wohl verdient.

„Raus hier jetzt oder sie haben schon morgen ihre Kündigung auf dem Tisch liegen.“, drohte sie ihm und deutete zur Tür.

Vorsichtshalber griff sie schon nach dem nächsten freien Kolben.

Das sie sich so zu wehren wusste, schüchterte Uchida in der Tat ein wenig ein, doch würde er sich sicherlich nicht ein zweites Mal so überrumpeln lassen.

„Pernod wird dich nicht ewig beschützen. Ohne ihn wärst du ein nichts und längst von der Bildfläche verschwunden. Forschungsleiterin wirst du jedenfalls nur über meine Leiche.“, wetterte Uchida, als er langsam den Rückzug antrat.

„Das ließe sich arrangieren.“, hielt Shiho dagegen, gestärkt durch die defensive Haltung ihres sich entfernenden Gegenübers.
 

Als er ohne etwas weiter zu erwidern verschwunden war, stellte die Rotblonde den Kolben zurück an seinen Platz, bevor sie erschöpft zusammensackte.

Shiho presste ihren Rücken gegen einen der Schränke und zog ihre Beinen an sich heran, um diese mit ihren Armen zu umschließen.

Sie hatte es geschafft. Ihre Maske gegenüber äußeren Einflüssen hat zum ersten Mal Stand gehalten und sie konnte Uchida tapfer die Stirn bieten.

Innerlich lag sie aber in Scherben, genau wie der Erlenmeyerkolben zu ihren Füßen.

Es war mitten in der Nacht. Wer wäre ihr zur Hilfe geeilt, wenn sie nicht die Stärke aufgebracht hätte, ihr Problem selbst zu lösen? Niemand.

Das die Schwachen von den Starken unterdrückt und ausgebeutet werden, war eine der Lektionen, nach denen die Mitglieder der Organisation lebten.

Habe den Mut und die Kraft es zu unterbinden oder lebe damit.

Nein, sie werde nicht damit leben. Sie würde kämpfen, zu den Starken zählen und das würde sie den Männern in Schwarz beweisen.

Sie war schon lange nicht mehr das hilflose Mädchen aus ihrer Zeit in Amerika.
 

Shiho rappelte sich auf und richtete ihr Outfit wieder her.

Sie schaute zu Tür, in der Uchida verschwunden war.

Stimmte es wirklich was dieser Kerl von sich gegeben hatte?

Das Pernod oder jemand anderes sie als die nächste Forschungsleiterin einsetzen wollte?

Sie begegnete dieser Kunde mit gemischten Gefühlen.

Bekäme sie einen eigenen Codenamen, dann wäre sie offiziell eine von ihnen.

Shiho pustete eine Strähne aus ihrem Gesicht.

Wenn dieser Dreckskerl Uchida diesen Posten so unbedingt wollte, dann solle er ihn doch haben. Für sie würde es keinen Unterschied machen.

Ihre Zukunft sollte und werde nicht in der Organisation enden.
 

Als Uchida das Labor von Shiho verlassen hatte, begab er sich fluchend zur nächsten Toilette, um sich zu waschen und seine Wunde zu reinigen.

Das werde er ihr noch gebührend heimzahlen, darauf könne sie sich verlassen, prophezeite der Mann kleinlaut.

Während er so von dannen Schritt, bemerkte er die große schwarze Gestalt nicht, die nahe der Labortür lehnte, aus der er gekommen war und ihm nun hinterher sah.

Die Augen Gins verfolgten den Wissenschaftler mordlüsternd, ehe er sich von der Wand abstieß und in die entgegengesetzte Richtung in der stillen Dunkelheit abtauchte.
 

Shuichi Akai, alias Dai Moroboshi betrat eine abgeschiedene Kneipe in Kawasaki.

Es war nur ein kleines recht unscheinbar wirkendes Etablissement, aber genau der richtige Ort für das Treffen, um das man ihn ersucht hatte.

Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, sah er sich nach seiner Kontaktperson um, mit der er hier verabredet war.

Er erblickte sie recht bald, wie sie vom Eingang abgewandt, in einer der Sitznischen saß und wahrscheinlich schon des längerem auf ihn wartete, da sie alle paar Sekunden auf ihre Armbanduhr sah.

Stillschweigend schlenderte Dai auf sie zu und setzte sich auf die gepolsterte Sitzreihe, die sich genau hinter ihr befand, sodass sie nun mit dem Rücken zueinander saßen.

Rye zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Manteltasche und steckte sich eine davon in den Mund, bevor er sie mit seinem Zippo anzündete.

Er nahm einen kräftigen Zug und ließ das Feuerzeug zuschnappen, ehe er es sorgfältig vor sich auf dem Tisch platzierte.
 

Eine junge Kellnerin, mit dunkler Schürze um die Taille geschnürt, kam an seinen Platz und erkundigte sich, ob er denn gerne etwas zu trinken hätte.

Der Undercover-FBI-Agent bat sie um ein großes Bier.

Seine Bedienung notierte die Bestellung, wobei ihre Augen mehr auf dem Mann vor ihr lagen, statt auf dem kleinen Stück Papier in ihren Händen und verschwand gleich darauf wieder.

Dai lehnte sich ein wenig zurück, starrte aber angespannt geradeaus.

Sein Hintermann hat seine Anwesenheit bereits anhand seiner Stimme festgestellt und neigte leicht den Kopf zur Seite

Auch wenn die Versuchung groß war ihn nach so langer Zeit anzusehen, so durfte jedoch keiner Wissen, dass sie miteinander zu tun hatten und sich unterhielten.
 

„Ich dachte schon du würdest nicht kommen.“, begann die blonde Frau mit der großen runden Brille auf ihrer Nase, die einst ihrem Vater gehörte.

Akai zog erneut an seiner Zigarette und blies einen Schwall an Rauch aus.

„Du hättest nicht extra selbst hierher kommen müssen. Dafür haben wir doch unsere Mittelsmänner. André hätte das genauso gut übernehmen können. Er ist immerhin für mich zuständig.“, fiel seine Begrüßung eher klamm aus.

„Du willst mich wohl anscheinend nicht mehr sehen.“, erwiderte die Frau wehmütig.

„So darfst du das nicht sehen.“, entgegnete er ruhig und nahm dankend das ihm gebrachte Bier von der Kellnerin entgegen.

„Es ist einfach gefährlich dich mit mir zu treffen. Ich werde auf Schritt und Tritt beobachtet. Die mir vorgesehene Position verlangt eine genaue Überprüfung meiner Vergangenheit und Gegenwart, wodurch das nicht der beste Zeitpunkt ist, um mich zu einem Treffen mit euch zu drängen.“
 

„Deine neue Tätigkeit nimmt dich wohl sehr in Anspruch und SIE womöglich auch.“, reagierte die FBI-Agentin ungehalten.

„Jodie“, versuchte Shuichi sich zu erklären.

„Nein lass gut sein, es geht ohnehin um was anderes, weswegen wir dich kontaktiert haben. James und ich sind in Sorge um dich, nachdem wir von der Ermordung von Scotch gehört haben. Du warst seitdem wie abgetaucht und wir glaubten schon…“

„Ich hätte die Seiten gewechselt?“, funkte das Organisationsmitglied dazwischen.

Er verdrehte, für sie selbstverständlich nicht sichtbar, die Augen und seufzte.

„Das ist lächerlich und das weißt du auch.“, fügte er hinzu und trank von seinem Bier.

„Dir ist klar, dass es sich bei ihm um einen Mitarbeiter der Sicherheitspolizei handelte?“

„Ich habe ihn nicht getötet, falls es das ist, was dir so große Sorgen bereitet.“

Jodie zuckte überrascht zusammen.

„Aber unsere Quellen sagten…“

„Bin ich eure Quelle oder jemand anderes?“, konterte Akai scharf, versuchte aber seine nächsten Worte mit etwas mehr Geduld seiner ehemaligen Partnerin entgegen zu bringen.
 

„Er hat sich selbst das Leben genommen, als er erkannte, dass eine Flucht aussichtslos war. Ich habe zwar noch versucht ihn davon abzubringen, doch ein anderes Organisationsmitglied namens Bourbon kam mir dazwischen und so gelang es ihm abzudrücken. Mir blieb gar nichts anders übrig, als für den Erhalt meiner Tarnung, seinen Tod auf meine Kappe zu nehmen.“

Jodie schielte zum Tresen, an denen sich zwei alte Herren bei einem Feierabendbier austauschten.

Sie mussten auf der Hut sein. Die Handlanger der Organisation konnten überall sein.

„Dann ist deine Rolle als eiskalter Killer im Dienste der Männer in Schwarz also nach wie vor in Takt?“, vergewisserte sie sich lieber noch einmal.

„Noch besser als das. Gin will mich bald persönlich treffen. Du weißt, dass er der Kopf der Organisation hier in Japan ist.“

„Vielleicht zahlt sich dein Engagement ja früher aus als wir dachten und du kannst bald zu uns zurückkehren.“, äußerte sich Jodie erfreut.

Akai war darüber eher weniger wohlgelaunt.

Er drückte den Stummel seiner Zigarette in den Aschenbecher, der in der Mitte des Tisches stand.

„Das würde dir sicherlich gefallen, oder? Das sie mich abziehen, weg von IHR.“

Dai erhob sich und bezahlte sein halbgetrunkenes Bier, bevor er ging.

Jodie drehte sich etwas überrumpelt zu ihm um und sah zu, wie er die Bar verließ.

Sie folgte ihm ein paar Minuten später, als sie sich sicher war, dass keiner Verdacht schöpfen könnte.
 

Auf der Straße ging sie dann einige Meter, bis sie ihn sah, wie er -mit in den Manteltaschen verborgenen Händen- über den Bürgersteig lief.

Sie eilte ihm hinterher, ließ aber genug Abstand zwischen ihnen.

„Shu, so habe ich das vorhin doch nicht gemeint.“, versuchte sie sich zu entschuldigen, obwohl sie gar nicht wusste, warum sie das überhaupt tat.

Insgeheim stimmte es nämlich und konnte man es ihr denn verübeln?

Akemi Miyano war immer nur der Schlüssel hinein in die Organisation gewesen, doch sie hatte ihren Freund um die Finger gewickelt und ihn sogar dazu veranlasst, sie zu verlassen.

Sie befürchtete, dass Akai sich immer weiter von ihr entfernen würde.

„Wie meintest du es dann?“, fragte er sie, immer noch ungeniert voranlaufend.

„Je länger du in der Organisation bist, umso höher steigt das Risiko eines Tages in einem Leichensack zu landen und du weißt, dass ich das nicht erleben möchte. Ich könnte es nicht ertragen.“

Die blonde FBI-Agentin versuchte mit ihm Schritt zu halten.

„Da mach dir mal keine Sorgen. Ich habe nicht vor so zu Enden und ich lasse auch nicht zu das Akemi so etwas passiert. Mein Entschluss steht fest, dass ich sie am Ende meiner Mission mitnehmen werde, genau wie ihre Schwester.“

„Shu“

Jodie klang nur noch besorgter.

„Du kennst sie nicht Jodie, nicht so wie ich. Sie gehört nicht zu diesen Leuten und ich könnte es nicht verantworten, sie einfach zurückzulassen.“

„Viele glauben aber inzwischen, dass du nicht mehr in der Lage bist die Geschehnisse subjektiv zu betrachten. Sie gehen davon aus, dass deine Gefühle zu ihr dein Urteilsvermögen trüben könnten.“, gab die Dame in seinem Rücken zu bedenken.
 

Er blieb abrupt stehen und Jodie tat es ihm gleich, um nicht in ihn hinein zu laufen.

Es hatte bereits seit geraumer Zeit genieselt, doch nun hatte sich dieser Niesel zu einem starken Regen entwickelt.

Große Wassertropfen prasselten in einer Geräuschkulisse vom Himmel und übersäten die Straße mit Pfützen, die die bunten Lichter des Nachtlebens der Hafenstadt spiegelten.

Erstmals drehte sich der Schwarzhaarige zu Jodie um und sah ihr direkt in die Augen.

„Siehst du das genauso? Bist du auch der Meinung, dass ich das nicht professionell zu Ende bringen kann?“

Seine grünen Augen wichen nicht von ihr und die blonde Frau war von seinem Anblick so gelähmt, wie durch ein Nervengift, dass durch ihre Adern schießt.

Wie lange hatte sie sein sonst so vertrautes Gesicht nicht mehr gesehen. Das Antlitz ihres Geliebten, verloren an eine andere.

Als sie ihm keine Antwort gab, wandte er sich wieder von ihr ab.

„Du bist der einzige, dem ich es überhaupt zutrauen würde.“, sagte sie rasch, aus Angst er könne fortgehen, ohne dass sie im Stande wäre, ihm das noch auf den Weg zu geben.
 

Sekunden vergingen und nur das Prasseln des Regens erfüllte die Stille.

Die Straße war wie leer gefegt. Es gab nur noch sie beide.

„Ich muss los. Ich werde am Hafen von Yokohama erwartet. Eine neue Lieferung von großen Wert trifft heute ein. Keine Sorge, ich werde mich bald wieder melden.“

Akai sah sie über seine Schulter hinweg an.

„Wenn du willst auch bei dir persönlich.“

Seine Stimme war weicher geworden und sein Blick aufmunternd.

Der zunehmende Regen hat die Beiden inzwischen vollkommen durchnässt.

Durch ihre mit Wasser benetzten Wangen konnte er nicht sehen, wie ihr heiße Tränen das Gesicht hinunterliefen.

Sie nahm seine versöhnende Geste und Form der Entschuldigung an.

Auch wenn sein Herz nicht mehr für sie schlug, so würde er ihr doch nie absichtlich Kummer oder Schmerz bereiten wollen.

So war er eben nun einmal.

Trotz der bösen Hülle mit der sich umgab, um seine Feinde zu täuschen, war sein Kern gut und herzenswarm.

„Ich warte auf dich Shu.“, flüsterte sie leise zum Abschied.

Unklare Fronten

Kapitel 5: Unklare Fronten
 

Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 5: Unklare Fronten
 

Es dämmerte bereits, als er ihr gemeinsames Haus betrat und sorgsam die Tür hinter sich schloss. Er legte seinen Schlüsselbund in eine Schale auf der schlichten Kommode im Flur und hing seine Jacke an den Garderobenständer.

„Atsushi, bist du das?“, rief eine weibliche Stimme und kurz lugte der Kopf seiner Frau aus einen der anliegenden Zimmer.

„Ja Schatz, keine Sorge ich bin es.“, bestätigte der junge Familienvater ein wenig müde klingend und begab sich zu seiner Frau in die Küche.

Er fand seine Gattin am Esstisch sitzend vor, die Hände um eine Tasse Kaffee geschlungen und ihre grünen Augen ganz auf ihn gerichtet.

Ihr rotblondes Haar fiel ihr offen über die Schultern.

Der Mann setzte ein Lächeln auf und deutete auf das Getränk.

„So einen könnte ich jetzt auch gebrauchen.“, schmunzelte er.

Elena deutete auf die Kaffeemaschine, wo eine noch halbvolle Kanne mit dem heißen Gebräu bereitstand.

Atsushi ging hinüber, nahm sich eine Tasse aus dem Hängeschrank über ihn und goss sich ebenfalls etwas zu trinken ein.

„Wie war dein Tag?“, fragte er gelassen und schlenderte zum Tisch, um sich seiner Frau gegenüber zu setzen.

„Es war ganz schön einsam, so ohne dich.“, murmelte Elena ein wenig verträumt, während sie an ihrer Tasse nippte und durch das Fenster in den Vorgarten starrte.

Er tat es ihr gleich und beobachtete die Sonne und ihr organgenes Abendlicht, dass auf den Dächern der umliegenden Häuser funkelte.
 

„Kann ich mir vorstellen, aber ich musste heute für einige neue Ideen dringend ins Labor. Tut mir leid, dass ich dir deswegen in unserer Praxis nicht unter die Arme greifen konnte.“, entschuldigte sich Atsushi.

„Macht doch nichts. Du bist eben in erster Linie Wissenschaftler. Es war ohnehin nicht viel los. Dafür hatte ich wieder Besuch von meinem Spezial-Patienten.“, informierte ihn die junge Ärztin mit einem leichten Lächeln.

Atsushi überlegte einen Moment, begriff dann aber doch schnell.

„Achso, den kleinen Jungen meinst du.“, lachte er auf.

„War er wieder bei dir, ja?“

Elena nickte.

„Und sein Name lautet übrigens Rei. Den hat er mir heute verraten.“

Ihr Mann legte daraufhin, mit einem wohlgesinnten Blick, seinen Kopf zur Seite.

„Dir scheint der Bengel ja sehr am Herzen zu liegen. Von unseren meisten Patienten bekomme ich nur zu hören, wie verschwiegen du doch bei ihren Behandlungen bist. Ich schiebe es dabei immer auf deine Schwierigkeiten mit der Sprache, obwohl wir beide ganz genau wissen, dass du fließend Japanisch sprechen kannst.“

„Er ist eben anders.“, argumentierte Elena kühl, die Augen nur halb geöffnet.

„Er ist, wie ich, vom gleichen Schlag und sieht mich nicht so an, wie es der Rest tut.“

Die Miene ihres Ehemanns wurde ein wenig ernster.

Ihm war klar, was sie damit meinte.
 

„Hat er sich wieder geprügelt?“

„Ja“, entgegnete Elena wohlwissend, dass er mit dieser Frage vielmehr ihre eigenen Gefühle dahinter ergründen wollte.

„Er hat sich einmal mehr mit den Kindern aus der Nachbarschaft angelegt, die ihn wegen seiner Herkunft schikanieren. Ich fühle wirklich mit ihm musst du wissen. Genau wie ich, wird er in diesem Land wie ein Aussässiger behandelt.“

Atsushi schüttelte demonstrativ den Kopf und stellte seinen Kaffee beiseite.

„Ich finde du übertreibst. Für die meisten ist es einfach ungewohnt ein so befremdliches Gesicht zu sehen, auch wenn es noch so schön ist wie deins.“

Er musterte sie in der Hoffnung ihr ein kurzes Lächeln abzuringen, doch Fehlanzeige.

„Aber unter Kindern ist das nochmal etwas anderes.“, musste Atsushi sich eingestehen.

„Was hast du ihm diesmal geraten?“, fuhr er fort und faltete dabei die Hände übereinander, wie ein Psychologe bei einen seiner Therapiesitzungen.

Elena legte eine Hand an ihre Wange, bevor sie antwortete.

„Ich sagte, er soll zudem stehen was er ist und was ihn ausmacht und sich das auch nicht von anderen nehmen lassen, aber er sollte auch nicht um jeden Preis kämpfen, weil ich künftig nicht immer da sein kann, um seine Wunden zu versorgen.“

Atsushi begriff.

„Mach dir mal darum keine Sorgen.“, beruhigte er sie.

„So schnell werden wir erst einmal nirgendwo hin umziehen.“

Elena machte ein überraschtes Gesicht, welches man nicht häufig bei ihr sah.

„Was meinst du? Hast du ihr Angebot etwa nicht angenommen?“

„Ich habe meine Zusage fürs Erste verschoben, da ich mich ein wenig mehr um dich und Akemi kümmern möchte.“, erklärte der Wissenschaftler.

„Es ist wegen den Gerüchten, oder?“, tippte die Ärztin.

„Vielleicht auch deswegen.“, gestand Atsushi mit angespannten Mundwinkeln, bei dem was er gleich zur Sprache bringen würde.
 

„Du musst wissen, deine Schwester hat mich heute im Labor angerufen.“, berichtete er.

Elena hörte ihm zu und ihr Gesichtsausdruck blieb neutral, als sie sagte:

„Ich kann mir denken was jetzt kommt.“, wobei ihre Stimme hingegen ihre Haltung dazu deutlich auf einen Punkt der Ablehnung stellte.

„Sie sagte du gehst nicht ans Telefon.“, lenkte Atsushi dagegen.

„Natürlich nicht, sie versucht schon von Anfang an, dir das Angebot der Karasuma Group schlecht zu reden und bezeichnet sie als zwielichtig. Dabei hast du auf solche Investoren nur gewartet.“

„Allerdings ist sie nicht die einzige, die so spricht und denkt.“

„Also hast du dich überreden lassen, obwohl sie dich nicht einmal besonders gut leiden kann. Ein Grund mehr, warum ich nicht mit ihr sprechen möchte.“

Die rotblonde Frau verschränkte kompromisslos ihre Arme vor der Brust.

„Elena ich bitte dich, sie ist deine Schwester.“

„Nein.“, blieb sie knallhart.

„Sie wirft mir ständig vor es sei töricht gewesen einen japanischen Wissenschaftler zu heiraten, hat sich aber selbst mit einem Japaner vermählt und dann noch mit einem, der als FBI-Agent tätig ist und irgendeiner geheimen Verbrecherorganisation hinterherjagt.“
 

Atsushi war klar, dass seine Frau keine leicht zu knackende Nuss darstellte, gerade wenn es um ihre Schwester ging, mit der sie nur noch selten Kontakt hatte, seit ihre Mutter so frühzeitig verstarb, aber damit lernte er bereits früh umzugehen.

„Das ist doch mittlerweile ein alter Hut Elena und darüber hinaus hatten sie bis dato bereits ihr erstes Kind gehabt. Außerdem macht sie das doch alles nur, weil sie sich sorgt. So wie das große Schwestern nun einmal machen.“

„Und du nimmst sie auch noch permanent in Schutz. Wieso tust du das ständig?“

Sie konnte sich nicht erklären, wie es ihrem Mann gelang immer die deseskalierende Achse zwischen ihr und ihrer Schwester zu bilden, wobei sie bereits mehr als nur eine Meinungsverschiedenheit ausgefochten hatten, wenn er sich genau dazwischen befand.

Selbst wenn es gegen ihn selbst ging, so konnte er immer beide Seiten der Medaille betrachten, was Elena wirklich an ihn bewunderte.

„Einer muss schließlich den sanfteren Part übernehmen.“, lächelte Atsushi warmherzig

„Du besitzt eben das britische Temperament deiner Mutter, genau wie Mary.“

Er suchte die Nähe ihrer Hand und hielt sie fest.

„Schätze das liegt der Familie Sera im Blut.“, ließ sich Elena von ihm erweichen.

„Aber es ist auch schön zu hören, dass du lieber für deine Familie da sein willst.“

Sie ergriff die Hand ihres Gatten und lächelte vielsagend.

„Vor allem da diese Familie bald Zuwachs bekommen wird.“

Demonstrativ strich sie sich über den Bauch, ehe sie Atsushi einen liebevollen Kuss schenkte.
 

Schnellen Schrittes gingen die beiden Männer durch den breiten -von Oberlichtern gesäumten- Gang, bis einer von ihnen, zielstrebig vorrausgehend, die großen Türen am Ende des Flures aufstieß.

Um sie herum wuselten die weißen Kittelträger umher und waren so mit ihren Tätigkeiten beschäftigt, dass sie die genau im Gegensatz zu ihnen, gekleideten Personen in Schwarz, gar nicht wahrnahmen.

„Was machen wir hier?“, fragte Wodka unschlüssig, da sie extra einen Umweg nehmen mussten, um diesen ungeplanten Abstecher bei der Forschungsabteilung einlegen zu können.

„Halt die Klappe.“, sprach Gin giftig und durchforstete den Hauptsaal.

„Wo steckst du alter Zausel?“, knurrte er gereizt, die Augen zu Schlitzen geformt.

Wodka wusste nicht, wen sein Partner damit meinte, wagte es aber auch nicht erneut eine leichtfertig gestellte Frage in den Raum zu werfen.

Ihm war aufgefallen, wie häufig es Gin in die Arzneimittelfabrik zog. Zu häufig, wenn man bedachte, wie auffällig das nach außen hin erscheinen musste. Sich wiederholende Muster waren potenzielle Gefahren, denn sie boten ein gefundenes Fressen für Interpol, dem CIA oder gar dem FBI.

Wodka registriere, wie sich Gin in Bewegung setzte, direkt auf einen weißhaarigen Mann in Wissenschaftlerkutte zusteuernd.

Hastig lief er ihm hinterher.
 

„Was ist das?“, prangerte Gin das Stück Papier in seinen Händen an, welches er aus seinem Mantel hervorgezogen und nun dem alten Mann unter die Nase hielt.

„Ein Bericht zu den Entwicklungen vom Apoptoxin.“, erklärte Pernod gelassen und sparte sich sogleich die typischen Floskeln einer gezwungenen Begrüßung.

„Falsch.“, widersprach ihm der blonde Hüne.

„Es ist eine Einschätzung DEINERSEITS.“

„Läuft das nicht auf ein und dasselbe hinaus.“, trotzte ihm der Forschungsleiter.

Gins Nasenflügel weiteten sich und er trat bedrohlich nah an Pernod heran.

„Er habe doch unmissverständlich klar gemacht, dass ich nur von der Wissenschaftlerin, die für den „Detektiv in Kinderschuhen“ zuständig ist, auf den Laufenden gehalten werden möchte.“, zischte er scharf. „Von dir war da keine Rede.“

Er bohrte seine kalten Augen in den Leib Pernods.

„Fräulein Miyano ist sehr beschäftigt, da ihre Versuche gut voran gehen und daher habe ich mich bereit erklärt, ihr ein wenig unter die Arme zu greifen.“

Gin schnaubte verächtlich.

„Du scheinst dir ungemein viele Gedanken um das junge Ding zu machen Pernod.“

„Das gleiche kann ich von dir behaupten Gin.“, kam es vom Forschungsleiter zurück, der dem Killer mutig die Stirn bot, obwohl der Blonde ihn um mindestens zwei Köpfe überragte.
 

Der erst noch stürmische Betrieb um die beiden herum flaute abrupt ab und immer mehr Blicke fielen auf die Person Gins und Pernods.

Die Geräuschkulisse verstummte und einige Wissenschaftler und Assistenten blieben sogar einfach, auf ihren Weg von A nach B, stehen.

„Hey, hat jemand gesagt ihr sollt eine Pause einlegen? Zurück an die Arbeit!“, bellte Wodka ihnen zu, um deren Aufmerksamkeit vom seinem Partner abzulenken.

Langsam setzten sich die Laboranten wieder in Bewegung, obwohl einige Augen weiterhin zu den Männern in Schwarz hinüber sahen.

Es kam nicht oft vor, dass jemand, selbst ein alter Hase wie Pernod, sich einer Autorität über alle Grenzen hinweg, wie Gin eine war, entgegenstellte.

„Gib Acht alter Mann.“, flüsterte der Blonde, damit niemand sonst mithören konnte.

Diese Botschaft war allein für Pernods Ohren bestimmt.

„Die Würde eines Forschungsleiters lastet schwer. Nicht das du daran zerbrichst. In Laboren kommt es ständig zu unerklärlichen Unfällen wie du weißt. Denk nur zurück an die Eltern der Kleinen, die du so zu beschützen versuchst.“, hauchte Gin bedrohlich mit seinem frostigen Atem.

Pernod war bemüht nicht die Beherrschung zu verlieren.

Gin hatte seine Achillesverse aufgespürt.

Sein gebrechlicher Körper begann zu zittern.

Ihm war klar worauf sein Gegenüber hinauswollte, dass er nur auf etwas Unüberlegtes seinerseits wartete. Irgendetwas, das ihm einen Grund liefern könnte gegen ihn vorzugehen.

„Achja, das hätte ich beinahe schon vergessen. Die Miyanos waren ja gute Freunde von dir. Das ist bestimmt auch der Grund, warum du ihr so nahe stehst. Ich kann dich aber beruhigen, ich werde genauso lieb zu ihr sein.“, trat Gin unverfroren nach.

Er hatte Pernod durchschaut und wusste jetzt, wie er ihn aus der Reserve locken konnte. Es war, wie wenn ein Löwe die humpelnde Antilope in einer Herde erspähte und sich an ihr festbiss.

„Du musst dich nicht schuldig fühlen für das, was damals passiert ist. Als sie bei lebendigen Leibe verbrannten. DU hattest damit ja nicht das Geringste zu tun.“, grinste Gin provokant.

Der Unfall, der kein Unfall war.

Pernod wusste, dass Gin irgendetwas damit zu tun haben musste.

Vielleicht wollte er ihm sogar klar machen, dass er selbst dahinter steckte, aber Pernod rein gar nichts dagegen ausrichten konnte.
 

>Dieser Verbrecher<, dachte sich der Forschungsleiter und reagierte bestürzt, als genau zu diesem Zeitpunkt Shiho im großen Hauptsaal auftauchte.

Wahrscheinlich war sie hier, um die vereinbarten Mäuse für ihre Testdurchläufe bei ihm abzuholen. Ein äußerst fatales Timing.

Ehe Pernod etwas dagegen unternehmen konnte, so hatte sein Blick Gin bereits alles verraten und er drehte sich ebenfalls nach der jungen schönen Wissenschaftlerin um.

Er lächelte finster, als er dem Leiter, wie einem guten Freund, auf die Schulter klopfte.

Den Bericht in seinen Händen steckte er dabei in den Kittel des alten Mannes.

„Ich hoffe doch, dass Thema hat sich jetzt geklärt. Pass gut auf dich auf Pernod.“

Damit ließ der Hüne ihn einfach stehen und trat an Shiho heran, die sich mit zwei Forschern über ihre Arbeit unterhielt, welche aber schnell das Weite suchten, als sie Gin hinter ihr anmarschieren sahen. Die Rotblonde war zuerst verwirrt, drehte sich allerdings um, als ein großer Schatten auf ihr fiel.
 

„Was für ein Zufall, sie gerade jetzt hier anzutreffen Miss Miyano. Ich hörte ihre Forschung läuft auch weiterhin zufriedenstellend für uns.“, begann Gin ihre Unterredung mit einer dunklen und betörenden Stimme.

Shiho war sich nicht so sicher, ob dies wirklich auf einen Zufall zurückzuführen war, denn hatte sie Gin, seit ihrem -im wahrsten Sinne des Wortes- ersten Zusammenstoß, immer häufiger in der Nähe der Labore gesehen.

Sein Interesse an ihrem Gift muss größer sein, als sie bisher angenommen hatte.

„Äh ja, das kann man so sagen. Da es mir nun gelungen ist, dass Gift physisch herzustellen, bin ich gerade dabei die Wirksamkeit an Labormäusen zu testen.“, berichtete sie wahrheitsgemäß.

„Ausgezeichnet. Sie leisten wirklich gute Arbeit. Lassen sie sich von niemanden weiß machen, dies sei anders, verstanden?“

Gin spielte bewusst seine Beobachtungen von ihr und Uchida vor einigen Tagen an, was Shiho jedoch unmöglich wissen und damit erkennen konnte.

„V-Vielen Dank.“

Sie verbeugte sich flüchtig.

„Wie wäre es, wenn ich bald persönlich eine ihrer Testreihen in Augenschein nehme. Mein Wort und mein Meinungsbild haben eine große Wirkung.“

Er kam ihr etwas näher, was in Shiho ein merkwürdiges Kribbeln auslöste.

Ihr kam es gelegen, dass Gin sich anbot ihr bereitwillig in die Karten zu spielen, doch irgendwie war da noch was anderes.

Dieser Mann verströmte etwas das…

Er war…

Er schien mehr in ihr zu sehen, als bloß ein Mittel zum Zweck, so wie es alle anderen taten. Das sie einfach nur nützlich für die Organisation sei und mehr nicht.

Gin regte in ihr das Gefühl, dass er auch die Person hinter dem Gift sah. Der Mensch der SIE war.

„Oh, n-na gut, wie sie möchten.“, nahm sie sein Angebot, wenn auch verzögert, an.

Gin nickte stumm und schenkte ihr ein kurzes, aber kontrolliertes Lächeln, ehe er mit Wodka von dannen zog.

>Diese Ausstrahlung<

Shiho musste wieder zu klarem Verstand kommen und sich ins Gedächtnis zurückrufen, wozu sie Gin eigentlich benutzen wollte.

Er war ein Mann in Schwarz und sie hatte allein Interesse an seinen Einfluss, der ihr und Akemi die Freiheit ermöglichen könnte, mehr nicht.
 

Pernod kam zu Shiho hinüber, da sie sich eine Weile nicht geregt hatte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig und dennoch erschrak die junge Frau, als er plötzlich neben ihr stand.

„Ja natürlich, wieso sollte nicht alles in Ordnung sein?“, stellte sie die Gegenfrage.

„Ich meine, du wirkst so abwesend und dann die Sache mit Gin.“

Shiho runzelte die Stirn.

„Nichts für ungut, aber ich glaube ich kann auch alleine für mich sorgen und selbst damit klarkommen. Ich brauche keinen Aufpasser.“, erwiderte sie schroff.

Dachte Pernod etwa, sie hätte sich nicht im Griff und könnte das nicht alleine klären?

„Sie haben als Forschungsleiter auch noch andere Dinge zu erledigen und handeln sich nur unnötigen Ärger ein, wenn sie mir ständig beistehen wollen. Ich möchte nicht, dass sie sich wegen mir Probleme einheimsen.“

Sie wendete ihren Blick ab.

Pernod wollte etwas einwenden, doch Shiho wollte sich nicht weiter unterhalten.

Für sie gab es nichts zu diskutieren. Keiner sollte für sie einstecken müssen. Sie war stark genug ihr Leben alleine zu stemmen und sie sollte sich jetzt besser wieder an die Arbeit machen.

„Ich hole die Mäuse doch lieber erst morgen ab.“

Damit ging sie fort und ließ Pernod allein zurück.
 

Shiho war auf dem Weg zurück in ihr Labor, als ihr auf dem Flur Uchida entgegenkam.

Nicht auch noch der, fluchte sie klangheimlich in sich hinein.

>Ganz ruhig Shiho, ignoriere den Kerl und gehe einfach an ihn vorbei<, sprach sie zu sich selbst, als Uchida immer näher kam.

Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und wich seinem stechenden Blick aus, der an ihr haftete, wie ein lästiger Kleber.

Somit bemerkte sie allerdings auch nicht, wie der Wissenschaftler, als sie auf gleicher Augenhöhe waren, mit seinem Arm ausholte und den Stapel Akten in ihren Händen zu Boden beförderte.

„Pass doch ein bisschen besser auf.“, beschwerte sich Uchida übertreiben.

„Das war doch nicht meine Schuld.“, wehrte sich Shiho gegen sein nicht gerechtfertigtes barsches Auftreten.

„Der Gang ist breit genug für vier Personen. Sie hätten einfach an mir vorbeigehen können, ohne mir auf die Pelle zu rücken. Denken sie ich weiß nicht, dass das Absicht war. Nehmen sie gefälligst etwas mehr Rücksicht.“, wetterte die Rotblonde zurück.

Sie hatte es satt, von Leuten wie Uchida herumgeschubst zu werden.

Er war mit Abstand das genaue Gegenteil von Gin.
 

„Pah, als lasse ich mich von niederen Mitarbeiterinnen belehren.“, feixte Uchida und sah zu ihren Füßen, wo die Akten über den schwarzen Fußboden verteilt lagen.

„Willst du das nicht lieber aufheben? Gehört doch bestimmt zu deiner so wichtigen Forschung.“

>Dieser miese…<

Shiho schluckte ihre angesammelte Wut so gut es ging hinunter und beugte sich nach vorn, um ihre Unterlagen wieder an sich zu bringen.

Uchida sah sich kurz um, um festzustellen, dass niemand in der Nähe war.

Als er sich sicher war, dass sie ungestört waren, packte er Shiho gewaltsam am Hals und drückte sie mit seinem massigen Körper gegen eine der Seitenwände.

Die junge Frau wollte aufschreien, doch Uchida presste seine Hand auf ihren Mund.

„Dir habe ich es zu verdanken, dass mich der alte Pernod für einen Monat strafversetzt hat. Nur weil ich ein bisschen was getrunken hatte.“

Er drückte ihren Kopf stärker gegen das Mauerwerk und näherte sich ihrem Ohr.

„Damit hast du den Krieg erklärt und im Krieg ist bekanntlich alles erlaubt.“

Er verstärkte den Griff an ihrem Körper.

Shiho war völlig überrumpelt, doch strampelte und widersetzte sie sich so gut sie konnte, aber ihr gelang es nicht sich frei zu kämpfen.

„Ja, wehre dich ruhig ein bisschen. Das gefällt mir.“, leckte sich Uchida die Lippen.

„Ich sagte dir doch, ich werde mich rächen für die feige Nummer mit dem Erlenmeyerkolben.“

Er nahm ihr Gesicht von der Wand und zerrte die Rotblonde in Richtung eines Lagerraums.

„Mach es uns beide nicht so schwer. Wenn du artig bist, darfst du deinen mickrigen Posten behalten, wenn ich neuer Forschungsleiter bin.“
 

Uchida war sich seiner Sache sehr sicher und unterschätze dabei abermals Shihos Fähigkeiten.

Er wiegte sich in falscher Sicherheit, als das er sie nun ausreichend eingeschüchtert hätte und diese fatale Fehleinschätzung wollte Shiho sich jetzt zunutze machen.

Wo sie anfangs noch sich auf das heftigste gewehrt hatte, so war sie, trotz allem Ekel vor diesem Widerling, immer ruhiger geworden, sodass Uchida seinen Griff ebenfalls unbewusst gelockert hatte, um auf Dauer weniger Kraft gegen sie aufbringen zu müssen.

Als der Moment dann am günstigsten war, biss sie ihn -für Uchida nicht vorhersehbar- in den Zeige- und Mittelfinger und das mit all der Kraft, die ihr Kiefer aufbringen konnte.

Dieses Mal war es ihr ganz und gar gleich, wie laut ihr Angreifer darauffolgend aufschrie. Wenn Shiho gekonnt hätte, hätte sie dem Schwein am liebsten die ganze Hand abgebissen, damit er sich künftig weder an irgendjemanden vergehen, noch sonst etwas in der Forschungsabteilung zustande bringen könnte.

Ihr erstes Manöver erzielte seine gewünschte Wirkung und Uchida ließ sie los, doch hielt die Ablenkung nicht so lange an, wie erhofft.

„Du willst es also wirklich wissen ja?“, knurrte der Mann und schlug mit der ausgestreckten Hand zu.

Der Treffer fiel härter aus, als Shiho gerechnet hatte und sie fiel zu Boden, während ein höllisches Brennen sich auf ihrer Wange ausbreitete und ihr die Tränen in die Augen trieb.

Uchida stand nun über ihr, bereit ein zweites Mal auszuholen, als er von zwei starken Händen von hinten gepackt und mit dem Kopf voran, gegen die Wand geschleudert wurde.

Ein dumpfes Geräusch war zu hören, als sein Schädel mit dem Beton kollidierte und Uchida aufjaulte.

Anscheinend hatte es genau die Stelle erwischt, die durch die Glassplitter der letzten Auseinandersetzung mit Shiho genäht werden musste.

Lauthals jammerte er weiter, als die Wunde wieder aufriss.

Wie ein nasser Sack rutschte er zu Boden.
 

Shiho atmete schwer, als sie zu dem Mann hinaufschaute, der ihr zur Hilfe geeilt war.

Es war Gin, der sie nichtssagend in die Augen sah und einfach nur da stand.

Sie erwiderte ebenfalls nichts, stand sie schließlich noch ziemlich unter Schock, als das ausgeschüttete Adrenalin so langsam in ihr abebbte und sie sich klar wurde, was Uchida noch alles mit ihr angestellt hätte, wäre Gin nicht aufgetaucht.

Die Rotblonde hat beim letzten Mal es bei der Rüge gegenüber dem verbotenen Alkoholkonsum belassen, doch dabei würde es dieses Mal definitiv nicht bleiben.

Nun war er zu weit gegangen.

Shiho wartete einen Moment, dabei darauf achtend, dass Uchida sich nicht wieder aufrappeln und erneut auf sie losgehen würde, doch dieser machte keine Anstalten so schnell wieder aufzustehen.

Sicherlich würde es Gin auch nicht so weit kommen lassen.

Er musste eine ungeheure Stärke besitzen, wenn er einen Mann um die hundert Kilo mit einem Schwung durch die Luft befördern konnte.
 

Das Blut lief derweil zwischen Uchidas -durch Bissspuren gezeichnete- Finger hindurch, als er versuchte Druck auf seine Verletzung auszuüben.

Mit großer Wahrscheinlichkeit drehte sich alles in seinem Kopf, vielleicht sogar eine leichte Gehirnerschütterung, schlussfolgerte Shiho aus ihrer Beobachtung.

Auch auf medizinischer Ebene war sie nicht ohne, wenn lange nicht so herausragend, wie in der Biochemie.

Sie atmete etwas stockend ein und wieder aus.

„D-Danke“, presste sie geschafft hervor.

Gin kniete sich zu ihr herunter und reichte ihr eine Hand.

„Du musst mir nicht danken.“

Shiho wurde ein wenig Rot, nahm aber die große helfende Hand des Hünen an und stand vorsichtig wieder auf.

Ihr Gesicht tat ihr dabei immer noch ziemlich weh.

Gin befühlte ihre geschwollene Wange und in Shiho breitete sich eine wohlige Wärme aus.

Wie konnte das nur sein?

Wie konnte ein Mann nur so kalt und gleichzeitig so warm sein?

„Du gehst jetzt besser und lässt dich verarzten. Ich kümmere mich hier um den Rest.“

Er warf einen abfälligen Blick auf das Häufchen Elend vor sich auf dem Boden.

Shiho nickte nur und sammelte ihre Akten zusammen, bevor sie an Gin vorbei ging und dabei dem Scheusal Uchida keines weiteren Blickes oder Wortes mehr würdigte.

Hoffentlich müsste sie ihn wie wieder zu Gesicht bekommen.
 

Eine Zeit lang tat sich nichts mehr.

Gin stand weiterhin über Uchida, dessen Stöhnen mit der Zeit leiser geworden war und der sich bemühte wieder auf die kurzen Beine zu kommen.

Der Blonde zündete sich unbekümmert eine Zigarette an und sah ihm dabei zu.

„Was für eine armselige Aktion.“, setzte Gin an, nachdem er zweimal an seinem Glimmstängel gezogen hatte.

„Ich wusste du bist ein Haufen Abschaum Uchida, aber das du dich derart an Frauen vergreifst, das ist selbst für dich ein neuer Tiefpunkt.“

Der Wissenschaftler stand nun wieder aufrecht, das Blut in mehreren Rinnsalen seine Stirn hinunterlaufend, als er von Gin gegen die Wand gepfercht wurde, mit der eben noch sein Kopf Bekanntschaft gemacht hatte.

Mit der flachen Hand schlug er neben sein Ohr, knapp an seinem Gesicht vorbei, gegen den Putz und ließ den kargen Uchida zusammenzucken.

„Merk dir eins, Shiho Miyano ist ab sofort unter meinem besonderen Schutz gestellt, ist das klar? Ein solches Verhalten, wie das von vorhin ist somit unentschuldbar.“

Uchida zitterte wie Espenlaub, als Gin ihn eine Ladung Rauch ins Gesicht blies.

Er musste husten und rang gleichzeitig nach Luft.

„E-Es tut mir so leid. I-Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie…“

„Halt deinen Mund. Ich will dieses Gewinsel nicht hören.“, befahl Gin.

Uchida verstummte sofort.
 

„Du bist erbärmlich.“, machte Gin weiter.

„Du begehrst sie in Wahrheit, oder? Tja man kann es dir nicht verübeln, doch du weißt, dass du chancenlos bist bei einer Frau wie ihr und daher willst du sie mit Gewalt an dich reißen, als ein Zeichen von Macht. Ist doch so.“

Gin funkelte Uchida niederträchtig an, während der sich wandte, wie ein Wurm.

„N-Nein, so ist das nicht. Sie ist…“

Der Hüne packte ihn an der Kehle und der Rest seines Satzes ging buchstäblich die Luft aus.

Uchida krächzte gequält.

„Weißt du, ich werde es ganz anders angehen.“, flüsterte Gin diabolisch, ganz und gar bereit dazu, seinen finsteren Plan mit ihm zu teilen.

„Sie ist begehrenswert oh ja, doch ich werde sie mir nicht einfach nehmen, nein, ich werde dafür sorgen, dass sie sich mir freiwillig hingeben wird. Verstehst du? DAS ist dann wahre Macht, die man über eine Person hat. Indem man den eigenen Willen, zu ihrem Willen macht.“

Er ließ Uchida wieder los, der händeringend nach Sauerstoff schnappte.

„E-Es tut mir alles so furchtbar leid. I-Ich verspreche das wird nie wieder vorkommen.“, bettelte der Wissenschaftler.

„Natürlich wird es das nicht.“, entgegnete Gin und schnipste die Zigarette beiseite.
 

Blitzschnell packte er Uchida erneut und drückte seine Atemwege zu.

Dieser riss panisch die Augen auf, als er realisierte was Gin vorhatte.

Immer fester und fester wurde sein brutaler Griff, während die Mordlust in seinen grünen Augen zuckte und sein Opfer sich unter ihm wandte, bis die um sich schlagenden Bewegungen, immer mehr zu wirkungslosen Zuckungen schrumpften.

Nach wenigen Sekunden rührte sich nichts mehr und Gin stieß den regungslosen Körper von sich.

Wie als würde er den Müll entsorgen, schleifte er Uchidas Leiche zu dem Lagerraum, in den dieser auch Shiho drängen wollte.

Er warf ihn hinein und ließ ihn dort einfach liegen.

Jemand anderes würde sich später um den Unrat kümmern. Eine kleine Lüge über seinen Verbleib und niemand würde ihn jemals vermissen oder nach ihm suchen.

Er wäre wie vom Erdboden verschluckt, so operierte nun einmal die Organisation.

„Nimm es nicht persönlich.“, lächelte Gin teuflisch, als er die Tür ins Schloss fallen ließ.

Elenas Botschaft

Kapitel 6: Elenas Botschaft
 

Akemi war auf dem Weg zum Labor ihrer Schwester. Wie sonst regelmäßig, wollte sie mit ihr in ihr gemeinsames Lieblingscafé gehen, um sich unterhalten zu können.

Wenn sie mal die Zeit fanden, etwas zusammen zu unternehmen, dann am besten so weit weg wie möglich von den geheimen Anlagen der Organisation.

Gut gelaunt und in Erwartung Shiho an ihrem Arbeitsplatz anzutreffen betrat sie das Labor der Rotblonden, doch erstaunlicherweise fand sie es leer vor.

„Nanu, keiner da?“, war Akemis verblüffte Reaktion.

Es kam nicht oft vor, dass ihre kleine Schwester ihr Labor verließ.

Die Braunhaarige klopfte vorsichtshalber an die Tür zum kleinen separaten Badezimmer. Diese schwenkte langsam und knarrend auf. Sie war nicht abgeschlossen und auf der Toilette war auch niemand.

>Shiho, wo steckst du denn? <

Sie sah sich weiter im Labor um und ging auf einen Tisch zu, auf dem 9 gläserne Behälter in 3x3 Formation aufeinander gestapelt standen. Kleine weiße Nager mit kugelrunden Knopfaugen huschten durch die transparenten Boxen. Ein Deckel mit mehreren feinen Luftlöchern versorgten die Tierchen mit genügend Sauerstoff.

Akemi stützte ihre Arme von den Knien ab und schaute den Mäusen dabei zu, wie sie Trockenfutter kauten oder ihr Fell putzten.

„Na hallo, was seid ihr denn für niedliche Dinger.“, lächelte sie entzückt und tippte sachte mit ihrem Zeigefinger gegen einen der Behälter.

Auf dem zweiten Blick bemerkte sie die Nummerierungen der Boxen von T1-T9. Daneben lag ein Klemmbrett mit den gleichen Bezeichnungen darauf, was Akemi kurzerhand an sich nahm.

„Testreihe 1, Auswirkungen des Apoptoxins auf komplexe Organismen.“, las sie laut vor.

Akemi überkam ein desolates Gefühl, als sie wieder zu den Nagern sah. Anscheinend dienten die armen Tierchen einzig und allein dem Austesten des neu entwickelten Giftes ihres Schwester.

Shiho hatte ihr bei ihrem letzten Treffen vor zwei Wochen erzählt, dass es ihr nun gelungen sei, ihre Formel erstmals in eine Flüssigkeit umzusetzen. So könnte man es leicht mit der Spritze injizieren, was besonders bei ihren Versuchen sehr praktisch sei. Die ersten Ergebnisse bei Gewebeproben unter dem Mikroskop verliefen bereits äußerst vielversprechend, so ihre Worte.

Sie las weiter den Bericht.

„Erste Beobachtungen: Alle Probanden zeigen keinerlei Veränderungen in Verhalten oder Gesundheit. Testobjekt 1 bis 9 vollkommen unbeschadet geblieben.“

Akemi atmete erleichtert aus, doch gleichzeitig fühlte sie sich dafür schuldig und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.

Das Apoptoxin schien also seinen zweiten Durchlauf nicht gerade mit Bravour absolviert zu haben.

>Shiho wird darüber bestimmt nicht erfreut sein<, dachte sich Akemi und erinnerte sich wieder an den eigentlichen Grund für ihren Besuch.

Sie legte das Klemmbrett zurück an seinen Platz und stemmte ihre Hände gegen ihr Becken, gefolgt von einem tiefen Seufzer.

„Seltsam, normalerweise ist sie doch immer um diese Uhrzeit in ihrem Labor und forscht ununterbrochen.“
 

Akemi ging auf den Arbeitsplatz der Rotblonden zu und wischte aus reiner Neugier und auch Langeweile über das neue hochmoderne Interface, welches Shiho extra für das Voranschreiten ihrer Forschung zur Verfügung gestellt bekommen hat.

Ohne dass sie es beabsichtigt hatte, fingen alle Bildschirme der Schnittstelle an aufzuleuchten.

>Huch<, stellte Akemi verwundert fest und wich einen Schritt zurück.

Wenn sie irgendetwas an Shihos Arbeit ausversehen verändern würde, bekäme sie bestimmt riesigen Ärger mit ihr.

Dennoch kam sie nicht drum herum neugierig die offenen Programme zu überfliegen.

Ihr kam wieder in den Sinn, wie sie Shiho einst danach gefragt hat, ob ihre Mutter und ihr Vater vielleicht auch etwas Persönliches für sie hinterlassen hätten. Die rotblonde Wissenschaftlerin besaß jedoch bisher nie die Zeit wirklich intensiv nach etwas vergleichbarem zu suchen.

Akemi geriet ins Grübeln.

Sie nahm auf dem Stuhl ihrer Schwester Platz und versuchte sich auf den Bildschirmen, übersät mit komplexen Formeln, verschiedensten parallel ablaufenden Analysen und weiterem wissenschaftlichen Zeugs, zu orientieren.

Schnell erkannte sie, dass ihr das eindeutig eine Spur zu hoch war.

Es war schon ziemlich erstaunlich, wie sehr sich die beiden Geschwister doch voneinander unterschieden, was das anging.

Shiho war eben diejenige, die das Now-know ihrer brillanten Eltern geerbt hat.

Sie hatte immer so viel zu tun, dass sie kaum zu etwas anderem kam, weswegen sich die Ältere darüber wunderte, dass sie momentan nicht hier war.

>Wahrscheinlich musste sie einen Botengang für Pernod erledigen<, dachte sich Akemi so dabei und scrollte unschuldig durch den Ordner mit den Aufzeichnungen ihrer Eltern.

Wenn vielleicht, aber auch nur vielleicht, die Chance bestehen könnte, dass sich auf der Festplatte mehr befand, als nur die gesammelten Daten jahrelanger Forschungen…

Auf dem ersten Blick wirkte es jedoch nicht so, als würde dies zutreffen. Nur ein Haufen komplizierter Formulierungen, für jede einzelne Datei, über die sie den Cursor führte.
 

Seufzend wollte sich Akemi schon geschlagen geben, als ihr ein, auf dem ersten Blick unscheinbarer, aber durchaus besonderer Ordner ins Auge fiel.

„Sonnenschein“, flüsterte Masami Hirota wie hypnotisiert und kam nicht drumherum, bei diesem Wort an ihre Mutter Elena zu denken.

Sie erinnerte sich, wie sie als Kind von ihr immer als Sonnenschein bezeichnet wurde, da sie seid klein auf die Begabung besaß, allen anderen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Es war ihre ganz eigene Art, die sie so einzigartig machte, hatte ihr ihre Mutter damals erklärt und bis heute konnte sie sich daran entsinnen.

Zweifellos war diese Beschriftung eine Anspielung darauf und der Inhalt bestimmt einzig und allein an sie gerichtet.

„Mama“, flüsterte die junge Frau.

Mit fast schon zittrigen Fingern öffnete Akemi den Ordner mit einem Doppelklick. Es war nur eine einzige Datei darin enthalten und obwohl es sich bloß um eine simple Textdatei mit nur wenigen Kilobytes handelte, wurden die Augen der Braunhaarige immer größer, denn sie trug den Namen Akemi.

Sie öffnete auch diese Datei und bekam folgendes zu lesen: Forschungsabteilung, Raum 050, Schrank B, Lade ZH9-C.

Akemi schloss kurz die Augen, schüttelte zunächst den Kopf und rutschte dann noch näher mit ihrem Gesicht an den Bildschirm heran.

Das war alles? Mehr hatte ihre Mutter ihr nicht zu sagen?

Sie war zuerst mehr als enttäuscht von der lausigen Ausbeute, bis sie anfing etwas genauer darüber nachzudenken. Vielleicht war der ihr beschriebene Ort die eigentliche Stelle, an der ihre Mutter unter Umständen etwas hinterlassen hatte. Womöglich eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit die Männer in Schwarz es nicht finden würden. Eine Botschaft an ihre Kinder.

Akemi notierte sich die Angaben auf einem Stück Papier, bevor sie die Datei samt Ordner löschte. Danach erhob sie sich und verließ das Labor wieder. Allerdings tat sie das aufgeweckter, als sie es betreten hatte.

Die Verabredung mit Shiho zum Kaffee musste nun warten. Das Wissen, dass irgendwo hier in der Forschungsabteilung etwas auf sie wartete, dass von ihren Eltern zurückgelassen wurde, ein Ruf aus vergangenen Tagen, an denen es nur sie gab, ihre Familie, beflügelte die junge Frau. Ihre Abenteuerlust war geweckt und ließ ihr keine Ruhe mehr.

Sie fühlte sich wieder wie das kleine Mädchen, dass sie einst war, voller Lebensenergie und Tatendrang, sodass sie kaum zu bremsen war.

Es gab zwar das Problem, dass sie keine Ahnung hatte, wo Raum 050 sein könnte und erst recht hätte sie keine Freigabe dafür, doch zum Glück kannte sie jemanden, der über beides verfügte und gleichzeitig ein guter Freund der Familie war.

Sie begab sich zum Hauptsaal. Zu Pernod. Er würde ihr sicherlich weiterhelfen.
 

„Raum 050?“

Der alte Forschungsleiter machte es sich auf dem Stuhl in seinem Büro bequem.

Er warf die Stirn in Falten und schien angestrengt nachzudenken.

„Ja“, bestätigte Akemi. „Kennst du diesen Raum? Gibt es ihn überhaupt?“

„Und ob es ihn gibt.“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Wahrscheinlich schneller, als es Pernod beabsichtigt hatte, denn er erkannte in dem Gesichtsausdruck der jungen Frau, dass sie nun noch mehr erfahren wollte.

„Wozu willst du das überhaupt alles wissen?“, versuchte er stattdessen sich über Akemis Beweggründe zu erkundigen.

Der alte Mann fühlte ein leichtes Unbehagen, dass er nach diesem Raum gefragt wurde, Raum 050. Es war ein Ort voller Erinnerungen. Welche die Pernod für immer bewahren wollte und andere, bei denen er sich wünschte sie vergessen zu können.

Akemi erzählte ihm von ihrem Fund in den Dateien ihrer Schwester.

„So etwas hat sich zwischen ihren Forschungsergebnissen versteckt?“, gab sich Pernod keine Mühe, sein Erstaunen zu verbergen, nachdem Akemi zu einem Ende gekommen war.

Sie nickte zustimmend.

Der Leiter der Forschungsabteilung musste nun leise vor sich hin schmunzeln, als er sich über sein faltiges Kinn fuhr.

„Das trägt zweifelsohne Elenas Handschrift. Sie war schon immer eine bemerkenswerte Frau und mit allen Wassern gewaschen. Häufig hat sie es deinem Vater, aber auch mir nicht leicht gemacht.“

Akemi hielt sich eine Hand an den Mund und schmunzelte ebenfalls.

Es kam nicht oft vor, dass Pernod so offen von früher berichtigte. Eigentlich tat er das nie.

Wie es den Anschein machte, besaß aber selbst er, derjenige der die Daten solange aufbewahrt hatte, nicht die leiseste Ahnung über diese kleine Nachricht ihrer Mutter und folglich auch nicht über ihr Versteck in Raum 050. Es muss sich wohl also wirklich um etwas sehr Wichtiges oder auch gar sehr Persönliches handeln.

„Und kannst du mir helfen dort rein zu kommen?“

Akemi rechnete mit seiner vollen Unterstützung, als sie ihm diese Frage stellte, doch Pernods heiterer Blick verschwand, sobald sie ihre Anfrage über die Lippen gebracht hatte.

„Bitte, ich muss einfach wissen, was dort auf mich wartet.“, belagerte sie ihn weiter, ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten.

Pernod sah sich mit einer Angelegenheit konfrontiert, von der er wusste, dass sie eines Tages von ihm abverlangt werden würde. Heute schien dieser Tag wohl gekommen zu sein.

„Wenn du so dringend an diesen Ort möchtest, dann muss dir auch klar sein, um was für einen Raum es sich bei 050 handelt. Siehst du dich wirklich dazu bereit, Masami Hirota.“

Die ernsten Worte Pernods und die Benutzung ihres vollen Decknamens, brachte ihre Entschlossenheit nun doch ein wenig ins Wanken.

Eine unsichtbare Kraft trieb sich aber weiter vorwärts und ihr Interesse wuchs fast exponentiell.

Was verbirgt sich hinter Raum 050?
 

„Ja, ich will es wissen.“, behaarte Akemi.

„Es war über lange Zeit das Hauptlabor deines Vaters Atsushi Miyano gewesen.“, gestand Pernod nach reichlicher Überlegung.

„Das Labor von Papa? Wirklich? Das macht natürlich Sinn.“

„Heute steht es verlassen und wird nicht mehr genutzt.“, ergänzte der alte Wissenschaftler.

Akemi überlegte eine Weile und ihr Gesicht hellte sich auf.

„Aber das ist doch perfekt. Desto leichter sollte man hineingelangen.“

Sie war absolut davon überzeugt dies waren gute Neuigkeiten. Sie verstand nicht, warum Pernod sie vor 050 zu warnen versuchte. Der alte Mann war jedoch der Auffassung, dass sie das noch früh genug herausfinden würde.

„Ich befürchte, dass dürfte sich als nicht so einfach herausstellen, wie du es dir erhoffst.“, gab Pernod zu bedenken. „Du bist nun einmal kein Mitglied dieser Abteilung Masami. Wenn dich jemand in der Nähe dieser Sektion sieht, wird das bestimmt ungewollte Fragen aufwerfen.“

„Aber du bist doch der Forschungsleiter. Kannst du denn nichts tun?“

Sie trat einen Schritt an ihn heran.

Pernod stand auf und strich sich die Sitzfalten aus seiner Arbeitskluft.

„Ich könnte allein dorthin gehen und nachsehen, was sich in Lade ZH9-C verbirgt.“, schlug er vor. „Es wäre so viel sicherer für dich und würde dir einiges ersparen.“

Akemi sah zu Boden.

Sie spielte mit den Fingern an ihren Nägeln herum.

„Nimm es mir bitte nicht übel Onkel Pernod, aber das ist nicht das was ich möchte. Ich will auch gar nicht egoistisch klingen, doch ich habe irgendwie das Gefühl, als müsste ICH diejenige sein, die es findet, was immer dort auf mich wartet.“

Pernod hörte ihr schweigend zu.

Ihm war klar, dass er Akemi dieses Unterfangen nicht ausreden konnte, doch hatte er zumindest gehofft, er könnte es alleine machen. Das nur er sich dem dortigen aussetzte und die Risiken, die damit verbunden waren.

Der alte Mann sah in Akemis bettelnde Augen.

Es war ihre größte Geheimwaffe. Sobald sie dieses Gesicht aufsetzte, war jeder, mit einem Herz, wie Wachs in ihren Händen.

Sie stritt es gar nicht ab, dass ab und zu für sich auszunutzen, vor allem bei Dai.
 

„Also schön Masami. Du hast gewonnen.“, willigte Pernod ein und erntete dafür eine spontane Umarmung, die ihn fast aus den Latschen schmiss.

„Aber ich werde einige Vorkehrungen treffen müssen. Komm am besten heute Abend noch einmal zu mir. Dann sollte es am sichersten sein.“

„Vielen Dank Pernod.“, lächelte Akemi.

Sie war ihm für diesen Gefallen sehr verbunden, doch Pernod wusste, dass dazu kein Grund bestand.

„Ach, bevor ich es vergesse. Hast du Shiho heute zufällig schon gesehen?“

Akemi drehte sich wieder zu dem Forschungsleiter um, den Griff der Tür schon in den Händen.

„Nein leider nicht. Als ich vorhin bei ihr im Labor war, war ich allein gewesen. Ich habe sie auch den ganzen Tag noch nicht zu Gesicht bekommen. Eigentlich ging ich davon aus, sie würde eventuell etwas für dich erledigen.“

„Merkwürdig“, flüsterte Pernod.

Ihm missfiel es, dass er nicht wusste wo Shiho steckte oder besser gesagt bei wem.

„Nun gut, sie wird sicherlich beschäftigt sein oder vielleicht hat sie sich endlich dazu durchringen können, mal wieder für eine Nacht nach Hause zu gehen.“, lenkte er ein, um Akemi nicht zu beunruhigen.

„Ja vielleicht. Es könnte zumindest nicht schaden, wenn sie sich selbst weniger unter Druck setzen würde.“, lachte Akemi ganz natürlich und hob die Hand zum Abschied.

„Bis heute Abend dann.“

Mit diesen Worten verließ sie das Büro.

Pernod winkte ihr zwar noch aufmerksam nach, doch sein Gefühl verriet ihm, dass da etwas Bedrohliches im Anrollen war.
 

Als der Abend schließlich kam und die Sonne hinter den stählernen Wolkenkratzern der Innenstadt verschwand, war Akemi so unglaublich aufgeregt und konnte es gar nicht mehr abwarten.

Wie bestellt fand sich die junge Miyano erneut im Büro Pernods ein.

Der Hauptsaal war, bis auf eine Hand voll seiner Mitarbeiter, bereits leer.

Der alte Forschungsleiter erwartete sie längst und reichte ihr einen weißen Laborkittel. Er diene dazu, dass niemand, der sie zufällig sehen sollte, sie für eine Außenstehende hält.

Falls durchsickern sollte, dass der Leiter der Forschungsabteilung unbefugte Organisationsmitglieder in strenggeheime Sektionen herumführte, so könnte es ihm buchstäblich den Kopf kosten.

Akemi war sich dessen bewusst und hätte es sicherlich alleine gemacht, wenn nicht Pernod der einzige wäre, der über die nötige Autorität und Freigabe verfügte. Sie wusste es sehr zu schätzen, was er für sie auf sich nahm.

Akemi warf den Kittel um und knotete zusätzlich ihre langen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.

Stumm folgte sie Pernod, der sie ohne großes Tamtam von den verbliebenen Wissenschaftlern wegführte.
 

Lange liefen sie durch mehrere Gänge, gefühlt immer tiefer in die Gedärme des Forschungstraktes hinein. Pernod entriegelte eine gesicherte Schutztür und winkte Akemi in den dahinterliegenden schmalen Flur. Man konnten diesem abgelegenen Fleck ansehen, dass er zu einem älteren Teil der Einrichtung zu gehören schien. Alte Kacheln an den Wänden und verstaubte Gerätschaften, wie auf einem Schrottplatz zusammengestellt, prägten die Kulisse. Es roch ein wenig muffig, da es keine Fenster gab, durch die frische Luft hineingelangen konnte. Vereinzelte flackernde Oberlichter sorgten nur für eine spärliche Beleuchtung und Akemi musste auf der Hut sein, wo sie hintrat.

Hier war sie noch nie gewesen. Was war das für ein seltsamer Ort?

„Der gesamte Komplex teilt sich insgesamt in zwei Hauptbereiche auf, musst du wissen.“, begann Pernod leise zu erklären, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Er ging voran, sodass Akemi sein Gesicht nicht sehen konnte, während er sprach, aber sie hörte ihm dennoch bedachtsam zu.

„Wie dir bekannt sein sollte, handelt es sich bei dem Gebäude indem die Forschungsanlage der Organisation unterbracht ist, in Wahrheit um eine offizielle Arzneimittelfabrik. Sie gehörte einst der Karasuma Group an und importiert Medikamente in alle Welt. Der Einfluss dieser Firma allein war es auch geschuldet, dass wir hier seit Jahrzehnten abseits der zugänglichen Bereiche unserer Forschung nachgehen können. Der Ursprung unserer Abteilung liegt also schon lange zurück. Der Teil indem wir uns jetzt befinden ist allerdings noch älter und wurde in den 30er Jahren erbaut.“

„Und was war das damals für ein Gebäude gewesen?“, erkundigte sich Akemi, wie gebannt von Pernods Gesichte.

„Es war ein Krankenhaus, dass aber im Zweiten Weltkrieg durch eine Bombardierung Tokyos fast vollständig zerstört wurde. Es wurde danach nicht wieder aufgebaut und stand lange Zeit leer, bis die Karasuma Group Anfang der 60er Jahre das gesamte Gelände aufkaufte, um einen neuen Komplex mit einer Fabrik für Arzneimittel zu errichten. Viele Teile des alten Krankenhauses wurden dafür abgerissen, doch einige wurden auch saniert und in den Neubau integriert, um Kosten einzusparen.“
 

Ein lautes Knacken ließ den alten Mann -aufgescheucht wie ein wildes Huhn- herumfahren.

Akemi hob ihren Fuß an, unter dem ein Stück einer zerbrochenen Glasscheibe lag. Sie war ausversehen drauf getreten.

„Tut mir leid.“, piepste sie zur Entschuldigung.

„Du musst aufpassen wo du hinläufst Masami.“, belehrte sie Pernod.

„In Ordnung. Doch wozu diese übertriebene Vorsicht, wenn ohnehin niemand hier ist.“

„Sei dir da lieber nicht so sicher.“, behaarte der alten Mann auf seine bedachte Vorgehensweise.

„Man kann nie wissen, welch zwielichtige Gestalten der Organisation hier ihr Unwesen treiben.“

Akemi hielt sich die Hände vor den Mund, um nicht aufzuschreien.

Die Vorstellung, dass die Männer in Schwarz, genau wie sie, hier herumschlichen, ließ ihr doch etwas angst und bange werden.

„Aber wieso wird dieser Teil heute eigentlich nicht mehr genutzt? Wieso hat man ihn so verkommen lassen?“

Pernod setzte seinen Weg weiter fort. Akemi direkt hinter ihm.

„Der Grund dafür liegt schon fast zwanzig Jahre zurück. Kurz danach ging die Karasuma Group in die Insolvenz und dieser Teil musste still gelegt werden. Ab da an zog unsere Abteilung auch in den Bereich, in dem wir heute sind.“

Über dieses Thema schien der alte Forschungsleiter weniger gesprächsfreudig zu sein, wie die Braunhaarige heraushören konnte.

„Wie dem auch sei. Da wären wir.“

Pernod zeigte mit dem Finger auf eine Tür auf der linken Seite und blieb davor stehen. Er schloss den Raum, der als 050 beschriftet war, auf und ließ seine Begleiterin eintreten.

„Hier hat einst dein Vater und auch deine Mutter ihre Forschungen ausgelebt.“

Akemi berührte ehrfürchtig mit ihren Fingerspitzen die kalten grauen Wände des Labors, welches sich ihr eröffnete.

„Eine Frage hätte ich noch. Wenn die Karasuma Group nicht mehr Inhaber der Arzneimittelfabrik ist, wem gehört sie dann? Wer hat sie damals übernommen?“

„Ein noch recht junges und unbekanntes Unternehmen, dass eng mit der Organisation zusammenarbeitet, Nishimura Enterprises. Erst seit kurzem gibt es aber eine neue Leitung und der mittlerweile aufstrebende Pharmakonzern hat seinen Namen geändert.“

„Und wie heißt er jetzt?“, wollte Akemi wissen, während sie an verstauben alten Chemietischen mit verrosteten Spülbecken vorbeiging.

„Nishi-Biogen-Industries“
 

„Ganz schön dunkel hier drin.“, bemerkte die junge Frau, als sie sich noch genauer umsehen wollte, sich dies durch das Fehlen jeglicher Lichtquelle aber als äußerst schwierig herausstellte.

„Und so soll es auch bleiben.“, mahnte sie Pernod.

„Selbst für meine Wenigkeit ist es äußerst verdächtig zu solch später Stunde diesen Ort aufzusuchen. Das Einschalten der großen Beleuchtung würde zweifellos Aufmerksamkeit erregen.“

„Es gibt also noch Strom?“

„Allerdings“, bestätigte Pernod. „Nur einige Wasserleitungen sind undicht und funktionieren daher nicht mehr.“

Wenn wirklich noch andere Personen durch diesen Komplex geistern konnten, dann wäre es tatsächlich nicht ratsam mit der Festbeleuchtung auf sich hinzuweisen.

Akemi zog eine kleine kompakte Taschenlampe hervor und schaltete sie an.

„Dann werden wir eben damit vorlieb nehmen müssen.“

„Dort hinten an der Wand stehen die Schränke A bis E. Schrank B wurde früher für die Archivierung von Akten und relevanten Dokumenten durchgeführter Experimente und Versuchsreihen genutzt. Allerdings müssten alle Schränke schon seit Jahren leer sein. Das Labor an sich wurde seit dem…“

Pernod zögerte.

„…nun ja, seit dem tragischen Vorfall mit deinen Eltern nicht mehr genutzt. Man munkelte unter den anderen Wissenschaftlern, dass seit jenem Tag ein Fluch darauf liegen würde.“

Akemi drehte den Schein der Taschenlampe zu dem alten Mann. Das Licht war tiefe Schatten in sein runzeliges Gesicht.

„Du meinst also…“

Sie schluckte schwer.

„Hier sind meine Eltern vor so vielen Jahren gestorben?“

„Komm mal mit.“

Pernod führte Akemi zu einem Nebenraum, der nur durch eine enge Schleuse erreichbar war. Eine dunkle hermetische Tür aus Edelstahl trennte ihn von der Außenwelt ab.

Die Braunhaarige ging davon aus, dass Pernod eine Schlüsselkarte dafür hätte, doch ging dieser einfach auf die Tür zu und schob diese schleppend und schnarrend auf. Sie war gar nicht verriegelt, sondern nur angelehnt.

„Das war das eigentliche Labor, wo unter höchst sterilen Bedingungen selbst gefährliche Monokulturen gezüchtet und untersucht werden konnten. Im Falle einer Kontamination würde sich der Raum versiegeln und potenziell bedrohliche Erreger umgehend vernichtet werden, ehe sich diese im gesamten Komplex ausbreiten könnten.“

Er öffnete die Tür noch ein Stück weiter und trat beiseite, damit Akemi zuerst eintreten konnte. Pernods Gesicht war niedergeschlagen, als kratzten Erinnerungen an dieses Labor alte Wunden in ihm auf.
 

Als Akemi den Raum betrat wurde ich schlagartig klar, woran dies lag. Er war kein schöner Anblick.

Der gesamte Raum war überzogen mit einer dicken schwarzen Schicht aus Rus. Kühltruhen, Tische und andere Objekte, die einst dort gestanden haben, waren zur Unkenntlichkeit verformt und teilweise sogar komplett geschmolzen.

Alles im Inneren war, ohne jede Ausnahme, von der Hitze der Flammen vernichtet worden. Es muss wie in einem Höllenkessel gewesen sein und ihre Eltern waren mitten drin gewesen.

„S-Sie sind hier…“

Akemis Stimme versagte.

„Bei einem Leck wird das Personal normalerweise über die Luftschleuse evakuiert. Doch aus irgendeinem Grund gab es an jenem Tag einen Defekt bei der Entriegelung. Das Labor schottete sich vorzeitig ab.“, zwang Pernod sich dazu, ihr alles zu erzählen was er wusste.

„Bei der Vernichtung von Viren oder anderem Gefahrengut in der Luft wird ein spezielles Gemisch in das Labor geleitet, welches sich sofort entzündet.“

Pernod legte mitfühlend eine Hand auf die Schulter der Tochter seiner damaligen Kollegen.

„Deine Eltern waren auf der Stelle tot und mussten nicht...“

Akemi riss sich los und verließ die verkohlten Überreste des Raumes mit einem strammen Gang, so schnell sie konnte.

„Ich denke ich habe genug gesehen.“, kommentierte sie trocken, doch man merkte ihr an, wie sehr es sie mitnahm das gesehen zu haben.

Sie steuerte zielstrebig auf Schrank B zu. Pernod kam ihr nach.

„Willst du darüber reden?“, fragte er vorsichtig.

„Nicht jetzt. Wir müssen uns holen weswegen wir hier sind und zusehen, dass wir wieder verschwinden, ehe jemand davon Wind bekommt.“

Pernod nickte und beließ es erst einmal dabei.

Akemi ging den Schrank von oben nach unten her ab, auf der Suche nach Lade ZH9-C. Schnell fand sie genannte und öffnete sie mit einem ordentlichen Ruck. Die Lade ließ sich fast einen Meter weit aus dem Schrank ziehen, doch war dort rein gar nichts vorzufinden.

„L-Leer“, stammelte die Braunhaarige.

„Wie ich es befürchtet habe.“, seufzte Pernod geschlagen.

„Nein das glaube ich nicht.“, weigerte sich Akemi einfach so auszugeben, wie der alten Mann.

„Wir müssen einfach nur genauer suchen.“

Sie kniete sich auf den Boden und befühlte die Außenseiten der Lade. Nichts.

Als nächstes steckte sie einen Arm, soweit sie konnte, in das Innenleben des Schranks und tastete sich entlang des Schließmechanismus. Vielleicht war irgendetwas hinter der Lade festgeklebt worden und tatsächlich….

Zu Akemis eigenem Erstaunen förderte sie ein rechteckiges Päckchen zu Tage und hielt es Pernod triumphierend entgegen.

„Sagte ich es nicht?“

„Was ist das?“, war nun auch die Neugier des alten Herren gepackt.

Ohne lange zu zögern öffnete Akemi einen Verschluss auf der kurzen Seite des ausgebeulten Umschlages. Kopf über und mit einer Hand darunter, kamen mehrere kleine Plastikhüllen zum Vorschein.

Die Augen der jungen Frau begannen zu leuchten.

„Das sind Tonkassetten.“, sprach sie begeistert.

Gefährliches Bündnis

Kapitel 7: Gefährliches Bündnis
 

Zaghaft drückte sie gegen den -unter Spannung stehenden- Abzug.

Sie spürte den Widerstand an ihrer Fingerspitze und wie dieser langsam nachgab.

Laut war der Knall, den der Schuss verursachte, sodass sie unvermeidbar zusammenzuckte, trotz der Ohrschützer die sie trug.

„Du hältst sie viel zu unruhig.“, kommentierte er trocken, als die Kugel erneut weit über das Ziel hinaus ins Leere schoss. Das war schon ihr zwanzigster Versuch und noch keiner davon traf bislang ins Schwarze. Eine äußerst ernüchternde Bilanz.

„Es ist dieser verdammte Rückstoß. Eine Waffe zu halten und auch noch abzufeuern ist einfach ungewohnt für mich.“, versuchte sie ihre vielen Fehlschüsse zu rechtfertigen.

Der große langhaarige blonde Mann, mit seinem unverkennbaren schwarzen Mantel samt Hut, legte eine Hand auf die Schulter der -im Vergleich zu ihm- zierlich wirkenden jungen Dame.

„Genau deswegen ist es wichtig, dass zu lernst damit umzugehen.“, erklärte er ganz entspannt.

Shiho ließ ihre ausgestreckten Arme sinken, um diesen ein wenig Entlastung zu verschaffen.

Nach einer halben Stunde auf dem Schießstand fühlten sie sich ungemein schwer an, fast wie versteinert. Die in ihren Händen ruhende Pistole, mit dem Lauf nun gen Boden gerichtet, hielt sie aber weiterhin fest umklammert. Sie spürte wie ihre Finger allmählich verkrampften.

„Du musst lockerer werden.“, riet ihr Gin, als er ihre steife Haltung bemerkte.

Shiho wurde leicht rot im Gesicht, ohne dass sie dies abstellen konnte.

Sie hatte ihm zwar gestattet, sie während ihrer gemeinsamen Trainingsstunden zu duzen, da es für sie einfacher war, wenn sie nicht auf die förmliche Weise angesprochen wurde. Doch ein wenig seltsam kam es ihr trotzdem vor, jedes Mal, wenn er davon Gebrauch machte. Es war immerhin nicht so, als wären sie beide auf ein und derselben Wellenlänge.

Sie war eine junge Frau, kaum dem Alter eines Mädchens entsprungen, zurückhaltend, unauffällig und völlig unbekannt durch ihr abgeschottetes Dasein, selbst in der Forschungsabteilung.

Gin hingegen, ein gut gebauter, stattlicher Mann in seinen besten Jahren, war selbstbewusst und besaß eine Menge Charisma. Sein Name hatte Gewicht und er war einer der wenigen Leute in der Organisation, die nur dem Boss persönlich unterstellt waren.

Unterschiedlicher konnten zwei Personen vermutlich gar nicht sein und dennoch sprang er mit ihr anders um, als der Rest der Männer in Schwarz es tat.
 

„Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich dafür gemacht bin.“, äußerte die rotblonde Wissenschaftlerin ihre Zweifel an dem, was sie hier taten.

Diese Sache mit den Schießübungen war ja nicht einmal ihre eigene Idee gewesen.

Vor einer Woche noch, hätte sie sich hunderte Variationen ausdenken können, wo sie sich heute wohl aufhalten würde und in keiner von ihnen, hätte sie sich an jenem Fleck gesehen, an dem sie jetzt gerade war.

Normalerweise hätte sie an einem solchen Ort überhaupt keinen Zutritt.

Es war Gin gewesen, der dies ermöglicht hat.

Ob Zufall oder nicht, war Shiho ihm in der Forschungsabteilung, nach dem Vorfall mit Uchida, erneut über den Weg gelaufen. Er schien sich recht häufig dort aufzuhalten, aus welchem Grund auch immer.

Gin war auf sie zugegangen und hatte ihr den frappierten Vorschlag unterbreitet, dass es auch einer vielbeschäftigten Wissenschaftlerin nicht Schaden könnte, ein paar Grundformen der Selbstverteidigung zu erlernen.

Es war durchaus ein gut gemeinter Rat, denn die Organisation war nun einmal ein hartes Pflaster und man konnte sich freilich auch nicht jedem anvertrauen, weshalb er versprach sich dem persönlich anzunehmen, falls sie Zusagen sollte.

Shiho war anfangs jedoch sehr schüchtern und unentschlossen, ob dies wirklich notwendig sei und hatte zunächst dankend abgelehnt.

Gins Angebot ihr zu zeigen, wie sie selbst besser auf sich Acht geben könnte, weckte aber fortan ihre Neugierde und ließ sie die folgenden Tage nicht mehr los.

Es war schließlich -von Anfang an- ihr eigener Wunsch gewesen, nicht die Hilfe anderer benötigen zu müssen und auf sich selbst aufpassen zu können. Sie wollte nicht auf den Schutz von Pernod oder jemand anderen angewiesen sein und auch Akemi sollte sich wegen ihr nicht ständig Sorgen müssen.

Zwar hatte sich Shiho bisher noch recht wacker geschlagen, doch musste sie auch kennenlernen was es hieß Feinde in den eigenen Reihen zu haben und nicht immer würde sie das Glück haben glimpflich davonzukommen. Irgendwann hätte sie nur sich selbst und ihr eigenes Können.
 

Somit akzeptierte sie schlussendlich nach reichlicher Überlegung, sich einige Fähigkeiten beibringen zu lassen. Es könnte ja nicht schaden künftig Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Dass sie sich hin und wieder von Gin unterweisen lassen würde, machte Shiho aber zu ihrem kleinen Geheimnis. Weder Pernod noch Akemi erzählte sie davon.

Der Forschungsleiter wäre ohnehin strikt dagegen gewesen, egal welche Argumente sie aufgefahren hätte.

Sie ließ Gin ihre Entscheidung zukommen, welcher sich darüber sehr erfreut zeigte und versprach ihr dabei zu helfen stärker zu werden. Ein Vorfall wie der mit Uchida sollte sich niemals mehr wiederholen.

Auf ihre Frage, was mit diesem eigentlich passiert sei, sagte Gin nur, dass er umgehend in ein anderes Labor auf Hokkaido versetzt wurde. Sein Verhalten sei für die Riege der Forschungsabteilung einfach nicht länger tragbar gewesen und man wolle somit das Gesicht wahren. Genaueres erfuhr Shiho jedoch nicht, interessierte sich dafür aber auch gar nicht, sondern war froh und erleichtert, dass dieser Widerling seine verdiente Strafe erhielt.

Wenn sie zu diesem Zeitpunkt auch nur geahnt hätte, was sein Peiniger tatsächlich mit ihm angestellt hat, sie würde gewiss anders darüber denken.

Gin ließ durch seine kühle Haltung allerdings nicht durchsickern, dass er in Wahrheit das Leben von Uchida mit seinen bloßen Händen beendet und dabei nicht das Geringste gefühlt hat.
 

Infolge ihres ersten Unterrichtstags in Punkto Selbstverteidigung, brachte Gin sie in eine Sektion, die als gesondertes Trainingsgelände ausgeschrieben war und weit abseits ihres gewohnten Umfeldes lag. Dort hatten nur Organisationmitglieder mit einer speziellen Bevollmächtigung Zutritt.

Neben kleinen und mittleren Schießständen gab es darüber hinaus mehrere Fitnessräume, Bereiche für Krafttraining, aber auch Hallen für die Ausübungen unterschiedlicher Kampfsportarten, wie Karate, Aikido oder Kendo.

Shiho erinnerte sich, wie sie an einem der Dojos vorbeigeführt wurde, indem mehrere muskelbepackte Kerle mit kurz geschorenen Haaren, teils aber auch kahlrasiertem Schädel, in gleichmäßigen synchronen Abfolgen mit ihren bloßen Fäusten auf Sandsäcke, so hart wie Granit, einschlugen. Ihr war dabei ein mulmiges Gefühl durch jede Faser ihres Körpers gewandert.

Sie hatte sich zwar in weiser Voraussicht extra etwas sportlicher gekleidet, dennoch stach sie an diesem Ort heraus, wie ein Schaf inmitten eines Wolfsrudels.

Gin hat sie beruhigt und ihr angewiesen, ihm einfach niemals von der Seite zu weichen, solange sie sich dort aufhielten.

Mit ihm als Begleiter, würde es keiner wagen ihr auch nur zu nahe zu kommen.
 

In einem privaten Trainingsraum, wo es nur Meister und Schüler gab, zeigte ihr Gin zu Beginn die Grundlagen der Entwaffnung.

Dafür hatte er sich extra seinem Mantel entledigt, sowie die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, um etwas mehr Bewegungsfreiheit zu haben.

Ein ungewohntes Bild für Shiho, besonders als er auch seinen Hut absetzte und sein langes schimmerndes Haar über sein unverdecktes Gesicht und seine Schultern fiel.

Er sah gar nicht mal so übel aus, stellte die junge Frau fest, schüttelte diesen Gedanken aber schnell wieder von sich. Es war besser, wenn sie sich auf das konzentrierte, weswegen sie hier war.

Fleißig wiederholte sie daher jeden Schritt und jeden Griff, den ihr Gin vorzeigte und das solange bis er damit zufrieden war, was teils Stunden dauern konnte. Doch Shiho dachte nicht daran das Handtuch zu werfen. Wenn sie in ihrem Leben immer aufgegeben hätte, wenn es schwer wurde, wäre sie schon frühzeitig ein Opfer ihres Schicksals geworden.

Deswegen machte sie weiter und hielt durch, egal was Gin als Nächstes für sie parat hatte.

Tag für Tag folgten weitere Techniken zum Abwehren verschiedener Angriffe. Seien sie frontal oder aus dem Hinterhalt ausgeführt. Jedes Mal lernte sie etwas Neues dazu.
 

Shiho stellte sich gar nicht mal so schlecht an, je mehr sie an sich arbeitete.

Ihr junger und schlanker Körper eignete sich hervorragend für die wendigen und beweglichen Manöver, erklärte ihr Gin, als sie den Befreiungsgriff Schritt für Schritt durchgingen.

Körperstärke war nicht alles und bestimmt nicht ausschlaggebend, um einen nach außen hin überlegen wirkenden Gegner in die Knie zu zwingen. Der Vorteil des Unterschätzens, dessen Ausmaß man nicht ignorieren sollte.

Ihr taten zwar nach jeder Trainingseinheit sämtliche Muskeln vom Hals bis in die Zehen weh, doch war es gleichzeitig auch ein befreiendes Gefühl. Es war wie ein Ventil für ihre stressige und nervenaufreibende Arbeit im Labor.

Die Ehre, das alles von Gin persönlich beigebracht zu bekommen sah Shiho darüber hinauszunehmend als Chance.

Eine Chance, dass nicht länger Menschen wie Uchida auf sie herabsahen, sie wie eine Person zweiter Klasse behandelten und dachten, sie könnten alles mit ihr machen, da sie schlichtweg ein Niemand war. Shiho wollte, dass sich das ändert.

Zu ihrem Erstaunen, zeigte sich Gin sehr entgegenkommend und auch äußerst geduldig, was das anging. Sie hätte nie im Leben erwartet, dass ein Mann wie er, sich Gedanken um ein unbeschriebenes Blatt innerhalb der Organisation machen würde.

Der blonde Hüne schien wohl früh erkannt zu haben, welche Qualitäten die junge Wissenschaftlerin besaß und wie wichtig ihre Forschung für die gesamte Organisation war.

Ihn als Förderer zu wissen, kam der Rotblonden sehr gelegen.
 

Als Shiho mit der Zeit immer selbstsicherer mit den ihr beigebrachten Techniken wurde, betrat sie heute unerwartet erneut Neuland, als Gin sie nicht wie bisher in die Räume fürs Aikido führte.

Er sagte, sie habe in den letzten Tagen bemerkenswerte Fortschritte erzielt, sodass er es für ratsam hielt sie erste Erfahrungen mit Schusswaffen machen zu lassen.

So suchte er mit ihr eine der Schießbahnen auf, die auch von anderen Organisationsmitgliedern genutzt wurde. Die meisten von ihnen waren mit Ohrschützern und einem Kaliber ihrer Wahl ausgestattet, mit denen sie auf die Ziele des Parcours schossen.

Eine Trennwand, mit besonders dicker Schalldämmung verkleidet, gewährleistete, dass nur ein gedämpftes Wummern an Shihos Trommelfell drang, was sie jedoch erahnen ließ, wie laut es auf der Anlage in Wahrheit sein musste.

Gin führte die blutjunge Wissenschaftlerin, die ein paar misstrauische Blicke bezüglich der Anwesenheit ihrer Person erntete, in einen Vorbereitungsraum, indem sie alleine waren und wo man sich in Ruhe Ausstatten konnte.

Hinter gepanzerten Glasscheiben blitzte der Rotblonden ein gewaltiges Arsenal der unterschiedlichsten Bewaffnungen entgegen. Vieles davon war erstklassige Militärware, natürlich überwiegend für Projektilmunition. Doch auch exotischere Waffen, wie Pfeil und Bogen, Shuriken und sogar eine Armbrust konnte Shiho sehen.

Anscheinend gab es nichts, was die Organisation nicht besaß.
 

Ehe die Wissenschaftlerin den gesamten Fundus in Augenschein nehmen konnte, bekam sie schon etwas Kleines aber Schweres von Gin in die Hand gedrückt.

Es war eine Glock 17, Standardausführung.

Sie kannte sie aus dutzenden Filmen, die sie in ihrer Zeit in den USA gesehen hatte.

Shiho ahnte bereits, was sie damit anfangen sollte.

Gin erteilte ihr eine kurze Lehrstunde darin, wie eine Pistole aufgebaut war und wie diese genau funktionierte.

Da die rotblonde Frau sich sehr gut Dinge merken konnte, fiel es ihr nicht sonderlich schwer die Bestandteile vom Hahn bis zur Mündung in sich aufzunehmen. Sie wusste aber, dass es bei so etwas nicht bleiben würde.

Anschließend brachte Gin ihr bei, wie man beim Schießen zu stehen hat und wie man die Pistole fest in beiden Händen hält.

„Eine Waffe ist nur so gut, wie die Person in dessen Besitz sie sich befindet.“, predigte er dabei immer wieder.

Erst danach betrat er mit ihr einen separaten Schießstand.

Shiho bekam nun ebenfalls Ohrschützer aufgesetzt, worüber sie froh war. Gin selbst verzichtete.

Er schien an den Lärm einer Waffe gewöhnt zu sein.

Selbst als das Fräulein Miyano ihren ersten jemals abgegebenen Schuss abfeuerte, verzog er, bei dem sich auf der Anlage ausbreitenden Schall, keine Miene. Shiho hingegen hatte das Gefühl die geräuschunterdrückenden Kopfhörer wären nur reine Deko und würden gar keinen Unterschied machen, denn ihr lag danach ein unangenehmer Piepton im Ohr.

Das Ziel hatte sie mit ihrem Schuss um Längen verfehlt und auch bei ihren nächsten Durchgängen, hielten sich Shihos Fortschritte so ziemlich in Grenzen.

Es schien beinahe so, als würde sie bei ihren Versuchen, die Anweisungen von Gin zu befolgen, gegen sich selbst arbeiten.

Für sie ging es hier nicht mehr nur um passives Reagieren. Mit einer Waffe zu schießen war eindeutig aktiver Natur und der rotblonden Frau nicht sonderlich geheuer.

Man könnte sich damit zwar auch vor anderen schützen, doch immer mit dem Risiko ein Leben zu beenden, sobald man den Abzug drückte.

Sie hegte keinerlei Interesse eine Pistole, wie die die sie derzeit in Händen hielt, jemals in einer Situation, wo es wirklich um Leben oder Tod ging, einzusetzen.

Insgeheim war sie ein klein wenig erleichtert, dass ihr die Handhabung mit einer Waffe nicht so recht gelingen wollte.

Das war wohl diese eine Sache, die sie von dem Rest der Männer in Schwarz unterschied.
 

„Vielleicht sollten wir es doch lieber dabei belassen. Einen Versuch war es vielleicht wert, aber zu wissen, wie man sich zur Wehr setzt, reicht mir vollkommen aus. Ich bin nun einmal Wissenschaftlerin und keine Kämpferin.“, erklärte Shiho, als sie die unversehrte Zielscheibe vor sich, eine Zeit lang betrachtete.

„Oh doch, du bist eine Kämpferin.“, widersprach ihr Gin sofort.

„Das war mir schon bewusst, als ich dich das erste Mal sah und auch die letzten Tage über, hast du es mir immer wieder aufs Neue bewiesen.“, fügte er noch hinzu.

Shiho drehte sich zu Gin um. Sie sah ihn jedoch nicht an, sondern starrte zu Boden und auf die leeren Patronenhülsen zu ihren Füßen.

„Mag ja sein, doch ist das nicht Teil meiner eigentlichen Funktion. Die Organisation braucht mich doch nur für das Gift. Deswegen bin ich überhaupt hier.“

Gin stieß einen Seufzer aus und rückte sich den Hut zurecht, ehe er sie mit seinen Augen fixierte.

„Glaubst du ich würde das hier tun, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass du es wert bist?“

Er vergrub eine Hand in seiner Manteltasche, die andere richtete er mit ausgetrecktem Zeigefinger auf die junge Wissenschaftlerin.

Langsam sah sie zu ihm auf.

„Ich durchschaue dich, Shiho Miyano. Ich sehe das Potenzial, welches du zu verstecken versuchst. Dazu besteht jedoch kein Anlass und das beweise ich dir.“
 

Gin schritt gemächlich auf sie zu, packte sie dann aber ruckartig an den Schultern und lenkte ihren Blick wieder auf die Schießanlage.

Er presste sich von hinten gegen ihren Rücken und war ihrem Körper plötzlich so nah, dass es Shiho völlig aus dem Konzept und ihr Herz zum Rasen brachte.

Der Hüne berührte vorsichtig ihre Hüfte und brachte das rotblonde Fräulein erneut in Schussstellung. Er stabilisierte ihre Haltung, während er seine Hände unter ihre Arme legte und diese samt Pistole auf das Ziel ausrichtete.

Bevor sie auch nur etwas sagen konnte, hatte er sie einfach in seinen Bann gezogen und hielt sie dort nun fest, wortwörtlich.

Während sie so dastanden, über Kimme und Korn geradeaus schauend, stieg Gin der wohlriechende Duft von Shihos weicher Haut in die Nase.

Welch betörendes Aroma sie doch verströmte. Gepaart mit ihrem engen Sportdress und der tollen Figur, die sie darin machte, war sie fast unwiderstehlich. Fast.

Leise flüsterte er ihr ins Ohr: „Versuch es noch einmal und kämpfe diesmal nicht dagegen an. Lass es einfach geschehen und überlasse den Rest einfach mir.“

Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Hals und wie sich ihre Nackenhaare aufstellten.

Heiße und kalte Schauer überzogen ihren Rücken gleichermaßen. Es war ein merkwürdiges, ihr völlig unbekanntes Gefühl. Das lag wohl daran, dass kein Mann zuvor ihr bisher so nahegekommen war, wie Gin in jenem Augenblick.

„Schieß“, verlangte er mit einem Raunen.

Shiho war wie paralysiert, doch befolgte sie sein Befehl, wie unter Fremdeinwirkung und schoss noch einmal.

Die Kugel zischte durch die Luft und schlug in den auf Sperrholz festgemachten Zielkreis ein.

Ein direkter Treffer.

Die Rotblonde starrte verdutzt auf das Einschussloch im Zentrum der Platte. Sie hatte tatsächlich einen Volltreffer gelandet, obwohl ihr ganzer Körper unter der Einwirkung Gins förmlich gebebt hatte. Sie war so baff, dass sie gar nicht den Blick des blonden Mannes bemerkte und wie dieser diabolisch über ihre Schulter hinweg grinste.
 

„Siehst du. Es steckt in dir.“, waren seine lobenden Worte, als er sich wieder von ihr löste und sich stoisch an eine nahestehende Brüstung anlehnte.

Sein Verhalten, als sei nichts groß passiert, ließ Shiho schon beinahe daran zweifeln, dass es diese eine Minute zwischen ihnen überhaupt gegeben hat.

Nichts desto trotz war sie immer noch skeptisch, ob der Umgang mit einer Waffe das richtige für sie war, aber zu einem weiteren Durchlauf mit Gins Hilfe erklärte sie sich dennoch bereit.

Sie wiederholten die Prozedur noch einige Male, bis es ihr so langsam in Fleisch und Blut übergegangen war und sie weitestgehend alleine das Ziel ins Visier nehmen und abdrücken konnte.

Die Rotblonde war nicht in der Lage es zu erklären, doch auf eine gewisse Weise gefiel ihr es. Nicht etwa das Schießen mit der Pistole, sondern vielmehr die Nähe zu dem Mann in Schwarz, welcher bei ihr war. Jemand der ihr nicht total egal zu sein schien.

Shiho hätte beinahe ein schlechtes Gewissen, wenn ihre und Akemis Freiheit ihr nicht wichtiger wäre als alles andere. Schlussendlich diente es doch nur einzig und allein ihrem Ziel der Organisation eines schönen Tages den Rücken zuwenden zu können.

Und auch wenn ihr das Üben mit einer Waffe in Wahrheit missfiel, so tat sie es dennoch.

Wenn sie sich mit Gin gutstellen wollte, was nur von Vorteil für sie wäre, da sie somit künftig eine Verbindung zu den höheren Kreisen der Organisation besäße, so durfte sie -nach außen hin- nicht zu stark gegen den Strom ankämpfen.

Letztlich redete sich die junge Wissenschaftlerin ein, dass der Zweck die Mittel heiligte, solange sie nur auf Zielscheiben feuerte.
 

Die Zeit verstrich schneller als üblich und allmählich wurde es für Shiho höchste Eisenbahn, wieder in ihr Labor zurückzukehren. Sie war immerhin lang genug weg gewesen. Nicht, dass sie noch jemand vermissen würde.

„Das war… eine wirklich interessante Erfahrung.“, sprach das Fräulein Miyano als sie die Pistole in Gins Obhut übergab. Sie würde es zumindest nicht so schnell vergessen, war ihr Gedanke.

„Es ist mir allerdings ein wenig unangenehm, dass mir eine solche Sonderbehandlung zuteilwird. Allein die ganzen abweisenden Blicke, die ich bekommen habe, seit wir hier sind. Es scheint nicht jeder damit einverstanden zu sein.“

„Scher dich nicht um solch unbedeutende Kleinigkeiten.“, beschwichtigte sie Gin.

„Das Herabsehen auf Leute mit Potenzial und die Weigerung deren Leistungen anzuerkennen, nur aus dem banalen Grund, dass diese durch ihre Stellung keinerlei Einfluss genießen ist töricht und wenn du mich fragst und auch nicht sehr förderlich.“

„Das sehe ich genauso.“, stimmte ihm die Frau mit den türkisblauen Augen zu.

„Ich halte nichts von solchen Herangehensweisen und ich bin davon überzeugt, wir bräuchten mehr Leute, die vom gleichen Schlag sind wie du, Shiho Miyano. Von deiner Schönheit mal ganz abgesehen.“, redete Gin unverfroren weiter.

„Oh, d-das ist wirklich sehr aufmerksam.“

Shiho erhielt nicht häufig, nein, eigentlich nie solche Komplimente.

Um ehrlich zu sein, bereitete ihr das ziemliche Unbehagen.

Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte und spürte, wie Gins Worte sie ins Straucheln brachten, was sie jedoch nicht zulassen durfte. Sie musste ihre Fassung wahren.
 

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen.

Shiho war irritiert. Hatte sie etwas Falsches gesagt oder gemacht und Gin womöglich verärgert.

Sie setzte einen Schritt auf den blonden Mann zu, welcher ganz ruhig dastand.

Als ihr Fuß auf dem Boden aufsetzte, verlagerte er seinen Oberkörper schlagartig nach vorne. Im selben Moment schnellte seine geballte rechte Faust auf die Rotblonde zu.

Shiho erschrak. Ein Überraschungsangriff.

Ohne groß zu überlegen, formte sie ihre Hände zu einem Kreuz und fing Gins Angriff ein, ehe sie ihn zur Seite hin ableitete. Ihre linke Hand zog sie dabei als erstes wieder nach oben, um keine Lücke in ihrer Deckung zu hinterlassen. Sie versuchte ihren Unterarm nach vorne zu stemmen, um ihn als Barriere zu nutzen und ihr Gegenüber auf Distanz zu lassen.

Gin rechnete allerdings mit einem solchen Manöver und packte einfach ihr Handgelenk, welches er mit einem festen Griff umklammert ließ.

Shiho war wie gelähmt und nutze ihre freie Rechte nicht, mit der sie sich unter Umständen wieder befreien oder auch zum Gegenschlag ausholen könnte. Doch sie tat es nicht.

Sie blickte in Gins Gesicht, der sie mit seinen tiefgrünen Augen und einem zufriedenen Ausdruck bedachte.

Shiho begriff so langsam. Er hat nur ein wenig mit ihr gespielt und wollte sie testen.

Wahrscheinlich hatte er die Absicht verfolgt zu überprüfen, ob sie sich von etwas Süßholzraspeln ablenken ließ. Nicht mit ihr, dachte sich die Rotblonde.

„Gute Reflexe“, lächelte Gin vielsagend und zog sich wieder zurück.

Shiho selbst verharrte noch einen Augenblick länger in ihrer Abwehrhaltung, bis auch sie sich wieder entspannte.

Gin war wirklich kräftig und ihr erneut so nah gewesen, dass ein seltsames Kribbeln ihren Körper befallen hatte.

Was war das nur?

Furcht? Respekt?
 

„Genau das ist es, was ich meine.“, merkte der Hüne an, als er sich eine Zigarette anzündete.

„Es bedarf mehr Leute, die aus dem richtigen Holz geschnitzt sind. Leute deines Formats. Viel zu lange, hat einer unserer wichtigsten Abteilungen unter der -an Kompetenz mangelnden- Führung des amtierenden Forschungsleiters gelitten. Ein neuer frischer Wind könnte unter Umständen eine Menge bewirken und künftig alles mehr in die von uns gewünschten Bahnen lenken.“

Shiho wusste sofort, wen Gin hier ganz ungeniert anzuprangern versuchte und das gefiel ihr wiederum ganz und gar nicht.

„Also ich sehe das anders. Ich finde Pernod macht einen großartigen Job und das sage ich nicht nur, weil er die Leitung inne hat oder…“

„… oder weil er ein Bekannter der Familie ist?“, beendete Gin ihren Satz mit scharfer Zunge.

Die junge Wissenschaftlerin verstummte augenblicklich.

Sie wich Gins Blick aus. Anscheinend hatte sie sich etwas zu viel herausgenommen. Darüber hinaus hatte sie keine Ahnung gehabt, dass ihre Verbindung zu Pernod so bekannt war.

Sie hätte wohl lieber nichts sagen sollen.

Gin musterte die junge Frau einen Moment.

Ihr Draht zu Pernod schien doch dicker zu sein, als er angenommen hatte. Vielleicht sollte er das Image des alten Mannes ein wenig aufpolieren.
 

„Du erwähntest, dass deine Forschung erste Rückschläge erleiden musste.“, brach Gin die erdrückende Stille, die vorherrschte, nachdem er sich ein paar kräftige Züge an seiner Zigarette genehmigt hatte.

„S-So ist es, leider.“, druckste Shiho.

Sie war sich nicht sicher, ob Gin ihr den Versuch übelnahm, für den Leiter ihrer Abteilung in die Bresche zu springen. Allein sie kannte die Wahrheit, dass er insgeheim Jahre lang der Organisation ein Schnäppchen schlug, indem er Daten verfälschte oder verschwinden ließ und somit die Entwicklung des Giftes ihrer Eltern gezielt verlangsamt hat.

Gin musterte das Fräulein Miyano weiterhin ausgiebig. Seine Mundwinkel zuckten leicht auf.

Er konnte ihr Inneres ergründen, als wäre sie ein aufgeschlagenes Buch in seinen Händen.

„Mich beschleicht so das Gefühl, als versuche Pernod deine Forschung bewusst in die Länge zu ziehen, wenn nicht sogar zu sabotieren.“

Shiho konnte es bei diesen Worten nicht vermeiden, dass sich ihre Pupillen schlagartig zusammenzogen. Eine Reaktion die Gins geschärfte Sinne nicht verborgen blieb.

„D-Das kann ich mir nicht vorstellen?“, lenkte Shiho gegen die Behauptung des Mannes in Schwarz.

„Es ist nur so, dass seine übertriebene Engagiertheit bezüglich deines APTX, mich schon ein wenig stutzig macht.“

Shiho horchte auf.

„Schon damals hat er angeblich alles in seiner Macht Stehende getan, um das geforderte Gift für die Organisation zu entwickeln, doch war er jedes Mal kläglich gescheitert. Dann betrittst du eines schönen Tages die Bühne und siehe da…“, Gin schnipste mit den Fingern, „…die Entwicklung nimmt wieder rasant Fahrt auf. Je mehr allerdings Pernod als dein Vormund in eurer Abteilung in deine Arbeit interveniert, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, dass er dich und deine Forschung ausbremsen will.“
 

Gin trat an Shiho heran und platzierte einen Finger unter ihrem Kinn, wodurch er ihren Kopf heben und sie zwingen konnte ihn anzusehen.

„Sag mir, weißt du etwas davon, dass Pernod sich gegen den Willen der Organisation stellt?“, hauchte er finster.

Shiho blieben die Worte im Halse stecken.

Hat Gin etwa bereits Wind davon bekommen, was Pernod getan hat und wollte nun prüfen, ob sie eine Mitwisserin war oder nicht?

Was die rotblonde Frau aber noch mehr beschäftigte, war Gins Behauptung, Pernod würde auch ihre Arbeit zu sabotieren versuchen. Sie brauchte aber doch das Gift, um ein Druckmittel für sich und Akemi zu erwirken.

Kam sie vielleicht deswegen nicht weiter? War Pernod möglicherweise dafür verantwortlich?

Würde der engste Freund ihrer Eltern die Freiheit ihrer beider Kinder opfern, nur um zu verhindern, dass das Gift jemals fertiggestellt werden würde?

Würde er wirklich so weit gehen, nur weil sie nicht mit seiner Meinung übereinstimmte, alles stillschweigend zu ertragen?

„I-Ich glaube nicht daran, dass er so etwas tun würde.“, log Shiho Gin eiskalt ins Gesicht.

Ihre Augen waren starr und leer. Sie hatte sich ihre Maske aus Emotionslosigkeit aufgesetzt und hoffte ihr Gegenüber würde ihr ihre Aussage somit abkaufen. Innerlich bebte aber die junge Frau regelrecht vor Anspannung.
 

Gin biss nachdenklich die Zähne aufeinander.

„Nichts desto trotz werde ich die Sache im Augen behalten.“, beharrte er, beließ es aber gleichzeitig fürs erste auch dabei.

Er setzte wieder einen gelassenen Blick auf und rang sich zu einem schmalen Lächeln.

„Kann ich davon ausgehen, dass mit mehr Mitteln und Personal, wir den Fortschritt des Giftes schneller vorantreiben könnten?“

„J-Ja, das wäre denkbar.“, bestätigte Shiho, alles in ihrer Macht Stehende tuend, Gins Fokus von Pernod abzulenken. Ob an Gins Anschuldigung wirklich etwas dran war, dass würde sie dem Forschungsleiter schon selbst fragen, sobald sie wieder zurück wäre.

„Nur glaube ich kaum, dass ich in meiner Position ein Team aus Wissenschaftlern leiten könnte.“, ergänzte Shiho.

„Einige von ihnen sind schon seit vielen Jahren für die Organisation tätig und wollen sich bestimmt nicht von einem Grünschnabel Anweisungen geben lassen und erst recht nicht von einer Frau.“

Gin schmunzelte belustigt, was man gewiss nicht häufig sah.

„Ich gebe zu, wir Männer neigen zu solchen Verhaltensweisen. Sie werden sich jedoch fügen, wenn man ihnen die nötige Autorität gegenüberstellt und diese den erforderlichen Rückhalt von oben genießt.“

„Ich hoffe sie finden jemanden, der diese Position übernehmen kann.“, entgegnete Shiho.

>Oh das habe ich bereits<, dachte sich Gin mit einem vielsagenden Blick.

„Überlasse das mir. Ich werde alles Erforderliche in die Wege leiten.“, war seine Antwort.

Er sah auf seine Armbanduhr, wandte sich von Shiho ab und ging auf den Ausgang der Schießanlage zu.

„Lassen sie mich sie jetzt zurück in ihr Labor begleiten, Miss Miyano.“, sprach er in einem unheilvollen Tonfall, ehe er mit einem kraftvollen Schwung die Tür aufstieß.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  yinyin248
2020-07-23T22:38:39+00:00 24.07.2020 00:38
Nicht schlecht. 😉
Von:  yinyin248
2020-07-23T05:14:25+00:00 23.07.2020 07:14
Wooow ich bin schwer beeindruckt, eine interessante FF über Akemi, Akai, Shiho und Akemis Eltern und die schwarzen Organisation. Ich bin gespannt wie's weiter geht.

LG yinyin248 🌹
Von:  Blue_StormShad0w
2019-10-15T16:30:17+00:00 15.10.2019 18:30
Hallo und guten Abend.
Ein wirklich sehr ... interessantes Kapitel!
Auch wenn sich Shiho da gewisse Vorteile erhofft, stärker zu werden, halt ich das bei Gin für ein zweiseitiges Schwert. Immerhin steigert's ja wohl auch sein Verlangen nach nach. Bwah! Unangenehme Gänsehaut. 😨😧
Jedoch eine interessante Idee mit dieser Schüler-Lehrer-Beziehung. Ausgerechnet von ihm bekam Shiho einige Tricks beigebracht. Für Gins Verhältnisse seine Art von einen Date ...
... ... ... 😑 Oh Mann ...!
Zurück zu was anderen. Die Beschreibung der Trainingsanlage, wo der Nah- und Fernkampf antrainiert wird, war auch sehr bildlich beschrieben. Von dort kam bestimmt die eine oder auch andere Killermaschiene der Orga. zum Vorschein.
Oh-oh, Gin bohrt da ja sehr genau bei Pernod nach, was die Sache mit den Gift betrifft. Und auch seine Gedankengänge bezüglich einer neuen Leitung in der Forschungsabteilung lässt schon das drohende Schicksals Pernods erahnen ...
Gut, dann bis zum nächsten Mal wieder. Ich bin schon sehr gespannt drauf. Also, ciao! 👋😊
Von:  Blue_StormShad0w
2019-09-23T16:39:14+00:00 23.09.2019 18:39
Hallo und guten Abend.
Spannend geht's hier weiter!
Ein sehr interessantes Kapitel und auch die Handlung rund um Akemis und Pernods Suchaktion war spannend dargelegt worden. Die kleine, ich sag mal, Schatzsuche durch die alte Sektion der Anlage war wieder so gut beschrieben, dass man richtig mitfiebern konnte, während die beiden durch die Gänge streiften.
Als Pernod sie dann, was ihn wirklich sehr schwer fiel, zu jenen Ort führte wo ihre Eltern ums Leben kamen und auf welche Art, war bestimmt ein harter Moment für Akemi, was auch verständlich ist. Und ausgerechnet an den Tag wo es passierte war etwas defekt gewesen? Definitiv kein Zufall!
Ah, die Tankassetten, die später die geschrumpfte Shiho in die Hände bekommt. Hätte man sich auch irgendwie denken können. (^-^)
Hm, mich beschleicht dennoch ein mieses Gefühl, dass sie nicht die einzigen sind, die in der alten Sektion sind. Wer weiß, wer von den Organisationsmitgliedern dort durch die Gänge schleicht?
Und wo war Shiho die ganze Zeit über?
Gut, dann bis zum nächsten Mal, ciao! (^^)/
Antwort von:  Cognac
27.09.2019 13:53
Ja, es geht wieder weiter. Juhuuu!
Diesmal ein Kapitel der etwas anderen Art. Abwechslung muss eben auch mal sein. Selbst unsere rotblonde Protagonistin bleibt heute mal außen vor. Sie ist aber nicht einfach mal eben weg, weil sie in diesem Kapitel keinen Auftritt hat oder haben soll, sondern sie ist an einem ganz bestimmten Ort, mit einer ganz bestimmten Person. :O (Mehr dazu, im nächsten Kapitel)
Ich wollte mal ein wenig Background zur Organisation liefern. Aufzeigen, wie weit ihre Geschichte zurückreicht, welche Verbindungen es gibt und auch ein weiteres Band zu meinen anderen Fanfiktions schaffen (sprich: Nishi-Biogen-Industries).
Eventuell ist mir ja sogar ein kleiner Gruselfaktor gelungen. Muss schon unheimlich sein, durch ein ehemaliges verlassenes Krankenhaus zu schleichen.
Das Thema zum Todesort der Miyanos, den Umständen dahinter und auch das Auftauchen der Tonkassetten, hat mich sehr gereizt und ich wollte meine eigene Version davon schaffen, wie dies wohl gewesen sein könnte.
Hoffen wir mal, dass Pernod und Akemi von niemanden gesehen werden. Ansonsten könnte das ziemliche Folgen für den armen alten Forschungsleiter haben.
...
(Das war jetzt kein Satz, bei dem ich fies gucke und mir die Hände reibe. Nicht falsch verstehen. Das ist schon ernst gemeinte Sorge. ^^)

Bis zum nächsten Mal
Cognac
Von:  Blue_StormShad0w
2019-05-06T20:18:55+00:00 06.05.2019 22:18
Guten Abend.
Etwas spät mit meinem Kommi. (^-^)°
Auf jeden Fall wieder Spannung pur!
Ein interessanter Rückblick wieder zu Atsushi und Elena. Besonders die Verbindung bezüglich von Elena und Mary.
Oh, wow, sehr mutig von Pernod wie er Gin trotzte. Und auch der indirekte Wortlaut von Gin, bezüglich des Unfalls der Miyanos, lässt hier deutlich vermuten, auf wessen Konto dies ging.
Ja, dieser Uchida ist ein Drecksschwein! Nun, Shiho muss wegen den keine Sorgen mehr haben. In übrigen sehr packend wie du sein letzten Moment dargestellt hast, als Gin ihn hier um die Ecke gebracht hat. Ja, niemand stellt sich diesen Mann in den Weg ... (zitter)
Uwah!!! Die Art wie Gin zu Shiho so ... ich sag mal jetzt, entgegenkommt war, als er sich ihre geschwollene Wange besah, hat da ein Gefühl hervorgebracht, dass mir so richtig eine unangenehme Gänsehaut im Nacken eingejagt hat! Eine beängstigende Methode, die er bei ihr versucht anzuwenden, was er als wahre Macht bezeichnet. Bwaaah!!!
Gut, dann bis demnächst wieder.
Freu', mich schon darauf, ciao! (^^)/
Von:  Blue_StormShad0w
2019-04-06T11:57:03+00:00 06.04.2019 13:57
Guten Tag.
Super wieder, super!
Eine gute Einführung über die Eltern von Shiho und Akemi, wie diese bei ihrer Arbeit - gut, eigentlich war es Shihos Vater - die andere Wirkung des Gifts entdeckt haben.
Und welche Ironie halt, dass ausgerechnet Shiho genau da weiterforscht, wo ihre Eltern dies mit allen Mitteln vertuscht hatten.
Wäh! Was ist dieser Uchida den für 'n Schwein? Gut, das Shiho hier sich nicht hat einschüchtern lassen und es ihn gezeigt hat! Jedoch scheint sie sich da einen üblen Zeitgenossen zum Feind gemacht zu haben - wobei die meisten Mitglieder sind ja auch üble Zeitgenossen.
Hm, wenn nun schon die Rede davon ist, dass sie die neue Forschungsleiterin werden soll, schwärmt mir Böses was Pernod dabei betrifft ...
Und ohne das es Uchida bewusst ist, hat er sich Gins Aufmerksamkeit zugezogen. Ich würde mal tippen, dass er nicht mehr lange in der Organisation beschäftigt seien wird und sich die Radieschen von unten ansehen wird.
Die Handlung zwischen Akai und Jodie war hier besonders gut rübergebracht. Man hat hier wirklich die Dramatik gespürt. Auch hat die Atmosphäre auch sehr gepasst.
Gut, dann bis zunächst Mal wieder! (^^)/
Antwort von:  Cognac
09.04.2019 16:33
Tagchen ^^
Danke dir erstmal wieder. Ich will dein vieles Lob gewiss niemals als selbstverständlich erachten.
Der Anfang war ein kleiner Einblick in die Vergangenheit der Eltern Shihos und ich habe noch vor ein zwei mehr davon in Zukunft mit einfließen zu lassen.
Ich finde sie machen sich ganz gut und schlagen wunderbar ihre Stränge bis hinein in die Gegenwart.
Ich stimme dir dabei zu, Ironie over 9000. :D

Ja dieser Uchida ist schon ein unangenehmer Zeitgenosse und ziemlich eifersüchtig auf Shihos rasche Erfolge in der Organisation.
Sein Lebenslauf ist bereits von mir durchgeplant worden denn, wie du bereits bemerkt hast, Gins Aufmerksamkeit zu wecken, wenn es um Shiho geht, ist sicherlich nichts was ein langes Leben garantiert.
Die gleiche Befürchtung gilt es aber auch bei Pernod zu bedenken. Es kann eben nur einen Forschungsleiter geben und man kann sich schon vorstellen, wer Shiho gerne auf dem obersten Posten der Abteilung sehen möchte.

Shuichi brauchte endlich auch mal wieder ein kurzen Auftritt in der Geschichte und diese Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Akemi und Jodie finde ich äußerst interessant.
Nächstes Mal wird es aber wieder hauptsächlich um Shiho gehen und der blonde Hüne wird sich auch wieder zurückmelden.

Also bis dahin noch einen schönen Tag.
Cognac
Von:  Blue_StormShad0w
2019-03-08T19:04:27+00:00 08.03.2019 20:04
Guten Abend.
Wieder ein gelungenes Kapitel!
Es war sehr interessant zu lesen, wie sich Shiho hier immer näher an die Form herantastet, aus der sich später das uns bekannte Schrumpfgift entwickelt. Ironie das genau ihre Eltern ebenfalls auf diese mit der Apoptose kamen. Und warum sie damals ihre Forschung eingestellt haben, kann man erahnen woran das wohl lag.
Ziemlich mutig von Pernod, die ganzen Forschungsergebnisse ihrer Eltern soweit zu entsorgen, wie es ihm soweit möglich war. Auch das er versucht Shiho so gut wie möglich vor den hohen Mitgliedern zu schützen, kann man ihn mit anrechnen. Dumm nur, dass ausgerechnet Gin persönlich gerade Vorort war und die Ergebnisse direkt von Shiho erfahren bekommt. Und man konnte deutlich herauslesen, dass ihn nicht nur die Giftforschung sehr interessierte … Wäh!
Und Shihos Gedanke nun höher in der Organisation zu steigen, ist vielleicht nicht die beste Idee. Zumal sie dabei der Annahme ist, dass Gin ihr dabei eine Chance ermöglich, ist quasi ein Pakt mit einen Teufel zu schließen.
Na dann, bis zum nächsten Mal wieder, freu' mich schon drauf, ciao! (^^)/
Antwort von:  Cognac
09.03.2019 18:50
Danke schön, freut mich zu hören. :)
Ich komme echt selten dazu, auch hier regelmäßig neue Kapitel zu veröffentlichen, doch ich gebe mein Bestes.
So langsam nähert sich Shiho dem bekannten APTX an, doch es gilt noch einige Hürden zu überwinden. Außerdem wird nicht nur das Gift in nächster Zeit eine Rollen spielen und ihr Leben prägen, sondern auch andere gewisse Faktoren.
Apropos, Gin ist eben einer, wenn er erstmal etwas ins Auge gefasst hat, dann kann ihn niemand mehr davon abbringen, leider. Pernod versuchte da sein bestes um Shiho zu schützen, aber vergebens.
Seine Taten in der Vergangenheit bedeuten natürlich ein hohes Risiko für ihn. Man muss im Hinterkopf behalten, dass er zurzeit Forschungsleiter ist, jedoch jeder weiß, dass Shiho zur Zeit ihrer Austritts diesen Posten inne hatte. Verspricht wohl nichts gutes für den alten Mann.
Wie heißt es nun mal: Die Guten sterben immer zuerst.
Shihos weiterer Weg und ihre Entscheidungen, die sie trifft, werden vielleicht im Rückblick nicht immer die Besten sein, doch sie werden sie letztlich genau da hinführen, wo sie am Ende ihrer Karriere in der Organisation stand.
Gins spätere Versessenheit auf Shiho, lässt jedoch vermuten, dass es dort eine Art Pakt mit dem Teufel gegeben hat, in welcher Form auch immer. Da wird es bestimmt noch eine Menge geben, wovor ich mich fürchte es zu schreiben. :o

Die Räder der Zeit bleiben nicht stehen und das Leben ist ein einziges Schachspiel. Ein falscher Zug kann dir eine Menge Kosten. [Ein Zitat von mir, falls vorher noch keiner etwas in die Richtung gebracht hat.] :D

Bis zum nächsten Mal
Cognac
Von:  Blue_StormShad0w
2019-02-09T18:30:18+00:00 09.02.2019 19:30
Guten Abend.
Wie immer super wieder!
Oje, Shiho schien schon ziemlich fertig zu sein, wenn sie die ganze Zeit über in ihrem Labor zugange war. Nun, sie steht ja auch bestimmt Unterdruck und muss die Forschung ihrer Eltern weiter fortführen und das Gift weiterentwickeln. Und eine Verzögerung oder eine Verweigerung wurde ihr nicht sehr gut bekommen; nicht bei der Schwarzen Organisation.
Zum Glück hat ihre Schwester Akemi sie da mal erst rausgeholt aus ihren Arbeitsbereich - oder bessergesagt, Zwangsarbeitsbereich. Da ist Akemi ihr wirklich eine riesen Stütze. Aber … man weiß ja, was noch kommen wird …
Welch Ironie, dass ausgerechnet Shinichi und Ran auch ins Café eintrafen, nachdem Shiho und Akemi es gerade verlassen haben. Haha, offenbar war der Herr Detektiv schon hier sehr fasziniert von der ihm noch unbekannten Shiho. (^^)
Neue Rekruten für die Organisation und Gin soll dies beaufsichtigen? Na, da sollte man besser keinen Fehler begehen.
Oh, sehr interessant! Hier einzufügen, wie hier die unbekannte Frau und die drei anderen Rekruten eingefügt werden. Das es sich dabei um Chianti handelt, war nach der Erwähnung sofort klar. Bestimmt ist unter den zwei männlichen Anwärtern auch Korn dabei. Ob die anderen beiden Personen auch noch wichtig sind oder nicht bleibt abzuwarten. Denn irgendwie hab' ich da das Gefühl das Gin da ganz spezielle Prüfungen in sinne hat.
Auch die Antwort, als Gin nach ihren Namen fragte, wo sie "Niemand" sagte, ist sehr interessant. Da von der Vergangenheit von Chianti nichts weiter bekannt ist, stellt man sich die Frage, ob sie auch, so ähnlich wie Shiho, von klein auf an speziell auf ihre zukünftige Tätigkeit in der Orga. ausgebildet wurde und deswegen nie einen richtigen Namen erhalten hatte, oder ob sie durch spezielle Kontakte in diese eingefügt wurde und man sie lehrte, dass ihr richtiger Name eher bedeutungslos sei. Das selbe gilt auch für Gin, Wodka und den anderen Mitgliedern, von den nur der Codename bekannt ist. Bis heute frage ich mich, ob man in Manga/Anime den richtigen Name des Mannes erfährt, den wir alle als Gin kennen? Denn auch wenn er zu den Charakteren zählt, den ich von allem in der Serie verabscheue, ist meine Neugierde über eine mögliche Vergangenheit über ihn sehr groß, da er, auch wenn er nicht der Boss in der Orga. ist, er für mich der Hauptantagonist der Serie darstellt.
So, dann bis zum nächsten Mal wieder. Wünsch' dir noch ein schönes Restwochenende, ciao!
Antwort von:  Cognac
17.02.2019 16:36
Servus

Ich bin mir sicher, dass der Stress an der Uni mich dazu verleitet hat, den Anfang der Story so zu schreiben. Ich weiß wie es ist eine Menge auf den Schultern zu tragen, was auch der Grund dafür ist, dass solange kein Kapitel mehr kam. Trotzdem würde ich nur ungern mit Shiho tauschen wollen. Ihr Job ist da glaube ich noch ein ticken härter und außerdem habe ich nun vorlesungsfreie Zeit, sprich viel Zeit zum schreiben. ^^

Hihi, ich war praktisch gezwungen die Szene mit Shinichi und Ran einzubauen. Dieser pure Zufall, der ihre Wege schon vor Shihos schrumpfen verbindet empfand ich einfach als unverzichtbar. Vor allem da es bei den Geschwistern noch um das Thema Liebhaber ging und schwupp taucht Shinichi kurz auf.
*hust* alles Absicht *hust* ^^
Bei dem Teil mit Gin wollte ich es anfangs eigentlich nur bei der Szene im Auto belassen, doch beim Schreiben kamen mir immer wieder neue Ideen, die ich super fand und unbedingt einbauen wollte und ehe ich mich versah, behandle ich auch ein wenig mehr die Vergangenheit manch anderer Organisationsmitglieder, wenn auch nur kurz angeschnitten. Im Fokus bleibt auf jeden Fall weiterhin Shiho.
Es ist gar nicht so uninteressant, wie die Männer in Schwarz jeweils ihren Platz in der Organisation gefunden haben.
Stimmt, Gins wahren Namen kennt niemand und auch seine eigene Vergangenheit ist ein dickes fettes Fragezeichen. Doch man möchte ja auch nicht den Leuten zuviel an Platz für wilde Spekulationen wegnehmen. Manche Themen sollten vielleicht ein Geheimnis bleiben und jeder soll sich da seinen eigenen Teil denken.
Bei deinen Fragen glaube ich, dass Chianti aus niederen Verhältnissen in die Abgründe der Organisation gerutscht ist und früh vermittelt bekommen hat, dass ihr eigentlicher und richtiger Name in ihren Reihen keine Bedeutung mehr hat und unter den männlichen Anwärtern wird sich mit Sicherheit auch Korn befinden. ;)

Na dann, bis zum nächsten Mal.
Ebenfalls noch ein schönes Restwochende.

Cognac
Von:  Blue_StormShad0w
2019-01-14T14:02:47+00:00 14.01.2019 15:02
Guten Tag.
Ein, wie immer, großartiges Kapi!
Man merkt hier sehr, wie Akemi Shiho vermisst hat und sich freut, dass sie wieder zurück in Japan ist. Auch wenn der bittere Nachgeschmack der ist, dass ihre Schwester ab nun für die Organisation arbeiten muss, und ausgerechnet die Arbeit ihrer Eltern.
Die Unterhaltung zwischen ihr und Akai war sehr gut rübergebracht. (^^) Während sie diesen Moment zu Zweit genießen, ruft ein Auftrag der Orga. sie wieder zurück in die Realität. Nun, wie die Sache mit Akai und Scotch ausgeht, ist ja bekannt …
Hm, dieser Pernod scheint mir ein Mitglied der Orga. zu sein, den man vertrauen könnte. Zumindest kommt es mir so vor. Und auch seine Aussage, das Shiho mehr Freund hat, als nur ihre Schwester. Spontan kam mir sofort der Gedanke, ob es nicht vorher schon einige Mitglieder bei den Männern in Schwarz gabs, die der Orga. entfliehen wollten. Hm, ich bin mal gespannt, was da noch alles herauskommen wird und was für eine Rolle du Pernod zugedacht hast, denn bestimmt spielt er noch eine wichtige in Shihos Leben.
Gut, dann bis demnächst wieder Mal, ciao! (^-^)/

Antwort von:  Cognac
24.01.2019 00:01
Vielen lieben Dank für das großartige Feedback und deiner ungebrochenen Unterstützung bei all meinen Geschichten.
Ich schätze mal es gibt noch kein Kapitel von mir, welches du nicht kommentiert hast. :D
Pernod ist definitiv kein unwichtiger Charakter in dieser Story, das wird auch im weiteren Verlauf klar und wer weiß, vielleicht hat er ja auch schon mal mit dem Gedanken gespielt die Organisation zu verlassen. Bis dato und davon gehe ich mal aus, ist es aber bisher noch niemanden gelungen. Shiho scheint was das angeht, also einen Meilenstein gelegt zu haben.
Bis zum nächsten Mal.

Cognac
Von:  Blue_StormShad0w
2019-01-01T10:48:22+00:00 01.01.2019 11:48
Hallo und guten Tag ins neue Jahr.
Ein sehr guter Anfang über Shihos Leben, als diese noch bei der Organisation tätig war!
Man hat hier deutlich die unangenehme und hoffnungslose Atmosphäre gespürt, in der sie sich befindet und auch ihrer Gefühlswelt.
Ah ja, so war also die erste Begegnung zwischen Shiho und Gin als. Nun ja, könnte auch so passiert sein, man weißes ja noch nicht so genau, da das noch nicht im Manga weiter thematisiert wurde. (^~^) Und gleich sofort hat Gin einen kleinen Funke Interesse an ihr gefunden. Wuah! Läufts mir kalt den Rücken runter.
Nun denn, ich bin hier mal sehr gespannt, wie die Handlung sich hier entwickeln wird, bis Shiho als geschrumpftes Kind aus der Organisation flüchtet, was ich sehr interessant finde, da dass bis jetzt ja auch noch nicht so gezeigt wurde wie.
Auch auf die Auftritte der anderen Organisationsmitglieder bin ich schon neugierig; sei es die Aktuellen, die noch tätig sind, oder die jenigen, die in Manga/Anime/Film schon längst tot sind, wie Tequila, Calvados, Pisco, Irish, Curacao und wer sonst noch alles für die Orga tätig war. Auch bin ich gespannt, ob auch die Agenten, wie Scotch, Stout, Riesling und Aquavit ihren Weg in die Handlung finden werden, die ja die Orga unterwandert hatten. Und natürlich auch die von dir erdachten Mitglieder, die schon ihre Auftritte in deinen anderen FFs ihr Debüt hatten, und welche die vielleicht nur hier vorkommen werden.
Denn ich schrieb es glaublich schon mal in einer anderen Kommi von mir, es gibt noch reichlich Spirituosen- und Weinnamen.
So, dann wüsch' ich dir noch viel Glück für dieses Jahr.
Man liest sich! (^^)/
Antwort von:  Cognac
04.01.2019 21:00
Danke danke, freut mich, dass dir der Anfang schonmal zusagt.
Ich finde Shihos Leben in der Organisation ist ein sehr interessantes Thema um darüber zu schreiben, vor allem deswegen, weil davon so gut wie nichts bekannt ist und man sich somit wunderbar selbst kreativ entfalten kann. Man kann sich selbst überlegen, was in dieser Zeit wohl alles passiert ist und genau das habe ich auch vor. Von Shihos erstem Arbeitstag, über all die prägensten Ereignisse, bis zu ihrer Schrumpfung und ihrer anschließenden Flucht. Auch auf die Eltern von Shiho und Akemi will ich näher eingehen. Alles zum Thema Miyanos ist ein einziges Fragezeichen. Ich freue mich daher schon richtig darauf, mir dazu was tolles und spannendes auszudenken, generell zu allen bisher unangetasteten Themen im Anime/Manga.
Auch andere Charaktere finden noch früher oder später ihren Weg in die Geschichte, obwohl der Fokus bei Shiho liegen wird.
Gin hatte ja bereits sein Debüt. Auch er wird einen wichtigen und prägenden Part in dieser Story einnehmen. Wuah, genau!
Sowohl bekannte, neue, als auch OCs von mir, haben einen geplanten Auftritt, manche bedeutender als andere.
Ich muss noch schauen, wann das erste, bzw. zweite Kapitel erscheinen wird, spätestens am ersten nächsten Monats.
Wie lange die Geschichte geht, muss sich noch im laufe der Zeit zeigen. Ich möchte die wichtigsten Momente Shihos, während ihrer Zeit in der Organisation abhandeln, ehe ich die Story beende. Sie wird aber definitiv kürzer werden, als eine meiner Zweiteiler.

Beste Grüße und auf wiederlesen
Cognac


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