Sherry - Jenseits von Gut und Böse von Cognac ================================================================================ Kapitel 3: Leid der Generationen -------------------------------- Kapitel 3: Leid der Generationen Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 3: Leid der Generationen „Das ist es.“, triumphierte die rotblonde Wissenschaftlerin und blickte zufrieden auf vermutlich jene Lösung ihrer Probleme, die ihr nächtelang den Schlaf geraubt hatten. Ihre erste eigene Version des Giftes. Sie nannte es Apoptoxin, kurz APTX. Woche für Woche hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie man ein ausreichend tödliches Gift entwickeln konnte, ohne dass es jedwede Rückstände im oder am Körper eines Betroffenen hinterließe. Eines frühen Morgens stieß sie endlich auf die Antwort darauf. Das Schlüsselwort war Apoptose, ein programmierter Zelltod und mit der richtigen Herangehensweise unmöglich nachzuweisen. Eine saubere Methode zur Vernichtung von auf Kohlenstoff basierenden Organismen und sie wäre vermutlich die erste Wissenschaftlerin, der eine solche Errungenschaft gelingen würde. Allmählich wurde ihr klar, was sie da eigentlich in Gedanken von sich gab. Shiho schreckte aus ihrem Erfolgsrausch auf. Was zum Teufel war los mit ihr? War sie bereits schon so abgestumpft? Färbte der kriminelle Einfluss dieser Verbrecherorganisation, der sie angehörte, etwa mehr und mehr auf sie ab? Sie arbeitete ununterbrochen an diesem Gift. Es war mittlerweile zu dem geworden, wofür sie lebte, ihr Lebenswerk wenn man so wollte. Doch konnte oder sollte man sich für etwas dergleichen überhaupt rühmen? Es war der Beginn ihrer Beihilfe zu vielen Morden die folgen würden, sobald ihre Formel des Giftes erst einmal ausgereift wäre und erste erfolgreiche Testergebnisse erzielt hätte. Die Antwort der Organisation zu diesem Thema, konnte sie sich denken, verfolgte sie immerhin ihre Interessen. Was hatte das Wort Moral da noch für eine Bedeutung. Sie brachte ein wehmütiges Lächeln hervor, als sie an ihre Eltern denken musste. Wären sie stolz auf sie, dass sie drauf und dran war das zu erreichen, woran ihre Kollegen seit Jahren scheiterten oder wären sie eher enttäuscht zu sehen, dass sie ihre Arbeit fortsetzte und zunehmend für das gezielte Töten von Menschen perfektionierte. Die bittere Wahrheit, sie wusste es nicht. Das letzte Verbindungsstück zu ihren Eltern und sie hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt zu diesem Gift standen, ob sie es befürworteten oder verabscheuten. Shihos Lächeln verblasste und eine einzelne Träne kullerte über ihre Wange. Was sollte sie denn anderes tun? Sie war in einem Teufelskreis gefangen. Die Rotblonde gab es ja zu, sie vergrub sich absichtlich so sehr in ihre Forschung, um zu vergessen woran sie da überhaupt arbeitete. Denn jedes Mal, wenn sie sich wieder daran erinnerte, fühlte sie sich elendig und ihr wurde schlecht. Da konnte auch ihre Maske aus Emotionslosigkeit, die Mauer, die sie zum Schutz ihrer selbst, begann um sich herum zu errichten, nicht drüber hinweg täuschen. Die junge Frau erhob sich von ihrem Stuhl und fuhr ihren Arbeitsplatz herunter. Sie würde morgen noch einige kleine Veränderungen vornehmen, bevor sie Pernod über ihre Fortschritte in Kenntnis setzen würde. Sie wollte wissen was er von ihrer Kreation hielt, denn mit der Zeit hat sie den alten Mann sehr zu schätzen gelernt. Eine Zustimmung seinerseits und sie könnte sich zumindest ein klein wenig besser fühlen. Wenn er stolz auf sie wäre, dann wären es ihre Eltern womöglich auch gewesen. Als die letzte Lampe im Labor ausging, warf sich Shiho ihren Mantel um, holte ihre Haare mit einer schwungvollen Bewegung aus dem von ihrer Jacke bedeckten Nacken und wandte ihrer Forschungsdomäne den Rücken zu. Leiste zischte die Tür, als diese sich schloss und automatisch verriegelte. Am darauffolgenden Tag verbarrikadierte sich Shiho in ihrem Labor. Sie war mit ihren Nerven so ziemlich am Ende. Wieder einmal zeigte sich, wie gefährlich das Empfinden von Schuld oder das Zeigen von Schwäche war. Sie hatte einfach nicht aufgepasst, war geblendet gewesen von ihren Gefühlen, denen sie für einen kurzen Moment die Oberhand gewinnen ließ und war somit diesen beiden Typen auf dem Flur direkt in die Arme gelaufen. Sie dachte wirklich es wäre um sie geschehen. Allein wenn sie sich diesen furchteinflößenden Kerl, mit dem langen blonden Haar, erneut vor Augen führte. Ein einschneidenderes Erlebnis hatte die junge Frau bisher noch nicht erlebt und durch ihre Unachtsamkeit hätte es auch ihr letztes sein können. Shiho musste auf der Hut sein. In ihrem Labor war sie zwar sicher, so glaubte sie es zumindest, doch da draußen, außerhalb ihrer heiligen Zone, war sie ein gefundenes Fressen für die Männer in Schwarz, wenn sie es zuließe. Einen Tag später traute sie sich wieder hinaus aus ihrem sicheren Hafen und machte sich auf die Suche nach Pernod. Mit ihrem weißen Kittel auf den Schultern und einer Akte mit ihrem Zwischenbericht über das Apoptoxin vor der Brust, schritt sie zügig durch die Forschungsabteilung. Ihre Augen huschten nervös durch die Gegend. Shiho hing immer noch der Schock ihrer gestrigen Begegnung in den Knochen. Das letzte was sie nun wollte war, noch jemandem, vielleicht sogar ein einflussreiches Organisationsmitglied, auf die Füße zu treten. Die Wissenschaftlerin versuchte bei klarem Verstand zu bleiben, doch aus irgendeinem Grund musste sie ständig an das Aufeinandertreffen mit diesem Hünen zurückdenken. Diese Augen, etwas Vergleichbares hatte Shiho noch nie zuvor gesehen. Diese Kälte, die in ihnen ruhte und dann war da noch etwas gewesen, schwer zu erfassen. Sie ging weiter und erreichte das große Hauptlabor. Die rotblonde Frau war erleichtert, als sie endlich Pernod in der Ferne erblickte. Sie steuerte direkt auf ihn zu, erstarrte jedoch und ließ schlagartig ihre Akte fallen, als sie bemerkte wer bei ihm stand. Ihre Dokumente landeten nicht gerade leise auf dem Boden vor ihren Füßen und das lose gedruckte Papier darin, verteilte sich quer in alle Richtungen. Alle Blicke der Mitarbeiter im Labor richteten sich auf sie. Auch der Forschungsleiter und der Mann mit dem langen blonden Haar bei ihm, hatten sie inzwischen bemerkt. Gin grinste vergnügt, als er Shiho dabei beobachtete, wie sie sich hektisch hinkniete, um jeden Teil ihres Berichts wieder einzusammeln. Ihr Kopf war hochrot und sie warf mit leisen Verwünschungen um sich, die allesamt ihr selbst galten. Wieso konnte sie sich nicht zusammenreißen? Die anderen Wissenschaftler widmeten sich wieder ihren Aufgaben und beachteten ihre junge Kollegin nicht weiter. Niemand versuchte ihr zur helfen, was entweder Gleichgültigkeit oder der Anwesenheit ihrer gestrigen Bekanntschaft geschuldet war. Sie spürte, dass er eine gewissen Autorität und Dominanz ausstrahlte. >Verdammt, also war er tatsächlich ein hohes Tier, welcher sich womöglich bei Pernod beschwerte oder gar schlimmeres<, ging es ihr durch den Kopf. Langsam rappelte sich Shiho, wenn auch ein wenig ungeschickt, wieder auf und strich ihren Rock glatt, bevor sie mit gefühlt immer kleiner werdenden Schritten zu Pernod und dem großgewachsenen Mann herüberging, der sie die ganze Zeit über nicht aus den Augen ließ. Sie biss sich nervös auf die Unterlippe. >Bleib ruhig Shiho, ganz ruhig<, befahl sie sich selbst. „Wirklich reizend.“, lächelte Gin bittersüß, als sie bei ihnen ankam. Shiho wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Sie hatte bisher noch nie groß Kontakt zu anderen Organisationsmitgliedern außerhalb der Forschungsabteilung, abgesehen von Akemi und ihren Freund Dai. Der Grund dafür lag wohl auf der Hand. „Nun ja, vielleicht sollte ich euch beiden erst einmal bekannt machen.“, räusperte sich Pernod. „Oh wir kennen uns bereits.“, kam ihm der blonde Hüne zuvor. Der Forschungsleiter sah ein wenig irritiert zu Shiho, die seinen Blick nur kurz auffing, ehe sie schwer schluckte. „Schon gut, war alles halb so wild. Nur ein bisschen ungeschickt die Kleine.“, beruhigte Gin seinen älteren Kollegen mit einem vielsagenden Augenschwenk gen Shiho. „Wie ich hörte ist sie das große Wunder deiner Forschungsabteilung Pernod.“ Gin deutete ihm mit einer kurzen Geste an, dass er ruhig fortfahren soll. Dieser nickte verhalten aber bestätigend. „Ähm, Shiho Miyano?“ Sie schaute auf, als Pernod ihren Namen aussprach. „Das ist Gin. Er ist einer der sieben direkten Vertreter unseres Chefs und hat die oberste Befehlsgewalt über die Mitglieder der Organisation hier in Japan.“ Die rotblonde Frau biss kaum merklich die Zähne zusammen. >Das konnte doch alles nicht wahr sein<, fluchte sie innerlich. Wieso musste ausgerechnet ihr das passieren. Der Kerl vor ihr war nicht nur ein hohes Tier, er war DAS hohe Tier. Eine Person mit Macht und Einfluss und niemanden der es wagen würde, sich ihm in den Weg zu stellen. „E-Es tut mir wirklich leid, dass ich gestern, i-ich meine…“, versuchte sie sich zu erklären. „Vergiss es einfach.“, meinte Gin trocken, was der Rotblonden einen Schauer über den Rücken jagte. „Gin hat von unserer Weiterentwicklung des „Detektivs in Kinderschuhen“ erfahren und zeigt großes Interesse an dem neuen Gift.“, klinkte sich Pernod wieder in das Gespräch ein und trat einen Schritt vor Shiho. „Du sagtest du wolltest mir heute deine Zwischenergebnisse vorzeigen? Wenn du sie mir überreichst, kann ich sie Gin später zukommen lassen.“ „Warum denn so umständlich?“, mischte sich Gin ein. „Jetzt ist sie doch schon einmal hier und es ist immerhin IHRE Erfindung oder etwa nicht? Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass dir nie ein auch nur ansatzweise vergleichbarer Fortschritt zum selbigen Gift gelungen ist Pernod, weswegen das ganze Projekt überhaupt solange auf Eis gelegt werden musste.“, seine Worte hatten etwas Verhätschelndes und auch Nachtragendes an sich. Pernod hüllte sich in Schweigen, während Gin sein Augenmerk nur allzu gern wieder auf Shiho richtete und diese nun erstmals seinen Blick zaghaft erwiderte. „Erzähl mir von deinem Gift.“, forderte er sie auf. „N-Nun ja ich bevorzuge die Bezeichnung Apoptoxin.“ Sie tat sich ungemein schwer das Wort über die Lippen zu bringen. „Es funktioniert mithilfe der namensgebenden Apoptose und sorgt für einen schnellen und kontrollierten Zelltod. E-Es bedarf gewiss noch einigen Feinabstimmungen, immerhin beruht das bisher alles auf theoretische Untersuchungen, doch ich bin davon überzeugt, dass es die effizienteste und unauffälligste Methode für das gewünschte Gift ist.“ Gins Augen funkelten gefräßig und Shiho war sich unsicher ob das ein gutes oder eher fatales Zeichen für sie war. „W-Wenn ich grünes Licht bekommen würde, dann könnte ich innerhalb der nächsten zwei Wochen einen ersten Prototypen mit der neuen Formel herstellen und diese auf ihre Wirksamkeit in ersten Praxistests bei tierischen Versuchsreihen überprüfen.“, ergänzte sie schnell, in der Hoffnung, damit noch die kurze Kratzen zu können. Einen Moment lang war es still. „Wirklich beeindruckend.“ Gins Blick haftete an Shihos Körper und seine Augen glitten langsam ihre Kurven entlang. „Nicht nur hübsch, sondern auch unglaublich schlau und talentiert wie mir scheint.“ Die junge Wissenschaftlerin lief bei dem Kompliment rot an vor Verlegenheit und Pernod schenkte Gin einen skeptischen Gesichtsausdruck. „Hier scheint mir jemand die nötige Kompetenz und das gewisse Know-how zu besitzen, die diese Forschungsabteilung so dringend nötig gehabt hat und dabei ist sie noch so jung.“, Gin betrachtete sie weiter. „Ich bin mir sicher in dir steckt noch großes Potenzial Shiho Miyano.“ Er beugte sich zu ihr vor, sodass sie seinen Geruch nach Zigaretten wahrnehmen konnte. „D-Danke“, erwiderte die Rotblonde kurzgehalten. Pernod bat um die Unterlagen und Shiho gab sie ihm. Er blätterte sie durch. Seine Augen wirkten unruhig und besorgt, ehe er die Akte in seinen Händen wieder zuklappte. „Ich werde das mit meinen Leuten überprüfen, doch ich bin mir sicher, dass wenn sich Shihos Theorie bewahrheitet, wir schnell in die nächste Phase starten können.“, erklärte Pernod. „Dann tut das.“, verlangte Gin ungeduldig. „Ein solches Gift ist unverzichtbar für die künftigen Pläne der Organisation und ich will es so schnell wie möglich einsatzbereit wissen, verstanden?“, er fixierte den alten Mann mit einem strengen Augenmerk. Dieser verneigte sich leicht. Gin setzte sich in Bewegung, doch blieb er neben Shiho noch einmal stehen. „Wer werden dein Gift auch weiterhin mit großem Interesse verfolgen. Du darfst damit rechnen, schon bald mit den Besten zusammen arbeiten zu dürfen. Mach einfach so weiter, dann wird aus dir gewiss noch was werden.“ Danach verschwand er, ohne eine mögliche Antwort abzuwarten. Shihos Herz hämmerte in ihrer Brust. Dieser Gin strahlte eine solche Selbstsicherheit aus, die beeindruckend als auch einschüchternd zugleich auf sie wirkte. Sie sah dem Mann in Schwarz zögerlich hinterher. Jeder in seinem Umkreis hatte einen unheimlichen Respekt vor ihm, was anhand seiner Stellung und seiner Erscheinung auch kein Wunder war. Er hatte sicherlich vor nichts auf der Welt Angst, vielmehr fürchtete sich wohl der Rest der Welt vor ihm. Einer solchen Person war Shiho bisher in ihrem Leben noch nie begegnet. Pernod packte sie an ihren Schultern und riss sie aus ihren Tagträumen. „Hey Shiho, ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte er sich besorgt. „W-Was, wie?“ Sie schaute ihn ein wenig geistesabwesend an, ehe sie sich wieder besann. „Tut mir leid. Die letzten Tagen waren vielleicht etwas viel für mich.“, entschuldigte sie sich. Der Blick des Forschungsleiters wurde dabei weicher. „Dann ruhe dich am besten für den Rest des Tages aus und mache dir nicht mehr so einen Kopf um die ganze Sache. Die Apoptose ist zweifellos der Schlüssel.“ Shiho war verwirrt. „A-Aber sie sagten doch, dass sie die Ergebnisse erst genauestens überprüfen müssen.“ Pernod sah sich um und deutete ihr an, ihn in sein Büro zu folgen. „Ich weiß was ich sagte.“, erwiderte er, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte und sie ungestört waren. Der alte Mann holte kurz Luft. Man sah ihm an, dass die Worte, die er versuchte zusammenzulegen, ihm viel Überwindung kosteten. „Hör zu Shiho, schon deine Eltern haben damals versucht das Gift auf Basis der Apoptose zu entwickeln. Es waren die letzten Wochen vor ihrem Tod, als sie die neue Variante des Giftes testeten. Es trat jedoch eine ungeahnte Nebenwirkung auf, welche sie sich nicht erklären oder beheben konnten. Ich weiß leider nichts Genaueres, aber sie wollten danach nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben. Kurze Zeit später verstarben sie und ich habe darauffolgend bei meinen Versuchen die Apoptose bewusst nicht mehr in Betracht gezogen. Kein anderes Ergebnis kam allerdings dem Beinahe-Erfolg deiner Eltern so nah und um ehrlich zu sein, war ich heil froh darüber, dass meine Anstrengungen über die Jahre hinweg vergeblich waren.“ Pernod ließ sich schwerfällig in seinem Sessel nieder und strich sich über das graue Haar. Shiho wirkte etwas durcheinander. „Ich verstehe nicht ganz. Ich habe nichts davon in den Unterlagen meiner Eltern gefunden und auch sonst gibt es über Versuchsreihen mit Apoptose keinerlei Einträge in der Datenbank.“ „Weil ich sie alle beseitigt habe.“ „Was?“ Das kam vielleicht ein wenig lauter als beabsichtigt aus ihrem Mund, da Pernod angespannt durch die Fenster seines Büros schaute. „Shiho, egal um was für eine Nebenwirkung es sich handelte und egal wieso deine Eltern von ihrer Idee abließen, mit zunehmenden Alter bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass niemand ein solches Gift besitzen darf. Ich hege keinerlei Zweifel, dass du es schaffen könntest, dein Apoptoxin mit seiner vorhergesehenen Wirkungskraft umzusetzen, doch das Resultat daraus, wäre sicherlich nicht mit deiner Überzeugung als Wissenschaftlerin zu vereinbaren.“ „Denken sie etwa ich habe mir das ausgesucht? Das ich scharf darauf bin einen solchen Job zu machen, ein solches Gift zu entwickeln?“ Die junge Frau reagierte zunehmend erbost auf die Worte des alten Mannes. „Natürlich nicht.“, warf dieser beschwichtigend ein. „Ich habe keine andere Wahl. Sie werden mir oder womöglich eher Akemi etwas antun, wenn ich meinen Pflichten nicht nachkomme.“, protestierte Shiho mit belegter Stimme. Sie verstand nicht warum Pernod auf einmal so war, warum er sie mit alldem so urplötzlich erschlug. Das war nicht das, was sie sich erhofft hatte als sie zu ihm kam und es quälte sie zu erfahren, dass ihre Eltern die Arbeit an dem Gift angeblich eingestellt hatten, noch bevor sie verstarben. Sie fanden etwas heraus, was Shiho bisher noch nicht erahnen konnte und sie wären dem Anschein nach nicht begeistert, dass sie denselben Weg noch einmal beschritt. Wieso musste Pernod ihr das nur erzählen? Hätte er nicht sagen können, es sei eine Notwendigkeit an dem Gift zu arbeiten. Das sie richtig handle und sich keine Vorwürfe zu machen bräuchte. Wieso konnte er sie nicht einfach anlügen? „Ich habe doch keine Wahl.“, wiederholte sich die junge Frau. „Man hat immer eine Wahl Shiho.“, erwiderte Pernod ruhig. „Ich bestreite nicht, dass eure Lage prekär ist. Ich hatte es leichter, es gab nur mich. Wenn sie mich töten wollten, hätten sie es einfach tun können. Es wäre okay für mich gewesen. Schließlich haben sie es ja auch mit deinen…“ Er brach ab. Die rotblonde Wissenschaftlerin grübelte über seine Worte nach. Pernod hat eine Menge riskiert indem er, trotz seiner Arbeit und seiner Funktion als Forschungsleiter, die Entwicklung an dem Detektiv in Kinderschuhen über Jahrzehnte hinweg bewusst stagnieren ließ und sein eigenes Leben damit riskierte, nur um all die Menschen, die durch ein funktionierendes Gift den Tod finden würden zu schützen. Säße nur sie im Boot, dann würde es Shiho womöglich genauso leicht fallen und würde nach ihren Überzeugungen her handeln. Ohne Akemi, ihrer Schwester, würde sie keine Sekunde länger für die Organisation arbeiten. Sie handle doch nicht egoistisch, wenn sie sich und ihre Schwester schützen wollte, oder doch? Nur war Gin persönlich nun auf sie und ihre Forschung aufmerksam geworden. Doch machte das denn einen Unterschied? Sie steckte sowieso schon zu tief im Morast der Organisation mit drin. Ob es überhaupt noch ein Entkommen gab? War es vielleicht ohnehin schon zu spät? Shiho dachte angestrengt nach. Wenn dieser Gin wirklich der Einflussreichste von ihnen war… Sie dachte an seine letzten Worte: „Du darfst damit rechnen, schon bald mit den Besten zusammen arbeiten zu dürfen. Mach einfach so weiter, dann wird aus dir gewiss noch was werden.“ Das Gift könnte womöglich ihr und Akemis Ticket in die Freiheit werden. Sie schaute den alten Wissenschaftler an. „Wie gut kennen sie Gin eigentlich?“, brach es unerwartet aus ihr heraus. Pernod sah sie eindringlich an. Seine alten Augen, hatten einen todernsten Ausdruck. „Ich kann dir nur ans Herz legen, ihm aus dem Weg zu gehen. Er ist unberechenbar und wäre gewiss nicht gut für dich. Ich habe bereits nach besten Kräften versucht ihn von dir fern zu halten, jedoch vergeblich, wie du gesehen hast. Das war auch der Grund warum ich ihm selbst von deinen Ergebnissen berichten wollte, um dich aus diesen tiefen und düsteren Kreisen der Organisation fern zu halten. Er kam mir allerdings zuvor, als er heute in unserer Abteilung auftauchte. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass der Kerl gefährlich ist. Ich bin schon lange genug dabei, um zu wissen, dass niemand es so weit in ihren Reihen bringt, ohne einer Menge Blut an den Händen.“ Shiho setzte ein warmes Lächeln auf. „Ich danke ihnen, für ihre Bemühungen. Ich weiß ihr tut das alles für meine Eltern und ich schätze eure Hilfe sehr. Ich kann all eure Entscheidungen verstehen und euren Rat werde ich mir zu Herzen nehmen.“ Pernod reagierte erfreut über die schnelle Einsicht und das Verständnis seiner jungen Mitarbeiterin und nickte ihr dankend zu. Die Rotblonde verbeugte sich noch kurz und verließ anschließend das Büro. Ihre Miene erkaltete, als sie sich von dem Hauptlabor entfernte. Nichts desto trotz musste sie ihren eigenen Weg gehen und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Niemals würde sie, wie Pernod, den Rest ihres Lebens in der Organisation verbringen. Auch wenn er die Meinung vertrat, dass Zurückhaltung der einzige Weg sei, so war Shiho inzwischen der Überzeugung, dass genau das Gegenteil der Fall war. In ihrer derzeitigen Situation würde sie sich nur unweigerlich im Kreis drehen ohne jeglichen Fixpunkt und Ausblick auf ein besseres Leben. Sie musste aktiv werden, wenn sie eine Veränderung für sich und ihre Schwester herbeiführen wollte. Sie war die einzige die die Chance dazu besaß und vielleicht hat ihr Gin ungewollt eine Tür geöffnet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)