Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 2: Wie alles beginnt ---------------------------- „Weißt du, ich glaube, du musst mir zuerst noch auf die Sprünge helfen.“ Genesis, der es sich mit dem Blick auf Sephiroth bereits gemütlich gemacht hatte, entfuhr ein genervtes Geräusch. Abwartend schaute er Sephiroth an. „Du hast mir nie erzählt, wie genau es eigentlich dazu kam, dass er dir einen Antrag gemacht hat.“ „Oh.“ Genesis‘ Gesichtsausdruck glättete sich. „Schätze nicht. Also, es war so ...“ „Und, haben wir heute noch irgendwas vor?“, fragte Sephiroth. „So oft ist unsereins ja doch nicht in Lissabon oder überhaupt in Europa.“ Genesis überlegte, was er in der Gegend noch mit Sephiroth anstellen konnte oder ob er ihn einfach zum Zentrum mitnehmen sollte – es war Freitagabend, sicherlich war eine Menge los. Nicht, dass das das Programm wäre, das Sephiroth sonderlich schätzte. Genesis wusste, dass es ihn am glücklichsten machen würde, sich einfach in irgendein Lokal zu setzen und einheimische Spezialitäten auszuprobieren. Und anschließend ein Glas guten Rotweins ... Wie, Rotwein? Genesis fluchte. „Ich muss telephonieren.“ Sephiroth sah ihn fragend an. Genesis kramte sein Handy hervor und wählte zögerlich Ramons Nummer. Der nahm allerdings in kürzester Zeit ab. Noch während Genesis sich etwas planlos meldete, stand er von dem Tisch auf, an dem er mit Sephiroth gesessen hatte, und begab sich nach draußen. „Hey, ich versteh sowieso nichts, wenn du dich auf Portugiesisch unterhältst“, rief ihm Sephiroth noch nach, bevor Genesis die Tür hinter sich schließen konnte. „Alles in Ordnung?“, fragte ihn Ramon. „Hast du Besuch?“ „Ja ...“ Genesis wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er verstand nicht, warum er sich Ramon gegenüber schuldig fühlte. Er war ihm nicht verpflichtet; sie waren nie offiziell ein Paar gewesen. Er hatte immer von den anderen Männern gewusst, mit denen Genesis sich getroffen hatte. Warum quälte es ihn nun so sehr, ihm von einem bestimmten Mann zu erzählen? „Hör mal ...“ Er stockte. Aber es half alles nichts. „Wir können das Wochenende nicht miteinander verbringen.“ „Wieso nicht?“, fragte Ramon bestürzt. „Was ist das für Besuch?“ „Also ...“ Er seufzte. „Mein Ex ist aus dem Nichts aufgetaucht und ...“ „Und ...“ Er hörte förmlich, wie Ramon zwei und zwei zusammenzählte. Sein Ton veränderte sich. „Und jetzt ist er nicht mehr dein Ex.“ „Richtig ...“ Zwischen ihnen entstand eine unangenehme Stille. Genesis trat von einem Fuß auf den anderen. Ramon sagte immer noch nichts. Er bekam das Gefühl, dass es seine Aufgabe war, das Gespräch jetzt irgendwie zu kitten. Ramon tat ihm so leid. Er wollte ihn irgendwie versöhnen. „Wir können uns trotzdem wie verabredet heute Abend treffen.“ „Ach?“ Ramon klang skeptisch. „Nun, ich müsste dann nur irgendwann wieder nach Hause.“ „Von mir aus“, sagte Ramon steif. Er legte auf. „Wie immer zu spät“, warf ihm Ramon kühl vor, als Genesis am verabredeten Treffpunkt ankam. Ramon saß offensichtlich schon länger an einem Tisch draußen vor ihrer Stammkneipe, wenn man danach urteilte, dass die Flasche Rotwein vor ihm bereits ein ganzes Stück geleert war. Von drinnen drang der klagende Fadogesang einer Frau durch die offene Tür. Genesis setzte sich Ramon schweigend gegenüber und goss sich ebenfalls Flüssigkeit in ein Glas ein. Ihm war allerdings nicht danach, davon zu trinken. Lange saßen sie da, Ramon funkelte ihn wütend an und Genesis schaute irgendwie entschuldigend drein. Genesis seufzte. Er hatte doch nichts falsch gemacht. Ramons Blick wandelte sich allmählich und wurde nachsichtiger. Sie näherten sich einander zunehmend an, bis Ramon wieder das Wort ergriff. „Das kam wirklich plötzlich“, seufzte er. „Für mich auch, das kannst du mir glauben.“ Genesis nahm einen Schluck Wein. „Also“, sagte Ramon geschäftig. „Also“, echote Genesis. „Ihr seid jetzt also wieder zusammen.“ „Ganz recht.“ „Wozu wart ihr dann eigentlich getrennt?“ Genesis musste kurz lachen. „Wozu hast du dann überhaupt Schluss gemacht, wenn du ihn doch nur zurücknimmst?“ Genesis hielt mit dem Glas auf halbem Weg zum Mund inne. „Wer sagt, dass ich Schluss gemacht hab?“ Ramon sah ihn mit einem sarkastischen Blitzen in den Augen an. Genesis verstand, was er sagen wollte. „Ja, ok.“ „Als ob du jemanden zurücknehmen würdest, der dich abserviert hat. Ich wette, in deinem ganzen Leben hat noch niemand mit dir Schluss gemacht.“ „Diese Aussage“, erwiderte Genesis, das Weinglas nachdenklich in der Hand schwenkend, „lässt sich sogar halten. Es kommt ein bisschen auf die Definition an.“ Ramon schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. „Wie ist er so?“ „Hm?“ „Dein Ex“, erklärte Ramon, „der nicht mehr dein Ex ist.“ „Oh, ach so“, machte Genesis, „klar.“ Er war von der Frage überrumpelt. Ihm fehlten die Worte. Er gestikulierte ein wenig hilflos. „Wie soll er schon sein?“ „Der Mann, der dich glücklich macht“, bohrte Ramon weiter. „Was hat er, was ich nicht habe?“ „Oh.“ Das war es also, worauf Ramon hinauswollte. Genesis begann zu grinsen. „Du brauchst gar nicht so zu tun, als ob du ihn nie gegooglet hättest.“ Mit dieser Antwort hatte Ramon offensichtlich nicht gerechnet. Für einige Momente verschlug es ihm die Sprache, in denen Genesis, der ihn weiter süffisant anlächelte, fast meinte, Ramon in der Dunkelheit erröten zu sehen. Genesis überlegte gerade, ob Ramon wohl versuchen würde, Tatsachen abzustreiten, als er einräumte: „Schuldig im Sinne der Anklage.“ „Und?“, fragte Genesis vergnügt, „worauf bist du gestoßen?“ Ramon brauchte wieder längere Zeit, um eine Antwort zu finden. Er suchte offensichtlich nach den richtigen Worten. „Er hat längere Haare als ich.“ „Das kann man wohl sagen“, erwiderte Genesis lachend. „Und?“ Genesis schaute ihn fragend an. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Genesis überlegte. „Na ja ... Wir haben den gleichen Job ... Er ist aus der Hauptstadt, ich vom Land ... Er ist eher naturwissenschaftlich und an klassischen Sprachen interessiert ... Kann kochen ...“ „Ah“, machte Ramon, „ein Mann, der kocht, da konnte ich nur verlieren.“ „Das ist mein K.O.-Kriterium für Partner“, sagte Genesis nickend mit allem Ernst, den er aufbringen konnte. Ramon sah ihn weiterhin an. „Hn ... Seine Mutter war Wissenschaftlerin – die Intelligenz hat sich da irgendwie vererbt. Und, mein Gott, gebildet ist der Mann, im Gegensatz zu mir hat er auch einen Schulabschluss – und einen echt guten noch dazu –“ Ramon unterbrach ihn. „Warte, warte, warte – was?“, fragte er ungläubig. Genesis glaubte zu erraten, was Ramon so verblüffte. „Na ja, ich bin mit 14 von der Schule abgegangen, da gibt es bei uns noch keinen Abschluss.“ „Aber – du – ich meine –“ Ramon musste sich sammeln, bevor er erneut ansetzte: „Willst du mir sagen, du setzt dich als Gasthörer in meinen Kurs und bist mit Abstand der beste Teilnehmer, der am meisten versteht und beiträgt – und all die Gespräche, die wir geführt haben, über Themen, bei denen man nicht mal aus den Kollegen was rauskriegt – und du kennst dich in antiker und moderner Literatur bestens aus – in Philosophie und Politik – ganz zu schweigen von Wirtschaft –“ „Gut, also das haben mir meine Eltern mitgegeben“, unterbrach ihn Genesis. „– all das und du hast keinen Schulabschluss?“ „Bin ich jetzt ein schlechterer Mensch?“, fragte Genesis rundheraus. „Was, nein“, stammelte Ramon, ganz vor den Kopf gestoßen, „das meinte ich nicht. Siehst du, du kannst sogar besser diskutieren als ich.“ Genesis war ganz geschmeichelt. Ramon schaute ihn an, als hätte er ihn vorher noch nie richtig gesehen. „Du bist ein wahres Rundumpaket.“ „Man kann vieles auch auf Eigeninitiative nachholen.“ „Aber warum?“ Ramon schaute ihn immer noch mit großen Augen an. „Das muss ich dir doch wohl nicht erklären.“ „Nein, ich meine –“ Ramon sammelte sich erneut. „Ich meine, wieso machst du erst keinen Abschluss, und dann ...“ Er beendete den Satz nicht. Genesis seufzte. „Ich musste aus meinem Dorf raus. Die einzige Möglichkeit war, zu Shin-Ra zu gehen.“ „Das ist dein Arbeitgeber, nicht?“ Genesis nickte. „Ich bin sehr früh im Leben ganz oben angekommen, ich hatte also viel Zeit, alles nachzuholen. Bis dahin musste ich einfach Prioritäten setzen, um zu überleben – um zu funktionieren.“ Sein Finger fuhr über den Fuß des Weinglases, während er mit leerem Blick den Tisch vor sich fixierte. „Es war keine schöne Zeit.“ Den Blick auf den Tisch gesenkt, bemerkte Genesis, wie Ramons Hand zuckte, drauf und dran, seine Finger zu berühren. Genesis nahm die Hand wieder vom Tisch. „Du hast also die Dinge nachgeholt, die dir wirklich wichtig waren, sobald du einmal zur Ruhe gekommen bist“, fasste Ramon alles zusammen. Genesis nickte. „Bildung. Lebensethik. Die Schulung des Geistes.“ Genesis nickte bei jedem Begriff. Es entstand eine gespannte Stille. Genesis hob den Blick und sah Ramon an. Der schien mit sich zu ringen. Er holte tief Luft. „Heirate mich.“ Genesis starrte ihn an. „Ein bisschen unvermittelt, findest du nicht?“, fragte Sephiroth, als Genesis mit seiner Erzählung geschlossen hatte. „Das dachte ich damals auch“, räumte Genesis ein. „Aber ich denke, was seine Frage ausgelöst hat–“ „Vielmehr seine Aufforderung“, grummelte Sephiroth. Genesis überging ihn. „– was also seine Frage ausgelöst hat, ist – also, erst mal natürlich, dass du aufgetaucht bist und er sich in die Ecke gedrängt fühlte. Aber auch – ich meine – seine Forschung steht für ihn schon an erster Stelle. Er definiert sich stark über seinen Bildungsgrad. Ich glaube, jemanden zu finden, der so ähnlich ist, ist für ihn selbst unter Akademikern schwierig, gerade jemanden, der auf der gleichen Wellenlänge ist. Immerhin haben wir uns schon wirklich gut verstanden. Auf einer persönlichen Ebene.“ Sephiroth verschränkte finster dreinblickend die Arme vor der Brust. „Und was hast du geantwortet?“ „Mein Gott, dass ich schon verlobt bin*, was sonst? Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?“ „Nein, meine Eingangsfrage ist noch nicht beantwortet.“ Genesis seufzte. „Du wolltest eine Geschichte hören.“ „Wenn du dann jetzt das Erzählen übernimmst ...“ „Schon gut, schon gut.“ Sephiroth überlegte. „Also, angenommen, wir hätten uns damals ausgesprochen, wären aber nur zu Freundschaft übergegangen, er hätte dir den Antrag gemacht und du –“ Sephiroth musste schlucken. „– hättest angenommen. Richtig so?“ „Ja, er hätte mir nie einen Antrag gemacht, wenn du nicht aufgetaucht wärst.“ „Was?“, fragte Genesis ungläubig. „Heirate mich“, wiederholte Ramon, diesmal mit Nachdruck. „Bleib hier bei mir in Portugal. Du könntest an meinen Forschungen teilhaben, ich bin sicher, du wärst mir eine wertvolle Hilfe. Von mir aus kannst du auch weiter meine Kurse besuchen ...“ Ramons Blick wurde unsicher, als ob ihm soeben klar geworden wäre, was er da sagte. Mit großen Augen beobachtete er Genesis und wartete auf dessen Urteil. Der begann zu überlegen. Er hatte noch nie darüber nachgedachte, Gaia endgültig den Rücken zu kehren und für sein ganzes Leben in Portugal zu bleiben. Sicher hatte er darüber nachgedacht, den Job bei Shin-Ra an den Nagel zu hängen. Aber alles in Midgar zurückzulassen und in Lissabon neu anzufangen? Für einen Mann? Zugegeben, in Lissabon und gerade in der Zeit mit Ramon war er so froh gewesen wie seit langem nicht mehr. Sich unverbindlich in Vorlesungen zu setzen und Stadt- und Universitätsbibliotheken zu nutzen hatten ihm das Gefühl gegeben, in kürzester Zeit weiter gekommen zu sein als vorher in seinem ganzen Leben. Und Ramon tat ihm gut, keine Frage. In Anbetracht sich wiederholender schrecklicher Erlebnisse hatte er seinen Umgang mit Männern ohnehin auf ein Minimum beschränkt, auf Amar und Ramon. Gut, mit Sephiroth war er vorhin im Bett gelandet, aber Sex mit dem Ex zählte nicht. Würde es also so einen großen Unterschied machen, nur noch mit Ramon zusammenzusein – und ihn gar zu heiraten? Warum sollte er es eigentlich nicht wagen? „Ja“, sagte er schließlich. Sein zwischenzeitlich glasig gewordener Blick richtete sich wieder fest auf Ramon. „Ja?“, fragte der ihn fassungslos. „Ja“, bestätigte ihm Genesis noch einmal. Ramon erstarrte; Genesis meinte zu sehen, wie seine Augen feucht wurden. Er nahm Genesis‘ Finger sanft in seine Hand. „Vielleicht ist das der richtige Moment, um dir endlich zu sagen, wie sehr ich dich liebe.“ Genesis hatte so etwas befürchtet. Er konnte nicht behaupten, solche Gefühle ehrlich zu erwidern. „Ja, vielleicht.“ „Ich ...“ Ramon rang erneut mit sich. „Ich wollte nicht ... Ich dachte vorher, wenn ich es dir sage, setz ich dich unter Druck. Ich wollte dich nicht vertreiben.“ „Na ja“, begann Genesis mit einem Seufzen, unterbrach sich aber. „Vielleicht muss man manches nicht aussprechen. Ein bisschen hab ich’s mir ja gedacht.“ Ramon lächelte ihn selig an. „Du machst mich so glücklich.“ „Verlobt?“ Sephiroth war bei diesem Wort alles aus dem Gesicht gefallen. „Mir war vorhin nicht ganz klar, dass du vergeben warst.“ „War ich auch nicht“, fauchte Genesis, „sonst hätte ich das wohl kaum gemacht.“ „Ihr wart gar nicht zusammen und er hat dir trotzdem einen Antrag gemacht? Sind wir wieder in einem früheren Jahrhundert gelandet?“ Genesis musste grinsen. „Ich glaube, der Vergleich hinkt gleich auf beiden Füßen.“ Sephiroth zuckte mit den Schultern. „Es kam schon unerwartet.“ „Du hättest ja nicht annehmen müssen.“ „Wieso nicht?“ Jetzt war es an Genesis, mit den Schultern zu zucken. „Das ist bestimmt die richtige Herangehensweise an die Ehe. Du wirkst begeistert.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)