Dunkle Legenden von Kylie (Band 1) ================================================================================ Kapitel 6: Duell mit schweren Folgen ------------------------------------ Die Winterferien rückten näher und kaum ein Schüler hatte vor in Hogwarts zu bleiben. Eigentlich blieben nur diejenigen, die keine Familie hatten, mit eben dieser in Streit lebten oder wenn die Eltern verreist waren. Sonst fuhr jeder Schüler Heim und genoss die gemeinsame Feier gerne. James, Remus und auch Peter blieben nur in Hogwarts, weil Sirius auch seine Ferien dort verbrachte. Sie hatten alle eine Familie, die sich über ihre Besuche gefreut hätten, doch sie wollten ihren Freund hier nicht alleine lassen. Gleichzeitig hatte der Black-Erbe darauf bestanden, dass sie ihn nicht zu sich einluden. Es kam ihm wie falsches Mitleid vor, auch wenn er es natürlich besser wusste. Selbst Schniefelus fuhr über die Feiertage nach Hause. Soweit Sirius es aufgeschnappt hatte, war sein Verhältnis zu seiner Familie auch angespannt. Eigentlich interessierte es ihn nicht, aber er bekam einfach einiges mit. Zu Krones Leidwesen war auch Lily über die Ferien nicht hier. Zwar hatte sie eine wirkliche nervige und eifersüchtige Schwester, aber eben auch liebende Eltern. Muggel, die wirklich stolz auf ihre Begabung waren und sich gerne alle Geschichten aus Hogwarts anhörten. Auch Regulus hatte vor nach Hause zu fahren, also hatte er heute die letzte Chance mit seinem kleinen Bruder zu sprechen, bevor er für mehrere Tage fort war. Und vielleicht mit dem dunklen Mal zurückkehrte... Tatze wartete im weiten Flur darauf, dass Regulus endlich auftauchte, um sich auf den Weg zum Zug zu machen. Das Gepäck wurde stets für die Schüler dorthin geschafft, weil es hier keine Eltern gab, die zur Hand gingen. Am Bahnhof selbst, war jeder Schüler für seine Koffer selbst verantwortlich. Einige Minuten musste der Schwarzhaarige noch warten, dann kam sein Bruder endlich heraus. Regulus sah sichtlich überrumpelt aus, als er beinahe gegen ihn rannte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. „Klar, alles bestens.“, erwiderte Sirius und rang um Fassung. „Ich wollte mich längst für das schöne Geburtstagsgeschenk bedankt haben, Reg.“ „Keine Ursache...“ „Es bedeutet mir wirklich wahnsinnig viel.“ „Das freut mich.“, erwiderte Reg ehrlich. Eine Last schien von seinen Schultern zu fallen. „Außerdem möchte ich mich entschuldigen...“ „Wofür?“ „Für absolut alles.“, meinte Tatze aufrichtig. „Ich hätte mich nicht so massiv in dein Leben und deine Entscheidungen einmischen sollen. Du bist zwar mein kleiner Bruder, aber das gibt mir noch lange nicht das Recht, deine Entscheidungsfähigkeit infrage zu stellen.“ Regulus wirkte ernsthaft überrascht als er das hörte. Sein Mund klappte ihm eine Weile sprachlos auf. Das war auch der Effekt, auf den Sirius gehofft hatte. „Von nun an werde ich das nicht mehr machen. Egal, wie du dich auch entscheiden wirst, ich bleibe dein großer Bruder und liebe dich. Ich will nur, dass du das weißt...“ Auch wenn es ihm schwergefallen war, das zu sagen, verfehlte es seine Wirkung nicht. Sein kleiner Bruder sprang ihm glücklich um den Hals und klammerte sich einen Moment lang an ihn. Nun schienen seine Schultern entspannt und leicht zu sein, als wären alle Sorgen fort. Natürlich würde der Hüter es niemals nachvollziehen können, weshalb man sich freiwillig den Todessern anschloss, doch er wollte sich um Regulus bemühen. Nur wusste er noch nicht, wie er tatsächlich reagieren würde, wenn er erstmal das dunkle Mal trug... Bis es soweit war, würde er aber für ihn da sein. Wie es danach aussieht, wird die Zeit dann zeigen., gestand er sich selbst ein. Er hatte das mulmige Gefühl, dass er es nicht besonders gut aufnehmen würde. „Und du kommst Weihnachten wirklich nicht nach Hause?“, erkundigte Reg sich vorsichtig. „Auf keinen Fall. Mum und Dad haben auch eine Eule geschickt. Sind sehr froh, dass ich hierbleibe.“ „Aber du solltest nicht alleine sein...“ „Bin ich nicht. Krone, Moony und Wurmschwanz bleiben auch hier.“ „Ihr und eure komischen Spitznamen...“ „Sind gar nicht komisch.“, widersprach Tatze aufgeplustert. „Ganz im Gegenteil! Sind voll cool. Das kannst du natürlich nicht wissen, weil du mega uncool bist, Reg. Slytherin und so...“ „Ha ha... Sehr witzig.“ Vorsichtig griff Sirius in seine Tasche und holte ein Päckchen heraus. Er hatte es vor einigen Tagen in Hogsmeade besorgt, ebenso wie Geschenke für seine anderen Freunde. Bisher verweigerten seine Eltern ihm immerhin nicht das Vermögen. War aber sicherlich nur eine Frage der Zeit. Sanft drückte er das verpackte Geschenk in die Hände und lächelte ihm aufmunternd zu: „Erst zu Weihnachten öffnen.“ „Du weißt schon, dass du mir das auch hättest per Eule schicken können?“ „Oh, der Eulenverkehr zu Weihnachten ist grauenvoll!“, warf Sirius grinsend ein. „So hast du es auf jeden Fall rechtzeitig.“ Regulus haderte mit sich, ging dann aber doch kurz zurück in den Schlafsaal der Slytherins. Sein Gepäck war wohl noch nicht geholt worden, denn er kam mit einem relativ großen Geschenk zurück. Auch er überreichte es nun schon. „Ebenfalls erst zu Weihnachten öffnen, Siri.“ „Deal.“, erwiderte Tatze lächelnd. „Feier‘ schön und lass‘ dich nicht ärgern.“ „Wer sollte mich denn Zuhause bitte ärgern?“ „Kreacher. Zum Beispiel...“ „Was hast du bloß gegen ihn?“, seufzte Regulus zweifelnd. „Die korrekte Frage lautet eher: Was hat Kreacher eigentlich gegen mich?“ Sein kleiner Bruder winkte direkt ab: „Ist ja auch egal. Feier‘ auch schön und spiel‘ keine Streiche.“ „Ich bin stets bemüht.“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue machte sich Regulus auf den Weg zum wartenden Hogwarts-Express. Die meisten Schüler waren sicherlich bereits dort und hibbelten auf ihre Heimreise. Sirius Black tat es irgendwie leid, dass seine Freunde nicht auch in dem Zug saßen und ihre Vorfreude dort ausleben konnten, aber sie hatten sich einfach nicht überreden lassen. Vielleicht hatte er es auch nicht angestrengt genug versucht, wenn er ehrlich war. Ich will eben auch nicht wirklich gerne alleine sein..., gestand er sich ein. Ist das erste Mal, dass ich tatsächlich hierbleibe, statt es Zuhause zu versuchen. Fühlt sich befremdlich an... Seine Freunde hatten das offenbar erkannt. Sonst wären sie nun nicht hier in Hogwarts. Und er war ihnen so dankbar!   So leer hatte Sirius Hogwarts noch nie gesehen. Die Flure waren sonst sehr belebt und man hörte überall Getuschel, aber nun war es wie eine Geisterstadt. So leer waren die Gänge sonst nur nachts! Mit den Rumtreibern waren vielleicht zwei oder drei weitere Schüler in der Schule geblieben. Von einem wusste er, dass er ein Waisenkind war. Da war also kein Zuhause, in das er zurückkehren konnte. Bei den anderen hatte Tatze aufgeschnappt, dass die Familie ins Ausland gereist war und deshalb konnten sie dann auch nicht Heim. Bis auf das Waisenkind war also nur er durch ernsthafte Probleme hier. Keiner von ihnen wurde ständig geschlagen, beleidigt und gedemütigt. Er war nicht traurig darüber, dass er den Mut dazu gefunden hatte, dieses Jahr nicht nach Hause zu gehen und die ganzen Qualen über sich ergehen zu lassen. Natürlich musste er in den Sommerferien da durch, aber zumindest nicht zu Weihnachten oder Ostern. Ihm tat es nicht mal um die Lehrkräfte leid, die in Hogwarts bleiben mussten, um die Schüler zu beaufsichtigen. Jedes Jahr waren es wohl andere, damit nicht einer immer wieder verzichten musste. Sie entbehrten also auf ihre Familien. Dieses Jahr waren Professor Pride und Professor Ashworth in Hogwarts verblieben. Professor Dumbledore blieb wohl jedes Jahr hier. Ein Schüler hatte ihn wohl mal danach gefragt und der Direktor hatte lächelnd gesagt, dass es seine Pflicht war hierzubleiben. Tatze glaubte aber, dass da mehr dahintersteckte. Vermutlich hatte auch der Schulleiter keinen anderen Ort oder Familie, wohin er gehen könnte. Also blieb er hier. Hogwarts war also für viele nicht einfach nur eine Schule, sondern vor allem ein Rückzugsort. Ein Zuhause. „Worüber denkst du nach?“, hakte Moony nach. Sie waren gerade im Gemeinschaftsraum und wechselten sich gegenseitig in Koboldstein ab. Im Augenblick spielte Krone gegen Wurmschwanz. Es war keine wirkliche Überraschung, dass James am Gewinnen war. Peter aus dem Konzept zu bringen war einfach. Er hatte ja vor fast allem Angst! Doch am liebsten lenkten sie ihn mit Sprüchen über Mrs. Norris oder Filch ab. „Ich frage mich nur, ob die anderen Zauberei-Schulen so sind wie Hogwarts.“, murmelte Tatze leise. Er wollte seine Freunde nicht ablenken. „Inwieweit?“ „Meinst du, dass sie alle so sind? Wie ein Zuhause, wenn man selbst keines hat?“ „Schwer zu beurteilen...“, gestand Remus nachdenklich. „Ich habe mal über ein paar der anderen Schulen gelesen und einige davon sind wirklich sehr interessant. Aber natürlich steht in den Büchern niemals, ob es wie eine neue Familie für die Schüler ist...“ „Was hast du denn so gelesen?“ „Zum Beispiel ist es in der afrikanischen Schule Uagadou üblich, dass sie dort Unterricht zu Animagi geben.“, berichtete der Werwolf eifrig. Offenbar war glücklich, dass sich mal jemand für seine gelernten Informationen interessierte. Die Information überraschte Tatze allerdings wirklich: „Es ist da also nicht wie in Hogwarts? Hier wird man zu Animagi ja kaum geschult... Und wenn, dann muss man sich vorher beweisen.“ „Ist da ganz anders. Gehört offenbar wirklich fest zum Lehrplan.“ „Das ist cool!“ „Finde ich auch.“, gestand Remus lächelnd. „Sie sind dort wohl spätestens mit vierzehn Jahren Animagi. Hilft ihnen bestimmt auch beim Überleben... In Afrika ist ja alles etwas anders als in England.“ „Trotzdem genial, dass sie ihnen das so früh beibringen.“ Immerhin hatten sie alle ihre Animagi-Gestalt alleine meistern müssen. Zwar auch, weil sie diese nicht offiziell registrieren wollten, aber kein Lehrer in Hogwarts bei klarem Verstand hätte Wurmschwanz darin unterrichtet! Wenn sie wollten, könnten sie ihnen nun aber sagen, dass sie sich in Peter Pettigrew geirrt hatten. Inzwischen konnte er sich immerhin auch ohne Zauberstab und willentlich in eine Ratte verwandeln. Ganz ohne die Hilfe von Lehrkräften! Vermutlich wäre es aber sicherer und schneller gegangen, wenn die Lehrer ihre Ambitionen von Anfang an unterstützt hätten. Dann hätten sie Moony spätestens ab dem vierten Jahr in Vollmondnächten begleiten können. Für den Werwolf wäre das eine massive Erleichterung gewesen. „Hast du vom Trimagischen Turnier gehört?“, erkundigte sich Remus. „Meine Eltern haben es irgendwann mal erwähnt.“ „Nun, die französische Schule Beauxbatons ist mit Hogwarts siegtechnisch gleichauf. Diese Akademie gehört zu den besten magischen Schulen überhaupt.“ „Dann haben die bestimmt richtig gute Lehrer!“ „Davon würde ich auch mal ausgehen. Diese Turniere sollen ja richtig extrem sein...“, murmelte Moony leise. „Will da lieber nicht dran teilnehmen müssen.“ „Na ja, wenn meine Eltern keinen Unsinn geredet haben, dann gab es ja seit fast hundert Jahren kein Turnier mehr.“ „Ja, es kam zu viel zu vielen Todesopfern. Sie können sich nicht über vernünftige Richtlinien einigen.“ Tatze hatte sich bisher nicht großartig für das Trimagische Turnier interessiert, weil es nicht mehr stattfand, doch nun wollte er doch mehr wissen. Er würde die freie Zeit nutzen und ein paar Bücher dazu lesen, um die Wissenslücken zu füllen. Ein Turnier, in dem Menschen starben! Schüler... Er wollte wissen, wie das sein konnte. Krone jubelte. Er hatte gerade haushoch gegen Wurmschwanz gewonnen. Peter wirkte sehr enttäuscht von sich, aber ihn überraschte die Niederlage natürlich nicht. Keiner hier war überrascht. „Nun wir beide.“, sagte der Jäger eifrig zu Tatze. „Sieger gegen Sieger.“ Sirius war sich nicht sicher, ob er dieses „Duell“ wirklich wagen wollte. James war immer auf Sieg aus. Für ihn gab es kein Pardon, wenn es um Wettstreit ging. Genau der richtige Kandidat für ein Trimagisches Turnier..., dachte er innerlich kichernd. Nur würde er ihn lieber nicht an solch einen Wettstreit verlieren wollen. Wenn er dabei starb, war das endgültig. Er behielt lieber alle seine Freunde! „Na dann... Kampf der Giganten.“, kicherte Sirius und setzte sich auf den Platz von Peter. Wurmschwanz schien wirklich froh zu sein, dass er nicht mehr spielen musste. Er konnte froh sein, dass sie keine richtigen Duelle austrugen, wenn keiner hinsah! Immerhin konnten sie ihn dabei ernsthaft verletzen. Koboldstein hingegen war nahezu harmlos. Zwar spritzten die Murmeln einen eine ekelhafte Flüssigkeit ins Gesicht, wenn man eine Runde verlor, doch die schädigte einen nicht gesundheitlich. Es gab sogar richtige Turniere in Koboldstein! Erwachsene Zauberer, die sich miteinander „duellierten“ um Preise, Pokale und Anerkennung zu gewinnen. Deshalb gab es in Hogwarts natürlich auch einen Club, der nur sehr ambitionierte Spieler bei sich duldete. Sirius hatte mal aufgeschnappt, dass die Muggel ein ähnliches Spiel besaßen. Ihre Kugeln spritzten aber natürlich keine Flüssigkeiten aus, wenn jemand verlor. Außerdem spielten es bei ihnen nur Kinder. Für Zauberer eine eigenartige Vorstellung.   Es überraschte keinen, dass James in ihrem Koboldstein-Turnier gewann. Zwei zu Eins hatte er Sirius geschlagen. Für ihn nicht traurig. So war Krone zu Weihnachtsfeier wenigstens wirklich gut drauf! Die Große Halle war wirklich wunderschön geschmückt. Es gab diverse Weihnachtsbäume und beim Lehrertisch stand ein besonders großer. Alle waren mit Kugeln, Girlanden und Lametta verziert. Überall flogen rote, goldene und weiße Kerzen herum, die perfekt zur Weihnachtszeit passten. Hier und da flogen auch Mistelzweige umher. Sie wechselten wohl die Position, damit niemand die Kuss-Tradition ausnutzen konnte. Am schönsten war aber der Duft. Es roch nach Weihnachtsbraten, Eierlikör, Lebkuchen und nach Zimt! Gerüche, die man gerne mit Weihnachten verband. Wenn Tatze gewusst hätte, dass das offizielle Weihnachtsfest in Hogwarts so schön gestaltet war, dann hätte er es schon früher in Anspruch genommen. Bei den Blacks war es ihm immer irgendwie kühl und ernst vorgekommen. Beinahe etwas streng! Als würde eine Übertretung der Traditionen zu sofortigen Todesfällen führen. Weil nur so wenige Schüler und Lehrkräfte hier waren, bat Professor Dumbledore sie alle an den Tisch der Lehrkräfte. So saßen die wenigen Anwesenden wenigstens zusammen und es mussten nicht alle Tische befüllt werden. Es war das erste Mal, dass er sich in der Gegenwart von Lehrern nicht unwohl fühlte. Sie schienen nämlich kein Interesse an Tadel oder Strenge zu haben. Stattdessen befüllten sie sich selbst die Teller mit dem üppigen Festmahl. Es gab wirklich alles! Gans, Knödel, Kartoffeln, diverse Saucen, Rouladen... Seine Augen konnten sich kaum satt sehen! Sirius wusste nicht mal, was er zuerst probieren wollte, also nahm er sich von allem etwas. Diesem Beispiel folgten die Rumtreiber. Sogar Remus, der sonst recht wenig aß. „Da wir dieses Jahr beinahe eine große Runde sind, lohnte sich der Aufwand für unsere Köche richtig.“, sagte Professor Dumbledore feierlich. „Genießt das Festmahl! Heute muss niemand mit einem leeren Bauch zu Bett.“ „Außer vielleicht Filch.“, warf Professor Ashworth skeptisch ein. „Der wollte partout nicht herkommen.“ „Weil er keine Kinder mag.“, erinnerte Professor Pride sie. „Stimmt, aber er mag doch wohl Essen, oder?“ „Nicht, wenn Kinder in der Nähe sind.“ „Wir könnten es ja vergiften.“, kicherte James. Tatsächlich war der Hausmeister inzwischen richtig paranoid geworden. Viele Schüler hatten ihm über die Jahre Streiche gespielt, die nicht alle harmlos gewesen waren. Er traute ihnen so wenig, dass er bei Nettigkeiten sofort ausflippte und sie foltern wollte. Natürlich hasste Filch die Rumtreiber. Sie waren genau die Art von Schülern, vor denen er solche Angst hatte. Sie spielten laufend Streiche und überschritten dabei Grenzen. Für ihn ein Albtraum. Trotzdem freute er sich, wenn sie bei einem Streich erwischt worden und sie ihm dann zur Hand gehen mussten. Bald dachte keiner mehr an den Hausmeister, sondern widmeten sich eigenen Unterhaltungen oder dem Essen. Es wurde nicht mal über den Unterricht oder irgendwelche Prüfungen gesprochen. Sirius fiel auch auf, dass das Thema „Todesser“ und „dunkler Lord“ geschickt umschifft wurde. Niemand wollte auch nur ansatzweise an dunkle Magie denken. „Interessierst du dich immer noch für die anderen Schulen?“, erkundigte sich Moony, der sich gerade eine Gänsekeule auf den Teller füllte. Die Gans war wirklich butterzart! „Ja, tue ich.“, antwortete der Hüter ihm wahrheitsgemäß. „Da wäre noch Ilvermorny.“ „Ilvermorny? Sagt mir irgendwas...“ „Ist die amerikanische Schule.“, erklärte der Werwolf sachlich. „Viele Auroren sind früher dort zur Schule gegangen. Es gibt dort ein Haus, das speziell Kämpfer ausbildet. Es ist dort vollkommen normal, dass sich die Schüler regelmäßig duellieren.“ „Nun willst du mich aber auf den Arm nehmen.“, staunte Sirius nicht schlecht. In Hogwarts durften sie sich nur sehr selten duellieren und das unter sehr strenger Aufsicht. Wer sich ohne Erlaubnis duellierte, musste mit massiven Strafen und einem eventuellen Verweis rechnen. Da war es schwer vorstellbar, dass eine Schule das beinahe schon bestärkte. Doch sicherlich befanden sich dort auch die Schüler unter Aufsicht, wenn sie sich duellierten. Immerhin gab es wirklich gefährliche Flüche! „Gehört dort wohl zum täglichen Brot, dass sich die Schüler messen. Es gibt eine richtige Rangordnung... Bestenlisten, wenn du so willst.“ „Krass... Ist ja wie bei uns mit den Hauspunkten.“ „Das System haben sie wohl auch.“, warf Moony ein. „Aber es ist ihnen nicht so wichtig wie das Duellieren oder Quidditch. In Ilvermorny wird Disziplin vorausgesetzt. Egal in welchem Haus man auch ist.“ „Wäre doch cool, wenn wir das hier auch hätten, oder?“, warf Sirius begeistert ein. „Sich mit seinen Mitschülern duellieren und immer wieder austesten, wer der Beste ist...“ „Da würden wir doch alle eindeutig immer ganz oben stehen.“, mischte sich plötzlich James ein. Wenn es um Wettstreite ging, war er eben immer voll dabei. „Definitiv!“ „Wer weiß...“, murmelte Peter kleinlaut. „Sind ja... Einzelduelle...“ „Na gut, du wärst nicht so weit oben, Wurmschwanz.“, warf Krone ein. „Eher ganz unten.“, kicherte Sirius. „Aber wir wären trotzdem ganz oben im Ranking!“ „Und was ist mit Schniefelus?“, erinnerte der Werwolf sie nüchtern. „Er ist wirklich gut. Ihr macht ihn immer in einer Überzahl platt. In einem echten Duell habt ihr keine Rückendeckung.“ Eifrig nickte Peter, als wäre es genau das, was er auch sagen wollte: „Er ist stark...“ „Ich bin stärker.“, sagte Sirius genervt. „Er ist doch nur ein kleiner Fisch.“ „Das sagt sich so leicht. Bisher habt ihr es aber nicht bewiesen.“ „Was soll das, Moony? Willst du uns irgendwas sagen?“ „Findet ihr es nicht langsam auch etwas zu heftig, wie ihr ihn fertigmachen wollt?“, seufzte Remus erschöpft. „Streng genommen hat er euch nie etwas getan. Bisher musste er sich nur immer gegen euch wehren, was aber sein gutes Recht ist. Und ihr stellt ihn immer als Gruppe.“ „Gut, ich gebe zu, dass die Überzahl nicht fair ist, aber das ändert nichts daran, dass er ein Arschloch ist.“ „Genau!“, quiekte Peter eifrig. Wenn es um Tatze ging, war er ein absoluter Ja-Sager. „Siehst du? Selbst Wurmschwanz findet ihn arschig.“ „Wurmschwanz findet alles, was du auch findest.“, winkte Moony ab. „Ist ja auch egal... Ich wollte einfach nur sagen, dass wir damit vielleicht mal aufhören sollten.“ Irritiert blickte James den Werwolf an, als zweifelte er an dessen Verstand: „Ist irgendwas vorgefallen?“ „Nein, nichts... Ich finde es nur irgendwie anstrengend.“ Stille trat in ihre Mitte ein. Sie dachten durchaus über Remus‘ Worte nach, aber überlegten eben auch, ob es einen Auslöser für seinen Unmut gab. Ob Schniefelus vielleicht irgendwas gemacht hatte, während sie nicht bei ihm gewesen waren. Selbst wenn es so wäre, würde er es ihnen nicht sagen. Das würde immerhin zu einem weiteren Streich führen! Professor Dumbledore beendete schließlich den Hauptgang und die Nachspeisen tauchten auf. Es gab alle möglichen Leckereien! Plätzchen, Marzipan, Weihnachtstorten... Wer noch nicht satt war, würde es spätestens beim Nachtisch werden. Obwohl sich Sirius durchaus über die Auswahl freute, dachte er über Remus‘ Widerspruch nach. Darüber, dass sie sich Snape bisher noch nie einzeln gestellt hatten, sondern immer nur als Gruppe. Es stimmte! Bisher hatte sich keiner von ihnen alleine dem Slytherin gestellt. Es waren auch stets Zuschauer dabei gewesen, die sich gegebenenfalls eingemischt hätten. Schniefelus hatte keine wirklichen Freunde in Hogwarts – sah man von Lily Evans und vielleicht von Lucius Malfoy ab – also würde ihm keiner zur Hilfe eilen. Die Rumtreiber waren also immer im Vorteil. Würde ich ihn in einem richtigen Duell schlagen können?, fragte sich Tatze aufrichtig. Wäre ich ihm gewachsen, wenn da keiner ist, der mir den Rücken stärkt? Er war sich nicht sicher. Severus Snape war in Verteidigung gegen die Dunklen Künste wirklich gut! Nur sein theoretisches Wissen überragte seine Praxis. Eigentlich schlug er sich auch stets gut gegen sie, wenn sie als Gruppe auf ihn losgingen. Es lag also im Bereich des Möglichen, dass Schniefelus ihn in einem fairen Zweitkampf tatsächlich schlagen konnte. Das war eine bittere Erkenntnis für den Black-Erben. Als sie sich auf dem Rückweg zu ihrem Gemeinschaftsraum befanden, nahm sich Tatze fest vor, dass er noch mehr an seinen magischen Fähigkeiten arbeiten würde. Er würde der Beste werden! Er duldete es nur, wenn James ihn überragte. Das bedeutete aber auch, dass er sich bei Gelegenheit mal alleine ihrem verhassten Feind stellen musste. Er musste herausfinden, wie weit dessen Stand war und ob er ihm überhaupt überlegen war. Dann wusste er auch, in welchen Bereichen er Nachholbedarf hatte.   Die Bibliothek war wie leergefegt. Normalerweise konnte man hier seine eigenen Gedanken nicht hören. Jetzt konnte Sirius wirklich ganz entspannt lesen und alle Bücher standen ihm zur Verfügung. James schrieb zurzeit einen Brief an seine Eltern. Er wollte ihnen von dem tollen Fest in Hogwarts berichten, sich für ihre Geschenke bedanken und von seinen eigenen erzählen. Es würde also ein langes Schreiben werden. Wurmschwanz wollte ein paar Zauber üben, um sich der Clique endlich mal zu beweisen. Wo Moony war, wusste Tatze allerdings nicht. Vermutlich trieb er sich aber auch irgendwo hier herum. Er liebte die Bibliothek über alles. Inzwischen hatte Sirius wirklich viele Lektüren durch! Einige über die Verteidigung gegen die Dunklen Künste, aber er hatte auch zahlreiche Bücher über das Trimagische Turnier gefunden. Drei Schulen, drei Schüler, drei Prüfungen... Die Zahl Drei spielte eine magische Rolle bei dem Ganzen. Wie albern es auch klingen mochte, um nie enden wollenden Ruhm, einen Pokal und ein enorm hohes Preisgeld zu kämpfen, wollte er diesen Ritt gerne wagen. Doch die Chance würde sich wohl nicht bieten. Wesentlich wahrscheinlicher war es da, dass er mal die ausländischen Schulen besuchen würde. Über die gab es noch mehr Informationen als zu dem jahrhundertalten Turnier. Jedoch waren einige Angaben zu den Zauberer-Schulen eher vage gehalten. Vor allem dann, wenn es um die Standorte ging. Alle Schulen hatten interessante Entstehungsgeschichten und faszinierende Konzepte, doch vor allem hatte es ihm Ilvermorny angetan. Wampus... Das Haus der Kämpfer. Die Duelle und Turniere. Der Wettstreit um die Krone, statt um den Hauspokal. Hier ging es nicht um die Gemeinschaft, sondern viel mehr um die Fähigkeiten des Einzelnen. Sirius fragte sich jedoch, ob er in Ilvermorny auch seine jetzigen Freunde gefunden hätte. Ob sie dort auch im selben Haus gelandet wären. Vieles deutete darauf hin, dass Freundschaft dort nicht sehr hoch im Kurs stand. Der Konkurrenzkampf fand auch innerhalb der eigenen Häuser statt. „Was habe ich denn mit dir angestellt?“, wurde er plötzlich gefragt. Tatze fuhr in sich zusammen und hätte beinahe alle Bücher vor lauter Schreck heruntergerissen! Madam Prince hätte das gar nicht witzig gefunden. Vermutlich hätte er die Bücher sogar bezahlen müssen, selbst wenn sie vollkommen unbeschädigt blieben. Als er aufblickte, entdeckte er Remus. Er war also wirklich hier. Eigentlich sollte es ihn nicht so überraschen, aber er hatte ihn wirklich erschrocken. „Was meinst du?“ „Na, du liest jedes Buch über die anderen magischen Schulen, Tatze.“ „Ja, stimmt... Ist einfach total interessant.“, gestand Sirius verlegen. „Ist es tatsächlich.“ „Meinst du, wir wären in Ilvermorny alle bei Wampus gelandet?“ „Ich weiß nicht genau...“, gestand Moony nachdenklich, während er sich neben seinen Kumpel setzte. „Wurmschwanz wohl eher nicht. Ich wäre vielleicht eher in der Gehörnten Schlange gelandet.“ „Das hatte ich befürchtet... Abgesehen davon klingt es cool da.“ „Vermutlich wäre Schniefelus aber in Wampus gelandet.“ Empört stierte Sirius ihn an: „Dein Ernst?“ „Klar. Er ist ein Kämpfer.“ Tatze schüttelte angewidert den Kopf und beugte sich wieder über das Buch. Er konnte nicht fassen, dass Remus das gerade wirklich behauptet hatte! In seinen Augen war Snape ein Feigling. Remus Lupin ließ ihn erstmal in Ruhe. Er blieb aber bei ihm und las ein Buch über die Schulregeln Hogwarts. Das hatte er nicht nötig! Er war nicht umsonst Vertrauensschüler geworden. Er bewies laufend, dass er die Regeln sehr wohl kannte und sie auch streng durchsetzte, wenn es sein musste. Langsam fragte er sich wirklich, was mit dem Werwolf los war. Ob er sich neuerdings vielleicht in Severus Snape verliebte? Angewidert schüttelte sich Sirius. Nicht, weil ihn die eventuelle Homosexualität seines Freundes stören würde, aber der Partner durchaus. „Wieso glaubst du, dass er ein Kämpfer ist?“, hörte sich Tatze schließlich doch fragen. „Er ist immer noch hier.“ „Was?“ „Ihr terrorisiert ihn seit seinem ersten Jahr hier. Als Gruppe...“, erklärte Moony nüchtern ohne ihn anzublicken. „Bellatrix hat ihn bei den Slytherins schlecht gemacht, also findet er dort auch nicht wirklich Freunde. Mit Lily streitet er sich auch oft genug. Und trotzdem ist er noch hier. Er ist ein Kämpfer.“ „Wahrscheinlich hast du recht.“ „Wie war das?“, hinterfragte Remus ehrlich überrascht. Nun sah er Sirius doch an, konnte es aber offenkundig nicht fassen. „Du hast recht.“, stöhnte er also genervt. „Er ist ein Kämpfer und wir sind scheiße zu ihm. Aber das heißt nicht, dass ich damit aufhöre.“ „Das verlange ich auch nicht.“ „Was dann?“ „Dass du erkennst, dass du oft echt einfach nur ein Arsch bist. Nicht cool, nicht witzig und auch nicht klug, sondern einfach nur gemein.“ „Glaub mir... Das weiß ich sehr genau.“, gestand er ehrlich. „Gut.“ „Wusstest du, dass du als Freund eine echte Pfeife bist, Moony?“ „Kann ich mir nicht vorstellen.“, kicherte Remus amüsiert. Für ihn war nun alles geklärt, also konnten sie sich wieder ungehemmt unterhalten. Der Werwolf war offenbar erleichtert, weil Sirius nicht davon ausging, dass er ein absolut netter Kerl war. Ihm war seine Art durchaus bewusst. Also unterhielten sie sich stattdessen über die verschiedenen Schulen und dessen Systeme. Sie malten sich aus, wie es wäre, wenn sie dort Brieffreunde hätten. Oder wie es wäre, wenn sie als Austauschschüler eine der Schulen besuchten. Tatze wollte am liebsten Ilvermorny besuchen und die dortigen Bedingungen besser kennenlernen. Moony hingegen interessierte sich mehr für Beauxbatons. Hauptsächlich, weil die Schule gleichauf mit Hogwarts in den Trimagischen Turnieren war. Ihn interessierte, wie sie es soweit nach oben geschafft hatten und man einige ihrer Methoden vielleicht übernehmen sollte. In dieser Unterhaltung kam Sirius auch eine fantastische Idee, wie er nicht nur erfahren konnte, wie gut Severus Snape tatsächlich war, sondern er auch dessen Neugier im Keim erstickte. Innerlich war er wirklich dankbar, dass es ihn in die Bibliothek gezogen hatte. Sonst wäre es nicht zu dieser wirklich praktischen und auch lustigen Unterhaltung mit dem Werwolf gekommen. Natürlich sagte er Moony nichts über seine Idee. Er würde sie ganz alleine ausarbeiten. Dafür brauchte er seine Freunde nicht. Außerdem wollte er sie vor weiteren Ärger bewahren.   Hogwarts füllte sich rasch wieder, nachdem die Winterferien beendet waren. Alle Schüler berichteten laufend von ihrem Fest und was sie alles für tolle Geschenke bekommen hatten. Viele wären am liebsten noch länger Zuhause geblieben. Immerhin rückten nun auch die jährlichen Prüfungen immer näher und es wurde allmählich Zeit sich darauf vorzubereiten. Remus nervte sie inzwischen auch täglich damit, dass sie endlich lernen sollten. Wenn er konnte, zwang er auch die gesamte Clique dazu, indem er sie mit in die Bibliothek schleifte. Im Gemeinschaftsraum fragte er sie dann immer mal sporadisch nach zufälligen Themen aus. Wer die Antwort nicht wusste, bekam einen sehr bösen Blick und einen Aufsatz als Strafarbeit. „Du könntest hier glatt Professor sein.“, stöhnte James angestrengt. Er hatte die Frage zu Zaubertränken nicht beantworten können und sollte nun einen Aufsatz über dessen Zubereitung schreiben. „Weißt du was?“, seufzte Moony genervt. „Vielleicht werde ich das auch mal!“ „Die Strafarbeiten gibst du jedenfalls schon wie einer auf...“ „Du solltest eigentlich wissen, wie ein Wachtrank hergestellt wird. Du bist im fünften Jahr!“ „Und du solltest wissen, dass ich Zaubertränke scheiße finde.“, motzte Krone zurück. Er konnte sicherlich jede Frage zur Verteidigung gegen die Dunklen Künste beantworten und vermutlich sogar zur Kräuterkunde, aber bei Zaubertränken war er wie ein bockiges Kleinkind. Manchmal vermutete Sirius, dass es daran lag, weil Schniefelus so gut in diesem Fach war und Lily ebenfalls zu Hochglanz verholfen hatte. Nur fragte er sich, wie er auf diese Weise bei seiner Herzdame landen wollte. Es war fatal, wenn man sich selbst blockierte. Trotz all des Gemeckers setzte er sich allerdings an die Strafarbeit seines Freundes. Immerhin wollte er dennoch seine Prüfungen bestehen und wusste insgeheim, dass Remus es nur gut mit ihnen meinte. „Ich habe noch was zu erledigen.“, sagte Tatze in die Pause hinein. „Bin gleich wieder da.“ „Wo willst du denn hin?“, wollte James wissen. Er sah so aus, als wollte er Pergament und Feder direkt wegwerfen. „Nur eine Kleine, die auf mich wartet.“ „Ahhh... Okay. Viel Spaß.“ „Danke, bis gleich.“ Keiner seiner Freunde hielt ihn auf, als er den Gemeinschaftsraum verließ. Sie büffelten stattdessen munter weiter. Das ging einfacher als ich gedacht habe..., gestand sich Sirius überrascht ein. Er musste aber auch zugeben, dass die Möglichkeit eines Dates bei ihm nicht abwegig war. Etwas planlos wanderte er durch Hogwarts. Es gab nicht allzu viele Orte, an denen sich Severus aufhielt und er bereitete sich auch schon auf die Prüfungen vor. Das schloss viele Räume aus. Zu seinem großen Glück mied Schniefelus viele Menschen, was auch den Gemeinschaftsraum der Slytherins ausschloss. Letztendlich blieben nur die Bibliothek, ein abgelegener Flur und das freie Gelände. Er musste nicht lange suchen. Er fand ihn in der Bibliothek, allerdings war er nicht alleine. Lucius Malfoy und Narzissa Black saßen bei ihm. Er erklärte ihnen offenbar gerade irgendwas zu irgendeinem Zaubertrank, während die beiden Slytherins sich Notizen machten, aber keine Fragen stellten. Sie verstanden gewiss nur die Hälfte. Als sich Tatze umsah, entdeckte er in einer Ecke auch Bellatrix Black. Sie beobachtete das ungleiche Trio. Wenn er irgendwas Falsches sagte oder tat, wäre die Todesserin sofort da und würde sich einmischen. Zumindest dann, wenn es ihre kleine Schwester betraf. Zurzeit beobachtete sie das Gespann sicherlich nur, weil Lucius auch hier war. Neuerdings war er mit Narzissa verlobt, was Bellatrix überhaupt nicht schmeckte. Doch ihre Eltern hatten sich dafür entschieden. Auch Malfoy war nicht glücklich darüber. Nur Narzissa schien vom ersten Tag wirklich verzückt von ihrem Verlobten zu sein. Das hatte auch die Entscheidung ihrer Eltern erleichtert, die nun nur noch den Jungen überzeugen mussten. Obwohl Sirius nicht daran zweifelte, dass er den Wünschen seiner Eltern entsprechen würde. „Jo, Schniefelus.“, sagte der Hüter ganz unbekümmert. Natürlich sahen ihn alle Drei sofort an. Auch Bellatrix war aufmerksam geworden und kam ein paar Schritte näher. So konnte sie alles hören, was Sirius sagte. Beleidigte er seine kleine Cousine, würde es hässlich werden. „Was willst du denn?“, sagte Lucius Malfoy arrogant. „Willst du nun etwa Nachhilfe von Snape? Da müsstest du wohl erstmal netter werden.“ „Nett ist der kleine Bruder von Arschloch.“ „Was?“ „Er versucht witzig zu sein.“, mischte sich Narzissa augenrollend ein. „Ich versuche es nicht nur, liebste Cousine, ich bin lustig.“ „Das wage ich zu bezweifeln.“ „Was mischt ihr euch überhaupt ein?“, hakte Sirius genervt nach. „Heißt ihr nun alle plötzlich »Schniefelus«?“ „Das ist nicht mein Name.“, brummte Snape verärgert. „Und trotzdem reagieren alle.“ „Vielleicht, weil du ein Arschloch bist.“, warf Bellatrix ein, die sich nun der Slytherin-Lerngruppe anschloss. „Du hast diesen Spitznamen so oft benutzt, dass keiner mehr seinen echten Namen weiß. Nicht, dass es mir um diesen Muggelficker leidtut...“ „Na na, Cousinchen.“, kicherte Sirius amüsiert. „Solche Wörter benutzen wir hier aber nicht.“ „Ach nein? Es ist aber wahr.“ „Ich bezweifle, dass er schon Sex hatte...“ „Aber er würde es gerne mit dieser Evans tun und die ist ein Muggel.“ „Streng genommen...“, mischte sich Severus sichtlich gereizt ein. „Ist sie eine Hexe. Ihre Eltern sind Muggel...“ „Streng genommen, bist du ein Muggelficker.“ „Ich habe das Gefühl, dass wir uns hier allmählich verrennen...“, seufzte Sirius leise. Narzissa musterte ihn skeptisch und suchte offenbar nach einer List. Irgendeinem Streich, den er jeden Moment ausführte. Eine Weile suchte sie sogar den Raum ab, ob irgendwo die anderen Rumtreiber waren. Dann fuhr sie sich durch das blonde Haar und dachte einen Augenblick lang nach: „Was willst du denn, Sirius?“ „Ich will nur kurz mit Schniefelus sprechen.“ „Dann sprich.“, hetzte Malfoy ihn. Er war zwar ein Jahrgang über ihnen, aber vom Wissensstand war Snape schon längst wesentlich weiter. Zumindest in Zaubertränke. „Ich bin schüchtern. Ist echt voll hier.“ „Du? Schüchtern?“, warf Bellatrix skeptisch ein. „Du würdest jedes Flittchen dieser Schule auf dem Quidditch-Feld flachlegen und zwar während eines Spiels!“ Sirius öffnete seinen Mund und wollte widersprechen, doch dann fiel ihm auf, dass sie recht hatte. Er war wirklich nicht schüchtern und Sex in der Öffentlichkeit wäre tatsächlich reizvoll für ihn. Vor allem, wenn er sich die Gesichter der Professoren vorstellte! Also zuckte er stattdessen mit den Schultern: „Na und? Ist trotzdem privat.“ „Willst du Snape etwa den Hof machen?“, gackerte Malfoy amüsiert. „Es heißt ja, was sich liebt, das neckt sich.“, unterstützte Narzissa die Behauptung. „Und sie necken sich wirklich massiv.“ „Vielleicht will Snape ja gar nicht diese Muggelschlampe, sondern unseren Versager von einem Cousin.“, zischte Bellatrix kaltherzig. „Eure Fantasie hätte ich gerne...“ Schniefelus wurde das Ganze offenbar zu viel, denn er nahm sich sein Buch und erhob sich: „Lass‘ uns auf den Flur gehen.“ Das überraschte Tatze ehrlich, aber er stellte es nicht infrage. Stattdessen warf er einen triumphalen Blick zu den anderen Slytherins und folgte seinem Erzfeind anschließend. Keiner versuchte sie aufzuhalten. Um neugierige Ohren zu vermeiden, gingen sie ein paar Flure weiter in einen verlassenen Gang. Immer mal wieder drehten sie sich um, aber offenbar folgte ihnen keiner der anderen. Ihnen war es wohl egal, was mit Severus passierte. Snape drehte sich immer wieder um. Suchte die Schatten nach anderen Rumtreibern ab. Rechnete jeden Moment mit einer Finte. Doch er suchte vergebens. Ausnahmsweise war er in der Gegenwart des Black-Erbens absolut sicher. „Du willst doch unbedingt wissen, was mit Remus los ist, oder?“, begann Sirius das Gespräch als sie zum Stehen kamen. „Ja... Schon...“ „Gut, und ich würde gerne wissen, wie gut du wirklich bist.“ „Wie bitte?“, hinterfragte Schniefelus verwirrt. „Ich hatte ein paar nette Unterhaltungen in letzter Zeit und die haben mich nachdenklich gestimmt.“, erklärte Sirius ehrlich. „Mir wurde ins Gedächtnis gerufen, dass wir nie einen Zweitkampf hatten. Du warst immer in der Unterzahl... Mich würde aber interessieren, was du wirklich auf den Kasten hast.“ „Weshalb interessiert dich das? Kann dir doch vollkommen egal sein.“ „An sich schon, aber ich messe mich einfach gerne. Und wenn du tatsächlich besser sein solltest... Dann muss ich üben.“ „Was hat das Ganze mit Remus‘ Geheimnis zu tun?“, wollte Severus skeptisch wissen. „Alles und gleichzeitig nichts.“ Snape rollte genervt mit den Augen als er das hörte: „Präziser.“ „Wir duellieren uns. Sagen wir morgen Abend auf dem Gelände. Natürlich heimlich. Alleine... Und wenn du gewinnst, dann verrate ich dir, wie du die peitschende Weide abschalten kannst.“ „Und wenn du gewinnst?“ „Dann musst du aufgeben.“, antwortete Tatze überheblich. „Gewinne ich – was sehr wahrscheinlich ist – schleichst du uns nicht mehr hinterher, stellst keine dummen Fragen und vergisst deine Neugier. Deal?“ „Wieso sollte ich dir glauben?“, hinterfragte der Zaubertrankfreak zu Recht. „Bisher hast du mich immer nur reingelegt und schikaniert. Woher soll ich wissen, dass du morgen wirklich alleine bist? Oder dich an dein Versprechen hältst...“ Spielerisch zuckte Sirius mit den Schultern und sah ihn herausfordernd an: „Das kannst du nicht wissen. Du wirst mir vertrauen müssen.“ Stille trat zwischen ihnen ein. Severus wog wohl alle Möglichkeiten ab. Überlegte, ob er ohne Sirius‘ Hilfe überhaupt in der Lage wäre, das Geheimnis von Remus Lupin zu lüften. Doch er fragte sich auch, ob er wirklich sein Wort halten würde, denn er konnte auch direkt in eine Falle laufen. Jedoch bot sich auch kaum eine bessere Gelegenheit für ihn! Er wollte sicherlich selbst gerne wissen, wie gut Sirius wirklich war und konnte so vielleicht direkt das Geheimnis des Werwolfs lösen. Es war diese Art von Angebot, welches man nicht ablehnen konnte. „Na gut... Okay.“, stimmte Schniefelus also widererwarten zu. „Aber wenn das eine Falle ist, werde ich das alles an eure Hauslehrerin weitergeben. Dann macht sie die Sache mit den Mündern bestimmt endlich wahr.“ „Einverstanden.“ „Wann?“ „Morgen um... hmmm... Wie wäre es mit neun Uhr? Dann müssten alle soweit im Gemeinschaftsraum sein.“ „Gut, ich werde da sein.“, sagte Snape überzeugt von sich selbst und drehte sich auf seinem Absatz um. Er ging mit gerafften Schultern. Hoppla... Habe ich da gerade etwa sein Ego gepusht? Er wirkt ja beinahe selbstbewusst!, dachte Sirius überrascht. So hatte er ihn noch nie gesehen. Jedenfalls nichts, das er wüsste. Aber er hatte sein Ziel erreicht. Er gewann in jedem Fall! Wenn er das Duell verlor, würde er Severus in einer Vollmondnacht in die heulende Hütte schicken und mit etwas Glück konnte er sich nicht gegen einen Werwolf wehren. Gewann er das Duell, musste Schniefelus seine nervigen Nachforschungen beenden. Notfalls konnte er ihm auch immer noch einen Hinweis zukommen lassen, sollte er sich nicht an ihre Abmachung halten. Dann hatte er immer noch die Chance ihn loszuwerden. Sehr zufrieden mit seinem Erfolg stolzierte er zurück in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Seine Freunde gingen natürlich davon aus, dass er ein wirklich gutes Abenteuer mit einem Mädchen gehabt hatte. Er ließ sie in dem Glauben. Stattdessen lernte er weiter für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Das konnte er morgen Abend immerhin gebrauchen.   Wie versprochen tauchten sie beide am Abend auf dem offenen Gelände auf. Ihre Mitschüler befanden sich in ihren Gemeinschaftsräumen. Die meisten Lehrer waren inzwischen auch in ihren Büros und korrigierten Aufsätze. Nur einige von ihnen patrouillierten in den Korridoren des Schlosses, doch sie kamen fast nie nach draußen. Nachts war es außerhalb der Mauern gefährlich. Kaum ein Schüler riskierte das. Natürlich hatte Sirius wieder zu seinen Freunden gesagt, dass er sich mit einer Lady traf. Auch dieses Mal hatten sie nicht weiter nachgefragt. Zwar erkundigte sich James im Nachhinein immer danach, was er so gemacht hatte und wie das Mädchen aussah, doch er wollte keine allzu genauen Details wissen. Es reichte also, wenn er sich irgendeine Haarfarbe aus der Nase zog und sie als „hübsch“ beschrieb. Seine Lügen würden also nicht allzu bald auffliegen. „Bist du bereit?“, erkundigte sich Tatze und wahrte Distanz zu Severus. Seinen Zauberstab hielt er bereits in seiner Hand. Schniefelus sah sich skeptisch um. Er suchte nach eventuellen Verstecken für Krone, Wurmschwanz und Moony. Sie waren allerdings recht weit weg von Büschen, Bäumen oder anderen guten Verstecken. Vom Tarnumhang wusste er nichts. Das glaubte Sirius zumindest. Als er sicher war, dass es keine heimliche Verstärkung gab, nickte der Slytherin. Er nahm ebenfalls seine Position ein und umklammerte seinen Zauberstab so fest, als würde sein Leben davon abhängen. „Ja...“, antwortete er endlich. „Gut... Du kennst die Regeln von einem Duell?“ „Natürlich. Ich bin auch im fünften Jahr.“, erinnerte Schniefelus ihn augenrollend. „Verbeugen.“ Beide verbeugten sich voreinander, wobei sie peinlich darauf achteten, sich nicht mit dem eigenen Zauberstab ein Auge auszustechen. „Auf drei geht es los.“, sagte Sirius deutlich. „Eins... Zwei... Drei!“ „Stupor!“, rief Severus deutlich. Ein Lichtblitz schoss aus seinem Zauberstab heraus. Sirius hob seinen Zauberstab und ein weißlicher Schild schützte ihn vor dem Treffer. Ein Treffer hätte ihn betäubt und das wäre wirklich gefährlich geworden. „Incendio!“, konterte Tatze deutlich. Feuer verließ die Spitze seines Stabs und schoss wie aus einem Schlauch auf seinen Mitschüler zu. Der sprang im letzten Augenblick noch zur Seite, jedoch versengte die Flammen seinen Umhang. „Levicorpus!“, schrie Severus noch im Sprung. Jedoch war er zu sehr in Bewegung, weshalb der Zauber ins Leere ging. „Expelliarmus!“ „Salvio Hexia!“, konterte Schniefelus. Der Gegenfluch hob den von Sirius auf. Scheiße... Er ist echt gut!, musste Sirius neidlos zugeben. Hier war keiner, der ihm half und er geriet ehrlich ins Schwitzen. Außerdem gingen ihm langsam die Ideen aus. Remus hatte mit seiner Vermutung offenkundig recht gehabt, dass die Schikane in Gruppen Severus nur gestärkt hatten. Ihm mehr Grund geboten hatten. Er war es gewohnt, dass er mehrere Zauberer gleichzeitig abwehren musste. Nicht nur einen... „Waddiwasi!“, sagte Snape plötzlich. Ein großer Ast flog direkt auf Sirius zu. Er konnte seinen Schock schnell genug abschütteln und wich dadurch im letzten Moment mit einem Hechtsprung aus. Dabei landete er zwar im Schlamm, blieb aber unbeschadet. Als er aufsprang, war er wirklich wütend: „Locomotor Mortis!“ Endlich erwischte er Schniefelus! Dessen Beine wurden durch unsichtbare Fesseln zusammengekettet und er fiel nun in den Dreck. Siegessicher kam Tatze auf ihn zu. Den Zauberstab erhoben, genoss er seine Überlegenheit. Er genoss es zu sehr, denn Severus wartete auf den Augenblick, wo er nah genug an ihm dran war. Sirius hatte nicht bemerkt, dass Severus seinen Zauberstab nicht bei dem Sturz verloren hatte. „Stupor!“, rief Severus in dem Moment, wo Tatze das Duell gerade beenden wollte. Schockiert traf ihn der Lichtblitz und betäubte sofort seinen ganzen Körper. Er knallte schmerzhaft zu Boden und Matsch flog spritzend durch die Luft. Gefasst richtete Schniefelus derweil seinen Zauberstab seine Beine und entfernte die ungewollten Fesseln. Kurz darauf war er wieder auf den Füßen und hielt nun die Spitze des Stabs direkt in das Gesicht des Black-Erbens: „Gibst du auf?“ Innerlich ärgerte sich Sirius, was nicht nach außen drang. Seine Muskeln gehorchten ihm durch den Fluch nicht mehr, aber er konnte seine Niederlage ohnehin nicht abstreiten. Severus war besonnen und konzentriert gewesen. Er war das Monster, das sie sich selbst erschaffen hatten. „Ja...“, quetschte er also kaum verständlich heraus. „Wie war das?“, hakte Severus streng nach. „Ich will es hören.“ „Ich gebe... auf... Du hast gewonnen.“ Obwohl Snape die Situation hätte ausnutzen können, tat er es nicht. Stattdessen löste er die Benommenheit auf und ging ein paar Schritte zurück, damit Tatze sich aus dem Schlamm erheben konnte. Auch wenn es ihm nicht passte, war Severus definitiv der bessere Gewinner von ihnen. Er hätte sonst was mit ihm anstellen können! Geschweige denn davon, dass er ihn hätte liegen lassen können, wie sie es vor kurzem auch noch mit ihm gemacht hatten. Doch vermutlich wollte er nur sicher sein, dass er auch sein Versprechen einhielt. Verspannt massierte sich Sirius Nacken und Schultern. Stupor war die Art von Zauber, die man noch Tage lang danach in seinen Knochen spürte. Außerdem hatten sie sich mehr bewegt, als er es erwartet hatte. „Wir hatten einen Deal.“, erinnerte Severus ihn seufzend. „Ja, ich weiß...“, stöhnte Sirius. Er musste zumindest so tun, als würde ihm die Offenbarung des Geheimnisses schwerfallen! Sonst würde er eine Finte wittern. „Also?“ „Muss das denn echt sein? Remus wird mich killen.“ „Versprochen ist versprochen.“, erinnerte Severus Snape ihn ungeduldig. „Sag‘ ihm aber nicht, dass du das von mir hast.“ Schniefelus zuckte mit den Schultern, als wäre das vollkommen egal: „Warum sollte ich das tun?“ Um seiner Rolle gerecht zu werden, ging Sirius ein paar Mal nervös auf und ab. Severus schien ihm die Unruhe abzukaufen. Trotzdem war er auch sehr ungeduldig. Sie konnten jeder Zeit erwischt werden. „Na gut... Okay... Wir hatten einen Deal.“, seufzte Tatze also mit unruhiger Stimme. „Geh‘ in drei Nächten zur peitschenden Weide. Folge am besten Madam Pomfrey und Remus. Warte, bis Madam Pomfrey wieder zum Schloss zurückgeht, damit sie dich nicht erwischt.“ „Das ist mir schon klar...“ „Hey, ich verrate hier gerade einen meiner besten Freunde! Das ist echt nicht leicht...“ „Dann solltest du nicht um so etwas wetten.“, erinnerte ihn der Zaubertrankfreak mit hochgezogener Augenbraue. „Das weiß ich jetzt auch.“, erwiderte Sirius augenrollend. „Jedenfalls musst du dann zur Weide gehen. Mach‘ dir am besten etwas Licht und dann suchst du nach einem Knoten. Du wirst ihn erkennen, wenn du weißt, wonach du suchst.“ „Ein Knoten?“, hakte Severus verwirrt nach. „Ja, es ist ein Knoten. Eine Wölbung... Ein Punkt, der nicht ins Bild passt.“ „Und den erkennt man, wenn man ihn sieht?“ „Glaub‘ mir, du wirst ihn erkennen, weil du nun weißt, dass er da ist.“, seufzte er mit gespielter Ungeduld. „Na gut... Weiter.“ „Jedenfalls nimmst du dir einen Stock oder so etwas und dann drückst du damit gegen den Knoten. Geh‘ bloß nicht zu nah ran, sonst erwischt dich der irre Baum!“, warnte er ihn ernst. „Der Baum wird erstarren, aber nur für ein paar Sekunden. Du musst sofort reingehen und dann folgst du einfach dem Gang und wirst es selbst sehen.“ „Weshalb sagst du mir nicht einfach, was ich vorfinde?“ „Dann ist die Überraschung doch weg. Außerdem war das nicht der Deal...“ Severus seufzte skeptisch, nickte dann aber: „Na gut... Dann werde ich es einfach ausprobieren. Vergiss‘ nicht, dass ich es melde, wenn du mich reinlegst.“ „Ich denke an nichts anderes.“ Mit einem letzten Blick zum Rumtreiber drehte sich Schniefelus um. Er wollte die Unterhaltung offenbar nicht weiterfortsetzen, sondern lieber zurück zum Schloss. Trotzdem drehte er sich immer wieder um, als befürchtete er weiterhin einen Hinterhalt. Unzufrieden beobachtete Sirius ihn beim Gehen. Er hatte verloren! Und das nicht, weil er ihn gewinnen lassen hatte, sondern weil er einfach nicht gut genug gewesen war. Also hatte Remus recht mit seinen Behauptungen. Ohne James und die anderen war er nicht mal ansatzweise so gut wie sein Erzfeind. Ich werde von nun an noch härter an mir arbeiten. Sollte es nochmals zu einem Zweitkampf kommen, werde ich nicht wieder verlieren!, schwor sich Tatze feierlich. Doch auch er machte sich dann lieber auf den Rückweg. Wenn er nicht aufpasste, dann wurde er noch von einem Professor erwischt und er wüsste wirklich nicht, wie er das Ganze erklären sollte. Zur Sicherheit hatte er aber die unfertige Karte der Rumtreiber mitgenommen. Sie funktionierte immer besser und er war sich sicher, dass sie bald jeden Winkel von Hogwarts erkundet hatten, um sie endgültig abzuschließen. Ihr Stand reichte jedoch aus, um ihn wieder sicher durch die Gänge zu führen.   In den nächsten Tagen war Sirius ungemein aufgeregt und gepackt von Vorfreude! Es fiel ihm wahnsinnig schwer, sich auf den Unterricht oder das Lernen zu konzentrieren. Zwar nagte die Niederlage auch schwer an ihm, aber er hatte dennoch sein Ziel erreicht. Er wusste, dass er mehr üben musste und worin er genau schlecht war und gleichzeitig würde Schniefelus seine Neugier bald bereuen. Seine Freunde fragten ihn immer wieder, weshalb er derzeit so unruhig war, doch er antwortete nicht darauf. Er wusste nicht mal, was er genau sagen sollte, damit sie nicht auf seinen Streich kamen. Heute war es zumindest endlich soweit. Eine Vollmondnacht und Madam Pomfrey würde sich nun mit Remus auf den Weg zur peitschenden Weide machen. Sirius hatte sich kurz nach Moony aus dem Gemeinschaftsraum gestohlen und sich dann auf dem offenen Gelände in einen großen, schwarzen Hund verwandelt. Der Vorteil des schwarzen Fells war, dass er in Dunkelheit wirklich gut getarnt war, solange kein Licht in seinen Augen reflektierte. So konnte er sich etwas abseits von der Weide verstecken und das Geschehen aus der Ferne beobachten. In perverser Vorfreude konnte er beobachten, wie Madam Pomfrey einen seiner besten Kumpel scheuchte, damit sie schneller vorankamen. Sie berührten die Weide an dem versteckten Knoten und huschten dann in den Geheimgang. Kurz nach ihnen tauchte ein Schatten auf. Tatze wusste genau, dass es Severus Snape war, der den beiden gefolgt war. Er versteckte sich hinter einem Felsen und wartete darauf, dass die Krankenschwester zurückkehrte. Der Geheimgang war recht lang und nicht unbedingt angenehm gebaut, weshalb sie relativ lange für Hin- und Rückweg brauchte. Madam Pomfrey sah sich skeptisch um, als fühlte sie sich beobachtet, machte sich dann aber auf den Weg zum Schloss. Sie wusste, dass sie Remus Lupin alleine zurückgehen lassen konnte, sobald der Morgen graute. Schniefelus erwies sich als geduldig. Er wartete mehrere Minuten, ehe er aus seinem Versteck kam und nach einem langen Stock griff. Wenn Tatze es nicht besser wüsste, würde er davon ausgehen, dass es der gleiche Stock war, den er bei dem Duell auf ihn geschleudert hatte. Eine Weile verharrte der Zaubertrankfreak vor der Weide und suchte ihren Stamm offenbar ab. Dann fand er den Knoten, der für Wissende durchaus gut erkennbar war. Er streckte sich wahnsinnig stark, damit er nicht in die Reichweite der peitschenden Zweige kam und drückte dabei gegen den Punkt, um sie ruhigzustellen. Snape war erstaunt, dass es wirklich funktionierte, erinnerte sich aber auch an die begrenzte Zeit. Also huschte er keine Sekunde zu früh durch den Eingang und verschwand. Wenn Sirius nicht die Gestalt eines Hundes hätte, würde er nun breit und triumphierend grinsen. Er hatte ihn erfolgreich hereingelegt! Er würde sich einem Werwolf gegenübersehen und irgendwie bezweifelte Tatze, dass er solch einer Gefahr gewachsen war. Sie hatten selbst lange gebraucht, um damit umzugehen und Moony richtig zu händeln. Außerdem waren sie genau dafür Animagi geworden. Dann plötzlich tauchte auf dem Gelände noch eine Gestalt auf. Irritiert blickte er durch die Dunkelheit, doch er konnte nur Schemen aus der Ferne erkennen. Seine Freunde hatten abgemacht, dass sie heute Remus erst später aufsuchen wollten. Außerdem wären sie dann ja auch zu zweit, also konnten es nicht Wurmschwanz und Krone sein. Leise schlich er auf seinen Pfoten näher an die peitschende Weide heran und versuchte sich etwas mit dem Wind zu bewegen. Dann kam ihm ein vertrauter Duft in die wesentlich bessere Hundeschnauze. Krone! Dessen Geruch würde er unter tausenden erkennen! Panik packte den Black-Erben. Was wollte sein bester Freund hier? Es war nicht die vereinbarte Zeit und er wirkte wirklich sehr in Eile. James brauchte nicht ansatzweise so lange, um den Knoten zu berühren. Dann schlüpfte er sofort in den Tunnel und war verschwunden. Sirius haderte mit sich. Er wollte wissen, was er hier wollte, doch er wollte auch nicht auffliegen. Also blieb er in seinem Versteck und wartete. Minuten fühlten sich wie Stunden an. Seine Nerven waren zum Bersten gespannt! Hunderte Szenarien tanzten in seinem Kopf umher. Er fragte sich, was sich gerade in der heulenden Hütte abspielte und ob Krone in Gefahr war. Immer wieder erinnerte sich Tatze, dass Krone sich notfalls in einen Hirsch verwandeln konnte. Er wäre definitiv vor Moony sicher. Als Sirius es kaum noch aushielt zu warten, erstarrte die peitschende Weide und zwei Gestalten stolperten rangelnd aus dem Geheimgang. Gespannt starrte er zu dem Eingang, doch ihnen folgte kein Werwolf. Leise pirschte er sich etwas näher heran, damit er die beiden besser hören konnte. Natürlich waren seine Sinne als Hund schärfer, doch er hörte auch deutlich das Rascheln der Blätter, den Wind, das Gras... All das waren Ablenkungen. Und dann noch die Instinkte, die ihn antrieben. Näher dran war also besser, um alles zu hören. „Bist du denn des Wahnsinns?!“, schrie James atemlos. „Du kannst da doch nicht ganz alleine hingehen!“ „Ich könnte dich dasselbe fragen!“, schrie Snape atemlos zurück. Er wirkte nicht einfach nur gereizt, sondern nahezu panisch. „Also ich gehe bestimmt nicht unvorbereitet einen Werwolf in einer Vollmondnacht besuchen.“, konterte Krone. „Ihr solltet ihn gar nicht besuchen! Er ist gefährlich!“ „Ich weiß, dass Werwölfe gefährlich sind. Warum meinst du denn, schleicht er sich mit Madam Pomfrey raus und wird dort eingesperrt?“ „Das reicht nicht!“, kreischte der Zaubertrankfreak beinahe hysterisch. „Erst recht nicht, wenn jemand wie Black um das Geheimnis weiß! Oder du!“ „Ich hatte damit nichts zu tun...“, knirschte Krone ehrlich mit den Zähnen. Ihm missfiel der Streich merklich. „Als ob!“ „Wenn ich was damit zu tun hätte, wieso sollte ich dann herkommen und dich im letzten Moment wegzerren?“, warf er ein. „Ich hätte dich auch durch das Eisengittertor gehen lassen können, aber stattdessen habe ich dich gerettet.“ „Was weiß denn ich?!“, schrie Schniefelus zurück. „Vielleicht hattest du einen Anflug von einem schlechten Gewissen!“ „Ich habe nur zufällig mitbekommen, dass Sirius dich hierher geschickt hat... Ich wusste es nicht.“ „Ist mir egal! Ich gehe zu Dumbledore!“ Snape riss sich wutentbrannt von Krone los und stolperte davon. Er klammerte sich dabei an seinen Umhang, dessen Halterungen offenbar bei der Rettung beschädigt worden waren. Ein geringer Preis... Wer sich einem Werwolf stellte, verlor normalerweise mehr als einen alten Umhang. Der Quidditch-Kapitän sah seinem Rivalen seufzend nach, ließ ihn aber ziehen. Sie alle wussten, dass Professor Dumbledore um Remus‘ Geheimnis wusste. Nur war nicht ganz klar, wie er mit der Beschwerde eines anderen Schülers umgehen würde. Ob er durch das Ganze gezwungen werden würde zu handeln. „Tatze.“, zischte James plötzlich streng. „Komm‘ heraus. Ich weiß, dass du da bist.“ Ein Teil von ihm wollte lieber umdrehen und in den Wald laufen, aber er wusste, dass das nichts ändern würde. Also verwandelte er sich stattdessen wieder in seine menschliche Gestalt und schluckte schwer, ehe er aus den Schatten hervortrat. Den Blick hielt er gesenkt. Gab sich reuevoll. „Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht?!“, schimpfte James beinahe atemlos. „Er hätte dabei sterben können!“ „Ich wollte nur... Ich wollte doch nur...“ „Verhindern, dass er uns weiterverfolgt? Indem du ihn umbringst?!“ „Nicht direkt umbringen...“, stammelte Sirius unsicher. „Ich wäre... nicht traurig, wenn er stirbt, aber... er sollte sich bloß erschrecken...“ „Bloß erschrecken? Wenn er ohne Warnung alleine einen Werwolf in einer Vollmondnacht besucht? Das glaubst du doch selbst nicht!“ „Es ist doch nichts passiert...“ „Weil ich ihn vorher aufgehalten habe!“ „Ich verstehe echt nicht, warum du dich so aufregst.“, stöhnte Sirius theatralisch. „Ist doch nur Schniefelus...“ Jetzt wirkte James tatsächlich sprachlos. Mit offenem Mund starrte er seinen besten Freund an, als wären sie sich gerade das erste Mal begegnet. Okay, jetzt wird er erst richtig loslegen..., dachte Tatze bangend. Wieso kann ich auch nicht die Klappe halten? „Nur Schniefelus? Nur?!“, wiederholte Krone beinahe hysterisch. „Spinnst du denn völlig?! Er ist doch ein Mensch aus Fleisch und Blut! Sicherlich keine nette Variation oder hygienisch oder irgendwie ansehnlich, aber er ist trotzdem ein Mensch! Dir kann das doch nicht am Arsch vorbei gehen, dass er hätte sterben können!“ „Nein... Nein, natürlich nicht...“ „Sirius, so etwas will ich nie wieder erleben müssen, ist das klar?!“ „Ja...“ „Sag‘ es!“ „Ich werde nie wieder versuchen Schniefelus durch einen Streich umzubringen.“ „Hast du eigentlich eine Ahnung, was das alles für Moony bedeutet hätte?“ Nun war es Sirius, der seinen Kumpel mit offenem Mund anstarrte. Tatsächlich stand er gerade etwas auf dem Schlauch und wusste nicht, worauf er hinauswollte. „Was meinst du, was passiert wäre, wenn er heute Snape getötet hätte?“, hakte Krone ernst nach. „Abgesehen davon, dass er von der Schule geflogen wäre und der Tagesprophet über diesen schrecklichen Werwolf-Angriff berichtet hätte... Vielleicht hätte Dumbledore sogar seinen Job verloren, weil er um Moonys Erkrankung wusste! All das ist unwichtig, wenn man an den psychischen Schaden denkt, den Moony erlitten hätte. Er hätte damit leben müssen, dass er einen Menschen getötet hat.“ Tatze setzte an etwas zu sagen, doch James sah ihn bitterböse an. Sofort schloss er seinen Mund wieder und senkte reuevoll seinen Blick auf den Boden. „Du denkst dir, dass er sich damit rausreden könnte, dass es nicht wirklich er war. Er war ja ein Werwolf! Aber für Moony ist das anders.“, tadelte er ihn weiter. „Für ihn wird es sich so anfühlen, als habe er es ganz bewusst getan. Er würde sich das niemals verzeihen! Würde Albträume bekommen... Würde sich vielleicht sogar umbringen.“ „Okay... Okay!“, warf Sirius kleinlaut ein. „Es tut mir leid! Ich habe darüber nicht richtig nachgedacht...“ „Ja, das hast du nicht! Aber du wirst jetzt darüber nachdenken!“ „Es war eine bescheuerte Idee...“ „Ja, sie war selten dämlich.“ „Es kommt nie wieder vor.“, versprach der Black-Erbe verzweifelt. Er wollte James nicht verlieren. Er war sein bester Freund! Das letzte, was er gewollt hatte, war, dass er wütend auf ihn war. „Du bringst das jetzt in Ordnung.“ „Hä? Wie meinst du das?“ „Du gehst jetzt zu Professor Dumbledore und erklärst ihm alles, was passiert ist.“, befahl der Jäger streng und duldete definitiv keinen Widerspruch. Ihr Erzfeind musste inzwischen schon beim Büro des Direktors angekommen sein und ihm alles berichtet haben. Zumindest seine eigene Fassung... Je nachdem, wie dick er auftrug, konnte die Sache wirklich übel für sie alle enden. Bleiern nickte er also: „Ja, in Ordnung. Ich gehe hin... Unter einer Bedingung.“ „Bedingung? Du willst noch Bedingungen stellen?!“ „Heee~, ganz ruhig.“, sagte Sirius und hob schützend seine Hände in die Höhe. „Ihr sollt euch heute Nacht einfach nur ohne mich um Moony kümmern... Komm‘ mit Wurmschwanz hierher und seid bei ihm.“ „Klar... Hätten wir eh gemacht!“, schnaubte James beinahe beleidigt. „Danke. Bis morgen oder auch nicht.“ Mit den Händen in den Taschen drehte sich Tatze um und wagte es nicht zurückzublicken. James war richtig sauer und er wollte die ganze Sache nicht noch mehr eskalieren lassen. Es war besser, wenn er einfach tat, was er von ihm verlangte, auch wenn es ihm schwerfiel. Er achtete nicht großartig auf seine Umgebung, als er sich auf den Weg zu dem Büro von Professor Dumbledore machte. Immer wieder ging er gedanklich durch, was heute Nacht geschehen war. Was alles passiert war, um an diesen Punkt zu kommen. Und er schwor sich, dass er es nie wieder so sehr in den Sand setzen würde wie heute. Gedankenverloren rannte er gegen etwas. Oder besser jemanden. Als er aufblickte, erkannte er, dass er gegen einen Lehrer gelaufen war, der wohl heute Nacht die Gänge beaufsichtigen sollte. Marcus Callum war ein attraktiver Mann mittleren Alters, der seit einigen Jahren Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtete. Obwohl er die Chance dazu gehabt hatte, hatte er sich nicht für den Posten als Hauslehrer beworben. Ihm reichte die Verpflichtung des Unterrichts. Außerdem genoss er es, dass er sich auf diese Weise um alle Schüler kümmern konnte, unabhängig von ihren Häusern. Soweit Sirius wusste, war er vierunddreißig Jahre alt und der beste Freund von Professor Pride. Sie konnten jedoch unterschiedlicher kaum sein! Professor Callum war ein hochgewachsener, recht stark gebräunter Mann mit schwarzen, kurzen Haaren. Fast immer trug er einen gepflegten 3-Tage-Bart, der ihn noch maskuliner machte. Seine graubraunen Augen wirkten faszinierend – vor allem auf die holde Weiblichkeit. Zwar konnte er sehr ernst sein, verpackte aber lieber seine Worte in Humor, Sarkasmus und manchmal in einer Prise Zynismus. Wenn er eines mehr liebte, als die Schüler im Unterricht zu erschrecken, dann war es definitiv über sie zu lachen. Das war oftmals sehr lustig, aber nicht unbedingt für seine Opfer. Trotzdem war er ein ausgezeichneter Lehrer, bei dem man viel lernen konnte und der sich wirklich um seine Schüler bemühte. Um einen möglichst lehrreichen, aber auch erschreckenden Unterricht zu gestalten, sprach Professor Callum gerne mit Professor Pride. Sie hatten beide eine ähnlich sarkastische Art mit einer Spur Sadismus, die sie wohl auch letztendlich zu so engen Freunden gemacht hatte. „Was treiben Sie um diese Uhrzeit auf den Gängen, Mister Black?“ „Ich wollte mich stellen gehen.“, antwortete Tatze nüchtern. „Ach ja?“, hinterfragte der Professor skeptisch. „Das kann natürlich jeder behaupten.“ „Dann kommen Sie doch einfach mit.“ „Ich habe ohnehin keine Wahl.“ Ohne ihn weiter auszuquetschen schloss sich Professor Callum ihm an. Er schritt neben ihm her und sah sich dabei immer mal in den Korridoren um. Da die Porträts gerne über Licht klagten, wenn sie zu schlafen versuchten, mied es der Professor ein Licht zu entzünden. Sie mussten also wirklich aufpassen, wohin sie traten. Es fühlte sich eigenartig an, mitten in der Nacht durch die Gänge zu wandern ohne die Karte der Rumtreiber oder den Tarnumhang. Vor allem an der Seite eines Lehrers... Das hatte er wirklich lange nicht mehr gehabt. Nur in den ersten Jahren, als ihnen die ganzen Hilfsmittel noch fehlten. Ein bisschen war es so, als würde Tatze sich gerade selbst zum Henker führen. Auf eine Schlachtbank, um den Kopf zu verlieren... Er hatte es vermutlich auch nicht besser verdient, nachdem er so viel angerichtet hatte. „Haben Sie schon mal etwas richtig verkackt?“, hörte sich Sirius plötzlich fragen. Seine Unsicherheit konnte er nicht aus seiner Stimme verbannen. „Klar.“, antwortete Professor Callum ohne ihn anzusehen. „Jeder verkackt mal so richtig irgendwas.“ „Wieso haken Sie nicht weiter nach?“ „Wollen Sie etwa, dass ich Sie bedränge?“ „Nein...“ „Deshalb mache ich es nicht.“, erklärte der Lehrer entspannt, als gingen sie nur zusammen spazieren. Eine Weile gingen sie wieder schweigend nebeneinander her und redeten kein Wort miteinander. Obwohl er angespannt sein sollte, war er es nicht. Ob es an der Anwesenheit des Lehrers lag oder weil er vom schlimmsten Fall ausging, wusste er nicht. Nur, dass er gerade nicht ausflippen konnte. „Haben Sie schon mal fast jemanden umgebracht?“ „Oh ja.“ Irritiert sah Sirius auf und blickte seinen Lehrer fragend an: „Ernsthaft?“ „Ernsthaft.“, antwortete Professor Callum aufrichtig. „Ich war richtig, richtig sauer auf denjenigen und an diesem Tag wurden wir auch noch für ein Duell zugeteilt. Der Professor hatte keine Ahnung, dass wir Streit gehabt hatten und packte uns zufällig zusammen. Obwohl ich es hätte besser wissen sollen, verlor ich die Kontrolle und setzte Flüche ein, die wir nicht einsetzen durften. Es gab in diesem Duellier-Club strenge Regeln... Und weil ich so wütend war, war der Zauber auch noch viel stärker als normalerweise.“ „Welchen Fluch haben Sie eingesetzt?“ „Expulso...“ „Scheiße.“ „Oh ja, das war richtig scheiße.“, stimmte der Lehrer seufzend zu. „Hat seinen verdammten Arm dabei verloren. Hat nur ganz knapp überlebt und konnte nur durch Glück den Rest seines Körpers behalten... Bin dann natürlich aus dem Club geflogen.“ „Aber Sie flogen nicht von der Schule?“, hakte Tatze irritiert nach. „Obwohl Sie ihn so schwer verletzt hatten?“ „Wir waren im Abschlussjahr und es wurde ewig darüber diskutiert, wie ich bestraft werden sollte, aber ich flog nicht. Ich durfte den Abschluss machen, musste aber im Anschluss meinen Zauberstab abgeben.“ „Für wie lange?“ „Uff... Ich glaube, es waren drei oder vier Jahre. Kam mir aber viel länger vor...“ „Wieso haben Sie Ihren Zauberstab dann doch wiederbekommen?“, wollte Sirius wissen. Darüber musste Marcus Callum etwas kichern, während seine graubraunen Augen sich ihm zuwandten: „Hogwarts brauchte dringend einen neuen Lehrer für die Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Ihnen fiel offenbar kein Besserer für den Job ein und sie hoben das Verbot unter gewissen Bedingungen auf. Inzwischen darf ich wieder uneingeschränkt zaubern.“ „Und was wurde aus dem Schüler, den Sie verletzt hatten?“ „Oh, wir schreiben uns regelmäßig Briefe und ab und zu besuchen wir einander.“ „Was? Echt jetzt?“ „Japp. Wir waren vor dem Vorfall Freunde und wir vertrugen uns auch danach wieder.“, erklärte Professor Callum recht heiter. „Es brauchte etwas Zeit, aber wir konnten uns darauf einigen, dass es ein Unfall war. Ich hatte ihn verletzen, aber nicht umbringen wollen... Inzwischen lachen wir darüber. Ich mehr als er.“ „Unfassbar.“, stöhnte Tatze atemlos. „Nicht wahr? Und trotzdem ist es so gewesen.“ Das gab ihm Hoffnung, dass Krone ihm vielleicht auch verzeihen würde. Immerhin hatte er ihm keinen Arm weggesprengt! Streng genommen hatte die ganze Sache nicht mal etwas mit ihm zu tun gehabt. Also würde er es eventuell doch irgendwann vergessen. Obwohl sie wohl nicht darüber lachen würden... „Wir sind da.“, riss ihn Professor Callum plötzlich aus seinen Gedanken. Als Tatze aufblickte, erkannte er die Statue des großen Adlers, der unheilvoll auf ihn herabblickte. Jetzt kroch doch Anspannung in ihm hoch. Gerade als der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste das Passwort sagen wollte, begann die Figur sich zu drehen und die Wendeltreppe zu offenbaren. Ein sehr bleicher und sichtlich wütender Severus Snape kam die Treppe herunter. Ihre Blicke trafen sich und er konnte in den perlenschwarzen Augen absoluten Hass erkennen. Egal, was er nun auch immer tat, sein Mitschüler würde ihm nie wieder vertrauen. Ihr Streit konnte nicht mehr beigelegt werden. Vielleicht konnte er aber zumindest verhindern, dass Remus von der Schule geschmissen wurde! „Mister Snape, Sie warten hier unten.“, sagte Professor Callum streng und packte den Schüler sachte am Oberarm. „Ich bringe Sie gleich zu Ihrem Schlafsaal.“ „Ja, Professor...“ Er nickte, dann legte er seine Hand in das Kreuz von Sirius Black, um ihn etwas anzuschieben. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er erstarrt war! Da kam es genau richtig, dass Professor Callum ihn zwang, die Stufen nach oben zu nehmen. Dicht gefolgt von eben diesem. Das Büro des Direktors war groß und stand voll mit allen möglichen Artefakten, magischen Objekten und auch stets mit einer Schale voll Lakritze. Professor Dumbledore war stets ein ungewöhnlicher Zauberer mit großem Herzen gewesen. „Professor Dumbledore...“, setzte Marcus Callum gelassen an. „Mister Black hat Ihnen etwas zu sagen.“ „Das habe ich mir schon gedacht.“, sagte der ältere Mann lächelnd und blickte über die Halbmondgläser seiner Brille. Dafür, dass er sicherlich schon alles wusste, war er erstaunlich freundlich. „Warte bitte unten, Marcus. Ich schicke ihn gleich wieder herunter.“ „Natürlich.“, erwiderte der Lehrer und nickte. „Viel Glück, Mister Black.“ Mit einem letzten Blick wandte sich Professor Callum ab und ging wieder hinaus. Er kannte das Büro schon so gut, dass er sich nicht nach den ungewöhnlichen Gerätschaften umsah. So ging es auch Tatze. Er war schon viel zu oft hier gewesen. „Nun, ich weiß, dass Sie einen sehr dummen Streich gespielt haben, Mister Black.“, setzte Professor Dumbledore an, als sie alleine waren. „Nun würde ich aber gerne Ihre Version dazu hören.“ „Schniefe-... Äh... Snape hat die Wahrheit gesagt, Sir.“, begann Sirius aufrichtig. „Ich habe ihn zu einem unautorisierten Duell herausgefordert, er hat gewonnen und dafür habe ich ihm gesagt, wie er die peitschende Weide stilllegen kann. Hab‘ ihm gesagt, dass er heute Nacht Madam Pomfrey und Moo-... Remus folgen soll, Sir. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was das für Konsequenzen haben könnte! Wollte ihm nur eins auswischen... Wäre Kron-... James nicht gewesen, dann wäre er vielleicht gestorben. Es tut mir wirklich leid, dass ich so einen dämlichen Streich gespielt habe!“ „Wussten Ihre Freunde von Ihrem... Streich?“ „Nein, Sir. Ich habe das alles alleine durchgezogen. Ich schwöre es!“ „Und Ihnen ist bewusst, dass das ein sehr gefährliches Manöver war? Nicht nur für Mister Snape, sondern auch für Mister Lupin?“ „Das ist mir bewusst, Sir.“, sagte Sirius zähneknirschend. „Bitte bestrafen Sie nur mich dafür. Remus wusste nichts davon! Er darf deshalb nicht seinen Schulplatz verlieren... Es bedeutet ihm so viel! Es ist alles meine schuld.“ „Mister Lupin hat keine Strafe zu erwarten.“ „Aber! Oh... Was? Gut. Ich habe nichts gesagt...“ Professor Dumbledore lächelte amüsiert und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück: „Vielen Dank, dass Sie so ehrlich zu mir waren, Mister Black. Die meisten an Ihrer Stelle hätten sich versucht herauszureden.“ „Ehrlich gesagt, hat James mich zu dieser Einsicht gebracht, Sir...“, gestand Tatze kleinlaut. „Dann ist er ein noch besserer Freund, als Ihnen bisher bewusst war.“ „Das ist er wirklich.“ „Woher wusste Mister Potter, dass Sie diesen Streich spielen wollen?“, erkundigte sich der Direktor interessiert. „Ich habe keine Ahnung... Wahrscheinlich habe ich mich irgendwie verraten. Er kann in mir lesen wie in einem Buch.“ „Interessant.“, murmelte Dumbledore in seinen Bart, der offenbar die Beziehung der Freunde zu ergründen versuchte. „Ich habe Mister Snape eindringlich darum gebeten, das Geheimnis von Mister Lupin zu bewahren. Er hat versprochen, dass er es niemanden erzählt. Also ist Mister Lupins Geheimnis vorerst sicher und er kann weiterhin Hogwarts besuchen. Sofern Sie nicht wieder jemanden reinzulegen versuchen.“ Seine klugen Augen sahen den Schüler eindringlich an. „Oh nein, Sir, die Phase habe ich hinter mir gelassen. Keine Mordversuche mehr...“ „Gut. Trotzdem muss ich Sie natürlich bestrafen.“ „Natürlich.“ „Ich werde Miss Ashworth über Ihre Vergehen informieren und sie wird auf Sie wegen Ihren Strafarbeiten zukommen.“, überlegte der Direktor laut. „Sie wird schon ein angemessenes Maß für all das finden.“ „Das wird sie mit Sicherheit.“ „Auch Mister Snape und Mister Potter haben Strafen zu erwarten.“ „Weshalb?“, keuchte Tatze vollkommen überrumpelt. Immerhin hatte Krone Schniefelus lediglich das Leben gerettet und nichts angestellt! „Sie haben die Betten in der Nacht verlassen und damit diverse Schulregeln gebrochen.“, erinnerte Dumbledore ihn. „Ich werde auch darüber Miss Ashworth und Professor Pride informieren. Ihre Strafen werden milder ausfallen.“ Es tat ihm für beide irgendwie leid, doch der Entschluss stand fest, also nickte er nur bleiern. Jetzt zu widersprechen, würde die ganze Situation nur noch verschlimmern. Dafür hatte er wirklich zu viel angestellt! „Also... Fliege ich nicht von der Schule?“, hakte er dennoch kleinlaut nach. „Sofern Miss Ashworth es nicht für nötig befindet, bleiben Sie uns noch erhalten, Mister Black. Außer Sie wollen gerne runtergeschmissen werden?“ „Nein, Sir! Danke, Sir!“ „Schon gut, schon gut.“, winkte der betagte Direktor ab und lächelte freundlich. „Nun auf ins Bett. Keine nächtlichen Wanderungen oder gefährliche Streiche mehr.“ „Selbstverständlich nicht, Sir.“, sagte Sirius ehrlich erleichtert. Er hatte nur das Gefühl, dass er etwas wie der Wildhüter Hagrid klang. „Gute Nacht, Professor Dumbledore.“ „Gute Nacht, Mister Black.“ Eilig drehte sich der Gryffindor um und rannte beinahe die Wendeltreppe herunter. Für das Ausmaß seines Streiches hätte er mindestens mit einem Rausschmiss gerechnet! Eigentlich war er wirklich noch glimpflich davongekommen, weshalb er innerlich den Muggel-Göttern dankte. Severus sah nicht so glücklich aus, als er Sirius sah. Ihm war wohl anzusehen, dass man ihn nicht von der Schule verwiesen hatte. Trotzdem sagte er nichts dazu. Professor Callum brachte sie stattdessen jeweils zu ihren Häusern, damit sie nicht auf die Idee kamen, doch noch weiter umherzuwandern. Keiner von ihnen sagte nur ein Wort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)