Nimm mein Herz und führe mich von DieLadi ================================================================================ Kapitel 8: Unter der Frühlingssonne: Erdbeeren und Fahrkünste ------------------------------------------------------------- „Ach Mann“, maulte Jako, „das ist einfach Scheiße.“ Er und Marti liefen Hand in Hand die Straße hinunter. „Wie viele Wohnungen haben wir uns jetzt schon angeschaut? Ich hab den Überblick verloren. Und immer ist was anderes. 100 Bewerber auf eine Bude. Da haben die mit tollem Job und hohem Einkommen die besseren Karten. Oder einfach zu teuer. Oder … ach was auch immer. Verdammt.“ Jako war echt gefrustet. Marti seufzte. Er war auch nicht sonderlich happy. Seit Wochen suchten sie nun schon, und hatten so viel Zeit damit zugebracht ... erfolglos. Sie wollten so gerne zusammenziehen. Aber es klappte einfach nicht. Er seufzte wieder. Der Himmel war voller Wolken, der Tag Ende Mai trüb und grau. Die Straße öffnete sich zu einem Platz. Dort standen um einen Springbrunnen herum einige Marktstände. Wochenmarkt. Sie waren schon fast daran vorbei gelaufen, als Marti stehenblieb. Er wollte den Frust verjagen, er wollte, dass es Jako besser ging. Und beim Anblick der Obststände hatte er eine Idee. Erdbeeren. Er zog Jako hinüber zu einem der Stände. Schnell fand er, was er suchte. Frische, leuchtend rote, pralle, saftige Erdbeeren. Er bat den Händler, probieren zu dürfen. Schnappte sich zwei Stück, schob eine davon dem überraschten Jako in den Mund und sagte mit seiner besten, tiefen Auto-Werbung -Stimme: „Erst wenn eine Erdbeere Jakos Ansprüchen genügt, dann ist es DIE Erdbeere.“ Jako verschluckte sich fast, als er anfing zu kichern. Der Händler kringelte sich regelrecht, und hatte so sehr seinen Spaß, dass er ihnen zwei Schälchen seiner besten Beeren schenkte. In diesem Augenblick schob die Sonne eine Wolke zur Seite und schickte einen ersten vorwitzigen Strahl genau auf Martis Nase. Sie pustete einmal kräftig, und die Wolken stoben auseinander. Der Tag wurde schön. „Jetzt brauchen wir noch Sahne“, sagte Marti. Jako hatte sich von seiner Begeisterung anstecken lassen. Also sprangen sie noch schnell in den Bioladen und besorgten Sahne und Vanillezucker. Kurz drauf standen sie gemeinsam in der Küche von Jakos WG. Marti putzte die Erdbeeren, während Jako sich mit dem Mixer abmühte. Marti machte sich einen Spaß daraus, an Jakos Mixkünsten rumzumäkeln. Und zwar so, als wäre er der Beifahrer und es ginge um Jakos Fahrstil. „Langsam! Langsamer! Achtung, nicht so schnell! Und nicht so rasant in die Kurve bitte!“ Jako schaltete den Mixer eine Stufe höher. „Mann, du musst viel eher schalten! So machst du das Getriebe kaputt! Du fährst ... äh ... mixt ja wie ein Anfänger! So, und jetzt Kupplung kommen lassen! Kommen lassen! Mann, das ist hier nicht wie im Bett, hier musst du es schneller kommen lassen!“ Frodo, der mit einer Dose Bier dabei stand und ihnen zusah, verschluckte sich fast vor lachen, beinahe hätte er sein Bier durch die ganze Küche geprustet. Jako suchte nach einem Gegenstand, den er werfen konnte, und Marti ging hinter dem Küchentisch in Deckung, als ein Geschirrtuch in seine Richtung segelte. Später saßen sie zu viert um den Tisch und genossen die saftigen Früchte. Felix war dazugestoßen. Die Erdbeeren schmeckten großartig. Marti fühlte sich pudelwohl im Kreise der Freunde. Er musste an seine WG denken. Rick und Dominik. Und Steve, der zwei Etagen tiefer in einer eigenen Wohnung lebte, aber irgendwie fast immer bei ihnen war. Wenn er ehrlich war, mochte er das WG Leben. Es war immer wer da, mit dem man reden oder Spaß haben konnte, der einem half, einen aufmunterte oder auch mal zurecht stauchte, wenn man Scheiße gebaut hatte. Andererseits ging es ihm wie Jako: er wollte viel mehr, viel häufiger mit seinem Freund zusammen sein. Wollte mit ihm ... er musste grinsen ... „Alltagsscheiß“ erleben. Neben ihm einschlafen und aufwachen. Jeden Abend und jeden Morgen. Ach verdammt. Während sie so aßen, fing auch Jako wieder an, seinen Gedanken nachzuhängen. Marti sah, wie er die Stirn runzelte. Er selber war auch nicht froh, aber viel mehr machte es ihm zu schaffen, dass Jako so traurig darüber war. „Ey Jungs, wat issn los bei euch?“, sagte Frodo, der merkte, dass gerade irgendwas schief hing. „Wohnungssuche“, stöhnte Marti. „Ist echt Scheiße. Wir rennen uns die Hacken ab, aber nix. Niente. Nothing. Dabei möchte ich so wahnsinnig gerne mit diesem Trauerkloß hier zusammenwohnen.“ Er lächelte Jako total warm an. Der sah zu ihm und lächelte schief. „Und ich mit diesem durchgedrehten Irren da“, sagte er. Marti fuhr mit dem Finger durch die fast leere Sahneschüssel und setzte den entstandenen Sahneklecks seinem Schatz auf die Nase. Dann zog er den verdutzten Jako zu sich und schleckte sie wieder ab. Frodo sah sich das an und kicherte. „Hey Jungs, reißt euch zusammen, hebt euch das für später auf, okay?“ Und dann sprach Felix. Der so warmherzige, kluge und praktisch veranlagte Felix. Felix, der für jede Sorge ein offenes Ohr, eine helfende Hand und oftmals auch die rettende Idee hatte. Felix, Herz und Seele der WG, na, eigentlich sogar des ganzen Freundeskreises. „ Tja“, sagte nun also Felix, „dann wäre es vielleicht erst mal eine Lösung, wenn wir das Kramzimmer ausräumen würden und Marti hier einzieht.“ Bääähm! Felix sprach, und der Kummer war weg. Das hatte schon so oft funktioniert, dass es im Freundeskreis legendär war. Weil Felix einfach großartig war. „Meine Fresse, wat bin ick froh, det wir den Felix haben“, sagte Frodo. „Das Kramzimmer ...“, stotterte Jako. Wieso war er nicht darauf gekommen? „Das wäre ... Suuuper!“, rief Marti. „ Na ja“, sagte Felix, „ da steht jede Menge Zeug drin. Von uns allen. Wenn wir da klar Schiff machen, fortschaffen, was keiner mehr braucht, und den Rest auf unsere Zimmer verteilen oder in den Keller bringen und so weiter, haben wir das ruck zuck leer. Und dann kann Jako seinen Schatz bei sich haben und ist endlich wieder zu ertragen.“ Marti schaute erstaunt auf. „So schlimm mit ihm?“ „Du hast ja keine Ahnung. Wenn du nicht hier bist, muss man dafür sorgen, dass er was zu tun hat. Sonst ist er unausstehlich. Wie ein Tiger im Käfig, nur schlimmer.“ Marti sprang von sein Küchenstuhl auf und umarmte Felix stürmisch. „Felix, du bist echt der beste.“ Und dann in bester Frodo- Imitation: „Meine Fresse, wat bin ick froh, det wir dir haben.“ Alle brachen in schallendes Gelächter aus. Und auch Jako umarmte seinen besten Freund und Bandkollegen. Auf seine ruhige Weise. „Danke“, sagte er schlicht. Aber in diesem einen Wort lag alles, was gesagt werden musste. Später, allein in Jakos Zimmer, machten die beiden Verliebten Pläne. Wie würde es sein, wenn Marti in der gleichen WG wohnte, wie sein Schatz? Und nicht mehr nur auf Besuch hier wäre, so wie jetzt? Sie könnten abwechselnd einmal hier, einmal da schlafen, aber sie hätten sich jede Nacht. Und sie hätten endlich „Alltagsscheiß.“ Es war herrlich, sich das alles gemeinsam auszumalen. Irgendwann lagen sie Arm in Arm auf Jakos Bett. Plötzlich sagte Marti, indem er anfing, Jakos bestes Stück zu kraulen: „Weißt du, vorhin auf der Küchenrennstrecke am Mixer hast du gezeigt, dass es mit deinen Fahrkünsten nicht weit her ist.“ Er kicherte. „Jetzt lass uns wenigstens ein bisschen ... einparken üben.“ Nun kicherte auch Jako, und am Ende steigerten sich beide in einen ihrer inzwischen wohlbekannten Lachanfälle. Felix hörte das und schmunzelte, Frodo hörte es ebenfalls, und obwohl er keine Ahnung hatte, worüber die beiden Verrückten da lachten, lachte er ebenfalls. Die Frühlingssonne, die die Bemerkung ebenfalls gehört hatte, errötete verschämt und versank. Es war ein wunderbarer abendroter Sonnenuntergang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)