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SANTA kills (Adventskalendergeschichte)

von

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Feier

Der Tag endete dann recht fix. Ethan und ich taten so, als wären wir im absoluten Unwissen über alles. Noch immer ließ man mich nicht zum Gefangenen und Freya schrieb nur eine kryptische Email, dass wir uns bald mal wieder für ein Gespräch bei ihr melden sollten. Das hätte alles bedeuten können. Alles und nichts.
 

Mrs. Iwanownas Kollegen bereiteten mir Kopfschmerzen, als ich die Akten noch einmal durchging. Da waren viele mit geistigen Behinderungen dabei, die mir vermutlich nicht sagen konnten, wer Irina Iwanowna überhaupt war. Diese Art von Arbeit war billig und ‚gutmütig‘ wie es so schön hieß, denn man bot den armen Menschen eine Stelle an, sodass sie vom sozialen Leben nicht gänzlich abgeschnitten waren. Keiner dieser Kollegen war auch lange Zeit dort. Manche nur ein paar Tage, andere vielleicht ein paar Wochen. Auf der Homepage der Fabrik bewarben sie die Arbeit mit Behinderten recht groß, weswegen ich mich damals schon gewundert hatte, wieso Mrs. Iwanowna da überhaupt arbeitete. Doch jetzt verdichtete sich der Nebel noch mehr: Geheimcodes über Kugelschreiber? Mrs. Iwanowna drin verwickelt oder nicht? Und was wollen die Russen von ihr?
 

Eine kleine Stimme in meinem Kopf fragte sich auch, wem die Codes gehörten: Den Russen oder der britischen Regierung.
 


 

Meine Gedanken lenkten mich für einige Stunden haben, bis ich auf die Uhr schielte und panisch feststellen musste, dass es schon bald soweit war. Mein geheimes-nicht geheimes Date mit dem Weihnachtsmann.
 

»Mit wem?«, fragte Ethan verwundert nach, als ich hektisch aufsprang und meine Tasche packte.
 

»Ich geh auf die Weihnachtsfeier und treffe mich da… mit einem Kollegen.«
 

»Oh wow«, pfiff mein Kollege erstaunt. »Ich dachte diese Cindy war die einzige, die dich interessierte?«
 

Da hielt ich inne und runzelte die Stirn. »Cindy ist nett, aber ich habe kein Interesse an ihr. Sie war nur ein paar Mal bei mir und wir haben Wein getrunken, während ich mir ihre langweiligen Storys über ihre Weiber anhören durfte.«
 

»Wie furchtbar«, kicherte Ethan und sah mir dabei zu, wie ich mich in meinen Mantel quetschte. »Und heute? Der Kollege? Hast du an ihm Interesse? Du weißt, wie die Regeln hier sind. One-Night-Stands sind ok. Alles, was fester wird, solltest du melden.«
 

»Ja, ja«, raunte ich und verließ schließlich meinen Arbeitsplatz. Wir wünschten uns noch einen heuchlerisch schönen Abend, als ich dann endlich das Gebäude verließ und mit heißen Reifen nach Hause fuhr. Dort angekommen stand ich peinliche 45 Minuten vor meinem Kleiderschrank und suchte nach angemessener Kleidung. Nicht zu aufgesetzt. Nicht zu wenig. Schön, aber nicht zu schön.
 

Ich wurde fast verrückt.
 


 

Eigentlich wollte ich mit dem Auto fahren, doch dann fiel mir ein, dass wir uns ja betrinken wollten. Also rief ich mir ein Taxi und ließ mich zum Center fahren. Das Parkhaus war auch sehr leer, also ging ich davon aus, dass die Idee, sich zu besaufen, mehrere hatten. Denn innen war alles beleuchtet und man hörte auch schon einige Kollegen laut lachen, die draußen waren, um eine zu Rauchen. Und dort stand auch er. Santa.
 

Er war tatsächlich als Weihnachtsmann verkleidet, trug aber nicht seine übliche rote Hose und die rote Weste mit der roten Jacke, sondern einen schönen Anzug mit weihnachtlicher Krawatte. Nur seine rote Mütze, der Bart und das weiße Haar deuteten darauf hin, dass er eigentlich der Weihnachtsmann sein sollte. Oh und die roten Schuhe. Rote Lackschuhe. Sehr interessant, dachte ich. Passte irgendwie zu der Extravaganz, die er mit seinen vielen Ringen bereits gezeigt hatte. Er stand legere mit Zigarette in der Hand neben einer kleinen Gruppe Menschen, die sich nett unterhielt. Er lachte hier und da mit, hörte aber hauptsächlich nur zu.
 

Ich wurde auf einmal wahnsinnig nervös und blieb einige Meter vom Eingang entfernt stehen. Sollte ich Hallo sagen? Sollte ich reingehen? War das überhaupt ein Date? Nein, natürlich nicht. Aber … er wollte, dass ich komme, oder? Vielleicht hatte er auch einfach nur so nett gefragt?
 

Noch ehe ich mich dazu entscheiden konnte wieder zurück zum Taxi zu gehen, erblickte mich eine andere Kollegin, die bei uns immer im anderen Stockwerk arbeitete. Cindy wüsste jetzt sicher ihren Namen, ich hatte ihn natürlich schon wieder vergessen.
 

»Mr. Lewis!«, rief sie mir zu und winkte mich zu ihr. Die anderen in ihrer Gruppe drehten sich zu mir um. Und natürlich Santa. »Sie sind heute da? Ich bin ganz überrascht!«
 

Sie war schon etwas älter. Eigentlich eine sehr liebe Dame, die etwas mehr Geld zu ihrer baldigen Rente wollte, um ihre Enkelkinder regelmäßig besuchen zu können, die irgendwo anders, nur nicht in London wohnten. Sie winkte mich energisch zu sich rüber.
 

Nur schwermütig konnte ich mich in Bewegung setzen.
 

»Mr. Lewis, schön, dass Sie da sind!«
 

»Mhm«, brummte ich und presste die Lippen aufeinander.
 

»Was hat Sie umgestimmt heute zu kommen? Letzte Woche sagten Sie noch, Sie wären nicht interessiert.«
 

Ah, vielen Dank, liebe Kollegin. Ich war keine fünf Minuten da und schon sollte ich mich vor dem Weihnachtsmann blamieren, in dem ich zugeben musste, dass es nur wegen ihm war.
 

»Oh, das ist vielleicht auf meinem Mist gewachsen«, lachte er dunkel auf, noch bevor ich etwas erwidern konnte. Meine Kollegin und ein paar andere Damen formten sofort ein interessiertes O mit ihren Lippen. »Ich habe ihn überredet zu kommen. Wir wollten noch eine Runde Glühwein trinken.«
 

Er spielte mit offenen Karten, wie nett. Die anderen nickten amüsiert, als hätten sie schon einiges intus. Dabei war ich nur eine halbe Stunde zu spät. Genüsslich zog er an seiner Zigarette. Sein angeklebter Bart wackelte dabei interessant im Wind, wann immer er die Lippen spitzte. Er beobachtete mich, wie ich ihn beobachtete, bis er schließlich grinste und mir seine Schachtel Zigaretten hinhielt. »Wollen Sie auch eine?«
 

»Oh, nein, vielen Dank. Ich rauche nicht«, lächelte ich zögerlich und schüttelte den Kopf. »Aber danke.«
 

Santa nickte und steckt die Packung schnell wieder weg. Durch das Tratschen der anderen Damen fiel es mir zunehmend schwerer ein Gespräch mit ihm anzufangen. Ich war einfach sozial unbegabt.
 

Irgendwann, nachdem ich mich einfach für mehrere Minuten still dazugestellt hatte, während die anderen rauchten, ging die Gruppe wieder rein. Ich folgte wie ein braver Dackel, sagte aber nichts. Santa hielt mir mehrmals die Tür auf, nahm dann sogar meine Jacke ab und hing sie zu den anderen. Im Erdgeschoss hatte das Center dann die großen Bierbänke beieinander gestellt, sodass eigentlich fast jeder Platz hatte. Inmitten der weihnachtlichen Deko und ohne die ganzen nervigen Besucher hatte das ganze sogar irgendwie seinen Charme, musste ich gestehen.
 

»Kann ich Ihnen dann schon einen Glühwein holen oder möchten Sie erst etwas essen?«, fragte mich Santa, als wir uns gerade an einen freien Platz bei den Bierbänken setzen wollten. Ich hielt sofort inne und lächelte zögernd zu ihm auf.
 

»Ein Glühwein wäre toll«, sagte ich leise, obwohl ich genau wusste, dass ich vielleicht erst etwas Essen sollte. Bis auf ein Sandwich am Nachmittag mit Ethan hatte ich nichts. Doch Santa verschwand schnell und kam auch ebenso schnell wieder mit den zwei Tassen.
 

Alle um uns herum waren sich am unterhalten. Viele lachten laut, andere hatten einfach eine laute Stimme. Generell war es schwierig das eigene Wort zu verstehen, da im Hintergrund sogar weihnachtliche Musik durch die Lautsprecher tönte.
 

»Ich war noch nie auf so einer Feier, muss ich gestehen«, sagte ich kleinlaut und sah mich schüchtern um. »Ist eigentlich nicht so meins.«
 

»Dann freue ich mich umso mehr, dass Sie trotzdem hier sind«, antwortete Santa in mein Ohr, damit ich ihn verstehen konnte. Doch so nah hätte er nicht kommen brauchen – so laut war es nicht. Er tat es trotzdem. Sein Atem lag förmlich auf meiner Haut.
 

Und noch bevor ich es genießen konnte, vom Weihnachtsmann verführt zu werden, kam mein Chef auf uns zu. Er redete wie ein Wasserfall und hatte offensichtlich schon einiges intus. Er quatschte sogar Santa voll, der ihm geduldig zuhörte. An seinem Mundzucken und dem regelmäßigen Blickwechsel zu mir, konnte ich jedoch erahnen, dass er sich auch wünschte, mein Chef würde bald wieder gehen.
 

Nach einer gefühlt ewigen Ansprache unseres Centerleiters, in der ich zwischendurch kleine Häppchen für Santa und mich geholt hatte, trank ich meinen zweiten Glühwein aus.
 

»Wollen Sie noch einen?«, fragte Santa sofort und hatte meine Tasse schon in der Hand.
 

»Oh, puh«, seufzte ich und lachte verlegen. »Ich vertrage nicht so viel Alkohol. Vielleicht sollte ich eine kurze Pause einlegen.«
 

Natürlich bekam das meine ältere Kollegin mit, die an unseren Tisch saß, und raunte mich sofort von der Seite an. »Mr. Lewis! Trinken Sie! Es ist kostenlos! Und wenn der Weihnachtsmann Ihnen noch einen Drink holt, lehnt man das doch nicht ab!«
 

Dabei zwinkerte sie wie alte Damen es eben gerne taten und hinterließ bei mir ein unangenehmes, peinliches Gefühl. Stand sie etwa auch auf ihn? Sie hätte seine Mutter sein können, wäre einiges schief gelaufen. Wobei ich mir auch nicht ganz sicher war, wie viele Jahre er nun tatsächlich auf dem Buckel hatte. Er hätte alles sein können. Mit der Verkleidung war das schwer einzuschätzen.
 

Als er wiederkam und uns neue Tassen mit Glühwein brachte, stießen wir an und tranken einen großen Schluck. Da war wieder Rum drin. Wollte er mich abfüllen?
 

»Wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte ich wie aus dem Nichts und versuchte ein Gespräch anzufangen, was nicht sofort wieder unterbrochen werden würde.
 

Santa lachte und zeigte mir dabei seine kleinen Lachfalten um die Augen. »Was denken Sie?«
 

»Oh nein«, lachte ich und winkte ab, als wäre ich ein kleines Mädchen, das sich für ein Kompliment schämte. »In solchen Ratespielen bin ich ganz, ganz schlecht.«
 

»Wirklich? Dann helfe ich Ihnen: Ich bin mit Sicherheit älter als Sie.«
 

»Sie kennen mein Alter?«, hakte ich amüsiert nach und klammerte mich an meine Tasse.
 

»Nein, aber ich würde Sie auf ein Alter schätzen, was definitiv unter meinem liegt.«
 

»Lassen Sie hören«, forderte ich ihn auf und spürte den Alkohol in meinen Wangen pochen.
 

»34.«
 

Ich lachte sofort auf. Mein Chef und meine Kollegin drehten sich bei dem ungewohnten Laut neugierig um.
 

»Sie sind gut«, kicherte ich und biss mir auf die Unterlippe. »Ich bin 33. Aber bald 34.«
 

»Sehen Sie«, sagte er mit einem breiten Grinsen. »Ich bin wesentlich älter als Sie.«
 

Ich formte meine Augen zu Schlitzen. Ich hasste eigentlich das Spiel ‚Rate wie alt ich bin‘, weil es immer unangenehm war. Entweder man schätzte zu jung, dann waren die Leute entweder empört (‚Ich bin doch kein Küken!“) oder geschmeichelt (‚Oh vielen Dank!‘), oder man schätzte zu alt, dann waren die Leute meistens eher empört (‚Sehe ich etwa schon so alt aus?‘). Am besten fuhr man also mit zu jung, doch was war zu jung? Es musste glaubwürdig erscheinen, zu jung durfte man also auch nicht schätzen. Wenn er sagte, dass er älter als ich war – und zwar wesentlich älter – dann …
 

»Über 40?«, hakte ich nach und bereitete mich schon einmal darauf vor, den Abend alleine zu verbringen. Doch Santa lachte leise.
 

»Sehr gut«, sagte er und stoß mit meiner Tasse an. »Punktlandung. Ich bin 40.«
 

Ich grinste breit – so breit, dass meine Lippe wieder schmerzte und ich etwas im Gesicht zuckte. Santas Lächeln verschwand für einige Sekunden, als er mein schmerzverzerrtes Gesicht sah.
 

»Sie sind doch niemals 40, junger Mann«, tönte die Stimme meiner Kollegin. Eine andere Frau, vermutlich eine Freundin von ihr im selben Alter, stimmte ihr zu. »Sie sehen viel jünger aus!«
 

Oh, diese Heuchler. Man sah ungefähr gar nichts von ihm. Weder sein Gesicht noch seinen Körper. Überall war er verkleidet und das als alter Mann – wie kann man da jünger aussehen?!
 

Doch Santa reagierte wie immer sehr höflich und bedankte sich einfach. Er haute sogar noch einen unglaublich schlechten Spruch über ‚Sie könnten doch auch meine Schwestern sein‘ raus, sodass die beiden Omis wie wild kicherten. Er war also auch noch der perfekte Schwiegersohn, so viel stand fest.
 

Tatsächlich verlief der Abend trotz der peinlichen Zwischenrufe sonst sehr gut. Ich unterhielt mich hier und da sogar mal mit anderen Kollegen, doch hauptsächlich blieben meine Augen auf Santa. Seine braunen Augen suchten immer wieder meine und wir redeten über Gott und die Welt. Über Länder, Kleidung, die Arbeit im Center und grundsätzliche Einstellungen. Er war so anders und mir doch so ähnlich. In vielen Punkten wirkte er grob, etwas dümmlich. Doch dann zeigte sich seine enorme Intelligenz an anderen Punkten. Er war ein sehr empathischer Mensch. Das, was mir fehlte, hatte er wohl umso mehr abbekommen. Seine Sicht auf die Menschen war enorm. Als ich ihm erzählte, was ich alles für Ausbildungen hatte, war er immens überrascht. Er unterhielt sich dann mit mir über die Psychologie, teilweise über Forschungsarbeiten und schließlich spürte ich, wie wir irgendwann über alte Gemälde und deren Wirkung in der damaligen Zeit sprachen.
 

»Sie sind ein sehr gebildeter Mensch«, sagte Santa irgendwann. Seine Stimme war noch immer recht stabil, als hätte er vielleicht ein Bier getrunken, aber mehr nicht. Ich dagegen lallte wie jeder andere im Raum.
 

»Sie aber auch«, druckste ich rum. »Selten, dass jemand so viele Dinge mit mir teilt.«
 

»Sie wären überrascht«, säuselte er und drehte sich noch ein Stück zu mir. Auf der Bierbank berührten sich unsere Beine schon seit Minuten. Die Wärme, die von ihm ausging, sprang förmlich zu mir herüber. Meine Wangen pochten, die Welt wankte etwas und mein Blick fixierte sich jede Minute erneut auf seinen Mund. Oh nein, dachte ich, das kann ich nicht bringen. Nicht vor versammelter Mannschaft.
 

»Wieso sind Sie noch so nüchtern?«, lachte ich und griff nach seiner Tasse, die so wie meine noch halbvoll war. »Schenken Sie nur mir Alkohol ein und trinken stattdessen Kinderpunsch?«
 

Santa lachte sein dunkles Lachen und schüttelte den Kopf. »Nicht doch. Ich bin vermutlich einfach mehr Alkohol gewöhnt. Und ich habe vorhin gut gegessen. Ich schätze mal, da wird der Unterschied liegen.«
 

»Sie trinken also gerne?«, kicherte ich und merkte erst im Nachhinein, dass es so klingen könnte, als wollte ich gerade seine Alkoholsucht untersuchen.
 

»Manchmal«, gab er jedoch ungeniert zu und zwinkerte. »Allerdings trinke ich viel lieber Schnäpse oder Liköre. Weine sind eher nichts für mich.«
 

»Wie schade«, murmelte ich und trank von seiner Tasse, als wäre es meine. »Ich dachte, ich könnte Sie bei Gelegenheit auf ein Glas Wein einladen.«
 

Noch bevor ich merken konnte, was ich da gerade gesagt hatte, lächelte Santa. Es war ein seltsames Lächeln. Vielleicht waren meine Sinne benebelt, aber ich fühlte mich auf einmal in seinem Blick gefangen. Er war das Raubtier. Ich war seine Beute.
 

»Für Sie mache ich gerne eine Ausnahme«, war dann schließlich seine Antwort und ich sog harsch Luft durch meine Nase.
 

Ich nickte. Und nickte erneut. Kein Wort kam aus mir heraus. Hatte ich mir gerade ein Date mit dem Weihnachtsmann klar gemacht? Also so ein richtiges Date? Wow. Wenn er zu mir in die Wohnung für ein Glas Wein kommen würde, war doch klar, wohin es führen würde. Und die Vorstellung mit ihm…
 

»E-Entschuldigen Sie mich, ich muss… muss kurz auf Toilette«, sagte ich hastig und stand auf. Dabei riss ich fast beide Tassen mit und stolperte über die Bierbank. Seine großen Hände hielten mich dabei an der Hüfte feste und stabilisierten mich. Zittrig griff ich nach seinen Schultern und stieg aus der Bierbank. Santa lächelte noch immer sein mysteriöses Lächeln und beobachtete mich, wie ich schließlich Richtung Toiletten ging. Diese waren nicht weit weg, aber wie es in Centern üblich ist, nicht unbedingt leicht erreichbar. Einige Weiber kamen mir fröhlich schnatternd entgegen, bevor ich in den Gang einbog, wo es zum Männerklo ging. Dort angekommen, spritzte ich mir sofort kaltes Wasser ins Gesicht und seufzte laut auf. Kein guter Zeitpunkt für einen Ständer. Absolut unpassend.
 

Nach mehreren Minuten, in denen ich versuchte mich zu beruhigen, verließ ich die Toilette dann wieder. Ich wankte ganz schön und mein Puls war noch immer beschleunigt. Der Weihnachtsmann machte mich ganz schön verrückt. So etwas passierte mir sonst nicht. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass ich nicht wirklich wusste, wer er war. Oder dass er von allen angehimmelt wurde, doch er anscheinend nur Augen für mich hatte. Das gab mir ein gutes Gefühl. Das Gefühl, dass ich wichtig war.
 

Als ich mich wieder zu ihm setzte, griff er erneut nach meiner Hüfte und führte mich auf die Bank. Ich ließ es geschehen und warf ihm sogar ein Lächeln zu, auf das ich enorm stolz war. Alle anderen um uns herum waren so betrunken wie ich, sodass ich mit allen sprach, ohne es wirklich mitzubekommen. Mit einer Dame unterhielt ich mich über Kinder, mit einem anderen Kerl über Männerpflege und ein anderer wollte von mir wissen, wie ich die Arbeit hier finde.
 

Santa derweil saß wie nüchtern neben mir und hörte gespannt zu, wann immer er in kein Gespräch gebunden war. Irgendwann stand er auf, scharrte seine Engelchen um sich, die anscheinend auch da waren, und hielt eine kleine Rede am Mikrofon der kleinen Bühne am Tannenbaum. Ich hörte nicht wirklich zu, sondern fixierte mich voll und ganz auf seinen Körper. Wie er den Mund bewegte und wie seine Hände in der Luft wedelten und dass dieser Mund und diese Hände an mir Dinge tun könnten, die ich sonst niemanden hätte tun lassen. Nach einem sehnsüchtigen Seufzen von meiner Seite, klatschten auf einmal alle. Santa ging von der Bühne, die Engel folgten ihm. Schließlich verteilte er kleine Geschenke. Jeder bekam dasselbe. Ich vermutete, dass es eine kleine Aufmerksamkeit des Centers war. Einige packten sofort aus und es war tatsächlich ein kleines Glas Marmelade und ein Stück Seife oben drauf. Sehr süß, dachte ich.
 

Schließlich kam Santa zu unserem Tisch und verteilte die kleinen Geschenke. Als er bei mir ankam, stand er dicht hinter mir, stellte das quadratisch Päckchen vor mir auf den Tisch und kam mir nahe. Sehr nahe. So nahe, dass ich seine Nase in meinem Nacken spürte. Der Bart kitzelte an meinem Hals.
 

»Für Sie, Mr. Lewis«, brummte er in mein Ohr.
 

Oh, ja.
 

Vielleicht werde ich heute doch noch Sex haben, dachte ich. Jedenfalls hatte ich die Entscheidung bereits getroffen, dass ich sofort mitgehen würde, sollte er mich fragen.
 


 

Später kam er wieder zu mir, nachdem er noch eine rauchen war. Er setzte sich neben mich und unterhielt sich mit anderen, ohne dabei meine Nähe zu verlassen. Schließlich, gegen Ende des Abends, legte er seine große, warme Hand auf meinen Oberschenkel. Gott, dachte ich, das ist so intim. Dabei war es die wohl oberflächlichste Gestik der Zugehörigkeit, die man nach dem Händchenhalten machen konnte. Noch bevor seine Hand immer weiter höher rutschen konnte – und ich hätte ihn nicht aufgehalten – wurde der Abend auf einmal beendet.
 

Die meisten Leute gingen, als sie merkten, wie spät es bereits geworden war. Viele mussten am nächsten Tag wieder arbeiten. So wie auch ich.
 

»Es ist ja schon halb zwei…«, murmelte ich enttäuscht und lehnte mich noch ein Stückchen näher zu Santa. Seine Hand blieb wo sie war. Sein Daumen kreiste über meine schwarze Jeans. Der Bart blieb etwas in meinen Haaren hängen.
 

»Sie müssen morgen auch arbeiten, oder?«, fragte er ruhig und legte schließlich sein Kinn auf meinem Kopf ab, während ich auf meinem Handy nach der Taxi App suchte.
 

»Ja, leider. Sie auch?«
 

»Nein, ich habe morgen mal frei.«
 

»Oh, wie praktisch. Dann können Sie ausschlafen. Schlafen Sie für mich mit«, lachte ich sichtlich angetrunken und orderte mir schließlich ein Taxi. Die Hoffnung, ich könnte vielleicht doch noch mit ihm mit, sank dann nach jeder Minute, in der er nicht fragte.
 

Aber ich redete mir ein, dass es auch viel zu schnell gehen würde. Wir kannten uns ja auch erst seit einer Woche. Und da nicht mal regelmäßig, bis auf ein paar Blicke und Worte. Doch der Abend machte mir Hoffnung, dass wir uns tatsächlich irgendwann näher kommen würden.
 

Schließlich gingen wir beide dann auch nach draußen, wo ich auf mein Taxi wartete.
 

»Soll ich sie ein Stück mitnehmen?«, fragte ich und deutete auf das einfahrende Auto. »Wo wohnen Sie denn?«
 

Er blinzelte einige Male zum Auto, dann zu mir. Andere Kollegen verabschiedeten sich von uns, schrien und grölten, während sie in die Taxen stiegen.
 

»Richtung Charlton«, antwortete er schließlich.
 

»Sehr gut, dann nehme ich Sie ein Stück mit. Ich muss in dieselbe Richtung, nur noch ein Stückchen weiter«, verkündete ich fröhlich, auch wenn es nicht ganz stimmte. Es war ein kleiner Umweg, aber ich war betrunken und ich wollte ihn noch ein bisschen länger bei mir haben. Das waren mir die paar Pfund mehr, die es kosten würde, wert.
 

Santa war sich wohl noch einige Sekunden lang unschlüssig, ob er mitfahren sollte, oder nicht, da er wie in Stein still dastand und sich nicht bewegte. Das Taxi fuhr derweil auf den Parkplatz des Centers und hielt an. Ich sah ihn mit großen Augen an.
 

»Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen. Ich dachte nur, ich … kann Sie ja auch noch ein Stück mitnehmen, wenn wir doch… sowieso in dieselbe Richtung müssen.«
 

Sein langer schwarzer Mantel, dessen Kragen er hochgestellt hatte, ließ ihn noch größer wirken, als sonst. Seine große Statue, die langen Beine und die breiten Schultern ließen ihn fast schon etwas bedrohlich im faden Licht des Centers wirken. Besonders, weil er keine Mimik verzog. Ganz im Gegenteil: es bildeten sich Fältchen auf der Stirn.
 

»Sie müssen nicht«, wiederholte ich und kam auf ihn zu. »Kommen Sie dann bitte gut nach Hause. Es war ein wirklich schöner Abend. Vielen Dank.«
 

Damit nahm ich all meinen Mut zusammen, griff nach seinem Ärmel, zog mich ein Stückchen hoch, stellte mich auf Zehenspitzen und küsste ihn liebevoll auf die Wange. Mein Atem wurde zittrig und ich ließ so schnell wieder los, dass ich ihm gar keine Chance gab, darauf zu reagieren. Schnell drehte ich mich wieder um und stampfte zum Taxi.
 

»Mr. Lewis«, hörte ich seine Stimme. Eigentlich wollte ich nicht stehen bleiben. Die Angst auf eine Abfuhr lähmte mich irgendwie trotzdem, sodass ich vor dem Taxi innehielt. »Vielleicht können Sie mich doch ein Stückchen mitnehmen? Nur ein paar Straßen«, erklärte er sanft und ich spürte erneut seinen Atem auf meiner Haut. Er stand direkt hinter mir und öffnete die Tür für mich.
 

Ich lächelte so gut ich mit meiner Nervosität konnte und stieg in den Wagen. Santa folgte mir auf die Rückbank kurz nachdem ich durchgerutscht war. Er nannte dem Fahrer eine Straße, die ich nicht kannte.
 

Mit zittrigen Fingern schnallte ich mich an, als der Wagen losfuhr. Der Taxifahrer hörte irgendeine seltsame Musik im Radio, die aber nicht zu laut oder zu leise war. Sie war genau richtig für das, was in meinem Kopf schwebte und Santa tatsächlich durchführte.
 

Er beugte sich zu mir, rutschte auf den mittleren Sitz und legte einen Arm um mich. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie ich seine Lippen an meinen spürte. Vorsichtig, dann immer hungriger pressten wir uns aneinander. Seine warme Haut fühlte sich enorm gut unter meinen kalten Händen an, die bereits in seinem Nacken lagen. Der Duft seines Parfüms oder Aftershaves kroch erneut in meine Nase.
 

Seine Lippen waren etwas rau, aber das konnte auch der Bart gewesen sein. Die Plastikhaare waren unangenehm auf der Haut. Aber als seine Zunge in meinen Mund glitt, konnte ich mich auf nichts anderes mehr fixieren, als das leidenschaftliche Gefühl, was in mir wuchs und schnell zur Gier wurde.
 

Gier nach mehr.
 

Ich presste mich während unserer leidenschaftlichen Küsse immer weiter an ihn. Seine Hände wanderten über meinen Rücken, streichelten über den dicken Stoff meiner Jacke. Sein Gewicht wurde zunehmend schwerer, je mehr ich im Sitz versank und je mehr er über mich kletterte. Der Gurt war im Weg, also schnallte ich mich mit einer etwas umständlichen Handbewegung ab. Schnell zischte er nach hinten, sodass ich mehr Bewegungsfreiraum hatte.
 

»Ja«, hauchte ich in seine weißen Haare, während er meinen Nacken und Hals mit Küssen übersäte. Ich fuhr mit meinen Händen über seine Schultern und glitt an seinen Armen entlang. Er machte ein zischendes Geräusch, das ich nicht ganz einordnen konnte, fuhr jedoch fort und beglückte mich weiterhin mit seiner vielen Küsse.
 

Schließlich begann ich mich gänzlich auf die Rücklehne zu legen, sodass er zwischen meine Beine rutschte.
 

Oh Gott, würden wir wirklich in einem Taxi Sex haben?
 

Doch ehe ich diese Frage für mich beantworten konnte, blieb der Wagen stehen. Rund zehn Minuten waren vergangen, seitdem wir eingestiegen waren. Das sah ich an der Uhr beim Fahrer. Der sagte nichts, blieb einfach stehen und räusperte sich verlegen.
 

Santa sah sofort aus dem Fenster und schien die Gegend wieder zu erkennen. Sein Gesicht war wie immer: ruhig, gelassen. Etwas gebräunt, keine Anzeichen von Röte. Bis auf seine Lippen, die im Laternenlicht mit etwas Speichel benetzt glitzerten, deutete nichts daraufhin, dass er mich gerade verführt hatte.
 

»Ich muss hier aussteigen«, sagte er leise und beugte sich noch einmal zu mir vor, um mich intensiv zu küssen. Der Kuss artete erneut in einem leidenschaftlichen Zungenkuss, bis er sich tatsächlich von mir löste und dem Taxifahrer einen Schein in die Hand drückte.
 

»Nein, nein, ich zahle das schon«, sagte ich hektisch und versuchte das Geld zu erhaschen. Doch ich war zu betrunken, also griff ich daneben. »Ich muss doch eh noch weiter!«
 

»Schlafen Sie gut, Mr. Lewis«, sagte Santa stattdessen in seiner dunklen, beruhigenden Stimme. »Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen.«
 

Mit einem letzten Lächeln stieg er schließlich aus und machte die Tür zu. Der Taxifahrer blieb stehen und wartete wohl, dass ich ihm sagte, wohin er fahren sollte. Murmelnd nannte ich ihm meine Adresse, sodass er vorsichtig losfuhr, während ich Santa dabei zusah, wie er die dunkle Straße entlang ging und schließlich hinter einer Ecke verschwand.
 


 

Mein betrunkenes Gehirn dachte noch sehnsüchtig an die Knutscherei. Und meine Erektion tat es ebenso.


Nachwort zu diesem Kapitel:
... Ich probiere es mal ohne Adult. Immerhin ist es nur Knutschen und Fummeln :D

Ab morgen muss ich dann wohl aber wirklich Adult machen. Sex muss gekennzeichnet werden ;-) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tine_TeaParty
2018-12-10T19:50:38+00:00 10.12.2018 20:50
Sehr heiß, die Szene im Taxi 😏 Wahrscheinlich hat Santa gezischt, weil ihn eine Verletzung schmerzte... XD
Von:  Jitsch
2018-12-10T19:14:27+00:00 10.12.2018 20:14
Und ich dachte Kyle schafft es vielleicht mal, Santa zumindest ansatzweise ohne Kostüm kennen zu lernen. Küssen mit nem falschen Bart im Weg stelle ich mir nicht besonders nett vor, aber wenn man betrunken ist macht das wohl nichts.
Die Szene im Auto war definitiv heiß, aber gut zu wissen dass da noch mehr kommt ;o


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