SANTA kills (Adventskalendergeschichte) von ellenchain ================================================================================ Kapitel 6: Suspekt ------------------ Die Verstärkung kam dann recht fix, sobald sie meine zitternde Stimme ‚Wolkow‘ sagen hörten. Freya selbst erschien und inspizierte das Haus. Es war möbliert, aber soweit leer. Ethan legte mir eine Schockdecke um und reichte mir einen warmen Kaffee, den ich mit noch immer wackelnden Händen annahm. »Du hast so unfassbares Glück, Kyle«, bemerkte er trocken und rieb über meinen Rücken, um mich zu wärmen. Eine liebevolle, wenn auch seltsam nahe Geste. »Du bist Wolkow zwei Mal entkommen. Ich glaube, das hat noch nie jemand geschafft.« Ich nickte einfach stumm und sah dabei zu, wie die Spurensicherung Fingerabdrücke und anderes DNS Material nahm. Gerade, als ich mich zu entspannen versuchte, kam Freya auf mich zu. Ihr stierer Blick und die extrem aufrechte Haltung verrieten mir, dass sie wütend war. »Mr. Lewis«, begann sie zischend wie eine Schlange, als sie vor Ethan und mir stehen blieb. »Wieso sind Sie alleine hierher gekommen, wenn Sie geahnt haben, dass die Subjekte sich hier befinden?« »Ich war mich nicht sicher und wollte nur die Lage sondieren«, murmelte ich leise und tat so, als würde ich mich für meine Tat schämen. Dabei war ich Lichtjahre davon entfernt mich auch nur in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen. Immerhin hatte ich ein Nest zerstört. Hier würden sie nicht wieder herkommen. »Keine Alleingänge mehr von nun an«, raunte sie mich an und zeigte mit dem Finger auf mich. »Ab sofort melden Sie jedes Detail der zuständigen Stelle – nämlich mir. Ich werde dann bei ausreichend Hinweisen ein Einsatzkommando hinschicken, was sich darum kümmert. Wir sprechen hier immerhin von Geiselnahme. Mit solchen waghalsigen Aktionen bewirken Sie rein gar nichts, Mr. Lewis. Außer Ihren eigenen Tod.« In dem Moment konnte ich auch an nichts anderes denken. Wie ich dem Tod von der Schippe gesprungen war. Weil Wolkow es so wollte. Weil er mir erlaubt hatte, weiterzuleben. Seine Warnung verstand ich trotzdem nicht. Ich sollte vielleicht anfangen, Diktiergeräte laufen zu lassen, sollte ich ihm noch einmal unterkommen, um dann das Gesprochene übersetzen zu lassen. Aber eigentlich wollte ich Wolkow nicht noch einmal unter die Augen treten. Als ich einfach vor mich hin schwieg und apathisch in eine Ecke starrte, seufzte Freya auf und übergab Ethan die Unterlagen für den Bericht. Ein stummes ‚Du interviewst ihn‘. Sobald sie weg war, drehte sich Ethan zu mir um und tat das, was man von ihm verlangte. »Fühlst du dich stabil genug, mir zu erklären, was passiert ist?« »Echt jetzt, Ethan? Du willst jetzt den Bericht schreiben? Den kann ich dir morgen selber schreiben.« »Aber jetzt ist es noch frisch. Nur kurz. Was du noch weißt«, versuchte er es vorsichtig weiter. Seine Stimme war sanft und liebevoll – er wollte mich nicht verärgern. Nur vermeiden, dass er Freya verärgerte. Ich seufzte kaum hörbar und blinzelte in den hinteren Garten, wo Wolkow mich in der Mangel hatte. Meine Lippe tat weh. Das Blut in meinem Mund war noch eindeutig zu schmecken. Ich erzählte Ethan, was nötig war. Dass er mich überrascht hatte, als ich das Haus inspizieren wollte. Dass er nicht auf mich schoss, mich dafür aber wieder ordentlich zurichtete. Dass ich ihn jedoch am Arm getroffen hatte und das definitiv eine Narbe geben würde. Als ich zu dem Punkt kam, dass er erneut auf Russisch mit mir gesprochen hatte, fragte Ethan nach. »Ich habe keine Ahnung«, wiederholte ich gereizt. »Ich kann kein Russisch!« »Aber vielleicht kannst du die Wörter nachsprechen? Ich frage dann jemanden bei uns, der Russisch kann. Vielleicht erkennt er das Wort!« Immer wieder öffnete ich den Mund und schloss ihn wieder. Mein Gehirn suchte nach den richtigen Vokalen und der richtigen Aussprache. Irgendwie bekam ich dann ein fades Wort zustande. »Er hat mehrmals sowas wie ‚Prochatsuda‘ gesagt. An den Rest kann ich mich nicht erinnern. Das ging viel zu schnell.« Ethan lächelte mich aufmunternd an. »Das ist doch schon mal was!« Schnell notierte er sich mein Kauderwelsch auf den Zettel. Ich bezweifelte, dass irgendein Muttersprachler das verstehen würde, aber einen Versuch war es wert. Nachdem mich noch gefühlt zehn weitere Personen gefragt hatten, ob es mir gut ginge und ob ich ärztliche Unterstützung benötigte, schlich ich mich davon. Auch wenn ich ein ungutes Gefühl hatte, alleine ins Auto zu steigen, mit Puddingbeinen, zittrigen Händen und einer Jahres-Dosis Adrenalin im Blut zu fahren, kam ich heil zu Hause an. Dort wartete niemand auf mich. Die Wohnung war dunkel und leer. Ich schnappte mir die Rotweinflasche und ertränkte meinen Frust am Wohnzimmerboden. Dort hockte ich wie ein armer Irrer, mit Blut im Gesicht, schmerzenden Knochen und der kompletten Polizeiausrüstung, die ich zum Einsatz anhatte. Nur langsam schälte ich mich aus der kugelsicheren Weste. Erste Hämatome machten sich bemerkbar. Ich entschloss mich, morgen krank zu sein. Meine Nerven lagen noch blank – ich hatte keine Lust mich in ein paar Stunden schon wieder mit nervenden Kunden rumzuschlagen. Noch in der Nacht schrieb ich meinem Chef eine SMS, dass ich nicht kommen würde und dass es mir leid tat. Irgendwann schlief ich dann neben meiner Weinflasche aus Erschöpfung ein. Am nächsten Morgen konnte ich mich kaum vom Boden erheben. Ich dachte daran einfach wie eine gestrandeter Wal auf dem Wohnzimmerteppich liegen zu bleiben und den Rest meines Lebens die weiße Decke anzustarren, während ich gequälte Laute von mir geben würde. Doch mein Verlangen nach einer Dusche wurde stärker, als der Drang liegen zu bleiben. So erhob ich mich letztendlich doch vom Teppich, streifte jegliche Kleidung von meinem Körper und begab mich ins Bad. Dort sah ich dann das Ausmaß der gestrigen Schlägerei. Hämatome, Quetschungen und einige Kratzer an den Bereichen, wo keine Kleidung lag. Meine Lippe geschwollen und ein wenig blutunterlaufen. Die Verletzung war Gott sei Dank auf der Innenlippe, sodass ich nur ein wenig das Flair von Drag Queen mit Lippenstift hatte, anstatt einer vermöbelten Drag Queen mit Lippenstift. Die Dusche war Segen und Hölle zugleich. Alles tat weh, alles schmerzte, aber danach fühlte ich mich wenigstens wie ein sauberer Invalider. Ich schmiss mir sofort danach mit einer großes Tasse Kaffee ein paar Schmerztabletten ein. Beim Anblick der Blisterpackung musste ich schmunzeln. Ob Santa heute da war? Und ob er mich heute vermissen würde? Ach, dachte ich, so ein Quatsch. Er weiß doch gar nicht, wann du arbeitest. Wieso sollte er dich dann vermissen? Ein ganz kleiner Teil in mir flüsterte jedoch: Was, wenn er dich doch vermisst? Was würdest du dann tun? Ihn näher kennenlernen? Er ist der Weihnachtsmann, aber das stört dich nicht, richtig? Weil er Interesse an dir zeigt – so oft wie er in seiner wenigen freien Zeit im Center bei dir war? Das subtile Lächeln, die Schokolade und die intensiven Blicke. Du kannst es nicht dementieren: er gefällt dir. Da ich nicht vorhatte, den Tag alleine zu Hause mit elendigem Jammern zu verbringen, fuhr ich ins Büro, wo man mir wenigstens dabei zuhören konnte. »Man, Kyle, du solltest doch zu Hause bleiben«, seufzte Ethan, als er mich reinkommen sah. Ich schlurfte meinen Weg zum Schreibtisch, wo erneut neue Unterlagen platziert worden sind. »Mrs. Iwanowna ist noch immer eine Geisel. Da ist keine Zeit für Wehwehchen.« Mein Kollege warf mir einen argwöhnischen Blick zu. »Du weißt schon, dass man dich ersetzt hat? Zumindest so lange du im Krankenstand bist.« Ich hob beide Augenbrauen an. Wie gut, dass ich diese Information mal wieder auf drittem Wege bekam. »Ersetzt? Durch wen?« »Keine Ahnung«, murmelte Ethan und klappte sein Comicbuch zu. »Ich glaube, Freya nimmt sich dem persönlich an. Wir sind zurzeit ziemlich überlastet. Dass du ausfällst, gefiel ihr nicht so.« »Ja, dass sie wütend auf mich war, habe ich gemerkt«, schnaubte ich genervt aus und presste die Lippen aufeinander. Dass Freya einen Fall selber übernahm, machte mich skeptisch. Normalerweise hielt sie sich aus allem raus – jedenfalls wörtlich gesprochen. Ihre schönen Finger wurden nur in etwas Dreckigem reingehalten, wenn es wirklich nicht anders ging oder es unbedingt nötig war. Also entweder machte sie sich wirkliche Sorgen um Irina Iwanowna, sodass sie selber Hand anlegte, oder ein Vorgesetzter hatte Druck gemacht. Zweiteres klang wesentlich wahrscheinlicher als ersteres, wenn man ihre sonstige Einstellung zu Opfern berücksichtigt. Die klang ungefähr so: Ist mir scheiß egal. »Ich bin trotzdem hier, um weiter am Fall zu arbeiten«, sagte ich schließlich und schlug die Akten auf. Neue Personen, nicht wirklich etwas Neues. Wir wussten bereits, dass Mr. Green in der Sache verwickelt war. Oder seine Ex-Frau. Oder beide. »Sie hat dich auch nicht wirklich zu 100 Prozent ersetzt. Du sollst sicherlich trotzdem noch ein paar Sachen übernehmen im Fall Iwanowna. Sie ist nur besorgt.« Das ließ mich aufschauen. »Besorgt?« Ethan zuckte die Schultern. »Sie sprach gestern, als du schon weg warst, davon, dass Wolkow sonst keine Überlebenden hinterlässt. Schon gar nicht schnüffelnde Geheimagenten. Sie vermutet, dass es der Beginn eines Größeren war. Oder eben ein Teil davon.« Ich entließ angespannt Luft aus meiner Nase. »Klingt nicht nach Sorge. Klingt mehr nach Unmut.« Mein Kollege sah mich fragend an, sagte aber nichts. Als nichts weiter kam, nahm ich es als Aufforderung mich zu erklären. »Sei ehrlich, Ethan, es klingt eher nach Skepsis. ‚Wieso hat Wolkow meinen kleinen Agenten nicht umgebracht?‘. Genau das wird ihr im Kopf rumschwirren. Was ja auch verständlich ist – es ist seltsam, dass er mich am Leben gelassen hat. Wenn man bedenkt, dass ich derjenige bin, der ihm schon zwei Mal das Leben zumindest für ein paar Minuten schwer gemacht hat.« Mein Ego lachte leise auf und korrigierte mich sofort, dass es sicherlich keine Minuten, sondern eher Sekunden waren, in denen Wolkow mir erlaubt hatte, irgendetwas gegen ihn zu tun. Es war eine Art Spiel, was er mit mir spielte. Ich hatte nur noch nicht ganz die Regeln verstanden. Als Ethan weiterhin schwieg, seufzte ich erneut und wedelte mit der Hand, als könne ich damit meinen Standpunkt besser erläutern. »Sie hat vermutlich Angst, ich mache meinen Job nicht gut genug und Wolkow hat einfach nur Mitleid mit mir, weil ich so erbärmlich bin. Worst case wäre, wenn sie glauben würde, ich stecke mit denen unter einer Decke.« »Wieso sollte sie das glauben?«, fand Ethan schließlich seine Stimme wieder. Da zuckte ich mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.« Und ich wusste es wirklich nicht. Doch wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, wäre es genau das, was mir durch den Kopf fliegen würde. Da läuft ein Mörder durch die Gegend, der dafür bekannt ist, kein Erbarmen zu zeigen und die Opfer mit Händen aufzureißen – und da ist ein kleiner Agent, der eigentlich im Verdeckten arbeiten sollte, ihm aber trotzdem aufgrund misslicher Zufälle schon zwei Mal in die Arme gelaufen ist und trotzdem noch lebte. Das klang in jedermanns Ohren falsch. Ethans Blick wanderte auf den Schreibtisch vor ihm, wo sein Comic Heft unter seiner Hand lag. Er schien nachzudenken. Ob über meinen kurzen Essay, wie ich in kurzer Zeit das Vertrauen jedes SIS Mitarbeiters verlieren könnte, oder über meine Gedanken zu Freyas Verhalten – er war ganz tief drin. Schließlich sahen seine Augen zu mir auf und suchten etwas in meinem Gesicht. Während wir beide uns so anstarrten, wuchs die Ungewissheit in mir. Dachte er wirklich, ich würde mit den Russen zusammenarbeiten? Würde er mich anzweifeln? Und mich bei Freya anschwärzen? Oder würde man mir ab sofort einen Kollegen auf den Hals setzen, der mich beobachten würde, um festzustellen, ob ich tatsächlich mit den Russen interagieren würde? Schließlich knirschte Ethan mit den Zähnen und spannte den Kiefer an. »Vielleicht hast du Recht.« Ich räusperte mich und fragte höflich nach. »Womit?« »Mit deiner Vermutung, dass Freya dir nicht mehr so traut.« Ein trauriges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. »Ach ja?« »Sie will den Fall selbst übernehmen, weil sie denkt, du würdest mit diesen Alleingängen die ganze Sache ins Wasser ziehen. Dich einfach so vom Fall abziehen, wäre jedoch nur Ansporn für dich, erst recht weiter zu machen. Deswegen will sie jetzt jemand anderes suchen und drauf ansetzen. Bisher will den Fall aber niemand übernehmen, seitdem bekannt ist, dass Alexej Wolkow dahinter steckt.« Nach Ethans Worten, ließ ich auch meine Zähne knirschen. »Hat sie dir das gesagt?« »Ja«, murmelte Ethan und kratzte sich verlegen im Nacken. »Vertraulich, hieß es, aber nicht unter Verschluss. Also… dachte ich…«, er druckste noch einige Mal weiter, bis er den Kopf schüttelte und dabei einige Strähnen seiner Haare ins Gesicht fielen, »Kyle, du bist mein Freund. Auch wenn du das nicht so siehst, ich will dich nicht ins Messer laufen lassen. Aber ich will auch nicht, dass du in ein echtes Messer läufst – vorzugsweise das von Wolkow. Also lass es gut sein, okay?« Er und Freya hatten Recht. In mir wuchs der Drang, genau das zu tun. Ins Messer von Wolkow zu laufen. Nicht unbedingt wörtlich, aber ich wollte den Fall lösen. Ich wollte Wolkow aufspüren, ihn zur Rede stellen, Irina Iwanowna retten und am Ende des Tages mit einem guten Gefühl in eine Bar gehen, um mich ins Nirvana zu saufen. Ethan wartete geduldig auf meine Antwort, bis ich schließlich langsam anfing zu nicken. »Sicher«, war dann meine knappe Antwort auf seine Bitte. »Ich würde nur trotzdem noch gerne dabei sein. Vom Schreibtisch aus. Du weißt schon.« »Kyle…«, seufzte Ethan und schüttelte den Kopf. »Steig doch einfach aus. Vielleicht bekommst du ja einen anderen Fall?« Und ab dem Zeitpunkt bekam ich langsam das Gefühl, dass Freya Ethan darauf angesetzt hatte, mich zu überreden, alles zu schmeißen. Denn auf sie würde ich niemals hören. Auf Ethan schon eher. Aber auch hier roch ich den verdorbenen Braten mehrere Meter gegen den Wind. »Ich denke darüber nach.« Damit stand ich auf, nickte meinem Kollegen zu und humpelte aufgrund meiner Gliederschmerzen Richtung Aufzug. Anstatt jedoch nach oben zum Ausgang zu fahren, fuhr ich runter in die Zellenabteile. Dort angekommen traf ich sofort das neue Mäuschen vom letzten Mal. Als sie mich sah, entgleisten alle ihre Gesichtszüge. »Mr. Lewis«, begann sie zitternd und sah sich nervös um. »Ich muss Sie bitten, zu gehen.« »Hallo«, begrüßte ich sie freundlich und lächelte, so gut ich mit meiner noch geschwollenen Lippe konnte. »Ich darf also immer noch nicht zum Gefangenen? Sergej Kusmin?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Anweisung… von oben.« Ich nickte verständnisvoll und steckte meine Hände in die Hosentaschen. »Ich verstehe. Und aus welchem Grund genau?« Die junge Dame zögerte, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie überhaupt befugt war, mir irgendwelche Informationen zu geben. Der Grund für mein Besuchsverbot oder das Rezept für Vanillekipferl – beides hätte sie vermutlich in der ihrigen Verfassung gleichermaßen erschüttert. »Ich darf nicht einmal den Grund erfahren?«, lachte ich, als wäre ich empört über diese Unverschämtheit. »Ist es, weil ich den Mann angeschossen habe und man vermutet, dass er gewalttätig werden könnte?« Sie holte tief Luft, als würde sie mir auf meine Suggestivfrage eine Antwort geben wollen, doch sie schwieg weiterhin und entließ die Luft einfach wieder. Da trat ich ein Stück näher an sie heran, um sicher zu stellen, dass niemand unser Gespräch mitbekommen würde. »Oder«, begann ich flüsternd und lehnte mich zu ihr, »hat es mit den Vermutungen zu tun, dass ich in irgendeiner Verbindung zu Wolkow stehe und er mir eventuell etwas verraten könnte, was ich nicht wissen dürfte?« Schlagartig wurde sie bleich. Sie sah nach unten, suchte förmlich nach Worten, als würden sie geradewegs durch ihre Schuhe fließen, wenn sie nur lang genug auf dem Boden starren würde. Als nach mehreren Sekunden nichts passierte und ich eher das Gefühl hatte, die gute Frau erschreckt zu haben, winkte ich ab und setzte wieder meine freundliche Maske auf. »Alles gut, ich mache nur Witze. Sie wissen ja, sowas passiert gerne mal in Filmen. Wollte sie nur foppen. Sie sind ja immer noch neu.« Da blickte sie wieder auf und lächelte schwach. Es war ein gezwungenes Lächeln, welches ihre sonst glatte Haut in Falten warf. »Darf ich Ihren Namen erfahren?«, fragte ich höflich, ohne irgendwie durchscheinen zu lassen, dass ich sie recherchieren werde. Erneut suchte sie nach Worten, als hätte sie vergessen, wie sie hieß. Vermutlich stand diese Frage im ähnlichen Licht wie die nach dem Grund meines Besuchsverbot und der Vanillekipferl. Doch überraschenderweise fand sie ihre Stimme wieder. »Molly Smith.« Oh, was für ein einfacher und üblicher Name. Das arme Kind. »Okay, Molly«, betonte ich ihren Namen besonders deutlich, »entschuldigen Sie meine Reaktionen. Ich bin einfach nur neugierig. Immerhin … habe ich den Mann angeschossen, richtig?« Mit einem Zwinkern streifte ich schließlich ab und verließ das Gebäude. Auf dem Heimweg überlegte ich, ob ich nicht noch einen Tag krank sein sollte, doch ich entschied mich dagegen. Irgendwie war mir nach Arbeiten in einem sichereren Umfeld. Und in einem schöneren noch dazu. Besonders, wenn der Ausblick aus dem Schaufenster gegen Nachmittag immer so unterhaltend war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)