Schwarz-Weiße Weihnacht von Maginisha ================================================================================ Kapitel 9: 9.Dezember --------------------- Aya schloss die Augen und ließ sich langsam in das heiße Wasser gleiten. Ein leiser Seufzer kam über seine Lippen, der sicherlich die Hälfte der Fangirls im Laden vor Entzücken in Ohnmacht hätte fallen lassen. Zum Glück war er allein. Vollkommen allein mit sich und der Badewanne, aus der weißer Dampf aufstieg. Die Luftfeuchtigkeit war nicht viel niedriger als die in der Wanne, aber das war Aya egal. Für die nächste halbe Stunde würde er sich um nichts und niemandem kümmern. Nicht, nachdem er den halben Tag Schnee geschaufelt hatte. Dieses Wetter da draußen war wirklich zum Abgewöhnen. Nicht, dass er Schnee nicht mochte. Aber er behinderte sie bei ihrer Arbeit und hielt die zahlende Kundschaft vom Laden fern. Ein Umstand, der ihm so gar nicht gefiel. Aber jetzt war nicht die Zeit, um sich Gedanken darum zu machen. Jetzt würde er seine protestierenden Muskeln im heißen Wasser marinieren, bis sie weich wie Butter waren und dann in sein Bett gleiten. Dazu noch... Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er vor der Tür Stimmen hörte. Langsam öffnete er ein Auge. Sie würden es doch nicht wagen... „Hast du sie fertig?“, hörte er Omi flüstern. „Sehe ich aus wie eine alte Oma, die nichts zu tun hat, außer den lieben Tag lang die Stricknadeln zu schwingen“, war Yojis nicht eben freundliche Antwort. „Ich habe Verpflichtungen.“ Aya rollte innerlich mit den Augen. So so, Verpflichtungen also. Allein heute waren zwei dieser Verpflichtungen während der Öffnungszeiten im Laden erschienen und hatten Yoji jeweils in ein ziemlich langes Gespräch verwickelt. Mit einer von ihnen war er Kaffee trinken gegangen und die andere hatte er sogar zum Mittagessen ausgeführt und war eine ganze, halbe Stunde zu spät wieder gekommen. Er unterbrach seine Gedanken, um noch einmal zu rekapitulieren, was Yoji gerade gesagt hatte. Hatte er wirklich davon gesprochen, dass er strickte? „Yojiii!“ Omi hatte diesen speziellen, leidenden Ton in seiner Stimme, der einen Stein hätte er weichen können. „Du musst dich beeilen. Aya wird langsam misstrauisch. Wie lange willst du ihn denn noch hinhalten?“ „Lass das nur meine Sorge sein. Ich werde Aya schon noch ein Weilchen an der Nase herumführen können.“ In der Badewanne öffnete Aya nun auch sein zweites Auge. Was glaubte dieser Schmalspur-Cassanova eigentlich, wer er war? Und wo bitte hatte Yoji ihn an der Nase herumgeführt? Vorsichtig, um kein verräterisches Wasserplätschern zu verursachen, schob Aya sich in der Badewanne höher. Die kühlere Luft des Badezimmers strich über seine Schultern und ließ ihn kurz frösteln. Er hätte vorher die Heizung höher drehen sollen, aber schließlich hatte er im Gegensatz zu gewissen anderen Personen den ganzen Tag lang gearbeitet. Was also hatte Yoji vor ihm zu verbergen? „Aber er wird langsam wirklich sauer, wenn er den Pullover nicht wiederbekommt. Du hast gesagt, wenn wir ihm die Strümpfe...“ „Also wenn ich mich recht erinnere, warst du derjenige, der das scheußliche Ding in die Altkleidersammlung gegeben hat. Ich meine, es war...“ Yojis restliche Worte wurden von einem Aufschrei verschluckt. Wenn man sehr genau hinhörte, konnte man einen Namen darin ausmachen. Und wenn jemand mitgeschrieben hätte, hätte er vermutlich „Omi, Shi-ne!“ zu Protokoll genommen. Sekunden später flog die Badezimmertür auf und Aya stand wie ein dem Wasser entstiegener Rachegott im Türrahmen. In der Eile hatte er sich lediglich ein Handtuch gegriffen, das deutlich zu klein ausfiel, um mehr als die wichtigsten Körperstellen zu verbergen. Ein Anblick, der seine Kollegen möglicherweise verstört hätte, wenn sie nicht von seinem Gesichtsausdruck abgelenkt gewesen wären. Einem Gesichtsausdruck, der demjenigen, der seinen Pullover weggegeben hatte, einen sehr langsamen und vor allem aber sehr schmerzhaften Tod versprach. Omi reagierte instinktiv, wirbelte herum und stürzte in Richtung Treppe. Er hielt sich nicht mit Kleinigkeiten wie Schuhen oder gar einer Jacke auf, sondern stürmte, ohne anzuhalten, weiter in Richtung Tür, die ihn auf die Straße brachte. Hinter ihm erschütterte ein Brüllen die Fensterscheiben des Ladens, das an einen wütenden Tiger erinnerte. Und ausgerechnet er hatte den Tiger am Schwanz gezogen. Weniger denken, mehr laufen, Tsukiyono, spornte er sich selber an. Hinter ihm flog die Ladentür fast aus den Angeln, als Aya hindurch preschte. Auch er hatte sich nicht weiter bekleidet und stürmte jetzt nur mit dem besagten Handtuch um die Hüfte hinter Omi her. „Aya!“, rief er über die Schulter. „Aya, es tut mir leid. Es war eine Verwechslung! Ich dachte, du hättest die Sachen für unsere Sammlung herausgelegt. In der Schule. Du weißt doch. Aya!“ Alles Bitten und Erklären half nichts. Aya war ihm immer noch dicht auf den Fersen und es sah nicht aus, als wäre irgendetwas von dem, was Omi von sich gegeben hatte, zu ihm durchgedrungen. Omi fluchte. Seine Füße waren inzwischen eiskalt und er rutschte immer wieder auf seinen Socken aus. Aya holte auf. Dessen nackten Füße stellten auf dem schlüpfrigen Untergrund einen definitiven Vorteil dar. Da geschah es plötzlich, was Omi schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Er nahm eine Kurve um eine Hausecke zu eng, kam ins Schlingern, strauchelte, stolperte und landete schließlich mit dem Gesicht zuerst im Schnee. Als er wieder hochkam, ragte Aya über ihm auf. Eigentlich hätte er in seinem Aufzug und ohne sein Schwert lächerlich oder wenigstens ungefährlich aussehen müssen. Aber Aya brachte es fertig, auch noch halbnackt und mit leeren Händen bewaffnet und gefährlich auszusehen. Eigentlich wirkte er so sogar noch gruseliger. „Aya bitte“, wimmerte Omi und wagte nicht, sich weiter zu erheben. „Es tut mir leid. Ich habe versucht, ihn zurückzubekommen, aber es war unmöglich. Er war schon abgeholt worden.“ Ergeben senkte Omi den Kopf. Er kniete hier im Schnee, während Aya ihn nur ansah, als würde er ihn mit Blicken töten können. Inzwischen war sich Omi nicht mehr sicher, ob das nicht sogar der Wahrheit entsprach. Da erklang plötzlich eine helle Stimme: „Sieh mal, Mama. Der Mann hat ja gar nichts an.“ Dieser unschuldigen Feststellung folgte ein Kreischen und ein unterdrücktes Fluchen von Aya, der anscheinend eben erst festgestellt hatte, dass das kleine Mädchen, das jetzt von seiner Mutter außer Sichtweite gezerrt wurde, Recht hatte. Angesichts dieser Tatsache wagte Omi es, den Blick wieder nach oben zu richten. Er sah in Ayas Gesicht, das zu Steine erstarrt zu sein schien. Ihr Anführer presste die Kiefer aufeinander, drehte sich herum und stakste so würdevoll, wie sein Zustand es zuließ, wieder zurück in Richtung Koneko. Omi sank im Schnee zusammen. Jetzt war es also endlich heraus und das Versteckspiel hatte ein Ende. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass das hier noch nicht das Ende der Geschichte gewesen sein konnte. Irgendetwas würde sich sein Teamkollege noch ausdenken, um sich an ihm zu rächen. Denn, wenn es um Rache ging, machte Aya so schnell niemand etwas vor. Im Rache nehmen war Aya einsame Spitze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)