Schwarz-Weiße Weihnacht von Maginisha ================================================================================ Kapitel 7: 7.Dezember --------------------- Missmutig betrachtete Farfarello das Ding auf dem Teller vor ihm. Es sah so gar nicht aus wie das Bild im Kochbuch. Dabei hatte er sich doch an das Rezept gehalten. Na ja, fast auf jeden Fall. Es hatte einige Probleme beim Besorgen der Zutaten gegeben. Zwar ließen sich Rindertalg und Mehl relativ leicht auftreiben, aber schon beim Kauf der notwendigen Trockenfrüchte war er auf unerwartete Probleme gestoßen. Und dabei sprach er nicht von den zwei bewaffneten Wachleuten, die er kurz um die nächste Ecke hatte bringen müssen, damit er weiter ungestört einkaufen konnte. Er hatte einfach keine Rosinen bekommen und auch einiges andere war unauffindbar gewesen. Also war er auf ein wenig...exotischere Trockenfrüchte ausgewichen. Papaya, Mango und Goji-Beeren schienen ihm ein guter Ersatz zu sein. Obst war schließlich Obst, oder nicht? Und ob er jetzt Äpfel oder Birnen hineintat, konnte eigentlich auch keinen großen Unterschied machen. Auch dass er sich beim Mehl vergriffen und eine Tüte mit Reismehl erwischt hatte, konnte doch jetzt nicht so schlimm sein. Vielleicht lag es daran, dass er Schuldigs Badetuch zum Kochen genommen hatte. Eventuell erklärte das, warum er jetzt statt eines formschönen Plumpuddings nur eine formlose Masse vor sich liegen hatte, in der einige Frotteefasern klebten.   Farfarello seufzte abgrundtief und entsorgte die Masse im Abfallbehälter. Jetzt hatte er nichts, was er heute Abend zum Weihnachtsessen von Schwarz servieren konnte. Seine Finger spielten mit der Klinge eines Küchenmessers, während er sein eines Auge durch die Küche wandern ließ. Sein Blick blieb am Kühlschrank hängen. Vielleicht ließ sich darin ja noch etwas finden, das er als Ersatz verwenden konnte. Entschlossen stak er das Messer in die Arbeitsfläche und öffnete die Tür des kalten Paradieses, um zu sehen, was für Köstlichkeiten dort für ihn bereitstanden.       Missmutig betrachtete Schuldig die Tüte, die die Verkäuferin ihm unter die Nase hielt. „Ich sagte, ich wollte Kartoffeln.“ „Aber das sind doch Kartoffeln“, antwortete die Verkäuferin mit einem breiten Lächeln und einer Verbeugung. „Sie sind sehr beliebt, besonders bei Kindern.“ Schuldig warf noch einen weiteren, vernichtenden Blick auf die länglichen, frittierten Kartoffelstäbchen. Pommes frites! Sie hatte ihm Pommes frites gebracht! Was sollte er denn damit? Diese schlitzäugigen Reisfresser hatten wirklich keine Ahnung! Schon gar nicht von traditionellen, deutschen Weihnachtsessen. Er drehte sich einfach um und ließ die immer noch – inzwischen allerdings etwas angestrengt – lächelnde Verkäuferin des Supermarktes einfach stehen und stapfte weiter durch die Gänge. Vielleicht würde er ja wenigstens den zweiten Teil seines geplanten Beitrags zum Schwarzschen Weihnachtsessen finden. Immerhin ging es hier auch um seine Ehre. Und er hatte es Farfarello versprochen.     Missmutig betrachtete Crawford seinen Terminkalender. Heute war der Tag, den sie für das Weihnachtsessen von Schwarz festgelegt hatten. Er hatte gehofft, dem Weihnachts-Wahnsinn damit endlich Einhalt zu bieten. Inzwischen drängten sich allerdings die Visionen, die ihm das genaue Gegenteil versprachen. Es würde noch schlimmer werden. Viel schlimmer. Aber vielleicht überraschte ihn die Zukunft ja auch. Er gab die Hoffnung diesbezüglich auf jeden Fall nicht auf. Mit einem tiefen Durchatmen schloss er die Akte, an der er gerade gearbeitet hatte und öffnete die Tür seines Schreibtischs. Dort lagerte sein Beitrag zum Weihnachtsessen. Er hatte nicht einmal lange danach suchen müssen. Es ging eben nichts über eine gepflegte Medienkultur. Was es im Fernsehen gab, gab es auch in japanischen Läden.     Missmutig betrachtete Nagi seine „Ziehfamilie“. Sie saßen alle um den Esstisch herum und jeder von ihnen hatte etwas zu essen mitgebracht. Eine seltsame Karikatur eines Picknicks. Mit Weihnachtsmusik, die aus der Stereoanlage aus der Ecke schallte. Es war wirklich zum Fürchten. Mit einem Seufzen schob Nagi seinen Beitrag zum Schwarzschen Weihnachtsessen nach vorne. „Frohe Weihnachten“, murmelte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Schuldigs Augenbrauen wanderten nach oben. „Was bitte soll das sein, Nagi? Willst du uns veralbern?“ Nagis Miene verfinsterte sich noch weiter. Er musterte den rothaarigen Deutschen über den Karton mit frittierten Hähnchenteilen hinweg. „Warum?“, knurrte er gereizt. „Ihr habt gesagt, ich soll ein traditionelles, japanisches Weihnachtsgericht mitbringen. Da ist es.“ „Kentucky Fried Chicken?“, ächzte Schuldig ungläubig. „Und da soll nochmal einer sagen, ihr seid ein traditionsbewusstes Volk. Wirklich unglaublich.“ Nagis Augen blitzen bedrohlich auf. „Was hast du denn mitgebracht?“ Schuldig blitzte ebenso zurück und stellte ein Glas auf den Tisch. Darin waren... „Würstchen?“ Nagi wusste anscheinend nicht, ob er weinen oder lachen sollte. „Das gibt es bei euch zu Weihnachten?“ „Ich wollte noch Kartoffelsalat dazu machen, aber die dämliche Vogelscheuche im Supermarkt hatte keine Kartoffeln mehr da.“ Schuldig schob die Unterlippe nach vorn und schien nicht gewillt, noch etwas dazu zu sagen. Crawford räusperte sich. „Das wird ja ein interessantes Essen“, bemerkte er und stellte eine ovale Dose auf den Tisch. Schuldigs Augenbrauen hoben sich augenblicklich. „Das ist nicht dein Ernst. Honigschinken aus der Dose? Was bist du? Ein klischeebehafteter, amerikanischer Weihnachtsfilm?“ „Er ist lecker“, verteidigte sich Crawford und richtete seinen Blick auf das vierte Mitglied der Runde. „Und was hast du mitgebracht, Farfarello? Immerhin machen wir das hier für dich.“   Der einäugige Ire sah von einem zum anderen. Dann griff er unter den Tisch und schob einen Teller auf den Tisch. Darauf lagen einige verbrutzelte Speckstreifen. „Mehr war nicht im Kühlschrank“, erklärte er. „Ich habe versucht, etwas zu kochen, aber...“   Seine heisere Stimme erstarb und alle blickten betreten auf ihr Weihnachtsessen, das nun fleischlastig und ohne irgendwelche Beilagen vor ihnen auf dem Tisch lag. Schließlich erhob sich Crawford. „Ich würde sagen, wir brechen das Ganze hier ab. Offensichtlich ist Schwarz nicht dafür geschaffen, Weihnachten zu feiern. Ich hoffe, dass das alle Anwesenden jetzt eingesehen haben. Also verschont uns in Zukunft bitte von diesem Irrsinn und lasst uns zur Tagesordnung übergehen.“   Während Nagi nur zustimmend nickte und, so schnell er konnte, in seinem Zimmer verschwand, sahen sich Schuldig und Farfarello über den Tisch hinweg an. In ihren Gesichtern stand grimmige Entschlossenheit. Sie würden diese Banausen schon noch in die nötige Weihnachtsstimmung bringen. Und wenn es mit Gewalt sein musste.         Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)