Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [25.10.2011 – D47 – Notaufnahme] -------------------------------- „Doc?“, rief sie in den nur teilweise beleuchteten Flur. Eigentlich war die Klinik zu, doch Heidenstein hatte geschrieben, dass er hier unten wäre. „Hier“, erwiderte Heidenstein mit müder Stimme. Sie fand ihn in einem der Behandlungsräume mit einer jungen Frau auf dem Behandlungstisch. Sie brauchte etwas, um das asiatische Mädchen zu erkennen. Es war die kleine Hackerin, die sie damals dabeigehabt hatten, als sie Crash seinem neuen Job ungeplant besorgt hatten. Sie hatte eine blutige Nase, ein blaues Auge, eine Platzwunde am Kopf und einige Kratzer an den Armen. Es sah fast aus, als wäre sie von einem Motorrad gefallen und dann noch verprügelt worden. Heidenstein war damit beschäftigt, die Platzwunde an ihrer Stirn zu nähen, während das Mädchen mit geschlossenen Augen dasaß, offenbar bemüht, sich zu entspannen. Sie zitterte. Hier gab es eine Geschichte, dessen war Pakhet sich sicher. War Heidenstein mit Hazel auf einer Mission gewesen? Aber warum behandelte er sie hier und nicht in der Firma? Sie beobachtete ihn. Mit ruhiger, geübter Hand schloss er die Wunde, ehe er sich den anderen Verletzungen zuwandte, sie auswusch. „Alles okay?“, fragte er vorsichtig, als das Zittern sich verstärkte. Das Mädchen schluckte, nickte, sprach nicht. „Gut. Du hattest noch Glück. Keine Brüche. Auch wenn es sein kann, dass die Wunde an deiner Wange noch anschwellen kann.“ Er holte ein größeres Pflaster heraus, gab etwas Salbe darauf, ehe er damit die aufgeschürfte Schulter beklebte. „Du hättest Hilfe rufen sollen.“ Wieder nickte das Mädchen nur stumm. Die Spuren getrockneter Träne waren auf ihren Wangen erkennbar. Was war passiert? Pakhet war erst von ihrem Job gekommen. Dem verdammten Spionagejob für Smith, der definitiv besser als alles war, was sie von Michael bekommen hätte. Sie war auf einem Handelsheini, der im Hafen für eins der Logistikunternehmen zuständig war, verantwortlich. Manager. Wahrscheinlich hatte seine eigene Firma sie angesetzt. Angeblich veruntreute er Geld. Während sie keinen konkreten Beweis hatte, konnte sie es sich vorstellen. Der Typ lebte das Highlife zu sehr, selbst für einen Manager. Nur war es schwer, als nicht einziger Bodyguard an die Informationen zu kommen. Der Typ war widerlich. Doch das musste nicht interessieren. Letzten Endes agierte sie gegen ihn. Sie zögerte. Vielleicht sollte sie hochgehen, doch wollte sie nicht allein sein. Sie konnte nicht sagen wieso. Sie fühlte sich aktuell wohler, wenn sie hier war, zusah, wie er das arme Mädchen verarztete. Hatte sie Hazel überhaupt jemals sprechen hören? Sie war sich nicht sicher. War sie stumm? Vielleicht. „Ich sag dir was“, meinte Heidenstein, als er sie endlich fertig verarztet hatte, „ich mache dir ein Zimmer im Krankenhaus oben zurecht und du bleibst erst einmal da, bis wir etwas anderes gefunden haben, ja?“ Hazel sah ihn mit dunklen Rehaugen an. Sie zog die Nase hoch, nickte dann. „Danke“, hauchte sie leise, senkte den Blick dann wieder. Sprechen konnte sie also. Sie hatte nur offenbar keinerlei Selbstbewusstsein. Heidenstein half ihr auf, legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. „Komm. Ich schaue, wohin wir dich bringen.“ Er sah zu Pakhet, offenbar fragend, was sie tun wollte. Sie seufzte. „Ich räume hier auf und gehe dann hoch.“ Er lächelte, der Blick in seinen Augen warm. „Danke.“ Sie nickte zur Antwort, machte sich daran, das Verbandsmaterial, blutige Tupfer und anderes wegzuräumen. Einen Teil in den Müll, den anderen Teil in ein Alkoholbad. Heidensstein würde es später schon richtig reinigen. Dann nahm sie ihre Jacke und machte sich auf den Weg nach oben, wo sie sich nach kurzer Überlegung begann, zu kochen. Eigentlich war es zu spät, um noch zu essen, doch verdammt, sie hatte Hunger. Sie sah zum Fenster. Draußen fuhren Autos die M6 entlang, die Scheinwerfer warfen Lichtkegel in die Dunkelheit. Ohne großartig darüber nachzudenken, nahm sie Fisch aus der Tiefkühltruhe, begann ihn zuzubereiten, bis das Klacken der Wohnungstür sie darauf aufmerksam machte, dass Heidenstein endlich da war. Er hängte seinen Kittel auf, kam dann zu ihr herüber. „Du kochst.“ „Offensichtlich“, meinte sie und sah ihn an. Wieder dasselbe warme Lächeln. „Danke dir.“ „Ich möchte vielleicht auch essen“, erwiderte sie. „Jetzt sag mir, was macht das Mädchen hier? Ich spüre, da gibt es eine Geschichte.“ „Smith hatte mich gebeten, nach ihr zu sehen. Sie war zwei Tage lang nicht gekommen.“ Er lehnte sich neben ihr gegen die Arbeitsplatte, mit genug Abstand, um nicht im Weg zu sein. „Sie hat am Rand der Flats gelebt. Offenbar ist eine der Gangs vorbeigekommen …“ „Haben sie sie angefasst?“, fragte Pakhet, unsicher, ob sie die Antwort hören wollte. Heidenstein schüttelte den Kopf. „Von ihren Verletzungen her nicht. Sie haben sie zusammen geprügelt und ein paar Sachen gestohlen.“ Er schürzte die Lippen. „Du, ich wollte dich was fragen.“ Sie sah ihn an. Sie ahnte, was kommen würde. „Wohin genau?“ Er atmete erleichtert auf, lächelte. „Ich habe noch einen Abstellraum. Die Sachen daraus könnte ich aber auch woanders hinbringen. Dann wäre sie hier in der Wohnung und …“ Er ließ den Satz verklingen. „Sicher?“, schlug Pakhet vor. Heidenstein nickte. Pakhet schüttelte den Kopf, wendete den Fisch. „Ist das eigentlich ein Hobby von dir?“ „Was?“ „Irgendwelche Kolleginnen davon zu überzeugen, bei dir einzuziehen?“, meinte sie. Er räusperte sich, hustete überrascht, als hätte er sich verschluckt. „Ähm. Nein. Und … Ich habe kein …“ Er rang um Worte, schien sich rechtfertigen zu wollen. „Also du darfst nicht denken, dass ich sie … Na ja.“ Sie lachte, schüttelte nur wieder den Kopf. „Entspann dich. Ich glaube nicht, dass du Interesse an ihr hast. Wie alt ist sie? 18? Du könntest locker ihr Vater sein.“ Noch einmal räusperte er sich. „Ähm, ja.“ Sie nahm die Pfanne vom Herd, stellte die Herdplatte aus. „Glaub ja nicht, dass ich eifersüchtig wäre. Ich will nur sichergehen, dass du dich mit deiner Gutmütigkeit nicht übernimmst.“ Heidenstein zögerte, nahm dann ihre Hand, zog daran, um ihr zu bedeuten sich ihm zuzuwenden. „Hör zu, Pakhet. Darum geht es nicht. Mir … Das hier ist jetzt auch deine Wohnung. Ich frage dich ernsthaft, ob es dich stören würde, wenn Hazel für eine Weile hier mit herzieht.“ Sie seufzte. „Es stört mich nicht. Aber du weißt, dass sie, wenn es einen Angriff gibt, ebenfalls in Gefahr bringt.“ „Ja.“ Er schürzte die Lippen. „Ansonsten stört es dich wirklich nicht?“ Beinahe schien er zu hoffen, dass sie „Ja“ sagen würde. Warum? Dann wurde es ihr klar. So waren sie hier zu zweit. Sie hatten soetwas wie Privatssphäre und egal, wie sie es zu ignorieren versuchte, so gab er sich doch von Zeit zur Zeit der Illusion hin. Die Sache war, dass sie zugegebenermaßen ihre Privatsphäre nicht missen wollte. Vor allem nicht, wenn sie an Michael dachte. „Sagen wir es so“, meinte sie schließlich. „Mir wäre es lieber, wenn sie nicht in der Wohnung wäre, solange ich nicht sicher weiß, inwieweit Michael sie kontrolliert.“ Heidenstein holte Luft, setzte an, um etwas zu erwidern, brach ab, begann erneut: „Okay. Woanders im Krankenhaus?“ Sie seufzte, lächelte. Beinahe hätte sie eine Hand auf seine Wange gelegt, unterdrückte diesen Impuls jedoch. „Ich denke, damit ließe sich arbeiten, ja.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du bist ein Idiot, die ganze Zeit anderen helfen zu wollen.“ „Ist das ein Kompliment?“ Sie zuckte mit den Schultern, wandte sich dann den Schränken in der Küche zu. „Such's dir aus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)