Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [08.09.2011 – J05 – Dating] --------------------------- Pakhet fühlte sich nackt. Weder Kleid, noch Jacke würden großen Schutz vor Schüssen bringen. Ja, sie war in einem besseren Viertel. Hier würde es niemand auf sie anlegen. Ja. Wenn würde man ihr auf dem Weg vom oder zum Krankenhaus auflauern. Ach, verdammt, niemand wusste davon. Niemand wusste, dass sie hier war. Niemand wusste, wo sie lebte. Niemand wusste von Heidenstein oder Jack. Dennoch war sie angespannt, als sie zum Ende des Parkplatzes hinter dem Restaurant vorgeschlagen hatte. Vielleicht hätte sie besser etwas, in einer städtischen Gegend vorschlagen sollen. Doch nach allem, was sie wusste, war La Colombe das Restaurant für ein Date. Und so viel war sie Jack schuldig, oder? Es war ein ernsthafter Ort für ein mehr oder minder ernsthaftes Date. Und es gab Security. Sie sah Jack. Er wartete vor dem kleinen Restaurant, das am Rand des Tafelbergs lag. Er trug eine Anzughose und Hemd. Zumindest auf das Jacket hatte er verzichtet. „Sonnenschein“, sagte er, kam ihr entgegen. „Da bist du ja.“ „Entschuldige.“ Sie klang halbherzig. „Bin ich zu spät?“ „Nein.“ Sein Blick wanderte ihren Körper hinab und hinauf. Wieder trug sie die echt wirkende Prothese, inklusive des Glamours. „Du siehst gut aus.“ Pakhet bemühte sich um ein mattes Lächeln. „Danke.“ Der Parkplatz war mit Schotter beschüttet. Es wirkte natürlicher. Wer auch immer diese Idee hatte. Es war anstregend darauf mit Absätzen zu laufen. Jack bot ihr den Arm an und nach einigem Zögern hakte sie sich ein. „Wie hast du uns so schnell einen Tisch hier besorgen können, Honigkuchen?“, fragte er in Unterhaltungston. Pakhet seufzte. „Müssen die Spitznamen sein?“ Er reagierte nicht, wartete offenbar auf eine Antwort auf seine Frage. „Ich habe Kontakte.“ Mehr würde sie dazu nicht sagen. Sie hoffte, er verstand. Jack nickte. Er beobachtete sie, als sie dem Kellner am Eingang zunickte und eine Karte aus ihrer Handtasche zog. „Wir hatten reserviert. Montgomery.“ Freundlichkeiten wurden ausgetauscht. Dann führte der Kellner sie zu einem Tisch auf der Terrasse des Lokals. Sie war so eingerichtet, dass man von hier auf die Stadt hinabsehen konnte. Pakhet hätte es bevorzugt drinnen zu sitzen, wo sie sich nicht wie auf dem Präsentierteller gefühlt hätte. Sie sagte nichts, merkte jedoch die eigene Anspannung, als sie Platz nahm. „Willst du die Jacke nicht ausziehen“, fragte Jack. Sie verzog das Gesicht. „Ich bevorzuge es, sie anzubehalten.“ Ja, sie wusste, dass es sich nicht gehörte. Vor allem nicht in einem Lokal wie diesem. „Es ist kühl.“ Sie schenkte ihm einen langen Blick. Jacks dunkle Augen musterten sie. „Schon gut.“ Der Keller legte zwei Bretter auf die in feinem Papier das abendliche Menü geschrieben war, vor sie. „Darf es schon etwas sein? Ich empfehle den Savignon als Apperativ.“ Jack lächelte. Sah zur ihr. „Zwei Mal.“ Er schien zu warten, ob sie widersprach. Doch Joanne schwieg. Der Kellner nickte, ging. „Und wie war deine vergangene Woche?“, fragte Jack. Pakhet seufzte. „In Ordnung. Entspannend.“ „Was hast du so gemacht, Goldlöckchen?“ Sie hob eine Augenbraue. „Goldlöckchen?“ Er lachte leise. „Entschuldige.“ Er schwieg. „Kriege ich dennoch eine Antwort?“, fragte er dann. Ihr Blick wanderte zur Stadt, deren Lichter im Dunkeln glitzerten. Perfekte romantische Vorstellung einer Stadt. Niemand, der hier saß – fast alles Paare – würde über die Grausamkeiten, die im Schatten der Nacht geschahen, nachdenken. „Nein.“ Sie wandte sich dem Menü zu. Sie las. Vier Gänge. Zwei bis drei Wahlen pro. Eigentlich war es ihr egal. Satt würde sie davon doch nicht. Sie seufzte schon wieder. Es war egal. „Was nimmst du?“, fragte Jack. Sie zuckte mit den Schultern. Immer wieder musste sie gegen den Drang ankämpfen, sich umzudrehen. Sie fühlte sich beobachtet. Sie rechnete halb damit, dass jemand sie angreifen würde. Sie wusste, dass es Unsinn war. „Mäuschen?“ Jack hob eine Augenbraue. „Ich weiß nicht. Das Gratin zur Vorspeise. Und dann wohl das Huhn.“ Sie seufzte, sah ihn an. „Wieso?“ Er lachte leise und sah sie an. „Ich versuche Smalltalk zu halten.“ Natürlich. Auch sie bemühte sich um ein Lachen. Es klang gestellt. „Entschuldige.“ Ein mattes Lächeln zeigte sich auf Jacks Gesicht. Er sah sie an, auch wenn in seinen Augen Enttäuschung schimmerte. „Du bist nicht gut hierin, hmm?“ „Hierin?“ Fragen sah sie zu ihm. „Daten.“ Pakhet presste ihre Lippen aufeinander. „Nicht so.“ „So?“ Er musterte sie. „Nicht als ich. Als Pakhet.“ Sie schürzte die Lippen. Wie konnte sie es ihm erklären? Doch etwas zeigte sich in seinem Gesicht. „Ich verstehe.“ Jetzt war er es, der seufzte. „Du wolltest das hier wirklich nicht, oder?“ Sollte sie lügen? War das Lügen teil der Abmachung? Er fragte direkt. „Nein.“ Jack leckte sich über die Lippen und schnalzte dann mit der Zunge. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dich deswegen schlecht fühlst.“ „Warum hast du mich dann gefragt?“, erwiderte sie. Bevor er antworten konnte, kam der Kellner mit zwei Weingläsern zu ihnen. Kunstvoll stellte er sie vor sie. Dann musterte er sie. „Haben Sie sich schon für etwas entschieden?“ Pakhet sah zu Jack. Jack erwiderte ihren Blick. Stumm forderte er sie auf zuerst zu bestellen. Also bestellte sie. Nach ein, zwei Minuten ging der Kellner. Jack nahm das Weinglas, hob es zu seiner Nase, roch daran. Anerkennend hob er eine Augenbraue. Vorsichtig nippte er an dem Wein, ließ ihn sich augenscheinlich über die Zunge rollen. Wieder zuckte seine Augenbraue nach oben. Er schaute zu Pakhet. „Ein guter Wein.“ Sie sagte nichts. Jacks Augen suchten die ihren und ein sanftes und auch irgendwie trauriges Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Ich wollte eigentlich nur wissen, wie ernst dir die Sache ist. Also den Kindern zu helfen. Ich wollte wissen, was für eine Person du bist, Honigkuchen.“ „Müssen diese Spitznamen sein?“ Er lachte. „Wie soll ich dich sonst nennen? Ich kenne deinen richtigen Namen nicht einmal.“ Sie hätte sich einen normaleren Codenamen geben sollen. „Pakhet.“ „Wirklich?“ Er musterte sie. Dann seufzte er. „In Ordnung, Pakhet.“ Noch ein Seufzen. „Entschuldige wirklich, dass ich dich in Verlegenheit gebracht habe. Ich will mich nicht aufdrängen.“ „Du hast eine seltsame Art das zu zeigen“, erwiderte sie. „Vielleicht.“ Jack zwang sich zu lächeln. „Ich bin halt ein echter Tunichtgut.“ Dann holte er Luft und hob das Glas. „Lass uns den Abend dennoch genießen, ja, Pakhet?“ Sie zögerte. „In Ordnung, Jack.“ Wieso spürte sie Mitleid in ihrer Brust? Jack war einsam, oder bildete sie sich das nur ein? Jedenfalls wirkte er so, schoss es ihr durch den Kopf. Auch sie griff nach ihrem Glas. „Auf einen schönen Abend.“ Sie stießen an. Danach wurde es einfacher. Sie redeten normal, auch wenn Jack sich nicht jeden albernen Spitznamen verkneifen konnte. Sie führten Smalltalk, bedacht über nichts zu reden, das für einen anderen Gast seltsam klingen würde. Jack bedrängte sie nicht länger und Pakhet war ihm dafür dankbar. Sie fühlte sich schlecht dafür, doch sie konnte sich nicht so einfach verstellen. Nicht, solange sie keine Rolle hatte, die sie spielen konnte. Nicht als Pakhet. Dabei war sie sich nicht sicher, warum sie sich so schlecht fühlte. Weil sie ihr Versprechen nicht hielt? Oder war es nicht eher ihr Mitleid, das sie deutlich spürte, wenn sie dieses einsame Schimmern in seinen Augen sah. Bildete sie sich das nur ein? Er war charmant, tat sich leicht mit dem Reden. Er sollte kein Problem haben, Freunde, Liebhaber zu finden. Wieso sollte er einsam sein? „Pakhet“, begann er, als sie beim Nachtisch angelangt waren. Sie sah zu ihm. „Ja?“ „Eine Frage habe ich noch für dich“, meinte er. „Ja?“ Sie wartete. „Du bist“ – er räusperte sich, sah sich kurz um – „im Sicherheitssektor beschäftigt, oder?“ Damit meinte er die Söldnerei. Pakhet nickte. „Ja.“ „Warum wolltest du diesen Kindern, Jugendlichen, helfen? Ich meine, es geht dich nichts an. Das ist nicht deine Aufgabe ihnen zu helfen, die Leute dahinter zu jagen.“ Dabei beugte er sich vor, flüsterte. Hatte er sie das nicht schon einmal gefragt? Die Frage hatten ihr so viele gestellt. Zumindest auch Chase und Jack war damals dabei gewesen. Dennoch antwortete sie: „Weil es das Richtige zu tun war.“ Sie schüttelte den Kopf. Ihr Blick wanderte zum Weinglas. „Es war das Richtige. Als ich sie da gesehen habe … Wie hätte ich sie einfach da liegen lassen können? Es sind Kinder. Sie konnten sich nicht selbst retten.“ Ein seltsames Glänzen zeigte sich in Jacks Augen. Eine Verletzlichkeit. Schmerz. Er senkte den Blick und lächelte matt. „Ich verstehe. Ich …“ Er sah sie kurz an, senkte den Blick dann aber wieder. „Danke.“ Da sie nicht wusste, wie sie antworten sollte, zuckte Pakhet mit den Schultern. Sie wandte sich wieder dem Dessert zu. Dabei mochte sie süßes Essen nicht. „Und du? Warum hilft du?“, fragte sie dann. „Ich meine, wirklich. Smith sagte, du hilft der Polizei öfter bei solchen Raids.“ Jacks Löffel stocherte in der Schokoladencreme. „Nun. Ich kenne diese Art von Leuten. Abschaum.“ Er leckte sich vorsichtig über die Lippen, aß. „Wie du sagst. Es ist das Richtige.“ Seine Stimme war bitter. Also hatte sie Recht? Sie konnte nicht fragen. Wieder hörte sie sich seufzen. Sie streckte ihre Hand aus, berührte Jacks linke, zog die Hand dann wieder zurück. Sie war mit diesen Sachen nicht gut. Dennoch schenkte sie ihm ein aufmunterndes Lächeln, nickte. Schweigen herrschte, während sie die kleinen Glastellerchen leerten. Dann verfielen sie wieder in Smalltalk. Es war einfacher so. Sie redeten für eine Weile, leerten ihren Wein, beide wohl wissend, dass sie noch würden fahren müssen. Doch es war in Ordnung, sagte sie sich. Sie vertrug einiges. Es waren nur drei Gläser Wein gewesen. In anderen Situationen hatte sie mit so viel Alkohol im Blut ganz anderes gemacht. Sie zahlten. Verließen das Restaurant. „Danke, Pakhet, für den schönen Abend“, meinte Jack, als sie wieder auf dem Parkplatz standen. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich hatte es versprochen.“ Sie sah zu ihrem Wagen, der dank der kanariengelben Farbe hervorstach. Vielleicht brauchte sie einen anderen Wagen. Einen, der weniger auffiel. „Es tut mir leid, dass der Abend nicht das war, was du erhofft hast.“ „Kein Problem. Es war mehr, als ich erwartet habe.“ Er lachte, seufzte. „Auch wenn ich annehme, dass du mich nicht noch in eine Bar begleiten willst oder so.“ Er sah zu ihr. „Oder?“ Sie hasste den Vergleich, doch für den Moment, erinnerte er sie an ein Reh. Sie wandte sich ihm zu. „Wenn es dir wichtig ist, würde ich dich begleiten.“ Sie musterte ihn. „Aber ich würde bevorzugen, nach Hause“ – zum Krankenhaus – „zurückzufahren.“ Er nickte. „In Ordnung. Ich will dich zu nichts zwingen.“ Auch sie nickte, zögerte. „Jack.“ „Ja?“ „Es tut mir leid, dass ich nicht sein kann, was du willst.“ Vielleicht klang es eingebildet, überheblich. Doch er wirkte wirklich enttäuscht, dass sich nicht mehr entwickelt hatte. Irgendwie. „Schon in Ordnung.“ Wieder erschien ein gezwungenes Lächeln auf seinem Gesicht. „Ich verstehe schon.“ „Es liegt nicht an dir.“ Ach, was redete sie hier eigentlich? „Es ist nur … Ich bin keine Person für Romanzen. Ich … Ich bin einfach nicht dafür. Nicht mit dir. Mit niemanden.“ „Ich verstehe schon“, murmelte er. Verdammt. Er war wirklich enttäuscht? Wie er da stand. Seine Schultern hingen. Er wich ihrem Blick aus. Er wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlte. Er war einsam. Wieso? „Jack“, meinte sie, ohne zu wissen, was sie redete. „Ich kann dir nicht die Nähe geben, die du suchst. Aber ich kann dir meine Freundschaft anbieten.“ Überrascht sah er sie an. „Freundschaft?“ Sie lächelte, dieses Mal aufrichtig. „Ja. Freundschaft. Und meinen Schutz.“ Was redete sie nur? Er lachte unwillkürlich, doch wieder mit derselben Trauer, die sie schon vorher gehört hatte. Dann holte er Luft. Lächelte. „In Ordnung, Pakhet. Freunde.“ Sie nickte. „Freunde.“ Sie zögerte. Dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, küsste sie ihn auf die Wange. Sie nahm kurz seine Hand, drückte sie. „Melde dich, wenn du einfach mal … Du weißt schon.“ Sie ließ seine Hand los. „Abhängen willst?“, beendete er den Satz. Sie lächelte. „Ja, so etwas.“ „Mache ich“, antwortete er. „Danke. Pakhet.“ Sie nickte noch einmal, wandte sich dann ab und ging zu ihrem Wagen hinüber. An diesem angekommen, drehte sie sich ein letztes Mal um, hob die Hand zum Abschied und stieg dann ein. Sie startete den Wagen und sah zu Jack, der offenbar zu warten schien, bis sie fort war. Verdammt. Sie fuhr. Ob Heidenstein wohl noch wach war? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)