Himalaya von akani ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Itachis Wohnung war unnötig groß und beinahe leer. Es war fast deprimierender, hier zu sein als gar keinen Schlafplatz zu haben, doch Sasuke blieb nichts anderes übrig. Nachdem er Itachi angerufen hatte, hatte dieser ihn sofort zu sich bestellt. Er war Sasuke immer ein guter älterer Bruder gewesen, aber seit Sasuke die Firmenleitung übernommen hatte, hatte sich ihre Beziehung deutlich entspannt. Itachi war klug, klüger noch als Sasuke, aber er war niemand, der Leuten Anweisungen gab, Mitarbeiter koordinierte und Arbeit abgab. Aus dem Grund hatte ihr Vater Fugaku Uchiha sich widerwillig dazu entschieden, die Geschäftsführung an Sasuke zu übergeben, statt an Itachi. Von diesem Tag an war jeglicher Konkurrenzdruck zwischen den beiden Brüdern verschwunden, wenngleich der Großteil ohnehin immer von Sasuke ausgegangen war. Itachi hatte die Geschäftsführung bereits abgelehnt, als Fugaku zum ersten Mal erwähnte, dass er die Firma übernehmen würde. Für ihn war immer klar gewesen, dass er nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte, dennoch hatte sich Fugaku bis zum Schluss dagegen gewehrt, seinen Posten an Sasuke abzutreten. Letzten Endes hatte er viel länger gearbeitet als er es getan hätte, wenn Itachi einfach akzeptiert hätte und lediglich ein Herzinfarkt zwang ihn endgültig, Sasuke zur Geschäftsführung zu ernennen. Es hatte Monate gedauert, bis Fukagu endlich einsah, dass Sasuke das Unternehmen leiten konnte und seine Sorge unbegründet war. Zufrieden damit war er jedoch noch immer nicht. Als Sasuke bei Itachi ankam, wartete dieser bereits mit Abendessen auf ihn. Gefüllte Tomaten. Er kannte ihn nun mal. „Ich muss dir vermutlich eh jedes Wort aus der Nase ziehen, mh?“ Sasuke seufzte, ließ seine Tasche neben der Tür fallen und setzte sich an den Esstisch. „Eigentlich gibt es nicht viel zu erzählen, wirklich nicht.“ „Und trotzdem möchte ich alles hören.“ Itachis Blick ruhte auf ihm. „Wir hatten Streit. Er hat mich rausgeworfen. Ich glaube-“ Sasuke musste schlucken. „Ich glaube, es ist vorbei.“ Er hatte sich das noch gar nicht so vor Augen geführt, zumindest noch nicht in einem ruhigen Moment wie diesem. Der Gedanke trieb ein Brennen in seine Augen, das er lange nicht mehr gespürt hatte. Itachis Mimik war weich, sein Blick warm. „Das tut mir leid.“ Als könnte er etwas dafür. Als könnte er etwas daran ändern. Unter anderen Umständen wäre Sasuke wütend geworden, hätte ihn gefragt, für wen er sich eigentlich hält, aber er tat nichts davon. „Schon okay, schätze ich.“ Er schloss für einen Moment die Augen in der Hoffnung, das Brennen lindern zu können. „Es hätte bloß nicht so enden sollen, weißt du?“ „Ja, das verstehe ich.“ Itachi stand auf, um sich hinter ihn zu stellen und die Hände auf seine Schultern zu legen. „Es tut mir leid, dass du so darunter leidest.“ Litt er wirklich? Vermutlich. Itachi war wesentlich feinfühliger als er selbst und Sasuke fand sich noch immer nicht in der Lage, seine Gefühle zu benennen. „Liegt es an mir?“ „Ich kann es dir nicht sagen. Sag du es mir.“ Itachis Ehrlichkeit tat weh. Sasuke ließ resigniert seinen Kopf auf den Tisch sinken. „Es liegt an mir“, murmelte er. „Naruto denkt, ich bin untreu.“ „Bist du es denn?“ Er atmete tief ein. „Nein, eigentlich nicht, aber irgendwie schon. Ich meine, ich habe ihn nie betrogen, aber trotzdem war ich nach unserem Streit bei Suigetsu und ich wäre schwach geworden.“ Itachi schmunzelte unangebracht. „Impulskontrolle war nie deine Stärke.“ „Jetzt mach mal halblang!“ Gott sei Dank sparte Itachi sich an dieser Stelle einen weiteren Kommentar. „Warum Suigetsu von allen?“ Die Frage war berechtigt, dennoch hatte Sasuke keine Antwort parat, also schwieg er. „Du kannst Naruto seinen Verdacht nicht verübeln bei eurer Vergangenheit. Und dann gehst du nach eurem Streit auch noch zu Suigetsu? Was hast du dir dabei gedacht?“ „Gar nichts“, stöhnte Sasuke. „Das ist ja das Problem. Ich habe nicht nachgedacht. Ich denke nie nach.“ Er atmete tief ein, bevor er fortfuhr. „Ich war betrunken, traurig und einsam und Suigetsu war… Er war halt da.“ „Dummer kleiner Bruder“, seufzte Itachi, drückte seine Schultern und ging zurück zu seinem Platz. „Du solltest jetzt essen, bevor es ganz kalt wird.“ Den Rest des Abends sprachen sie nicht mehr über das Thema, doch Itachi hatte erreicht, was er erreichen wollte; Sasuke konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, welche Fehler er gemacht hatte und ob und wie er sie wieder gutmachen konnte. Zu einem Ergebnis kam er jedoch nicht. Sobald sie mit dem Essen fertig waren und Ruhe eingekehrt war, begann Sasuke, unruhig zu werden. Seit seinem Streit mit Naruto hatte er sich irgendwie stetig beschäftigt und jetzt hatte er zum ersten Mal so richtig Zeit, in Ruhe über alles nachzudenken. Nicht, dass er das wirklich gebraucht hätte. Er kontrollierte sein Handy beinahe im Minutentakt auf Nachrichten von Naruto und als es endlich mit einer Chat-Nachricht vibrierte, wäre es ihm vor lauter Aufregung beinahe aus der Hand gefallen. Er hoffte so sehr auf eine Nachricht von Naruto, irgendwas, aber als er stattdessen Suigetsus Namen im Display las, setzte sein Herz gefühlt für einen Moment aus. „Hey Hübscher, morgen schon was vor?“ Unangebracht wie immer, aber nicht ungewöhnlich für Suigetsu. Noch während Sasuke seine Antwort eintippte, kam eine weitere Nachricht von Suigetsu. „Trübsal blasen und traurige Liebeslieder hören zählt nicht als sinnvolle Beschäftigung.“ „Verdammt“, scherzte er. „Morgen muss ich die Arbeit von heute nachholen. Ich fürchte, da habe ich keine Zeit.“ „Du immer mit deiner Arbeit.“ Sasuke konnte sich richtig vorstellen, wie Suigetsu mit den Augen rollte, während er schrieb. „Du musst auch mal ein bisschen Spaß im Leben haben.“ „Bei dem, was du unter Spaß verstehst, verzichte ich gern.“ Suigetsu war wild. Er ging auf Partys, verhielt sich verantwortungslos und prügelte sich in Bars. Suigetsu war frei. Frei von allem, was Sasuke fesselte. Soziale Umgangsformen, gesellschaftliche Normen, Pflichten – all das war Suigetsu egal. Ein wenig bewunderte Sasuke ihn dafür. Er hatte es sich nie erlauben können, sich auch nur einmal daneben zu benehmen. Die Presse bekam alles mit, besonders wenn man in seinem Alter Geschäftsführers eines derart großen Unternehmens war. Wenn alle Augen auf einen gerichtet sind, kann man sich keinen Fehltritt erlauben. Suigetsu hingegen war unter dem Radar. Für die Presse war er niemand, zumindest niemand von Interesse. Gut genug, um für Spekulationen über eine mögliche Beziehung zu Sasuke herzuhalten, aber mehr auch nicht. Er konnte sich beinahe alles erlauben, es interessierte schlichtweg niemanden. Wieso genau Sasuke so eine enge Freundschaft zu Suigetsu verband, war auf den ersten Blick für niemanden zu erkennen, doch die beiden kannten sich gut aus ihrer Zeit an der Schule. Auch wenn seine Familie das immer gut vertuscht hatte, auch Sasuke hatte in seiner Pubertät Grenzen getestet, indem er die eine oder andere überschritten hatte. Nachdem er sich auf einer Party mit einem viel zu starken Gegner angelegt hatte, war es Suigetsu gewesen, der ihm den Arsch gerettet hatte. Mit aufgeplatzten Lippen und blutigen Augenbrauen waren sie danach zu Suigetsu gegangen, hatten zusammen weiter getrunken und die ganze Nacht geredet, bis sie schließlich zu müde waren, um länger wach zu bleiben. Sasukes erster Kuss war Suigetsu. Sasukes erstes Mal war Suigetsu. Suigetsu war ein Meister darin, ihn zu Dingen zu überreden, die er sonst niemals ausprobiert hätte und während nicht alles davon immer gut war, hatte Sasuke sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig frei gefühlt und Fugaku damit nur weitere Gründe geliefert, ihn hinter Itachi zu stellen. Doch je mehr Fugaku Sasuke hinten anstellte, desto mehr schlug er über die Stränge. Während Sasuke irgendwann gezwungen war, wieder diszipliniert zu werden, veränderte Suigetsu sich nur wenig. Während Sasuke sein Studium in Rekordzeit hinter sich brachte und begann, in der Firma zu arbeiten, jobbte Suigetsu gelegentlich, wenn er Geld brauchte, lebte in einer billigen Studentenunterkunft und verbrachte mehr Zeit in fremden Betten als in seinem eigenen. Manchmal beneidete Sasuke ihn. Suigetsu konnte jederzeit alle Zelte abbrechen und hingehen, wo er wollte, während er die Endstation bereits erreicht hatte. Von hier an würde sein Leben für immer so aussehen. Es war auf eine Art beruhigend, so viel Sicherheit zu haben, aber auf der anderen Seite auch verdammt frustrierend, weil er nicht das Gefühl hatte, schon alles gesehen und erlebt zu haben. Suigetsu war frei wie ein Vogel und Sasuke wünschte sich manchmal an seine Stelle. Sein Handy vibrierte erneut. „Morgen Abend also?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)