Wegweiser ins Licht von Cognac ================================================================================ Kapitel 25: Farewell -------------------- Kapitel 25: Farewell Sie hatte es beinahe geschafft. Bald wäre sie bei ihnen. Hätte sie eingeholt. Doch es kam ihr stattdessen so vor, als würde sie auf der Stelle laufen oder gar mit jedem Schritt von ihnen abtreiben, statt sich zu nähern. Wie weit war es noch? Ein Block? Zwei? Der Punkt auf der Radarbrille auf Shihos Nase fesselte ihren Blick, sodass die umliegenden Passanten darauf achten mussten, dass sie nicht in sie hineinrannte. Sie bahnte sich durch eine Traube von Menschen, welche ihr entgegenkamen. Sie stellte sich nicht die Frage, wo die ganzen Leute herkamen und warum sie alle in die entgegengesetzte Richtung eilten, sie wollte einfach nur zu Shinichi und Shuichi. Die Sirenen von mehreren Polizeiwagen ertönten einige Straßen weiter. Wildes Getuschel drang an Shihos Ohr, zog aber genauso schnell wieder an ihr vorbei. Ein Mann mittleren Alters packte die Rotblonde am Arm und schien sie vor irgendetwas warnen zu wollen, doch Shiho verstand ihn nicht. Ungeduldig riss sie sich von ihm los und lief nur noch schneller auf das blickende Signal zu. Was war vorgefallen? Ein Knall in unmittelbarer Nähe ließ die Rotblonde aufschrecken. Es klang wie ein Schuss, welcher die Massen um sie herum in Panik verfallen ließ. Sie wurden immer schneller, drängelten und schubsten. Nur mit Mühe gelang es Shiho sich durchzukämpfen und nicht vom Strom der Fliehenden mitgerissen zu werden. Sie spürte es ganz deutlich und war sich bewusst, dass Gefahr in der Luft lag. Ihr Instinkt riet ihr ebenfalls die Flucht, doch wenn Shinichi und Shuichi in der Klemme steckten, könnte sie nie und nimmer die beiden sich selbst überlassen, denn das würden sie schließlich auch nicht, wenn sie an ihrer beider Stelle wäre. Also ging sie weiter. Shiho erreichte bei ihrer nächsten Abbiegung eine Ladenstraße, in die sie, laut ihrem Navigationssystem, hineingehen sollte. Es war ein menschenleerer Ort, verlassen und gemieden. Doch sie betrat ihn dennoch. Die junge Frau sah sich nun zum ersten Mal etwas genauer um, lief aber trotzdem zügig weiter, um keine Zeit zu vergeuden. Die Geschäfte waren allesamt geschlossen, viele von ihnen nur provisorisch und in aller Hektik verbarrikadiert worden. Manche Metalllamellen vor den Schaufenstern waren nicht vollständig heruntergelassen, Läden haben ihre Waren auf dem Gehweg stehengelassen, Stühle und Tische vor einem Café waren umgerissen worden. Die ganze Situation kam einem Schlachtfeld gleich. Shiho sah nervös durch das Glas der Radarbrille. Nur noch wenige hundert Meter. Was war hier bloß los und handelte es sich bei dem Lärm von vorhin wirklich um einen Schuss? Eine Schießerei mitten im Zentrum von Tokyo? Ein unwohles Gefühl überzog ihre Haut, wie eine dünne Schicht Zuckerguss und sorgte dafür, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Sie musste Acht darauf geben nicht in irgendetwas hineinzugeraten, doch musste sie einfach ihren Liebsten und Akai finden. Wieder dachte Shiho an die Blutergebnisse von ihr und dem FBI-Agenten und wischte sich die aufkommenden Tränen aus den Augen. So viel vergeudete Zeit. Sie stoppte, als sie geradeaus vor sich, einen Mann mit schwarzem Oberteil bemerkte, der an einem großen Metallcontainer lehnte und sich nicht vom Fleck rührte. Mit seinem Kopf sah er sich um, schien zu überlegen, wagte es aber nicht um den Container herumzuspähen. Sein Blick wanderte zu ihr hinüber. Seine Augen wurden größer und auch die der rotblonden Frau weiteten sich, als sie den Mann endlich erkannte. Es war Shuichi. Er wollte aufstehen, doch sank er bei dem Versuch wieder zu Boden, eine Hand dabei in seinem Hemd verkrallt. Sein verzerrtes Gesicht sprach für die junge Wissenschaftlerin Bände. Er war verletzt. Womöglich sogar schwer. Ohne weiter zu überlegen, lief Shiho auf den verwundeten FBI-Agenten zu. „Shuichi, was ist passiert?“, rief sie ihm schon von weitem zu. Akai schüttelte hektisch den Kopf und streckte seinen freien Arm nach ihr aus. „Nein Shiho, bleib weg. Du darfst nicht näherkommen.“, versuchte er sie aufzuhalten, doch reichte die in seine Stimme gelegte Kraft nicht aus, damit die junge Wissenschaftlerin in hören konnte. Stattdessen beeilte sie sich nur noch mehr, zu ihm zu gelangen. Shuichi biss seine Zähne zusammen. Der metallische Geschmack von Blut lag auf seiner Zunge. Der Scharfschütze lag nach wie vor auf der Lauer. Wenn sie ihm noch mehr entgegen kommen würde, würde sie selbst ins Fadenkreuz geraten. „Was ist mit dir? Was hast du?“, redete Shiho auf ihn ein, sich weiterhin nähernd. „H-Hau ab. Hier ist es zu gefährlich. Du musst von hier verschwinden. K-Kümmere dich nicht um mich.“, befahl ihr Shuichi, nicht fähig ein Röcheln dabei zu unterdrücken. Endlich begriff Shiho, was er von ihr wollte und sie verringerte ihr Tempo, wenn auch nur widerwillig, bis sie schlussendlich stehen blieb. Akai war noch gute 50 m von ihr entfernt. Der Agent gab ihr flüchtige Handzeichen und obwohl sie in solchen Sachen nie wirklich gut war, so verstand sie, dass sie sich Deckung suchen sollte. Zögerlich begab sich Shiho hinter einen Getränkeautomaten am Wegesrand. Nun konnte sie Shuichi zwar nicht mehr sehen, aber zumindest weiterhin hören. „Sag was ist hier los Shuichi?“, rief sie ihm mit hörbarer Besorgnis zu. „S-Shinichi und ich… wurden von einem… H-Heckenschützen überrascht. Er scheint es aber wohl nur auf mich… abgesehen zu haben.“, folgte die Antwort, wenn auch nur sehr langsam, da Akai versuchte seinen angeschlagenen Körper wieder zu beruhigen. Sein Bestreben Shiho auf Abstand zu halten, war für ihn anstrengender gewesen als gedacht. „Wer hat es auf dich abgesehen und wieso?“ Man konnte aus den Worten der Rotblonden klar entnehmen, dass sie Angst hatte. „Das wird sich hoffentlich… bald herausstellen.“, hielt sich der FBI-Agent kurz. Er nahm ein unangenehmes Ziehen in seiner Lendengegend wahr und versuchte sein Körpergewicht zu verlagern, während er weiter da saß. Shiho hielt einen Moment inne. Sie beschlich eine böse Vorahnung. „Moment mal, wo ist Shinichi?“ „Er hat den Schützen abgelenkt… und versucht ihn nun zu überlisten.“ „Was?“, platzte es aus der Wissenschaftlerin heraus. Sie wäre beinahe wieder hinter dem Automaten hervorgekommen, doch wenn tatsächlich irgendein Kerl mit einer Waffe in der Nähe war und vielleicht sogar in diesem Moment auf sie zielte, so wäre das vermutlich eine ziemlich dumme Entscheidung. >Dieser Idiot<, fluchte sie innerlich. >Warum musste ihr Shinichi auch immer den Helden spielen< Akai drückte noch immer so gut er konnte mit seiner Hand auf die Eintrittswunde an seinem Bauch, doch er merkte, wie seine Fingerspitzen allmählich taub wurden. Shiho könnte schwören ihn stöhnen zu hören. „Wurdest du getroffen Shuichi? Wie schwer ist deine Verletzung?“ „H-Halb so wild. Ist bloß ein Streifschuss.“, log der Agent und spuckte ein wenig Blut zur Seite. „Das sah vorhin aber anders aus.“, widersprach ihm Shiho besorgt, ihre Hände an das kalte Metall des Automaten gepresst. „Hör zu Shuichi ich kann dir helfen. Du weißt ich bin für Erste Hilfe ausgebildet worden.“ „N-Nein. Das wäre zu riskant… und ist auch nicht nötig, vertraue mir.“, bestand Akai darauf, dass sie da blieb wo sie war. Er musste Shiho beschützen, das war alles, was Akemi von ihm verlangt hat bevor sie aus seinem Leben verschwand und er würde niemals zulassen, dass er das Versprechen an seine Geliebte nicht halten und ihrer Schwester etwas passieren würde. Shiho starrte vor sich zu Boden, den Blick auf ihre Fußspitzen gerichtet. „Du wusstest es, nicht wahr?“ Der Mann mit der schwarzen Lederjacke runzelte fragend die Stirn. „Was meinst du?“ „Tu nicht so scheinheilig.“, entgegnete Shiho barsch. „Du weißt wovon ich rede und das würde auch erklären, warum du dich heute so komisch mir gegenüber verhalten hast.“ Akai schwieg. Seine Augen huschten nachdenklich und ziellos durch die Gegend. „Hast du davon gewusst, dass wir verwandt sind? Das wir Cousin und Cousine sind und meine Eltern deine Tante und Onkel und auch Akemi in Wahrheit…“ Shihos Stimme versagte ihr und sie brach ab. „Ich weiß es genauso lange wie du. Und um ehrlich zu sein, war es reiner Zufall gewesen. So wie ich sie kenne, hätte sie es mir niemals freiwillig erzählt.“, sprach Shuichi ruhig und darauf Bedacht seine Energiereserven nicht weiter aufzubrauchen. Shiho wurde bei dem was er sagte hellhörig. „Wer? Wer hat es dir erzählt? Wer wusste davon?“ Akai versuchte sie zu bremsen. „Das kann ich dir leider nicht sagen. Nicht jetzt.“ Der rotblonden Frau passte diese Antwort allerdings überhaupt nicht in den Kram und wollte sich damit auch nicht zufrieden geben. „Erzähl mir keinen Unsinn!“, wurde Shiho etwas lauter. Dachte er, sie könnte die Wahrheit nicht verkraften? Sie war bereit alle Karten auf den Tisch zu legen. Wieso konnte er es nicht? „Ich kann es dir wirklich nicht sagen.“, beharrte der FBI-Agent schwermütig. Shiho spürte, dass er mit sich rang. Sich unsicher war, was das Beste wäre. Ihre Stimme wurde sanfter, fast schon flehend. „Warum nicht? Was hält dich davon ab ehrlich zu mir zu sein.“ „Shiho…“ Akai ballte seine Hand zu einer Faust. Sein Arm zitterte durch die Anspannung seiner Glieder. „Wenn ich dir das alles doch nur so auf die Schnelle erklären könnte.“ „Das kannst du.“, kam es sofort von der Wissenschaftlerin. „Ich bin hier. Ich höre dir zu und ich werde auch nicht weggehen. Auf keinen Fall.“ Shiho schloss ihre Augen. Sie lehnte mit ihrem rotblonden Haupt an dem Automaten und sah ihn vor ihrem geistigen Auge, wie er da am Container lehnte, der Blick müde und… Sie wollte so unbedingt zu ihm. Nicht länger alles totschweigen und allem ausweichen, sondern mit ihm über alles reden. Sie war dazu bereit sich ihm voll und ganz zu öffnen. „Von heute an wird alles anders werden. Das verspreche ich dir.“, flüsterte sie weich und leicht, wie der feine Luftzug, der über Shuichis nasskalte Züge wehte. Die Sirenen der sich ankündigenden Kavallerie waren mittlerweile immer näher gekommen und die gesamte Straße wurde nach beiden Seiten hin abgeriegelt. In der Ferne blinkten die roten Lichter der Streifenwagen, die die Straßensperren bildeten. Eine Kette an Blauhemden ließ niemanden in die Nähe des Ortes an dem geschossen wurde. Mit stummer Miene und tief ins Gesicht gezogenem Hut, versperrten sie den Schaulustigen die Sicht. Die Polizei kam allerdings nicht näher heran und hielt auch die Rettungskräfte bewusst zurück. „Was soll das?“, äußerte sich die junge Dame fassungslos. „Worauf warten die?“ Shuichi brauchte dringend medizinische Hilfe. Wieso kam also niemand? „Sie werden ihr gesamtes Aufgebot… solange zurückhalten, bis der Schütze… keine Bedrohung mehr darstellt.“, erklärte Akai ihr in tiefen Atemzügen. Shiho erhob sich mit gefasster Miene, die Augen langsam öffnend. Das würde sie ganz bestimmt nicht so einfach hinnehmen. Sie bräuchte sich doch nur bemerkbar zu machen. Auf keinen Fall würde man sie einfach ignorieren. Also winkte sie mit ihren Armen, um die Aufmerksamkeit der Uniformierten zu gewinnen. „Hey! Hallo!“, schrie sie aus voller Kehle. „W-Was tust du denn da?“, fragte sie Akai. „Wonach sieht es denn aus du Blödmann? Ich werde dich hier rausholen.“, erwiderte sie mit einer Träne, die ihr die Wange hinunterlief. Einer der Streifenpolizisten schien die junge Wissenschaftlerin tatsächlich entdeckt zu haben, da kurz darauf zwei Männer in voller Einsatzmontur und mit Maschinenpistolen vorsichtig und geduckt, entlang der Läden und im Schutze einiger bunter Markisen, auf sie zu kamen. Shiho befiel eine unbeschreibliche Erleichterung. „Halte durch Shuichi. Hilfe ist gleich da.“, sprach sie an den FBI-Agenten gewandt. „Keine Sorge Miss, wir bringen sie von hier weg.“, redete einer des Zweiertrupps professionell auf sie ein, als sie Shiho erreicht hatten. „Was? Nein, ich gehe nicht weg.“, lehnte sie das Angebot vehement ab. Das SEK tauschte einen unverständlichen Blick miteinander. „Wir haben den Befehl alle Zivilisten aus dem Gefahrenradius zu bringen.“ „Das ist mir egal.“, blieb Shiho standhaft. „Ich bewege mich hier nicht weg, ehe Shuichi in Sicherheit ist.“ Der Polizist, der das Wort ergriffen hatte, sah hinüber zu Akai. „Ich befürchte in seiner Verfassung ist er nicht transportfähig. Die Sanitäter werden sich um ihn kümmern, sobald sie von der Einsatzleitung grünes Licht erhalten.“ Er gab seinem Kollegen ein Zeichen die Gegend im Auge zu behalten. Er selbst griff sich Shiho, willig sie mitzunehmen. „Nein, lasst mich sofort los.“, wehrte sich die Rotblonde so gut sie konnte. „Seht ihr denn nicht, dass er sofort unsere Hilfe braucht.“ „Miss, bitte beruhigen sie sich. Sie müssen ruhig bleiben.“ Das SEK sah sich gezwungen seinen Griff zu verstärken, um Shiho im Zaum zu halten. „Loslassen“, fauchte sie. „Ist schon in Ordnung Shiho.“, versuchte Shuichi sie davon zu überzeugen, ihren Widerstand einzustellen. Sie würde sich nur selbst in Gefahr bringen und das galt es zu verhindern. „Du musst jetzt gehen.“, ergänzte er mit einem schwachen Lächeln. „Shuichi“ Sein Ebenbild verschwamm durch einen sich bildenden Feuchtfilm auf ihren Augen, als würde sie durch einen Schleier blicken. „Mach dir um mich keine Sorgen Kleines.“ Akai schaute zu den Polizisten. „Hey ihr Beiden. Leiht mir eins… eurer Funkgeräte. Ich kann eurem Einsatzleiter… ganz genau sagen, wo sich der Schütze aufhält.“ Die Männer zögerten zunächst, doch als ihnen Akai seine FBI-Marke zeigte, nickte einer von ihnen bereitwillig und warf, wie gewünscht, sein Funkgerät zu Shuichi hinüber. „Haltet die Köpfe unten. Der Mistkerl… ist in der obersten Ebene des Parkhauses.“ Akai deutete mit seinem Daumen auf die Baustelle hinter sich. Er befühlte das Gerät in seinen Händen, sowie das Rädchen zum Einstellen der Frequenz. „Welcher Kanal?“, fragte er. „Kanal 4“, teilte ihm einer der Polizisten mit. Shuichi stellte mit zittrigen Fingern den Regler ein, ehe er in das Funkgerät sprach. „H-Hier ist… FBI-Agent Shuichi Akai, Sonderermittler… des Kriminaldezernats von Tokyo. Mit wem spreche ich?“ Einen Moment lang war nichts zu hören. „Hallo?“, schnarrte ein tiefe Stimme über den Lautsprecher. „Hier spricht Hauptkommissar Hyoe Kuroda. Diese Leitung ist den Sondereinheiten vorbehalten. Wer gab ihnen die Genehmigung?“ „Dafür ist keine Zeit. Hören sie sich lieber an, was ich zu sagen habe.“, verlangte Shuichi bissig. „Ich kann ihnen… den Schützen liefern. Ich kenne seine aktuelle Position.“ Wieder war es einen Augenblick lang still. „Fahren sie fort Agent Akai.“ „Ich weiß sie haben, für einen Fall wie diesen, irgendwo ein Scharfschützenteam positioniert. Instruieren sie sie… die oberste Ebene des Parkhauses… ins Visier zu nehmen. Dort versteckt sich der Schütze. Schalten sie ihn aus.“ Kuroda hielt das Funkgerät fest in seiner Pranke und blickte über das Dach eines Streifenwagens hinein in die Ladenstraße. Die Tatsache, dass Akai noch am Leben war und mit ihm Kontakt aufnahm, konnte nur bedeuteten, dass Korn es mehr als vergeigt hatte. Seine starre Miene formte einen finsteren Blick. „Also schön, dann muss wohl Plan B herhalten.“, flüsterte er zu sich selbst, ehe er sich wieder Shuichi zuwendete. „Ich habe verstanden. Die Bedrohung wird umgehend eliminiert.“ Er warf das Funkgerät zu einem Polizisten hinüber und gewann etwas Abstand zu seinen nahestehenden Untergebenen. Mit seinem Zeigefinger tippte er zweimal auf einen Stöpsel in seinem Ohr. „Schwarzmilan an Kuckucksnest. Bring es zu Ende.“ „Hier Kuckucksnest. Mit Vergnügen.“, antwortete ihm eine Frau mit rotem Dutt und Schmetterlingstattoo. Chianti saß auf dem Dach eines der umliegenden Gebäude und starrte auf den -vor ihr liegenden- Scharfschützen, welchen sie kurzerhand außer Gefecht gesetzt hatte. „Nimm es mir nicht persönlich, aber wir spielen eben nun mal nicht im selben Team.“, lachte sie gehässig. Getarnt mit einem dunklen Overall der Einsatzkräfte und einem Basecap mit dem Emblem der japanischen Polizei darauf, griff sie nach dem Gewehr in ihrem Schoß und drehte sich über den Rand des Daches zur leeren Einkaufspassage um. Im Gegensatz zu Korn, hatte sie völlig freies Schussfeld auf ihr Ziel. „Endlich gehörst du uns.“, raunte die Frau und leckte sich dabei ihre dunklen Lippen. Akai ließ erleichtert seine Hand mit dem Funkgerät zu Boden sinken. Er legte seinen Kopf zurück und schaute hinauf zum Himmel. Bald wäre es überstanden. Er musste nur noch ein wenig länger durchhalten. „Shuichi?“ Shihos Stimme drang an sein Ohr. Sie war ganz dumpf und verwaschen, kaum zu verstehen. Er durfte jetzt nicht schlapp machen. „Shuichi!“ Ihr Ruf wurde lauter. Akai war völlig erschöpft und seine Augenlider wurden zunehmend schwerer. Eine erdrückende Müdigkeit setzte ein. Vielleicht sollte er sich ausruhen, nur ein kleines bisschen. „Shuichi, bleib wach!“ Der FBI-Agent blinzelte in Richtung Shiho und des SEKs, doch waren diese nicht mehr da. Stattdessen stand eine schlanke feminine Gestalt direkt vor ihm und beugte sich zu ihm hinunter. Ihr langes braunes Haar wehte im Wind und ihr Lächeln strahlte so hell, wie die Sonne. „A-Akemi?“ Das konnte doch gar nicht sein. „Shuichi, du darfst jetzt nicht das Bewusstsein verlieren.“, mahnte ihn seine Geliebte. „Wie kann das sein? Ich verliere wohl den Verstand.“, lachte Akai schwach, gefolgt von einem Husten. „Du musst mich retten.“, sagte Akemi. „Ich habe es versucht, doch ich habe versagt.“, gestand sich der FBI-Agent ein und ließ den Kopf hängen. Akemi machte ein trauriges Gesicht, legte aber eine Hand unter sein Kinn, damit er sie wieder ansehen konnte. Sie war so schön wie eh und je. „Du musst mich retten, bevor es zu spät ist.“ Akai schüttelte seinen Kopf. Alles drehte sich. „Shuichi, Shuichi“ Bilder schossen durch seinen Kopf. Verzerrte Bruchstücke einstiger Ereignisse. „Rette mich! Rette SIE, Shuichi.“ Akemi löste sich vor ihm in Luft auf. „Nein, warte. Ich muss dir noch was wichtiges sagen.“, rief ihr Akai hinterher, doch wurde sie vom Wind in alle Richtungen zerstreut. Ein rotblonde Silhouette kam stattdessen auf ihn zu und schnell erkannte er das Gesicht von Shiho. Direkt hinter ihr waren die Männer des SEK. Sie schien sich von ihnen losgerissen zu haben und rannte nun einfach auf ihn zu. Alle Risiken dabei ignorierend. Das sie ihm damals verziehen hat, dafür wird er ihr… Shuichi stockte als seine Sicht sich schlagartig schärfte und er die schwache Reflexion eines Visiers, auf einen der Dächer hinter Shiho und den beiden Polizisten bemerkte. Er konnte nur noch reagieren. Mit seinen letzten noch verbliebenden Kräften nahm er Shiho in die Arme und drehte sie herum. Im gleichen Augenblick fiel der Schuss. Akai drückte den Kopf Shihos nach unten und spürte gleichzeitig, wie das Projektil in seinen Rücken eindrang. Er hörte wie sie aufschrie. Ihre Finger verkrallten sich in seine Jacke. „Schüsse, ich wiederhole Schüsse.“, gab einer der Polizisten über Funk durch. „Hauptkommissar!“ Inspektor Shiratori, stand neben Kuroda und sah diesen erwartungsvoll an. Rum schnappte sich energisch das Funkgerät. „An alle Einheiten. Zugriff, jetzt. Schnapp euch den Typen. Oberste Etage des Parkhauses.“ Sogleich setzte sich das Aufgebot der Polizei mit ihren Streifenwagen und lauten Sirenen in Bewegung. Zeitgleich wurde von beiden Seiten die Ladenstraße gestürmt. Ein Krankenwagen und mehrere Sanitäter-Fahrzeuge folgten zur Unterstützung. „S-Shuichi?“ Shiho hielt den kreidebleichen Akai in ihren Armen. Sein Blut war auf ihrer gesamten Kleidung verteilt. Er hat die Kugel abgefangen, die ansonsten sicherlich sie getroffen hätte. Woher hatte er das nur gewusst? Wieso hat er das nur getan? „Shuichi…“ Die Rotblonde spürte, wie ihr Herz Risse bekam. Es waren alte Wunden von jenem Tag, als ihre Schwester starb und nun erneut aufbrachen. Sie hatte doch erst vor kurzem erfahren… „Du darfst nicht sterben Shuichi.“, flehte Shiho unter Tränen. Akai musste schmunzeln. Die Last von Jahren der Schuld fiel von seinen Schultern. „Ich habe dich gerettet.“, lächelte er. „Shuichi bleib bei mir. Ich will nicht noch jemanden aus meiner Familie verlieren, bitte.“ „I-Ich bin f-froh… dass du uns nicht ablehnst. Mich, meine Schwester… Sogar meine Mutter wäre froh darüber. Ist es immerhin genau das, was sie bis heute davon abhält sich dir zu zeigen.“ „D-Deine Mutter? H-Hat SIE dir…“ „Ja. Elena war eine gebürtige Sera und ihre jüngere Schwester.“ Akai sah der Rotblonden ein letztes Mal in die Augen. Das Grün seiner Iris verblasste allmählich. „S-Shiho. Pass mir gut auf Masumi auf.“ Damit schloss er seine Augen. Als sein Kopf in ihren Schoß fiel, wusste Shiho, dass jede Hilfe zu spät kam. Auch die heraneilenden Sanitäter könnten nichts mehr für ihn tun. Shuichi Akai… er war tot. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)