Wegweiser ins Licht von Cognac ================================================================================ Kapitel 17: Die Suche nach Antworten ------------------------------------ Kapitel 17: Die Suche nach Antworten „S-Shinichi?“ Ran hatte das Gefühl aus allen Wolken zu fallen, als sie ihren Sandkastenfreund leibhaftig und wie fest gefroren vor sich stehen sah. Noch mehr traf es sie aber wie ein Blitz, als sie ihn zusammen mit seiner Freundin sah, die unweit hinter ihm stand und sich genauso wenig rührte. Ran war sich dabei ziemlich sicher, dass sie es sein musste, diese Shiho Miyano mit ihren rotblonden Haaren, welche denen von Ai sehr ähnlich waren. Sie bekam sie nun zum ersten Mal selbst zu Gesicht. Seit Shinichi ihr von dieser Frau erzählt hat, wollte sie immer wissen, wer sich hinter der Person an seiner Seite verbarg und die sein Herz im Sturm erobert hatte. Laut Sonoko war sie wunderschön, schlank, groß und besaß auch andere äußerst bemerkenswerte Körpereigenschaften, wie es ihre Schulfreundin formuliert hatte. Das Fräulein Suzuki behielt mit allem recht. Sie war wirklich bildhübsch, musste sich auch Ran eingestehen. Als Shiho ihren Blick auf sich spürte, versteckte sie, ohne groß zu überlegen, ihre Kette unter ihrem Oberteil. Die junge Mori durfte das einstige Geschenk Shinichis auf keinen Fall sehen oder sie würde es sofort als jene Kette erkennen, die sie als Ai stets um den Hals trug. Die Gravur mit Shihos und Shinichis Namen darauf, wäre sicherlich das I-Tüpfelchen auf dem, was in den letzten Stunden schon alles schiefgegangen war. Zum Glück war Ran viel zu abgelenkt und mit etwas viel ernsterem beschäftigt, um ihr schnelles Handeln zu bemerken. „R-Ran, was machst du denn hier?“ Shinichi gelang es endlich den Knoten in seinem Hals zu lösen, doch seine Stimme klang einige Oktaven höher als üblich. „Was ich hier mache? Ist das dein Ernst?“ Die Stimme der Braunhaarigen dagegen senkte sich bedrohlich. „Die Frage sollte doch wohl eher lauten, was DU hier machst.“ Sie streckte ihren Zeigefinger nach ihm aus, welcher sich, obwohl sie weit genug von ihm entfernt stand, wie eine Spitze Nadel in seinen Leib bohrte. Er hatte ihr schon wieder etwas vorgemacht, als er sagte er würde auf Abstand bleiben und stand jetzt nur noch fünf Meter von ihr entfernt. Ran ergriff eine schier nicht zu messende Wut Shinichi begriff er musste sich schleunigst was einfallen lassen oder er würde gleich ihre Karatekünste zu spüren bekommen. „Ich weiß, ich weiß, hör mir bitte zu Ran. Mir ist bewusst, dass du mir gestern klar und deutlich vermittelt hast, dass du mich aktuell nicht um dich haben möchtest, aber…“ Seine Stimme gellte durch ihren Kopf. „Ist das so, ja?“ Sie hatte ihr Haupt gesenkt und ballte die Fäuste, sodass ihre Finger knirschten. „Halt, Auszeit.“, bettelte Shinichi, welcher schon mit dem ersten Tritt rechnete. „I-Ich meine ich kann viel mehr für Amuro tun, wenn ich hier vor Ort bin und direkte Ermittlungen anstelle. Das ist der einzige Grund.“ Amuro? Rans Aggressionen verpufften zu einem unbedeutenden Nichts, als sie sich wieder bewusst wurde, weswegen sie eigentlich hergekommen war und was sie zurzeit wirklich quälte. Etwas, was inzwischen größer war, als nur das Verschwinden ihres Liebsten. „Ran, ich bin doch nicht zurückgekommen, um dich weiter zu verletzen, sondern um dir zu helfen.“, fuhr Shinichi fort, ganz darauf bedacht was er als nächstes von sich gab. „Das ist doch jetzt vollkommen unwichtig.“, unterbrach ihn seine Sandkastenfreundin mit eingeknickter Haltung und stiftete so nur noch mehr Verwirrung. „Was, nein ist es nicht.“, widersprach ihr der Schwarzhaarige unsicher. Ran schüttelte den Kopf und Tränen benetzten ihre rosigen Wangen. „Du verstehst nicht Shinichi. Ich bin verzweifelt, denn nun ist auch noch Conan verschwunden. Er wurde entführt und das wahrscheinlich von demjenigen, der auch diesen Anschlag auf Paps geplant und durchgeführt hat. Jemand hat es eindeutig auf unsere Familie abgesehen.“ „B-Bitte was?“ Shinichi reagierte ziemlich überrumpelt. Ihm und Shiho war zwar bewusst gewesen, dass Ran Conan für Verschwunden halten würde, da er ja wirklich verschwunden war, doch wie kam sie nur darauf, dass es sich um eine Entführung handeln musste. „Ja“, bestätigte diese und versuchte sich wieder etwas zu sammeln. „Als ich heute aufgewacht bin und ihn wecken wollte, war er nicht mehr in seinem Bett. Darüber hinaus herrschte eine ziemliche Unordnung und die Wohnungstür war gewaltsam aufgebrochen worden. Paps war sich sofort sicher, dass sich jemand von außen Zugriff verschafft hat.“ „Was sagst du da? Es gibt Einbruchsspuren?“ Sera, die vor Ran zurückgewichen war, aber noch neben ihr stand, war nun wieder hellwach und packte ihre Freundin in einem Greifreflex an den Schultern. Diese zog ein verängstigtes Gesicht, als sie so von ihrer Klassenkameradin ordentlich durchgeschüttelt wurde, bejahte aber kleinlaut ihre Frage. „Außerdem haben wir ein Schreiben des Entführers, an der Tür befestigt, vorgefunden. Dort stand, dass Conan nun in >seiner< Gewalt sei und zu gegebener Zeit Forderungen folgen würden.“ Masumi und Shinichi tauschten ein paar irritierte Blicke aus. Sie konnten das beide nicht verstehen. Sie hatten nichts dergleichen getan. Wie konnte das also sein? Wer war dafür nur verantwortlich? „Stand noch mehr in dieser Botschaft, was von Bedeutung sein könnte?“, sprachen die beiden jungen Detektive wie aus einem Munde. „Nun ja, es gab da noch etwas, was aber ziemlich merkwürdig klang. Es hieße wir sollten ruhig die Polizei einschalten, wenn wir das möchten, doch unser näherer Freundeskreis, besonders der von Conan, soll nichts von seiner Entführung erfahren. Falls es sich doch rumsprechen sollte, dann würde er ihn…“ Das Fräulein Mori schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und schluchzte zutiefst bestürzt. „Ran“ Shinichi kam langsam auf sie zu. Er wurde das Gefühl nicht los, dass etwas an dieser gespielten Entführung faul war. „Wenn das was du eben gesagt hast wirklich wahr ist, dann lass mich alles in meiner Macht Stehende tun, um diesen mysteriösen Fall aufzuklären und die Verantwortlichen dahinter zu überführen.“ Sie sah wieder zu ihm auf und er vermittelte Sera mit einer einfachen Geste, dass sie Ran ruhig wieder loslassen konnte. „Auch wenn ich ein lausiger Freund sein mag, als Detektiv kannst du dich auf mich verlassen. Ich werde sie finden, sowohl Amuro als auch Conan, egal wo sie auch sein mögen.“, fuhr er fort. „Das würdest du wirklich alles tun, obwohl ich gestern am Telefon so gemein zu dir war?“ Ran klang nicht ganz überzeugt und wischte sich vorsichtig die Tränen aus den Augen. „Schätze ich hatte es wohl verdient.“, lächelte der Oberschülerdetektiv mit einem Gesichtsausdruck, wie ihn Ran lange nicht mehr gesehen und beinahe auch schon vergessen hätte. Sie konnte es nicht glauben, dass sich Shinichi wirklich dazu bereit erklärte und ihr, ohne lange zu überlegen, mit allem helfen wollte. Dabei war sie drauf und dran gewesen ihm an die Gurgel zu gehen. „Danke Shinichi.“, rief das Fräulein Mori erfreut und fiel ihm aus lauter Übereifer und Dankbarkeit um den Hals. „Keine Sorge, wir werden den kleinen Racker schon heil und munter zurückbekommen. Du weißt doch, wie taff er für sein Alter ist.“, baute er sie weiter auf. „Ich hoffe wirklich es geht ihm gut. Die Polizei haben wir schon informiert. Sie wollen die Sache, auf unsere Bitte hin, diskret angehen. Meine Eltern überlegen sich auch schon, wie wir Conans Verschwinden vor seinen Freunden und vor allem vor Ai verbergen wollen und auch ihr müsst die Sache für euch behalten. Das ist mir ungemein wichtig versteht ihr? Ich will mir gar nicht ausmalen, was ihm ansonsten alles angetan werden würde.“ Wieder wurde ihre Stimme flüchtiger und ihre Augen glänzten von der klaren Flüssigkeit, die sich in ihnen sammelte. „Ich verstehe nur nicht was der Entführer damit bezweckt und wie er es überhaupt in unsere Wohnung geschafft hat, ohne dass jemand von uns wach wurde.“ Shinichi legte fest entschlossen eine Hand auf ihre Schulter, was ein wenig zu helfen schien. Über Conans oder besser gesagt seinem Wohlergehen brauchte er sich im Grunde keine Sorgen zu machen, doch wer konnte noch wissen, dass sein Grundschul-Ich auf einmal weg war und auch nicht so schnell wieder zurückkehren würde. Hat man ihn vielleicht beim Verlassen der Wohnung Kisaki gesehen? Kannte der Entführer etwa auch seine wahre Identität, so wie vermutlich auch der Bombenleger? Er ging nicht davon aus, dass es sich um ein und dieselbe Person handelte. Wer in Gottes Namen zog hier alles seine Fäden und warum wurde er dieses Gefühl nicht los, jemand wollte ihnen mit diesem Manöver in die Karten spielen und ihnen eine provisorische Erklärung für Conans Verschwinden liefern. Davon aber mal abgesehen, schien er endlich Rans Wohlwollen zurückerlangt zu haben, worüber Shiho sichtlich nicht besonders angetan war. Rans Blick fiel über Shinichis Schulter hinweg wieder auf die Rotblonde, die immer noch schweigend und angewurzelt hinter ihm an der Treppe stand. Erst jetzt begriff sie, was sie da eigentlich soeben unternommen hatte und das sie Shinichi immer noch fest an sich drückte. Shiho war die Situation bestimmt genauso unangenehm wie ihr, dachte sich die Braunhaarige und sie machte mit ihrer aufdringlichen Umarmungsaktion alles nicht gerade besser. Er war doch immerhin jetzt ihr Freund. Damals bei ihrem und Shinichis Treffen im Café habe sie ihm vorgeschlagen, sie doch untereinander vorzustellen. Sie kann sich daran erinnern, wie toll er diese Idee fand und der Meinung war, sie würden sich bestimmt hervorragend verstehen. Vielleicht war das nicht gerade der beste Zeitpunkt das Eis zum Schmelzen zu bringen, doch nun standen sie sich doch schon einmal gegenüber und das weitere ausblenden des jeweils anderen, war Ran auf Dauer viel unangenehmer, als endlich den ersten Schritt ihrer Bekanntschaft zu machen. Um ganz ehrlich zu sein, wollte sie die junge Frau wirklich näher kennen lernen und herausfinden, was Shinichi an ihr so begehrenswert fand. Zweifelsfrei musste sie ein äußerst netter und liebevoller Mensch sein. Ran presste ihre Traurigkeit in den Hintergrund und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. Wenigstens für einen kurzen Moment, wollte sie nicht auf jeden wie ein Häufchen Elend wirken. „Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Es ist schließlich das erste Mal, dass wir uns begegnen.“, setzte sie an und widmete sich voll und ganz der Wissenschaftlerin. „Hallo, ich bin Ran Mori. Du musst Shiho Miyano sein. Ich habe schon so viel von dir gehört. Freut mich dich endlich persönlich kennenzulernen.“ Die Rotblonde starrte auf Rans Hand, wie sie sie ihr entgegenhielt, um sie zu ergreifen und zu schütteln. War das wirklich ihr Ernst? Nach alldem was war, versuchte sie dennoch gegenüber ihr einen fröhlichen Eindruck zu machen? Shiho zögerte erst für einen Moment, schloss aber dann die Augen, drehte sich um und begab sich stillschweigend nach oben. Ran und auch Shinichi ließ sie dabei einfach links liegen. Das entgegenkommende Lächeln der Braunhaarigen verblasste. „Nanu, habe ich etwa etwas falsches gesagt?“ Ran klang so, als stünde sie kurz davor wieder in Tränen auszubrechen. Shinichi wedelte hastig und verneinend mit den Armen. „Das musst du verstehen. Die Sache scheint uns allen an die Nieren zu gehen. Sie will bestimmt nur Rücksicht auf dich nehmen, ganz bestimmt.“ Sera trat von hinten an die zwei heran und hakte sich bei Ran ein. „Ich denke wir sollten jetzt wohl lieber aufbrechen oder wir kommen noch zu spät zur Schule. Was meinst du Ran?“ „Ich denke nicht, dass ich heute zur Schule gehen kann.“, meldete sich ihre Niedergeschlagenheit zurück, als sie sich unsicher eine ihrer langen Strähnen hinter das Ohr strich. „Dann fahre ich dich am besten zurück zu deinen Eltern. Ich muss ohnehin in dieselbe Richtung.“, schlug Masumi vor, die die junge Mori bereits zurück zur Haustür zog. „Sag mal Masumi, mir fällt gerade auf, was machst du eigentlich hier? Wusstest du etwa, dass Shinichi zurück nach Tokyo kommt?“ Sera brachte ein gequältes Lachen zu Tage. „Das erkläre ich dir besser unterwegs.“, versuchte sie abzulenken und zerrte weiter am Arm ihrer Klassenkameradin. Als sie sie nach draußen befördert hat, zwinkerte sie Shinichi noch kurz zu und streckte dabei ihren Daumen in die Höhe, womit sie so viel sagen wollte wie: Mach dir keine Sorgen, ich regle das schon. Falls Ran für den Rest des Tages eine einfühlsame Stütze bräuchte, wäre Masumi für sie da. Danach waren die beiden Oberschülerinnen auch schon auf und davon. Shinichi war nun allein und wusste nicht so recht, was er nun machen sollte. Shiho in ihr Zimmer zu folgen wäre bestimmt keine gute Idee. Allein an ihrer abweisenden Haltung von vorhin konnte er schlussfolgern, dass er mit seinem erneuten Angebot zur Hilfe Rans in ein ziemlich tiefes Fettnäpfchen getreten war. Er konnte sie aber nicht einfach mit dem Verschwinden seiner geschrumpften Persönlichkeit allein lassen. An wen sollte Ran sich sonst wenden. Außerdem sah sich Shinichi als verantwortlich für ihre Situation und da er ohnehin der Sache auf den Grund gehen wollte, warum konnte er es dann nicht auch gleich offiziell als Oberschuldetektiv Shinichi Kudo tun. Diese ganze Rückverwandlungssache musste doch auch irgendwie einen Nutzen für ihn haben. Was dem Schwarzhaarigen aber wirklich Beschäftigte war, wer für die von Ran geschilderten Indizien einer Entführung in der Wohnung von Eri Kisaki verantwortlich war. Es ergab nicht den geringsten Sinn und dennoch lagen die Karten genau so auf dem Tisch. Freund oder Feind? Zufall oder Absicht? Shinichi hatte nicht die leiseste Ahnung. Das Läuten eines Handys riss ihn aus seinen Grübeleien. Der Klingelton kam ihm äußerst bekannt vor, doch woher? Es war weder sein Handy noch das von Ai oder von Professor Agasa. Er suchte nach dem Ursprung und landete dabei beim Wäschekorb. Als er den Deckel entfernte, lugte eins der blauen Beine von Kogoros „geliehener“ Hose hervor, was mit jedem Klingeln vor sich hin vibrierte. Wie konnte er nur nicht mitbekommen haben, dass das Handy seines Onkelchens noch darin enthalten war. Das musste er in all der Panik seiner Flucht völlig verplant haben. Ihm lief es kalt den Rücken herunter. Was wenn Ran auf der Suche danach war oder der Suffkopf selbst versuchte, dass abhanden gekommene Gerät zu orten? Schnell fischte er es aus der Hosentasche und sah dabei nach, wer bei Kogoro anrief. Die Nummer war unter dem Namen Wataru Takagi eingespeichert. Zügig eilte Shinichi zurück ins Wohnzimmer und suchte nach seinem Stimmentransposer. Ein Glück hatte er diesen letzte Nacht mitgenommen, nur für alle Fälle. Er stellte die Fliege auf die Stimme des schlafenden Meisterdetektivs ein und nahm den Anruf entgegen. „Guten Morgen Herr Mori, schön dass ich sie um diese Uhrzeit schon erreicht bekomme.“, vernahm er die sympathische Stimme des Polizisten am anderen Ende der Leitung. „Nicht der Rede wert Takagi, also was gibt es?“, wollte Shinichi wissen. So wie der Kommissar auf ihn wirkte, gehörte er eindeutig nicht zu denjenigen, die auf Conans >Entführer< angesetzt waren. „Nun ja, die kleine Ai hat uns auf ihr Geheiß darum gebeten, dass wir sie über Neuigkeiten zum Sprengstoffattentäter in ihrer Detektei und in der Teitan-Grundschule auf den Laufenden halten und wir haben nun erste Ergebnisse, die ihnen durchaus nützlich sein dürften, um uns bei unseren Ermittlungen zu unterstützen.“ Hervorragende Idee Ai, dachte sich der Oberschülerdetektiv mit einem seichten Lächeln. „Um was geht es?“ „Wir haben das Öl im Labor analysiert, dass die Kinder von dem verdächtigen Motorrad gefunden haben. Es handelt sich hierbei tatsächlich um Motorenöl. Genauer gesagt, um Öl für Viertaktmotorräder. Aber es kommt noch besser, es handelt sich um ein Schmiermittel, wie es hauptsächlich für Getriebe von Motorrädern der Marke Honda verwendet wird.“ Während Takagi berichtete, kam Shiho wieder die Treppe hinunter getingelt. Sie führte ein Handtuch mit sich und steuerte zielgerichtet auf das Badezimmer zu. Anscheinend wollte sie sich noch duschen vor dem zu Bett gehen. Mit wenig Sympathie lauschte sie der imitieren Stimme von Kogoro und ließ ihr Augenmerk nur für den Bruchteil einer Sekunde über Shinichi hinwegziehen. Dieser bemerkte sie zwar, ließ sich aber dadurch nicht von seinem Gespräch ablenken. Das letzte was er wollte war es wichtige Details zu verpassen. Shiho hatte dabei ihre ganz eigenen Gedanken. Er scheint sich ja sofort in den neuen Fall reinzuknien, dachte sich die großgewachsene Ai und rümpfte monierend die Nase. Er kann es wohl nicht abwarten Ran zufrieden zu stellen. Mit einem lauten Knall warf sie die Badezimmertür hinter sich zu, was Shinichi einen höllischen Schrecken einjagte und auch Takagi entging der Krach nicht. „Was war das für ein Lärm?“, fragte der Kommissar nach. „A-Ach nichts weiter, nur eine zugeschmissene Tür.“, druckste Shinichi und kratzte sich die Wange. „Achso stimmt, sie wohnen ja derzeit bei ihrer Frau.“, entgegnete Takagi, dem der platte Ausdruck in Shinichis Gesicht dabei entging. Wie sollte er denn das jetzt verstehen? Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. Er sollte lieber beim Thema bleiben. „Fahren sie doch bitte fort Takagi.“, bat er ihn und hörte dabei, wie das Wasser der Dusche angestellt wurde. „Äh natürlich, tut mir leid.“ Der Kommissar klang ein bisschen verlegen. „Wir haben mithilfe von Conans Aussage einige Modelle der Marke Honda herausgesucht, die auf die gegebene Beschreibung passen würden. Wir bräuchten nur noch die Bestätigung der Kinder, ob das gesuchte Motorrad sich unter der Auswahl befindet. Sofern das erledigt ist, können wir als nächstes feststellen, wie viele davon in Tokyo im Umlauf sind und die Besitzer darauffolgend kontrollieren.“ Shinichi schluckte. Was so einfach klang, war leider momentan schier unmöglich. Immerhin waren sowohl Conan als auch Ai derzeitig etwas unpässlich. „Nun, i-ich denke es wäre einfacher, wenn sie die Bilder aller verdächtigen Motorradmodelle einfach an mich weiter schicken würden. Ich werde selbst meine Untersuchungen diesbezüglich aufnehmen und die Polizei auf dem Laufenden halten.“ „Wie sie meinen Herr Mori. Wir erwarten dann ihre Rückmeldung.“ Kommissar Takagi verabschiedete sich und legte auf. Kurz danach kamen auch schon die Bilder der Motorradmodelle herein, die Shinichi sofort an sein eigenes Handy weiterleitete. Das Handy von Kogoro und auch seine Hose müsste er bei nächster Gelegenheit heimlich wieder zurückbringen, ehe der Suffkopf bemerken würde, dass sie fehlten. Vielleicht könnte der Professor diese Aufgabe für ihn übernehmen. Er bräuchte die Sachen einfach nur irgendwo abzulegen, wo die Schnapsnase sie durchaus selbst liegen gelassen haben könnte. Immer noch eine leichtere Aufgabe für den alten Erfinder, als das er selbst als Shinichi Kudo bei Eri Kisaki aufschlagen würde. Der Schwarzhaarige zog mit seinem Zeigefinger über das Display seines Smartphones und ging die geschickten Bilder durch. Es waren alles schwarze Motorräder mit Viertaktmotoren der Marke Honda, bei denen ausschließlich das gefundene und vom Händler empfohlene Motorenöl verwendet wurde. Darunter waren zwar nicht nur Nakedbikes, doch Shinichi wusste ganz genau, welches Modell er suchte. Er sah es jedes Mal vor seinem geistigen Auge, sobald er diese schloss und endlich fand er das passende Exemplar dazu. Für ihn unverkennbar blitzte ihn das Foto derselben Maschine an, wie sie auch der Bombenleger gefahren hatte. Eine Honda CB 1000 R, wie der Name darunter verriet. Neugierig tippte Shinichi auf seinem Handy, um im Internet mehr Informationen zu bekommen. Das Bike besaß eine Leistung von 125 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 230 km/h. Darüber hinaus war es, obwohl es sich um eine japanische Marke hielt, ein Sondermodell, welches nur in Italien gebaut wurde. Die Chancen standen somit gar nicht schlecht einen schnellen Treffer zu landen. Shinichi griff ein letztes Mal nach Kogoros Handy und informierte Takagi, wie ausgemacht, über die Übereinstimmung. Dieser gab sich hocherfreut und würde alles Notwendige weiterleiten. Danach löschte Shinichi alle Informationen und auch die Anrufe von und an Takagi vom Handy des schlafenden Meisterdetektivs. Auf keinen Fall dürfte das Onkelchen später ausversehen darüber stolpern. Das Wasserrauschen im Hintergrund verebbte und kurze Zeit später verließ Shiho wieder das Bad. Sie trug eine kurze schwarze Schlafhose und hatte sich dazu ein knappes rosa Top übergeworfen. Gleichzeitig war sie damit beschäftigt -mit dem Handtuch von vorhin- ihre noch feuchten glänzenden Haare abzutrocknen. Schweigend kam sie auf Shinichi zu und setzte sich ihm gegenüber auf die Couch. Er selbst starrte sie nur mit offenem Mund an, als sie das Tuch auf ihre Schultern ablegte, nach einer Zeitschrift auf dem Tisch griff und ihre Beine an ihren Oberkörper heranzog. Ihm stieg der Duft von ihrem süßen Erdbeershampoo in die Nase und seine Wangen nahmen eine leichte Rötung an, als er auf ihre Beine starrte und wie sie ihre Fußspitzen von sich streckte. War sie nicht müde gewesen und wollte sofort schlafen gehen? Shinichi bekam den Verdacht, seine Freundin würde schon wieder irgendetwas aushecken, um ihn eins auszuwischen. Er beobachtete sie weiter schweigend, bis ihre kühlen ruhigen Augen über den Rand der Zeitschrift sahen, direkt in seine. „Shinichi?“ Sie senkte das Magazin, wodurch er ihre ausdruckslose Miene zu Gesicht bekam. „Was ist?“, fragte er harmlos. „Würde es dir was ausmachen, mich nicht quasi mit deinen bloßen Augen ausziehen zu wollen.“ Nun wurde Shinichis gesamter Kopf tiefrot vor Scham. „Rede nicht so einen Unsinn. Ich tue nichts dergleichen.“, wehrte sich der Detektiv, fühlte sich aber dennoch auf eine Art und Weise durchschaut. Als wären seine Blicke mit ihrer leichten Bekleidung und aufreizenden Pose nicht genau ihr Ziel gewesen und nun stellte sie IHN wieder als den Perversen hin, dachte sich Shinichi grimmig. „Wolltest du nicht eigentlich schlafen gehen?“, murrte er leise. Shiho verbarg ihr Pokerface wieder hinter der Frauenzeitschrift. „Erst müssen meine Haare richtig trocken werden.“, entgegnete sie monoton. Was für eine schwache Ausrede, überlegte Shinichi. Vielmehr will sie doch nur sichergehen, dass er nicht wieder jemand bestimmtes anrief. „Willst du denn gar nicht wissen, worum es in dem Telefonat von eben ging?“, wollte der Schwarzhaarige sie testen. Die Wissenschaftlerin zögerte einen Moment und Shinichi hätte sich gewünscht ihr Gesicht sehen zu können. Bestimmt war sie sich unsicher, wie sie darauf reagieren sollte. „Nein will ich nicht.“, antwortete sie ihm schließlich, sich weiterhin hinter dem Magazin versteckend. „Ich habe erst einmal genug von deinen ganzen Telefonaten, die du so in meiner Abwesenheit tätigst.“ Shinichi schob eingeschnappt sein Kinn nach vorne. Na schön, wenn sie es nicht wissen will, dann behielt er es eben für sich. Er wollte sich eh alleine darum kümmern und am besten auch jetzt gleich, solange die Spur zum Attentäter noch heiß ist. „Ich werde mir ein wenig die Beine vertreten. Frische Luft wird mir sicherlich gut tun. Bleibe ruhig hier wenn du willst.“, erklärte er und verließ eilig das Anwesen. „Hey Shinichi Moment mal.“ Shiho warf die Zeitschrift beiseite, doch sah sie nur noch eine Haustür, die ins Schloss fiel. Er war ohne weiteres gegangen. Auf und davon, um zu helfen wo er kann. Die Rotblonde legte ihre Fassade ab und blickte traurig auf ihren Schoß. Vielleicht war sie doch etwas zu streng zu ihm. Er versuchte doch immer nur das Richtige zu tun, auch wenn er dabei nicht immer alle Folgen bedachte, gerade was sie anging. Shiho legte sich ausgestreckt auf die Couch und platzierte ihre verschränkten Hände auf ihrem Bauch. Sie überlegte noch ein Weile, wie sie ihm wieder ein wenig entgegenkommen könnte, bis sie letztlich friedlich einschlief. Sera kam nach der Schule völlig erledigt nach Hause. Schon mit geschlossenen Augen öffnete sie die Wohnungstür und torkelte durch den schmalen Flur Richtung Bett. Sie warf erst ihre Schultasche in die Ecke und anschließend sich selbst und ihren entkräfteten Körper auf die weiche Matratze. Eine kleine zierliche Gestalt mit blonden Haaren und ebenso grün stechenden Augen wie Sera, tapste auf Socken in das Zimmer. Masumi ließ ein erschöpftes Stöhnen verlauten, dass durch die Tatsache, dass ihr Gesicht tief im Feinpolster versunken war, nur gedämpft nach außen drang. Das kleine Mädchen bei ihr verschränkte die Arme. „Bei irgendwelchen nächtlichen Unternehmungen muss man sich nicht wundern, wenn man am nächsten Tag fix und fertig ist.“, bemerkte Mary trocken. Sera brummte etwas Unverständliches. „Drehe dich bitte um, wenn ich mit dir spreche Masumi.“, belehrte das Mädchen ihre Tochter, wodurch sich die Oberschülerin auf den Rücken drehte. „Ist ja gut Mutter.“ Ihre Augen waren von tiefschwarzen Augenrändern gezeichnet. „Wo bist du überhaupt gestern hin verschwunden?“ „Das weißt du doch bestimmt ganz genau, also wieso fragst du mich?“ Sera schien es wohl nicht entgangen zu sein, dass ihre kleine Schwester außerhalb des Territoriums sie und Shinichi heimlich belauscht hatte. Mary ging aber nicht weiter darauf ein, sondern kam gleich zur Sache. „Seit wann ist der Junge wieder in die Gestalt des Oberschülerdetektivs zurückgekehrt?“ „Seit genau dem gleichen Zeitpunkt, als auch Ai wieder ihr altes Ich angenommen hat. Es geschah gestern mitten in der Nacht und hat mit irgendeiner Nachwirkung des Prototypen zu tun, welchen sie eingenommen hatten.“, antwortete Sera brav, aber träge. „Sherry ist also ebenfalls wieder zurück.“, flüsterte Mary und unterdrückte ein Husten. „Sag mal…“, Masumi machte einen Schneidersitz auf ihrem Bett, „…ich verstehe bis heute nicht, warum du dich ihnen weiterhin nicht zeigst und klein bleiben willst, obwohl Shiho bereits ein Gegenmittel hergestellt hat, was dich wieder gesund machen könnte. Du wolltest doch anfangs so schnell wie möglich wieder groß werden, woher also der Sinneswandel?“ Mary musste nun doch leise Husten. „Niemand kann sagen, ob das Gegenmittel bei der Version des Giftes, dass ich verabreicht bekommen habe wirklich hilft. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass die Zeit zum Aufatmen noch nicht gekommen ist.“ Masumi runzelte die Stirn. „Was meinst du damit? Kannst du es nicht zumindest ausprobieren? Woher willst du wissen, dass die Rückverwandlung nicht doch erfolgreich verläuft.“ „Glaube mir, es ist besser, wenn ich dem rotblonden Mädchen nicht begegne, noch nicht.“ „Wieso nicht?“ „Frage nicht weiter nach Masumi. Du würdest es ebenso wenig verstehen. Ich muss ihr aus dem Weg gehen, um keine Geister der Vergangenheit zu wecken.“ Sera verstand nicht, was Mary damit meinte, gab sich aber geschlagen und beließ es dabei. „Na schön, wie du meinst Mutter.“ Dabei fiel ihr jedoch etwas anderes ein, was sie ansprechen wollte. „Könntest du mir vielleicht verraten, ob du zufällig etwas mit den Einbruchsspuren bei den Moris zu tun hast?“ Die Antwort darauf ließ überraschenderweise nicht lange auf sich warten. „Nein. Ich war es nicht, welche die Tür beschädigt und aufgebrochen hat, wenn du das meinst. Ich weiß aber zufällig wer es gewesen ist. Ich habe die Person nämlich dabei beobachtet.“ „Was? Dann raus mit der Sprache.“, verlangte Masumi ungeduldig. Marys Blick verfinsterte sich. „T-Tut mir leid.“, entschuldigte sich ihre Tochter, bevor das Mädchen zu erzählen begann, ohne zu ahnen, dass ihr noch ein zweites Paar Ohren heimlich zuhörte. In einem dunklen Appartementzimmer saß eine feminine Gestalt vor mehreren Überwachungsmonitoren und beobachtete die beiden Seras. Die schmalen Lippen formten sich zu einem Lächeln, als sie den Ton des Mikrofons etwas lauter stellte, um alles noch besser verstehen zu können. „Sie ist so gerissen, wie eh und je. Er kommt ohne Zweifel nach ihr.“, kicherte die Frau amüsiert, während sie das Gespräch zwischen Mutter und Tochter verfolgte. „Wie lange sie wohl diese kleine Familienangelegenheit noch für sich behalten wird?“ Sie hielt mit der versteckten Kamera genau auf Mary und zoomte langsam weiter heran. Die weibliche Erscheinung musste schmunzeln. „Tja, wie heißt es doch so schön: A secret makes a woman, woman.“, sprach sie weiter, ehe sie in leises Gelächter ausbrach. Hosted by Animexx e.V. 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