Shanghai Nightmares von abgemeldet (Das Halloween Special 2003) ================================================================================ Kapitel 1: Die Liste -------------------- Tiefschwarz lag die Nacht über den leeren Straßen des Bürobezirks, der sich nach Feierabend in eine Geisterstadt verwandelt. Einzig der Buchhalter Li Tao wandelte durch die tiefen und schmalen Täler der Hochhauskomplexe. Er war unsicher und er fühlte sich verfolgt. Er spürte, wie sein Herz von Schlag zu Schlag heftiger pulsierte und wie ihm der Schweiß über die Stirn rann. Plötzlich hörte er hinter sich ein Rascheln, was er nicht auf Anhieb identifizieren konnte. Er blieb stehen und drehte sich zitternd herum. Erleichterung kam bei ihm auf, denn seine Befürchtungen waren unbegründet. Bloß zwei Ratten hatten das Rascheln durch ihre Nahrungssuche in einem umgefallenen Müllcontainer verursacht. Der Buchhalter ging weiter, aber diesmal schneller als zuvor. Krampfhaft hielt er den Griff seines schwarzen Aktenkoffers fest, während er aus seiner Tasche ein Tuch hervorzog und sich den Schweiß von seiner hohen Stirn abwischte. Schluckend lockerte er den Knoten seiner Krawatte und atmete tief aus. Erneut blieb er unvermittelt stehen, denn er hatte wiederum ein Geräusch hinter sich wahrgenommen, aber diesmal war es kein Rascheln oder Ähnliches. Es waren Schritte! Li zögerte keine weitere Sekunde und rannte los, so schnell er konnte. Aber auch die Schritte hinter ihm wurden schneller. Sehr viel schneller! Immer näher kam ihm der Verfolger. Li konnte bei nahe dessen Atem im Nacken spüren. Von Todesangst getrieben versuchte er zu entkommen, aber die Furcht machte ihn blind. Er stolperte und stürzte zu Boden. "Bitte... Bitte verschonen Sie mich! I... Ich beschaffe das Geld! Gnade!" Li Tao war verzweifelt und flehte am Boden kauernd um sein Leben. Sein Verfolger jedoch blieb erbarmungslos. Er hob seinen Arm, der durch eine silbernglänzende Metallkralle verlängert war, und holte zum Todesstoß aus. Li wusste, was ihn erwartete und er versuchte sich zu retten, doch es war zu spät für ihn. Erbarmungslos rammte der Mörder dem Buchhalter die Kralle in den Rücken, worauf dieser mit sterbendem Schrei in sich zusammensackte. *** Obwohl es schon fast Mittag war und die Sonnenstrahlen durch die Schlitze der Rollovorhänge in sein Schlafzimmer hereinschienen, ließ sich Jann-Lee seinen Schlaf nicht nehmen, schließlich kommt er nachts meist nicht dazu, da ihn sein Job als Türsteher meist bis sechs Uhr morgens in Anspruch nimmt. Nur mit einer Boxershorts und einem Unterhemd am Körper lag der Kampfsportler in seinem völlig verwühlten Bett. Aber nicht nur sein Bett auch seine gesamte Wohnung war ein einziges Chaos. Überall lagen alte Kleidungsstücke, leergegessene Fast-Food-Verpackungen und sonstige Arten Müll herum und Jann-Lee dachte nicht im Entferntesten daran diese Unordnung zu beseitigen, auch wenn ihn Lei Fang damit wieder auf die Nerven gehen würde. Während sich Lee noch immer im Tiefschlaf befand, schwirrte über seinem Kopf ein dicker Moskito, der sich auf seinem Nacken niederließ. Müde und schlechtgelaunt hob er seine Hand und machte die Mücke mit einem einfachen Schlag platt. Er betrachtete sich die Überreste des Insekts in seiner Handfläche, bevor er sich den Dreck an seiner Shorts abwischte und sich noch mal herumwälzte, um weiter zu schlafen. Doch daraus wurde nichts. Denn schon meldete sich der schrille Klingelton des Telefons zu Wort. Genervt griff sich Lee das schnurrlose Gerät, das wie immer neben seinem Bett lag, und hielt es sich ans Ohr. "Hello!", tönte aus dem Hörer und Jann-Lee wusste sofort mit wem er es zu tun hatte. Lei Fang begrüßte ihn in ihrer gewohnt fröhlichen Weise, was Lee fast dazu gebracht hätte direkt wieder aufzulegen. "Ni Hao! Was ist denn los?" Lee richtete sich auf und stieß ein tiefes Gähnen aus, das Lei Fang wohl signalisieren sollte, dass er lieber noch etwas geschlafen hätte. "Oh, Entschuldigung! Hab ich dich etwa geweckt?" Lei Fang schien das Zeichen verstanden zu haben. "Nein, überhaupt nicht! Ich bin schon seit Stunden wach!" Der Sarkasmus in Lees Stimme war kaum zu überhören. "Also, was möchtest du mir denn sagen?" "Ähm, also... Ich wollte dich fragen, ob du heute Abend mit mir ausgehen willst?" Lei Fang geriet ins Stocken. "Vielleicht könnten wir ja... Ähm.... Uns zusammen einen Film im Kino anschauen?" "Na gut! Von mir aus.", Lee willigte ein, obwohl er den Abend lieber mit Trainieren verbracht hätte als sich in einem mit etwa 200 Trotteln voll gestopften Raum eine langweilige Schnulze anzutun. "Also treffen wir uns um acht vor dem Kino?" "Wie du willst. Bis dann!" "Okay, wir sehen uns!" Widerwillig richtete Lee sich auf und zog sich seine Jeans an, die er die Nacht zuvor achtlos vor sein Bett geschmissen hatte. Er ging zum Fenster, zog an der Kordel des Rollos und wurde direkt von den grellen Sonnenstrahlen, die in sein Schlafzimmer hineinfielen, überwältigt. Lee kniff die Augen zusammen und brauchte einige Sekunden bis sich seine Augen an das Tageslicht gewöhnt hatten. Wie jeden Tag schaute er aus dem Fenster und stellte fest, dass alles seinen gewohnten Gang nahm. Haufenweise Menschen durchströmten die Fußgängerzonen. Der Verkehr kam wie üblich durch die Gewalt der Blechlawine zum Erliegen. Und der Lärm auf den Straßen war wie immer kaum auszuhalten. Lee wandte sich vom Fenster ab und ging ins Nebenzimmer, dabei musste er darauf achten nicht auf irgendwelche halbausgegessenen Konserven zu treten oder über unausgepackte Kartons zu stolpern, die, obwohl sein Einzug schon lange zurücklag, noch immer nicht ausgeräumt waren. Als akustische Untermalung für seine Morgentoilette schaltete er den Fernseher ein. Es liefen gerade die Morgennachrichten, während sich Lee seine Zähne putzte und sich seine übernächtigte Visage im Spiegel anschaute. "Dieser Lebensstil bringt mich noch um!" Er nahm einen großen Schluck, gurgelte kurz und spuckte das Gemisch aus Wasser, Zahnpasta und Speichel ins Waschbecken. Nachdem er sich dann auch seine strubbligen Haare gekämmt, sein Gesicht gewaschen und Deodorant aufgetragen hatte, verließ er das Badezimmer und ging ins Wohnzimmer. "Heute früh wurde im Wirtschaftsbezirk der Buchhalter Li Tao tot aufgefunden.", begann die Nachrichtensprecherin. "Die Polizei geht zurzeit von einem Gewaltverbrechen aus. Um die Ermittelungen nicht zu stören, wurde von Seiten der Behörden eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt." Der Sender zeigte einige Bilder vom blutbeschmierten Tatort und dem Abtransport der Leiche, welche aber Lee nicht weiter interessierten. Er zog sich ein dunkelblaues Hemd über sein Unterhemd, schaltete über die Versteuerung das TV-Gerät ab, schnappte sich seine Wohnungsschlüssel und marschierte durch die Tür ins Treppenhaus. *** Lee spazierte durch die Straßen und kaufte sich dabei sein Frühstück, was aus einer Dose Bier und Hot Dog (womit in China auch nichts anderes gemeint war als ein Würstchen mit Brötchen) bestand, und kaufte sich an seinem Stammkiosk eine Zeitung, die sich hauptsächlich mit dem Mord an dem Buchhalter befasste. Lees Aufmerksamkeit jedoch richtete sich auf einen Artikel, der sich auf den erst vorkurzen zugezogenen spanischen Superstar Vega Fabio de Cerna bezog, welcher der örtlichen Polizei eine großzügige Spende zu kommen ließ und in einem Interview betonte wie sehr ihm der Kampf gegen das Verbrechen am Herzen liege. Nachdenklich betrachtete sich Lee das Bild, das den langhaarigen Spanier bei der symbolischen Geldübergabe mit dem Polizeichef darstellte. Lee kannte diesen Typen, aber er wusste nicht woher. In Gedanken versunken beendete er sein Frühstück und machte sich auf den Heimweg, um noch ein paar Tai-chi-Übungen zu trainieren. *** Der Schatten der Nacht hatte sich über Shanghai gelegt, doch die Lichter des Vergnügungsviertels, wo vor allem Touristen und ausländische Geschäftsleute ihr Geld ließen, verwandelten die Gegend in ein schrilles Farbenmeer aus Neonlampen und Leuchtreklamen. Nebeneinander hergehend schlenderten Jann-Lee und Lei Fang an den verschieden Nachtclubs und Spielhallen vorbei und diskutierten dabei über den Film den sie sich kurz zuvor angeschaut hatten. "Das war wirklich spannend, wie Neo es in letzter Sekunde geschafft hat Trinatty zu retten. Mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht!", sagte Lei Fang zu Lee, der nur gelangweilt mit den Augen rollte. "Na ja, so toll war die Szene auch wieder nicht! War doch ziemlich offensichtlich, dass es so ausgehen würde!" "Findest du? Was war denn deine Lieblingsstelle?" Lei Fang harkte nach und schaute ihren Freund fragend an. "Der Abspann!" "Du könntest ruhig mal etwas mehr Begeisterung zeigen, alter Miesepeter!", meinte sie scherzhaft und versetzte Lee mit ihrem Ellbogen einen leichten Stoß in die Seite. "Hast nicht noch Lust ein Kaffee mit mir trinken zu gehen?" Lei Fang deutete auf das kleine Cafe, das vor ihnen lag und lächelte Lee dabei auffordernd an. "Ja, von mir aus.", lautete dessen gleichgültige Antwort, worauf er geradezu von Lei Fang ins Innere des Cafes gezogen wurde. Die beiden suchten sich einen Tisch nahe am Fenster und bestellten je einen Cappuccino. Kaum hatten sich beide gesetzt, begannen sie weiter über den Film zu reden, wobei das Gespräch mehr als einseitig verlief, da Lei Fang fast ununterbrochen redete. Müde und genervt ließ Lee seine Blicke durch das Lokal schweifen und entdeckte etwa zwei Tische weiter ein Mädchen, das ungefähr so alt war wie Lei Fang und ihre Haare hochgesteckt trug. Ihr Gesicht vermittelte Traurigkeit und ihre leichtfeuchten Augen waren auf ein Foto gerichtet, das sie in den Händen hielt. Sie saß allein an einem Tisch und nippte hin und wieder an einer Tasse Kaffee, die sie schon zur Hälfte geleert hatte. "Hörst du mir eigentlich zu? Und wohin guckst du überhaupt die ganze Zeit?" Lei Fang drehte sich herum und erblickte nun auch das traurige Mädchen. "Kennst du sie?" Jann-Lee schüttelte den Kopf. "Nein, obwohl sie mir irgendwie bekannt vorkommt!" Die beiden wendeten sich wieder von dem Mädchen ab und tranken weiter an ihren Cappuccino. Es war für ein Moment still im Cafe. Die wenigen Gäste redeten nur spärlich miteinander und auch die Straße war weniger überfüllt als sonst. Alles in allem lag etwas Seltsames in der Luft, was keiner beschreiben konnte, was aber dennoch zu spüren war. Unvermittelt betraten drei Kerle, die dunkle Anzüge und noch dunklere Sonnenbrillen trugen, das Lokal und schauten sich um, denn sie waren auf der Suche nach jemand. Eine Bedienung trat an sie heran und erkundigte sich bei den Männern, was sie wollten. Einer der drei zeigte der Angestellten ein Foto und fragte, ob sie diese Person kenne. Sie bejahte dies und deutete auf das Mädchen, das noch immer gedankenversunken an ihrem einsamen Tisch saß. Die drei Kerle nickten einander zu und bewegten sich auf das Girl zu. Dort angekommen, beugte sich der Schwarzgekleidete, der das Trio anführte, zu dem traurigen Mädchen herunter und sprach: "Du hast da etwas, was unserem Boss gehört, Kleines. Und das hätte er gerne wieder zurück. Also mach' keine Zicken und gib es uns sofort! Vielleicht lassen wir dich dann sogar am Leben!" Sie aber schien die drei Kerle nicht wahrzunehmen und würdigte die Bande nicht eines Blickes. Den Mann in schwarz verärgerte diese Haltung und seine Stimme wurde lauter. "Hör' zu, Schlampe! Entweder du tust, was wir sagen, oder wir schneiden dir deine Kehle durch!" Aber auch dieser Versuch blieb ohne Erfolg. Seine Worte kamen bei ihr scheinbar gar nicht an. Der Schwarzgekleidete kochte vor Wut und rastete schließlich explosionsartig aus. Er zog aus seiner Hosentasche ein Butterfly hervor, wirbelte es in seiner Hand herum, ließ die Klinge hervorblitzen und holte zum Stoß aus. Wie ein Fallmesser raste die Klinge aus das Mädchen zu, das immer noch teilnahmslos da saß, bis plötzlich die Faust des Säbelschwingers durch eine fremde Hand aufgehalten wurde. "Pack' dein Taschenmesser mal besser wieder ein, bevor du noch jemanden verletzt!" Der Mann in Schwarz drehte sich herum und erblickte Jann-Lee, der sich ihm mit einem Ausdruck, der hätte töten können, in den Weg stellte. "Wer zum Teufel bist du!?" "Jemand, der etwas dagegen hat, wenn eine Niete wie du versucht sich wichtig zu machen!" Lee presste das Handgelenk seines Gegners fester zusammen, so dass der Gangster das Messer zu Boden fallen lassen, sich selbst nicht mehr auf den Beinen halten konnte und auf den Knien abstützen musste. "Ahh, Verdammt! Shin! Thai! Tut endlich was gegen diesen verdammten Bastard!" Die beiden Schläger ließen sich nicht lange bitten und zogen ihre silberfunkelnden Berettas aus den Schulterhalftern. Die Läufe der Waffen waren direkt auf Jann-Lee gerichtet, den dies jedoch nicht weiter zu beunruhigen schien. "Brauchst du vielleicht Hilfe?", fragte Lei Fang, die noch immer vollkommen entspannt auf ihrem Stuhl saß, fast ironisch, da ihr die Antwort eigentlich schon klar war. "Für Solche Schwächlinge?", Lee fühlte sich von dieser Frage beleidigt. "Ich nehme es locker mit 3000 von dieser Sorte auf!" Lees Ansage war mehr als deutlich. Thai und Shin waren verunsichert und begannen zu zögern. "Erschießt ihn doch endlich, ihr Vollidioten!", brüllte der Gangsterboss, der noch immer von Jann-Lee in Schachgehalten wurde, doch seine Worte waren sinnlos, denn seine beiden Partner waren zu verunsichert um genau genug zu zielen. "Tja, hilft wohl alles nichts." Lee zog den Gangster vom Boden hoch, als ob er nichts gewogen hätte, und stemmte ihn mit beiden Armen über seinen Kopf. "Los ihr beiden! Fangt das mal auf!", spottete Lee und warf Shin und Thai ihren Anführer direkt in die Arme. Die Wucht des Zusammenstoßes war so heftig, dass die drei Gangster zu Boden befördertet wurden und kurzzeitig bewusstlos liegen blieben. Alle hatte es erwischt, außer dem Anführer der Drei, der trotz der Kollision noch immer bei Bewusstsein war. Er kroch über den staubigen Untergrund und versuchte die Kanone seines Partners zu erreichen, die bei dem Aufprall zu Boden gefallen war. Er streckte seinen Arm aus und griff mit seiner Hand nach der silbernen Beretta. Jedoch war Jann-Lee wachsam und bemerkte es sofort. Wie einen Fußball kickte Lee die Waffe zur Seite und trat mit dem Absatz seines Schuhes auf den Handrücken des Gangsters. "Langsam beginnst du mir ernsthaft auf die Nerven zu gehen!" Abwertend schaute Jann-Lee auf den Bandenchef herab. "Das werdet ihr bereuen! Unser Boss wird euch dafür killen!" Lee zog seinen Fuß weg und begann zu grinsen. "Na, dann geht mal zu eurem Boss! Wir werden ja sehen wer her wen killt!" Dem Gangster flößte Lees Ankündigung sowohl Hass als auch Furcht ein. Er richtete sich mühevoll wieder auf und stürzte leicht angeschlagen zum Ausgang des Lokals, während ihm seine, gerade erst wieder zu Bewusstsein gekommen Partner, Thai und Shin, hinterherhinkten. "Die Rache wird unser sein!", rief der Gangsterboss kurz bevor die Bande geschlossen durch die Tür ins Freie verschwand. "Musst du immer so maßlos übertrieben! Du hättest sie auch ohne diese dämliche Show fertig machen können!", tadelte Lei Fang ihren Freund. "Natürlich hätte ich das tun können. Aber in dieser Stadt passiert schon so wenig, da muss man jede Gelegenheit nutzen!" Jann-Lee ging an Lei Fang vorbei zurück zu seinem Platz und setzte ein zufriedenes Grinsen auf. "Wo ist eigentlich dieses Mädchen von eben?" Lei Fang schaute sich um, doch konnte sie nirgends erblicken. "Mach' dir mal darüber keine Gedanken. Die wird schon wissen, was sie tut." Lee hob seine Tasse und trank den letzten Schluck des kaltengewordenen Cappuccino. "Was macht dich da so sicher? Schließlich könnten diese Typen in Schwarz erneut versuchen sie anzugreifen!" "Die kann sich auch alleine ganzgut verteidigen." Lee stellte die leere Tasse ab und begann feist zu grinsen. "Übrigens mir ist wieder eingefallen, woher ich sie kenne." "Lass hören!" Lei Fang war neugierig und beugte sich gespannt nach vorne. "Ich habe ihr Bild schon einmal in der Zeitung gesehen. Sie war eine der Teilnehmer des Street Fighter Turniers und hat sogar einige der besten Kämpfer der Welt bezwungen!" "Du... Du meinst doch nicht etwa, dass das Mädchen von eben..." Lei Fang konnte es kaum aussprechen. "Doch, das eben war Chun Li!" Ein Moment des Schweigens unterbrach kurz das Gespräch und Lei Fang versuchte ihre Gedanken zu sortieren. "Aber was hat die hier zu suchen und was hat sie mit diesen Gangstern zu tun?" Jann-Lee erhob sich von seinem Platz und warf ein paar Geldscheine auf den Tisch, um die Rechnung für den Kaffee zu bezahlen. "Das kann ich dir leider auch nicht sagen. Aber vielleicht werden wir es ja bald erfahren. Wer weiß schon, was einem die Zukunft bringt." "Was meinst du damit?" "Ach nichts!", winkte Lee lächelnd ab. "Komm ich bring dich nach Hause." Er klopfte seiner leichtverwirrten Freundin auf die Schulter und verließ zusammen mit ihr das Cafe. *** Jann-Lee brachte seine Freundin nach Hause und verabschiedete sich dabei ungewöhnlich gutgelaunt von ihr. "Das war ein wirklich netter Abend, Lei Fang. Hoffentlich sehen wir uns morgen. Schlaf gut!" "Ähm... Danke!", erwiderte das Mädchen, während sie sich über Lees plötzlichen Stimmungswechsel wunderte. Sie schloss die Tür zu ihrer Wohnung und Jann-Lee verließ über den Flur das Mietshaus. Noch einige Minuten lang stand Lei Fang im schmalen Eingangsbereich ihres Apartments gegen die Wohnungstür gelehnt und ging intensiv ihren Gedanken nach. "Da stimmt doch was nicht? Wieso war er denn auf einmal so gut drauf? Der führt doch irgendetwas im Schilde." Lei Fangs Annahme war mehr als gerechtfertigt, denn Lee ging keineswegs direkt nach Hause. Er durchstreifte die dunkelsten und menschenleersten Straßen der Stadt auf der Suche nach Chun Li. Unbedingt wollte er sie ausfindig machen um Antworten auf seine Fragen zu erhalten. Wer waren diese Männer in Schwarz? Was wollten sie von ihr? Und wer war ihr Boss? Stundenlang durchkämmte Lee jeden Winkel und jede noch so schmale Gasse, aber die Kämpferin schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Lee wollte schon die Suche abbrechen und aufgeben, als er plötzlich eine Gestalt hinter sich wahrnahm, die ihn schon länger verfolgte. Er blieb stehen, drehte sich um und versuchte den Schatten zu identifizieren. "Die Größe könnte stimmen. Der Körperbau auch. Vielleicht ist sie es.", dachte sich Jann-Lee und ging langsam auf sie zu. "Also, hab ich dich doch noch...huh?" Lee war verwirrt, denn er erblickte jemanden, mit dem er nicht gerechnet hatte. "Lei Fang?" "Aha, du willst sie also ohne mich finden! Das ist ja mal wieder typisch!" Das aufgebrachte Mädchen schimpfte Jann-Lee aus, als ob sie seine Mutter wäre, und Jann-Lee musste sich anstrengen um sie wieder zu beruhigen. "Ja, okay, ich hätte dir sagen sollen, was ich vorhabe, aber die ganze Sache könnte gefährlich werden und ich glaube nicht, dass das was für kleine Mädchen ist!" "Was soll das denn heißen!", Lei Fang lief vor Wut rot an. "Ich bin kein kleines Mädchen!" Die beiden hätten wohl noch stundenlang so weitergemacht, wenn nicht plötzlich ein unbekanntes Geräusch an das Ohr Lees gedrungen wäre. "Pssst!" Lee drückte Lei-Fang seinen Zeigefinger auf die Lippen und sie verstummte sofort, obwohl sie nicht wusste, was los war. "Komm mit!" Jann-Lee nahm seine Freundin am Arm und zog sie in einen dunklen Spalt, der sich zwischen zwei Häusern befand. "Was ist denn los?" Fragend schaute ihn Lei-Fang an. "Sieh mal da rüber!" Mit einem kurzen Heben seines Kopfes deutete Lee auf eine dunkle Silhouette, die die Straße entlang wandelte. "Ist sie das?" Jann-Lee bejahte ihre Frage mit einem Kopfnicken und hatte damit absolut Recht. Der Schatten gehörte tatsächlich Chun Li, die mit einem unscheinbaren braunen Trenchcoat bekleidet, durch die Gassen ging. Sie schritt auf eine Straßenlaterne zu, unter der ein hochgewachsener Mann mit langen Haaren stand. "Hast du dich endlich dafür entschieden, mit uns zusammenzuarbeiten? Oder hast du einfach nur mein schönes Gesicht vermisst?" "Nichts der Gleichen! Ich bin hier um dich zu erledigen!" Chun Li schien es ernst zu meinen und zu allem entschlossen zu sein, dennoch grinste sie der Hochgewachsene feist an. "Du bist wirklich süß, wenn du sauer bist." Diese Verhöhnungen reizten Chun Li nur noch mehr und ihr fiel es schwer ihren Zorn zu kontrollieren. "Halts Maul! Ich werde den Tod meines Vaters rächen und deinen dreckigen Machenschaften ein Ende bereiten!" "Meinst du wirklich, dass du das schaffst?" Der langhaarige Mann machte eine rasante Bewegung, verschwand für einen Moment und tauchte unvermittelt hinter Chun Li wieder auf. Er drückte dem Mädchen seine Kralle an die Halsschlagader und kam mit seinem Mund ihrem Ohr sehr nahe. "Akzeptiere lieber deine Unterlegenheit! Sonst wird es dir schlecht ergehen!" Wütend wirbelte Chun Li herum und versuchte ihren Gegner mit einem gezielten Sidekick zu erwischen. Doch ihr Tritt traf nur die Luft, denn der Hochgewachsene war erneut verschwunden. Etwa fünf Meter vor ihr tauchte er wieder auf und schaute ihr durch seine dunkle Maske tief in die Augen. "Wenn wir uns das nächstes Mal wieder sehen, wirst du hoffentlich vernünftiger sein!", sprach er knapp und verschwand im Dunkeln der Nacht. Chun Lis Wut schlug in Verzweifelung um und sie hämmerte mit ihrer blanken Faust ein beträchtliches Loch in die Hausfassade, die sich zu ihrer Rechten befand, während sich ein Tränenfluss über ihre Wangen ergoss. "Verdammte Scheiße! Wieso schaffe ich es nicht diesen Bastard zu besiegen!" Unter leidvollem Wimmern verlor sie den Halt auf den Beinen und blieb mutlos am kalten Boden sitzen. Plötzlich spürte das Mädchen eine fremde Hand auf ihrer Schulter und hörte eine tröstende Stimme hinter sich. "Brauchst du vielleicht unsere Hilfe?" Langsam drehte sich Chun Li herum und sah Jann-Lee und Lei Fang, die die ganze Szene aus ihrem Versteck heraus beobachtet hatten. Überaus dankbar lächelte das Mädchen mit ihren verheulten Augen die beiden Unbekannten an. *** "Hast du die verdammte Liste?", fauchte eine grollende Stimme den Hochgewachsenen an, der gerade den spärlich beleuchteten Raum betrat. "Nein! Sie hatte sie nicht dabei!" Langsam trat der Hochgewachsene an den Schreibtisch heran, hinter dem ein stämmiger Mann saß, er füllte ein Whiskeyglas, das auf dem Tisch stand, zu zwei fingerbreit mit Schnaps und nahm einen ordentlichen Schluck. "Was! Woher willst du das so genau wissen?" Erbost schlug der stämmige Kerl auf die Tischplatte. "Beruhig' dich, Sagat! Ich konnte sie durchsuchen, während ich ihr meine Kralle näher ,vorgestellt' habe. Sie hatte nichts dabei!" Erneut führte der Hochgewachsene das Glas zu seinem Mund und nippte kurz daran. "Das ist mir egal! Ich will, dass du mir meine verdammte Liste wiederholst, Vega! Verstanden?" Verärgert stellte Vega sein Glas auf dem Schreibtisch ab und schaute seinen Gegenüber verächtlich an. "Punkt eins: Ich bin nicht dein scheiß Lakai! Punkt zwei: diese Liste gehört mir genauso wie dir! Und Punkt drei: Besorg dir doch ne neue, wenn es dir so wichtig ist!" Sagat erhob sich von seinem Sitz und schob seinen vollkommen haarlosen Schädel nach vorne. "Weißt du eigentlich, wie viel Mühe und Geld es mich gekostet hat, diese Informationen für diesen Wisch zusammen zu bekommen? Alle Namen und Adressen der Buchhalter und Finanzverwalter aller Firmen in dieser Stadt befinden sich auf dieser Disk! Wenn wir ein ernstzunehmendes Synidakt in dieser Stadt errichten wollen, können wir nicht auf diese Liste verzichten! " "Schon gut!", winkte Vega ab. "Ich hole sie dir schon zurück! In spätestens 24 Stunden hast du sie wieder!" "Das dauert mir zu lange! Daher ich habe schon selbst Maßnahmen ergriffen!" "Was soll das denn heißen? Vertraust du mir etwa nicht!" Gelassen ließ sich Sagat zurück in seinen Sessel fallen. "Man sieht ja, was man davon hat! Außerdem scheint dir die Sache langsam über den Kopf zu wachsen! Vor allem da die Kleine scheinbar Unterstützung bekommen hat!" "Unterstützung?" Vega schien nicht sofort zu verstehen, was Sagat damit meinte. "Ein paar meiner Jungs sind Chun Li etwas auf die Füße getreten und wurden prompt von so einem Möchtegern Bruce-Lee verprügelt!" Gleichgültig stieß Vega einen kurzen Seufzer aus. "Was lässt du auch diese Luschen solche Arbeiten verrichten! Ist doch klar, dass die nichts draufhaben! Überlass die Sache lieber mir!" "Ich gehe lieber auf Nummer sicher!", Sagat hob den Kopf und richtete seinen Blick auf die Tür. "Du kannst jetzt hereinkommen!" "Mit wem redest du da?" "Sie wird dir gefallen!" Feist begann Sagat Vega anzugrinsen. "Wer?" "Deine neue Partnerin!" Unter lautem Knarren öffnete sich die Tür und eine grazile Gestalt betrat den Raum. Sie war ein junges Mädchen von etwa 16 Jahren mit violetten Haaren und einem blauen Stirnband. Der tiefschwarze Ninjaanzug, den sie trug, machte sie in der Dunkelheit für das menschliche Auge fast unsichtbar und die Wurfmesser und Ninjasterne, die sie mit sich führte, strahlten eine gewisse Bedrohlichkeit aus. "Darf ich dir Ayane vorstellen! Die wohl gnadenloseste Killerin Japans!" Sagats Aussagen überzeugten Vega jedoch noch nicht so ganz und er musterte mit kritischen Blicken seine neue Partnerin. "Ich gebe ja zu, dass sie ein wirklich süßes Chica ist, aber übertreibst du nicht etwas, schließlich ist sie ja noch fast ein Kind!", sagte Vega und griff nach der Schnapsflasche, um sein Glas erneut aufzufüllen. Doch während er noch die Falsche in den Händen hielt, schoss plötzlich wie ein Blitz eine scharfe Klinge durch den Raum und zertrümmerte den Hals der Schnapsflasche. "Sorry, aber ich bin nicht süß!", stellte die Ninja, die das Geschoss abgefeuert hatte, knurrend fest. "Beurteile sie nicht nach ihrem Aussehen! Sie wird uns dabei helfen diese ganze verfluchte Stadt zu beherrschen!", verkündete Sagat zufrieden grinsend und lehnte sich mit einer Zigarre zwischen den Zähnen zurück. *** Leichte Dunstschwaden zogen durch die vereinsamten Straßen der Innenstadt und nur das leise Rauschen von einigen weitentfernten Autos bildete die einzige Geräuschkulisse. Allein die kleine Gruppe, bestehend aus Jann-Lee, Lei-Fang und Chun Li, durchstreifte die dunkele Szenerie. "So ist das also.", nachdenklich rieb sich Lee sein Kinn. "Diese Schlägertruppe und der Krallentyp gehören zur einer Verbrecherorganisation, die versucht dich zu fangen, weil du ihnen so eine seltsame Liste geklaut hast." Mit einem leichten Kopfnicken bejahte Chun Li dies und sagte mit müder Stimme: "Ja, das stimmt!" "Wieso aber versuchst du auch alleine gegen ein ganzes Syndikat anzutreten! Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?" Fragend schaute Lei Fang ihre Gegenüber an und Chun Li schien diese Frage bereits erwartet zu haben. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr und schwermütig begann sie zu erzählen. "Die Polizei ist keine große Hilfe! Diese korrupten Schweine stehen auch auf der Gehaltsliste des Syndikats! Und nicht nur das! Auch Beamte der Stadtverwaltung und Leute beim Militär werden von ihm kontrolliert. Es gibt kaum einen Bereich in dieser Stadt, der nicht unter der Macht von diesen Verbrechern steht! Ihr seht also, dass ich alleine arbeiten muss um nicht in unnötige Schwierigkeiten zu geraten." "Na ja, das würde ich so nicht sagen.", meinte Jann-Lee, während er seine Hand auf die Schulter Chun Lis legte. "Es wäre doch feige und bescheuert, dich jetzt einfach allein mit diesen Idioten zu lassen! Stimmt's Lei Fang? " Lee warf einen grinsenden Blick zu seiner Freundin hinüber, die mit einem ebenso freudigen Gesichtsausdruck antwortete. "Natürlich, Jann-Lee-kun!" Chun Li verzichtete darauf zu antworten und drückte ihre Dankbarkeit mit einem leichten Lächeln aus. "Wie heißt eigentlich der Boss des Syndikats?" Fragend schaute Lee seine neue Begleiterin an, die nicht lange überlegen musste um diese Frage zu beantworten. "Nun, es gibt eigentlich zwei Bosse, nämlich Sagat, einen ehemaligen thailändischen Kickboxer, und Vega, einem spanischen Stierkämpfer und Kampfsportler. Beide waren früher hochrangige Mitglieder in der Organisation Bisons. Nach dem Zusammenbruch der Organisation, verbündeten sie sich und führten die schlechten Werke Bisons fort!" Lee hob den Kopf und unvermittelt kam ihm eine verwegne Idee. "Du weißt doch sicher, wo dieses Syndikat sein Versteck hat, oder?" Chun-Li schaute ihn erschrocken an. "Natürlich! Aber du willst doch wohl nicht etwa..." Lee begann zu grinsen. "Doch, wir werden diesen Laden mal einen Besuch abstatten!" *** "Was soll dieser ganze Mist überhaupt!" Zähneknirschend schaute Ayane den Spanier an, der zusammen mit ihr von einem Dach zu anderem durch die Nacht hechtete. "Nicht so frech, Kleines! Wir müssen nun einmal das Chica und die Liste finden, anders können wir unsere Pläne eben nicht verwirklichen!" "Wenn du meinst... Ihr müsst es ja wissen.", die Ninjakämpferin schüttelte verständnislos ihren Kopf. Plötzlich blieb Vega unvermittelt stehen und blickte herab in die tiefe und von Nebelschwaden verhangene Hochhausschlucht. "Ist was?" Ayane stoppte ebenfalls und ging mit verschränkten Armen zu ihrem Partner. "Schau mal da unten!", verkündete Vega breitgrinsend und zeigte mit seinem Finger auf die Straße. Der weibliche Ninja beugte sich etwas nach vorne und erkannte drei verschwommene Gestalten, die über die Straßen wandelten. "Sind sie das?" Vega stimmte mit einem Kopfnicken zu und weitete sein Grinsen noch weiter aus. "Ich schlage vor, wir knöpfen sie uns am Besten sofort vor!", meinte die Attentäterin vor Tatendrang strotzend und machte sich schon für einen Überraschungsangriff bereit. Doch der Krallenkämpfer hielt sie gegen ihren Willen zurück. "Warte! Ich habe eine wesentlich bessere Idee!" "Aha! Und welche?" "Ganz einfach, Kleines! Guck mal, wo die Typen hingehen.", langsam fuhr Vega mit seinem Zeigefinger den Weg nach, den das Trio einschlug. "Das Hauptquartier?!", entfuhr es Ayane überrascht. "Erraten!", der Spanier klopfte Ayane anerkennend auf die Schulter und richtete sich währenddessen auf. "Wir müssen nur abwarten. Sie gehen uns sozusagen von selbst in die Falle!" Mit diesem teuflischen Plan im Hinterkopf, machten sich die beiden Kämpfer auf den Rückweg, um alles für den großen Empfang vorzubreiten. *** Bedrohlich und uneinnehmbar stand es da. Ein großes mehrstöckiges Gebäude, dessen Fassade mit großen grellen Neonleuchten verziert waren, die das Wort "Dragon Club" beschrieben, lag vor dem Trio. "Sind wir hier richtig?" Jann-Lee schaute fragend zu Chun-Li hinüber. "Ja! Hier ist es." "Wollen wir das wirklich tun?" Lei Fang trat an die anderen beiden heran und schluckte beim Anblick der grauen Festung. "Du kannst ja nach Hause gehen, wenn du willst. Ich werde das hier auf jeden Fall durchziehen!" Entschlossen ballte Lee die Fäuste und ging auf den Eingang des Hauses zu. "Okay, okay, war ja bloß 'ne Frage.", winkte Lei-Fang ab und folgte zusammen mit Chun Li ihrem Freund. Hart stieß Jann-Lee die Tür der Spielunke auf und sofort waren alle Augen der Gäste auf ihn gerichtet. Es waren finstere Blicke, die er zugeworfen bekam. Die Lokalbesucher, die damit beschäftigt waren Poker zu spielen, sich an der Theke vollaufen zu lassen oder mit zahlreich, im Lokal vertretenden Bordsteinschwalben, zu flirten, waren allesamt gestandene Gangster oder sahen zumindest so aus. Ohne sich davon beeindrucken zu lassen schritt Jann-Lee an ihnen vorbei und auch Chun-Li und Lei-Fang ließen sich nach außen hin nichts anmerken, obwohl Lei-Fang innerlich schon ein wenig unsicher war. Unruhig klopfte ihr Herz und kalt rann ihr der Schweiß die Stirn herunter. Als der sehr korpulente Barkeeper, dessen Markenzeichen ein katzenfischartiger Schnurrbart war, die drei Jugendlichen erblickte, stieß er einen schrillen Pfiff aus um sie auf sich aufmerksam zu machen und begann darauf ihnen etwas entgegen zu rufen. "Hey ihr! Kommt mal her!" Die laute Bassstimme des Fetten war kaum zu überhören und sofort wanderten die Blicke von Jann-Lee und Co. zu ihm hinüber. "Was ist denn los?", erkundigte sich Lee barsch, während sich das Trio der Theke nährte. "Der Boss will euch sprechen!" Lee zog die Brauen hoch. "Er will uns sprechen? Ach, was!", der Kampfsportler musste auflachen. "Hält uns dein Boss für total verblödet!" "Nein, nein! Ihr versteht das vollkommen falsch... Meister Sagat meint es ernst, er will sich mit euch friedlich verständigen!", der Barkeeper versuchte den Unschuldigen zu spielen. Jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Lee durchschaute ihn sofort, ließ ihn aber lieber vorerst in dem Glauben, dass er seine Rolle gut gespielt hätte. "Na schön! Wir nehmen an, wo finden wir den Boss?" Der Fettsack deutete auf einen schmalen Treppenaufgang. "Er ist in seinem Büro im ersten Stock. Er erwartet euch schon." Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte Jann-Lee auf die Treppe zu und wurde dabei von zwei etwas verwirrten Mädchen verfolgt. "Hältst du das wirklich für klug? Das ist doch bestimmt eine Falle?!" Lei-Fang redete wie verrückt auf ihren Freund ein, aber ohne ihn wirklich aus der Ruhe zu bringen. "Das weiß ich selbst, aber findest du nicht auch, dass das der einfachteste Weg ist um an Sagat und seine Partner heranzukommen?" Jann-Lees Ausführungen klangen logisch und sowohl Chun Li als auch Lei-Fang fielen auf die Schnelle keine guten Gegenargumente ein. Im oberen Geschoß angekommen, fanden sich die Drei in einem heruntergekommenen und schäbigen Gang wieder, der so gar nicht nach dem Hauptquartier einer Verbrecherorganisation aussah. Der Gang war düster, die alten Dielen knarrten heftig und silberne Spinnenweben hingen von der Decke herab. Ein beklemmendes Gefühl machte sich bei dem Trio breit und keiner von ihnen konnte genau abschätzen, was sie im Büro von Sagat erwarten würde. Nur eines war ihnen klar, dass sie sich in große Gefahr, ja sogar Lebensgefahr, begaben. *** Langsam drehte sich der Türknauf herum, der Riegel klickte und geräuschvoll schwang die Tür auf. Drei Schatten traten in das Zimmer und bewegten sich auf den Schreibtisch zu, der am anderen Ende des Raumes stand. "Ah, da seid ihr ja endlich! Ich hab euch schon erwartet. Kommt, nehmt bitte Platz.", verkündete die dunkle Stimme Sagats, während er mit seiner rechten Pranke auf die drei Stühle wies, die vor seinem Arbeitsplatz aufgestellt waren. Misstrauisch nährten sich die Drei dem Gangsterboss und setzten sich auf ihre Plätze ohne ihn dabei auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. "Was soll diese gekünstelte Gastfreundlichkeit, Sagat! Willst du uns auf den Arm nehmen?" Scharf schaute Chun Li ihren Gegenüber an, der mit einem vollkommen unschuldigen Blick konterte. "Ich weiß gar nicht, was du meinst? Ich behandle nun mal alle meine Gäste äußerst höflich." Erregt sprang Chun Li auf und schlug mit geballten Fäusten auf die Tischplatte. "Ach ja!? Und schickst etwa auch all deinen ,Gästen' ein Killerkommando auf den Hals!" Anstatt genauso aufgebracht wie das Mädchen zu reagieren, blieb Sagat gelassen und räusperte sich nur kurz. "Nun, das nicht. Aber für gewöhnlich beklauen mich meine Gäste auch nicht einfach!", Sagat nahm sich eine Zigarre aus einer hölzernen Box, die sich auf dem Tisch befand, und zündete sie sich entspannt an. "Du musst mich verstehen. Dieses Dokument ist sehr wichtig für meine Geschäfte! Und..." "Spar dir dein Gesülze!", unterbrach Chun Li den Gangster lautstark. "Du weißt genauso gut wie ich was sich auf der Disk befindet! Also spiel hier nicht das Unschuldslamm!" Tief amtete Sagat aus und blies dabei eine graublaue Rauchwolke aus seinem Mund. "Na gut, wenn du willst können wir den Small Talk auch sein lassen und gleich zum Geschäft kommen! Wie viel verlangt ihr? $ 50.000? $ 100.000? Oder gleich eine $ 1.000.000?" "Das einzige, was ich will ist, dass du und deine Bande endlich eure gerechte Strafe bekommt!", schrie Chun-Li dem Rauchenden entgegen, während die ganze Szene von Jann-Lee und Lei-Fang wortlos beobachtet wurde. Ungerührt nahm sich Sagat einen gläsernen Aschenbecher und drückte darin seinen abgebrannten Zigarrenstummel aus. "Tse, tse, tse...Ich habe ehrlich gehofft, dass wir uns friedlich einigen könnten.", belog Sagat, der sich mit Bedacht die Krawatte seines teuren Maßanzuges herrichtete, seine Gesprächspartner. "Aber wenn es nicht anders geht..." Sagat begann zu grinsen und betätigte einen Schalter, der unter der Tischplatte angebracht war. Ein schriller Ton, ähnlich dem einer Türklingel, heulte los und schon Sekunden später war das Büro von einer kleiner Armee von etwa 12 Schlägern überschwemmt worden, deren Anzüge den Gangstern, die Chun-Li im Cafe bedroht hatten, stark ähnelten. "Los Jungs! Bringt den Bälgern mal ein paar Manieren bei!", Sagat stand auf, ging an den dreien vorbei und steuerte auf die Tür zu. "Ich lasse euch nun mit meiner Truppe alleine. Leider habe ich keine Zeit mehr für euch. Ihr kennt das ja. Das Geschäft geht nun mal vor. Lebt wohl!", Sagat drehte den Knauf herum und verließ unter lautem Lachen das Zimmer. "Du verdammter Bastard!!", brüllte Chun Li dem Gangster hinterher, doch dieser hatte schon die Tür geschlossen und war im Flur des Nachtclubs verschwunden. Nun hieß es drei gegen zwölf. Jann-Lee, Lei-Fang und Chun-Li gegen eine Bande von brutalen Verbrechern. Verbrecher, die mit Messern, Pistolen und allerhand anderer tödlicher Handwaffen ausgestattet waren. Verbrecher, die bereit waren für Geld zu töten. Verbrecher, die weder Mitleid noch Gnade kannten. *** Bewusstlos und um ein paar Zähne ärmer ging schließlich auch der letzte der zwölf Schlägertypen besiegt zu Boden. Die Szene erinnerte an ein Schlachtfeld. Überall im Zimmer lagen besinnungslosgeschlagene Männer herum, deren Körper mit Blessuren und Platzwunden nur so übersät waren. Die meisten von ihnen hielten noch immer ihre Waffen in den Händen oder trugen sie in ihren Halftern, weil sie nicht dazu kamen sie einzusetzen. In Mitten dieses Kampfschauplatzes standen die drei jungen Kampfsportler, die noch nicht einmal übermäßig angestrengt aussahen. Sie atmeten völlig ruhig und auch der Schweißfluss hielt sich bei ihnen in Grenzen. "Was für eine Unordnung!", meinte Jann-Lee, als er sich den Haufen von geschlagenen Gangstern betrachtete. "Kommt! Für uns gibt es hier nichts mehr zu tun. Lasst uns dieses Arschloch Sagat finden!" Die Drei wanden sich ab und gingen auf die Tür zu. Lee hatte schon die Klinke in der Hand, als plötzlich hinter ihnen ein Geräusch zu vernehmen war. Ein Klatschen zweier Hände. Es war ein kleiner Applaus. Aber kein Applaus, wie ihn ein Schauspieler oder Sänger erhielt, sondern vielmehr ein höhnisches Klatschen. Jann-Lee, Lei-Fang und Chun-Li wirbelten herum und erblickten Vega, wie er auf dem Schreibtisch seines Bosses saß und gelassen in die Hände klatschte. Sein teufelgleiches Lächeln beunruhigte das Trio, sogar Jann-Lee. "Großartig! Wirklich Beeindruckend!", Der Spanier erhob sich und schritt, während er über die sich krümmenden Körper der Gangmitglieder hinweg stieg, auf seine Feinde zu. "Ihr seid echt gut! Zu Schade nur, dass wir nicht auf derselben Seite stehen! Wir wären ein tolles Team!" "Halt dein Maul, du Mörder!!" Chun-Li fletschte wie ein Raubtier ihre Zähne. Chun-Lis blanken Hass erwiderte Vega jedoch bloß mit einem schallenden Lachen. Langsam hob er seine Hand und streichelte sanft wie eine laue Brise, die einen Hurrikan ankündigt, die Wange von Chun-Li. "Sei doch nicht so nachtragend. Wenn du lieb bist, werde ich ganz zärtlich zu dir sein..." Das Gesäusel des Spaniers jagte Chun-Li einen kalten Schauer über den Rücken. Sie zitterte am ganzen Leib und ihre Wut verwandelte sich langsam zur Angst. Todesangst! Plötzlich schnellte eine Faust los, durchschnitt den Raum und landete erbarmungslos im Gesicht des Krallenkämpfers. Die Wucht des Schlages schleuderte ihn wie eine Druckwelle mehrere Meter zurück und katapultierte ihn direkt gegen den massiven Schreibtisch, der daraufhin mit einem lauten Donnern zerberstete. "Das war nur eine Warnung! Fass sie noch einmal an und du wirst sterben, Sackgesicht!" Jann-Lee scherzte nicht. Er meinte es ernst! Seine raubvogelähnlichen Augen focusierten den Spanier, durchdrangen ihn regelrecht und blickten tief in dessen Inneres. Scheinbar besiegt, hing Vega in den Überresten des Möbelstücks. Er sah aus wie ein Boxer, der kurz vor seiner Niederlage erschöpft in den Seilen baumelt. "Du bist wirklich ein Komiker, Karate Kid!", Vega fuhr sich mit seiner Rechten über die Lippe, wischte das Blut aus dem Gesicht und kramte gleichzeitig seine silberglänzende Maske aus der Manteltasche hervor. "Aber glaube nicht, dass ich dir das durchgehen lasse! Niemand entstellt mein makelloses Gesicht ohne dafür zu bezahlen!" Elegant zog er sich die Maske an, erhob sich und streifte seinen dunklen Mantel ab. Darunter trug er seinen typischen Kampfdress, der ihm schon bei den Street Fighter Turnieren zur Seite stand: Eine gelb-violette Stierkämpferhose, lange weiße Strümpfe, ein rotes Tuch, das er sich um die Hüften gebunden hatte und nicht zu letzt seine geheimnisvolle Drachentätowierung, die sich um seinen ganzen Brustkorb schlang. "Mach' dich bereit zu sterben!", drohte der maskierte Krieger seinen Gegner, ging in die Hocke und sprang mit einem gewaltigen Satz und seiner Kralle im Anschlag auf Jann-Lee zu. Mit atemberaubender Geschwindigkeit schoss ihm die Klinge entgegen und nur mit einem schnellen Reflex gelang es ihm dem Hieb auszuweichen. Lee tauchte regelrecht unter dem Angriff hindurch und versuchte seinerseits mit einem rasanten Gegenangriff zu antworten. Jedoch ging auch diese Attacke ins Leere. Vega wich zur Seite, wirbelte herum und versetzte Lee einen Sidekick. Der Karatekämpfer hatte aber früh genug durchschaut, was sein Gegner geplant hatte, blockte den Angriff mit seinem rechten Arm ab und konterte gleichzeitig mit einem linken Haken in die Magengrube des Spaniers. Wie ein Vorschlaghammer traf Vega dieser Schlag, für einen Moment blieb ihm die Luft weg und er ging kurz darauf keuchend in die Knie. Lee sah nun seine Chance. Er holte mit seinem rechten Bein für den finalen Kick aus. Doch so schnell wollte Vega nicht aufgeben. Wie aus dem Nichts schnellte seine Klinge erneut hervor und traf das linke Knie seines Gegners. Blut schoss aus der Wunde und der Schmerz verzerrte das Gesicht von Jann-Lee. Er musste den Angriff abbrechen und dem Feuer der Wunde nachgeben. Die erste Runde des Kampfes schien vorbei zu sein. Beide Kämpfer standen sich gebeugt gegenüber und blickten sich angriffslustig in die Augen. "Du bist ziemlich gut, Karate Kid!", lobte Vega seinen Gegner. "Aber das wird dir alles nichts nutzen!" Laut begann er zu lachen, aber noch wusste Jann-Lee nicht wieso. Bis plötzlich Chun Li aufschrie. "Pass' auf!" Lee drehte seinen Kopf zu Chun-Li, die auf die rechte Hand von Vega deutete. Erneut wirbelte der Karatekämpfer herum und bemerkte nun in der Hand des Spaniers eine kleine runde Kugel. Eine Bombe? Eine Granate? Keiner wusste was es war. Aber eines war sicher, sie verhieß nichts Gutes! *** Vega hob seine Hand und schleuderte die Kugel dem Boden entgegen. Mit einem lauten Knall explodierte der Ball und erfüllte den Saal mit dichtem schwarzem Rauch, der so dicht war, dass man nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte. Rasendschnell verbreitete sich der Rauch und blockierte sogar die Atemwege des Trios. Hustend und keuchend knieten Jann-Lee, Lei-Fang und Chun-Li am Boden und versuchten dem beißenden Qualm zu entgehen. Doch das war nahezu unmöglich. Der Rauch war überall und es dauerte mehrere Minuten bis er sich endlich verzogen hatte. Langsam wurde auch die Sicht wieder besser und selbst das Atmen viel wieder leichter. Jann-Lee und Chun-Li öffneten ihre Augen, die noch immer wie Feuer brannten, und schauten sich im Zimmer um. Sie waren allein. Sowohl Lei-Fang als auch Vega waren verschwunden. Wo waren sie abgeblieben? Unvermittelt traf die beiden Krieger ein kühler Luftzug. Fast synchron drehten sie sich herum und sahen das offene Fenster. Beiden schoss sofort derselbe Gedanke durch den Kopf: Vega hatte Lei-Fang entführt und war mit ihr durchs Fenster entkommen. Es war zwar nur eine Vermutung aber alles deutete daraufhin, dass sie richtig damit lagen. So schnell sie konnten, liefen sie auf das offene Fenster zu und schauten in die undurchdringliche Dunkelheit der Nacht, die die Stadt völlig vereinnahmte. Vielleicht war Vega noch nicht allzu weit gekommen und noch immer im ihrem Blickfeld, hofften die beiden Kämpfer. Aber sie wurden enttäuscht! Es war viel zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. Selbst wenn Vega noch immer in der Nähe gewesen wäre, wäre er wohl trotzdem nicht von ihnen entdeckt worden. "Verdammte Scheiße!", knurrte Jann-Lee verärgert über diese Niederlage. "Wie konnte ich mich bloß nur so verarschen lassen!" "Und was machen wir jetzt?" Fragend schaute ihn Chun-Li an und Lee brauchte keine Sekunde zu überlegen. "Wir befreien Lei-Fang natürlich und treten diesen Schweinen ordentlich in den Hintern!" Wutschnaubend kletterte er auf die Fensterbank und ließ seine Blicke über die Häuserdächer der Stadt schweifen. "Weißt du, wohin Vega sie gebracht haben kann?" Chun-Li dachte kurz nach. "Nun, auf dem alten Schrottplatz im Süden treiben sich Sagat und seine Gangster öfters herum, um belastende Beweise oder ihre unliebsamen Gegner bei Seite zu schaffen." "Im Süden also...", Lee hielt für einen Moment kurz Inne, stieß sich dann plötzlich von der Fensterbank ab und landete Sekunden später auf dem Dach des benachbarten und etwas kleineren Hauses. Chun-Li staunte nicht schlecht. "Was machst du eigentlich...?" "Na, was schon? Das ist der schnellste Weg!" Lee machte eine auffordernde Handbewegung. "Komm' schon! Versuch es auch mal!" Chun Li schluckte. "Ähm, na gut..." Vorsichtig stieg Chun Li auf die Fensterbank und sprang ähnlich wie Lee, bloß weniger elegant, auf das andere Dach hinüber. Etwas unbeholfen landete Chun-Li und wäre dabei fast hingefallen, wenn sie Lee nicht sanft aufgefangen hätte. "Alles in Ordnung?", erkundigte er sich führsorglich und Chun-Li erwiderte die Frage mit einem etwas peinlichberührten Kopfnicken. "Ja, es geht schon." "Na dann ist ja gut. Komm, wir müssen weiter!", meinte Jann-Lee lächelnd und half Chun-Li, die einen verlegenen Eindruck machte, beim Aufstehen. "Stimmt!", gab Chun-Li, deren Gesicht eine rote Farbe angenommen hatte, zurück und machte sich zusammen mit Jann-Lee auf den Weg nach Süden. *** "Seht mal, wenn ich mitgebracht habe!" Vega warf Lei-Fang, die noch immer bewusstlos war, vor die Füße Sagats und Ayanes, die den Spanier schon erwartet hatten. "Sehr schön! Du bist ja doch zu etwas zu gebrauchen, Vega!", Sagat verzog seine Visage und machte einen zufriedenen Gesichtsausdruck. "Was soll das denn heißen?", knurrte der Maskierte und schaute sich verärgert das Areal an, das von Autowracks, Fässern, Kisten und Altmetall aller Art geradezu überschwemmt war. Die Verbrecher befanden sich, wie Chun-Li vermutet hatte, auf dem Schrottplatz der Südstadt, der zur Südseite hin durch die Küste begrenzt war. Das Wasser im Hafenbecken wirkte bei Nacht wie ein schwarzer Ölteppich und reflektierte das Mondlicht mit geheimnisvoller Schönheit. "Und wieso treffen wir uns überhaupt an diesem abstoßenden Ort!" "Hör auf hier so herumzuheulen!", wies Sagat seinen Partner zu Recht. "Als Gangster ist am aller wichtigsten unauffällig zu bleiben und da wäre es töricht seine Feinde in eigen Hauptquartier mitten in der Innenstadt Shanghais um die Ecke zu bringen! Auch wenn fast die ganze Polizei im Umkreis von uns kontrolliert wird, ist es klüger, kein unnötiges Risiko einzugehen. Außerdem wäre es Schade wenn unser schönes Versteck bei einem Kampf in Mitleidenschaft gezogen würde!" Gelangweilt rollte Vega die Augen (was unter seiner Maske natürlich nur bedingt auffiel). "Von mir aus! Solange am Ende meine Kasse stimmt, soll's mir egal sein." Während sich die Gangster unterhielten, starrte Ayane Lei-Fang an, die direkt vor ihr am Boden lag. Sie schaute auf sie herab, aber ohne Verachtung oder Hass, sondern vielmehr mit einer gewissen Ausdruckslosigkeit, die es unmöglich machte zu sagen, ob Ayane ihre Gegnerin hasste oder Mitleid empfand. "Hast du sie schon einmal gesehen, Ayane?" Sagat trat an sie heran und ließ dabei einen gleichgültigen Blick über seine Geisel schweifen. "Ja, wir sind uns mal bei einem Kampfsportturnier über den Weg gelaufen. Aber besonders gut kennen wir uns nicht." "Sie ist auch Kämpferin?", schaltete sich Vega in die Konversation ein. "Ich habe gedacht, sie wäre bloß das Girl von dem Karate Kid." "Du irrst dich!" Ernst schaute Ayane den Spanier an. "Sie ist eine der besten Kampfsportlerinnen der Welt! Sie ist mindestens genauso stark wie Chun-Li. Wenn nicht sogar noch stärker!" Unvermittelt kam ein abgehetztes Mitglied von Sagats Bande angerannt um seinem Boss eine brisante Nachricht zu überbringen. "Boss... pff... Boss! Die beiden... pff... Zielpersonen sind so eben... pff...am Haupttor gesichtet worden!", keuchte der Gangster mit einem hochroten Kopf und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Die beiden Gangsterboss, Sagat und Vega, schauten sich untereinander an und grinsten teuflisch. "Na, dann läuft unser Plan also seinem großen Finale entgegen!", verkündete Vega und richtete sich seine todbringende Kralle. "Let's Rock & Roll!" Im Weggehen drehte sich Sagat noch einmal zu Ayane herum und blieb kurz stehen. "Wir werden dich nun kurz allein lassen. Bewache sie solange, verstanden! In Kürze erhältst du neue Anweisungen!" Emotionslos war der Blick der Ninjakriegerin und bis auf ein kurzes Nicken, das den Befehl Sagats bejahen sollte, bewegte sich kein Muskel in ihrem Gesicht. Nachdem der Gangsterboss und der Spanier verschwunden waren, blieb Ayane allein zurück. Langsam senkte sie ihren Kopf und musterte Lei-Fang, die Gefangene, die sie bewachen sollte, erneut. Wie auch schon zuvor blieb es Ayanes Geheimnis, was in ihr vorging, während sie Lei-Fang ansah. Hass? Mitgefühl? Oder Freundschaft? Alle diese Gefühle hätte man aus ihrem Gesichtsausdruck interpretieren können. Aber es sollte noch einige Zeit dauern, bis die Ninja ihr wahres Gesicht zu Tage trat. Kapitel 2: Die Entführung ------------------------- *** "Rede schon, du Mistkerl!", knurrte Jann-Lee aggressiv und packte einen der Gangster, der sie beim Betreten des Schrottplatzes empfangen hatte, am Kragen. "Wo ist dein Boss?! Rede gefälligst!" "Ich.. ich habe... keine Ahnung..." Die Stimme des Verbrechers zitterte und seine angstvollen Augen waren weit aufgerissen. Doch Lee ließ nicht locker und verstärkte seinen Griff. "Verarsch mich nicht! Rede schon!!" Nun kam auch Chun-Li hinzu und versuchte ihn zu beruhigen. "Lass es gut sein! So groß ist der Schrottplatz nicht. Wir werden Sagat und seine Verbündeten auch alleine finden." Lee stieß einen wütenden Seufzer aus und gab den Körper unwillig frei. Wie eine leblose Puppe fiel der Gangster zu Boden und blieb bewusstlos liegen. Ungerührt ging Jann-Lee weiter. Zusammen mit Chun-Li durchstreifte er die Täler, die sich im Laufe der Zeit zwischen den Bergen aus Altmetall gebildet hatten, und hielt gleichzeitig Ausschau nach Sagat, Vega und seiner Freundin. Es war ruhig. Nahe zu Totenstill. Die beiden Krieger lief ein kalter Schauer über den Rücken, jeden Schritt, den sie taten, war mit allergrößter Vorsicht verbunden, da die Gefahr hinter jeder Ecke lauern konnte. Plötzlich endete der Weg, den die beiden beschritten hatten, abrupt. Sie befanden sich in einer Sackgasse, die durch einen Haufen von alten Fässern, rostigen Rohren und modrigen Holzkisten gebildet wurde. Das konnte unmöglich Zufall gewesen sein. Das musste Teil einer Hinterhalts sein, fuhr es Lee sofort durch den Kopf. Und schon nach wenigen Sekunden erfüllten sich seine Befürchtungen. Sowohl hinter, neben, als auch vor den beiden Kampfsportlern tauchte auf einmal eine Horde von Sagats Gangstern auf. Die Vielzahl der Schläger, die ihnen gegenüber stand, beunruhigte sogar Jann-Lee. Es waren mindestens doppelt wenn nicht sogar dreimal so viele Typen, wie bei der Prügelei in Sagats Büro. "Willkommen! Schön, euch wieder zu sehen!", empfing Sagat seine ,Gäste' und beendete seine Begrüßung mit einem schallenden Gelächter. Der Gangsterboss war direkt vor Jann-Lees und Chun-Lis Augen auf dem Dach eines alten Lastwagens erschienen und wurde, wie zu erwarten war, von seiner rechten Hand Vega begleitet. Die beiden Jugendlichen schäumten vor Wut, als sie ihre Feinde erblickten. Blitzartig nahmen sie ihre Kampfposen ein, ballten die Fäuste und spannten jeden Muskel an, der sich in ihrem Körper befand. "An eurer Stelle, würde ich mich ein wenig zurückhalten! Vor allem da das Leben eurer Freundin auf dem Spiel steht!" Dem letzten Teil seiner Worte hatte Sagat besonders betont, um den beiden jungen Kriegern klarzumachen, dass jede unüberlegte Handlung Lei-Fangs Tod bedeuten konnte. Zähneknirschend gaben sie ihre Angriffspläne auf und versuchten es nun mit Verhandlungen, obwohl sie wussten, wie riskant es ist sich auf die Forderungen eines gefühlskalten Gangsterbosses ein zu lassen. "Na, es geht doch!", ein zufriedenes Lächeln zog sich durch das Gesicht des Verbrechers. "Und wenn ihr weiterhin so lieb seid, werde ich vielleicht auch die Kleine wieder laufen lassen." "Was verlangst du von uns!?" Jann-Lee starrte seinen Widersacher, dessen Selbstherrlichkeit ihn fast zu Weißglut brachte, mit scharfem Blicke an. "Nicht viel.", Sagat wandte sein Blick auf Chun-Li. "Ich will bloß mein Eigentum zurück!" Die finstere Visage durchdrang das Mädchen, die verzweifelt versuchte eine andere Lösung zu finden. Doch die gab es nicht! Dennoch sträubte sie sich innerlich dem Befehl des Gangsterbosses Folge zu leisten. "Du willst nicht?", Sagats Gesichtsausdruck wurde eiskalt. "Na gut, ich werde euch schon zeigen, dass ich es Ernst meine!" Das war Vegas Stichwort. Der Spanier drehte sich herum, nahm die Finger zwischen die Zähne und stieß einen schrillen Pfiff aus, der auf der ganzen Halde zu hören war. Das Signal war angekommen, denn schon wenige Momente später tauchte die Dritte im Bunde auf: Ayane. Die Ninjakriegerin positionierte sich zur Linken Sagats, während sie Lei-Fang, deren Hand- und Fußgelenke mit Handschellen gefesselt waren, auf der rechten Schulter trug. Ausdruckslos schaute Ayane auf ihre Gegner hinab, die mit ihrem Auftreten nicht gerechnet hatten. Besonders Jann-Lee war erschrocken. Denn er kannte die Kraft Ayanes und er wusste, dass ihr Eingreifen die Lage nicht einfacher machen würde. "Wer ist dieses Mädchen?", flüsterte Chun-Li ihrem Begleiter, ohne ihnen dabei anzusehen, kaum hörbar ins Ohr. "Eine Attentäterin! Und zwar eine von der schlimmsten Sorte! Wir sitzen ganz schön in der Scheiße!", lautete seine knappe Antwort, die ihre momentane Situation ganz gut widerspiegelte. "Nun, was ist jetzt?", Sagats Geduld nährte sich ihrem Ende. "Entscheidet euch! Entweder tut ihr endlich, was ich sage, oder eure Freundin muss dran glauben!" Chun-Li zögerte noch immer, doch schnell gab sie es auf nach einer Alternative zu suchen, die es nicht gab. Langsam ging sie in die Hocke, führte ihre Rechte zum Stiefel und zog eine kleine unscheinbare Minidisk aus ihrer Stiefellasche. "Sie hat sie also doch dabei!" Aufmerksam überwachte der Obergangster jeden einzelnen Schritt der jungen Kämpferin und drehte sich gemächlich zu seinem Partner herum. "Hast du nicht behauptet, dass du sie durchsucht hast?" Ratlos zuckte der Spanier mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Seufzend wendete sich Sagat ab und verschränkte die Arme vor seinem gewaltigen Brustkorb. "Du hast dich wohl nur um die ,interessanten' Stellen gekümmert, wie?" Für einen kurzen Moment zuckte ein leichtes Lächeln durch sein Gesicht. "Wenn man will, dass etwas getan wird muss man es selbst tun. Auf dich ist halt nur bedingt Verlass." Ein beleidigtes Knurren entfuhr dem Spanier, der sich in seiner Ehre verletzt sah. "Arschloch!", zischte Vega durch seine zusammengepressten Zähne. "Das will ich mal überhört haben.", Sagats Blick wandte sich vom Stierkämpfer ab und wanderte zurück zu Chun-Li. Das Mädchen holte aus und warf widerwillig den Datenträger in die Richtung des Verbrechertrios. Locker fing der Gangsterboss das Objekt seiner Begierde auf und betrachtete sich die kleine Scheibe mit einem triumphierenden Ausdruck. "Es gibt halt immer nur einen Gewinner! Und der bin nun einmal ich!" "Ja, du bist der Gewinner! Genauso wie bei unserem letztem Kampf." Chun-Li entgegnete mit einem sarkastischen Kommentar, der auf Sagats und Bisons Weltherrschaftspläne anspielte, die durch eine kleine Gruppe von Kämpfern, der auch Chun-Li angehörte, vereitelt wurden. "Halt dein Maul, du miese Schlampe!", seine Visage war wutverzerrt und hastig stopfte er sich die Disk in die Innentasche seines Jacketts. "Vega!", bluffte der Gangster seinen Partner an, der mit einem genervten "Ja, ja." antwortete. "Kümmere du dich um den Abschaum. Ich werde unsere weiteren Schritte vorbereiten!" Nachdem er seine Anordnungen ausgesprochen hatte, drehte sich der Kahlköpfige herum und machte sich bereit den Ort des Geschehens zu verlassen. "Warte, Sackgesicht!", fuhr Jann-Lee lautstark auf. "Was ist mit Lei-Fang!" Sagat blieb stehen, machte sich aber nicht die Mühe den Kopf zu drehen um seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. "Von mir aus könnt ihr sie haben. Sie hat ihren Zweck erfüllt." Der Gangster schnipste mit den Fingern. "Ayane! Lass sie frei." Wortlos warf die Ninjakriegerin den gefesselten Körper von dem Plateau herunter, wo sie am Boden von Lee schon mit offenen Armen erwartet wurde. "Bin ich nicht großzügig. Ich lasse euch gemeinsam sterben." Mit diesen Worten trat Sagat ab und ließ die drei jungen Kampfsportler alleine mit seinen Untergebenen. "Noch irgendwelche letzten Worte, bevor ich euch hinrichte!" Der Spanier genoss die Situation, denn er wusste, dass er nun alle Fäden in der Hand hatte. "Träum weiter, du Sackgesicht!", entgegnete Jann-Lee in einem scharfen Ton. "Du hattest ja nach unserem Kampf schon keine Power mehr!" "Halt deine miese Fresse!", wütend ballte Vega seine Fäuste und fletschte die Zähne wie ein gereizter Kampfhund. Abrupt wandte er den Kopf herum und brüllte Sagats Schlägertruppe verärgert an. "Was steht ihr da so tatenlos herum! Tut was! Schnappt sie euch!!" Kurz zögerte die Gangsterhorde, aber schon nach einigen kurzen Momenten stürmten sie auf ihre Feinde los. "Aber lasst den Karate-Kid! Denn übernehme ich!" Vega war auf Rache aus und keiner der Schläger hätte es gewagt sich seinen Befehlen zu widersetzen. Die Lage spitzte sich zu, doch Jann-Lee versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. "Chun-Li!", rief Lee mit brausender Stimme. "Nimm Lei-Fang und verschwinde mit ihr von hier so schnell du kannst!" "Aber was ist mit dir?" "Keine Sorge! Ich halte sie ein wenig hin und verschaffe euch einen kleinen Vorsprung! Aber jetzt beeil dich! Die Zeit wird knapp!" Etwas zögerlich sah Chun-Li ein, dass Jann-Lees Plan die einzige Alternative war, die es gab. "Okay, aber pass auf dich auf!" Chun-Li zog Lei-Fang, die noch immer nicht bei Bewusstsein war, vom Boden hoch und rannte mit ihr los. Sagats Schläger aber waren den beiden schon auf den Fersen, um sie zur Strecke zu bringen. Jedoch hatten sie die Rechnung ohne Jann-Lee gemacht. Der Kampfsportler stellte sich der Schlägerhorde in den Weg und verprügelte einen Gangster nach dem anderen. Allerdings war die Übermacht einfach zu groß. Selbst für einen Kämpfer wie Jann-Lee. Obwohl es ihm gelang einige Schläger niederzustrecken, schafften es doch einige durchzukommen. "Verdammte Scheiße!", dachte sich Lee verärgert, obwohl es ja eigentlich gar keinen Grund dazu gab, denn seine Taktik, hatte den beiden Kriegerinnen einen komfortablen Vorsprung ermöglicht. Aber würde das reichen, um sie vor Sagats Mörderhorde zu bewahren? *** "Die beiden sind verloren! Du kannst deine Freunde nicht mehr retten! Du bist am Ende!" Vega sah auf seinen Gegner herab, der am Boden kauerte und sich keuchend mit einer Hand die linke Rippenpartie hielt. Wie das Feuer der Hölle brannte der Schmerz in seinem Brustkorb. Der Kampf gegen Sagats Gangster war härter gewesen, als sich Lee das vorgestellt hatte. Obwohl die Schläger längst sein Niveau besaßen, hatten sie es dennoch geschafft, ihm gleich drei Rippen zu brechen. Der Spanier verließ mit einem grazilen Sprung das Plateau, auf dem er zuvor gestanden hatte, und trat mit festem Schritt an seinen Feind heran. Aus seiner gebückten Position kam dem jungen Kampfsportler der Hüne mit der glänzenden Kralle noch um einiges größer vor. Er sah imposant und gefährlich aus, dies konnte Lee nicht abstreiten, aber einschüchtern konnte ihn das nicht. Er war fest entschlossen diesen Kampf mit Sagats Lakaien zu gewinnen. Unter Schmerzen richtete er sich auf und schritt auf wackligen Beinen Vega entgegen. Ihre Blicke kreuzten sich und waren voller Hass und Abscheu. Alleine in der kalten Dunkelheit der Müllhalde standen sich Vega und Jann-Lee gegenüber. "Diesmal werde ich dich endgültig kaltmachen!", drohte Lee dem Spanier, obgleich er die Zähne zusammenbeißen musste um den Schmerz, der seine Sinne lähmte, zu verdrängen. "Für jemanden mit solch schweren Verletzungen spuckst du ganz schön große Töne!" Wie ein Pfeil schoss Vegas Kralle nach vorne und stoppte abrupt vor der Halsschlagader Jann-Lees ab, der aber keine Miene verzog oder auch nur einen Schritt zurückwich. "Glaubst du wirklich, dass mich dein dummes Getue ernsthaft beeindrucken kann!", Lee stieß einen gelangweilten Seufzer aus. "Scheinbar habe ich dich überschätzt, du Pseudo-Stierkämpfer!" "Pseudo-Stierkämpfer...", wiederholte Vega zuerst fast flüsternd. "Pseudo-Stierkämpfer...!" Die Stimme des Spaniers hob sich. "Pseudo-Stierkämpfer!!!", die dritte Wiederholung brüllte er so laut heraus wie er konnte. "Ich war und bin noch immer der erfolgreichste Athlet meines Landes! Ich hab schon mit Stieren gekämpft da hast du noch mit Bauklötzen gespielt!!" Weit holte Vega mit seiner Kralle aus und ließ sie wie eine Sense die stinkende Luft der Kippe zerteilen. Jann-Lee reagierte sofort. Er warf sich zur Seite und entging so dem sicheren Tod nur um Zentimeter. Die Rippenverletzung schränkte seine Beweglichkeit ein und auch seine Reflexe schienen an Geschwindigkeit verloren zu haben. Er lag am Boden und spürte wie der Schmerz durch seinen Körper schoss. Aber er hatte keine Zeit sich um seine Wunde zu kümmern. Vega setzte nach und holte erneut mit seiner Kralle aus. Lee aber ließ den Spanier dieses Mal nicht zum Zuge kommen. Er stieß sich vom Boden ab und rammte seinen Rumpf mit gesamter Kraft in den Magen seines Gegners. Die Wucht des Aufpralls war so heftig, dass beide Krieger zu Boden stürzten Diese Aktion bescherte Jann-Lee eine Auszeit, aber leider aber nur eine Kurze. Schneller als ihm lieb war und vor allem schneller als er selbst, befand sich Vega wieder auf den Beinen. Voller Groll sah Vega auf seinen röchelnden Gegner herab, der auf allen Viere gestützt versuchte sich wieder aufzurichten. Wuterfüllt versetzte der maskierte Spanier Jann-Lee einen Tritt in die sowieso schon angeschlagene Seite. Ein lauter Schmerzensschrei entfuhr dem jungen Kämpfer, er verlor die Balance und blieb wie ein toter Käfer auf dem Rücken liegen. Aber Vega reichte dies noch lange nicht, immer schneller und heftiger malträtierte er die Rippenverletzung seines Gegners. Jeder Tritt kam Lee vor wie ein Schlag mit einem Vorschlaghammer und er wusste, dass er es nicht mehr lange aushalten würde. Er musste sich wehren. Aber wie? Er streckte seinen rechten Arm aus und suchte den Boden nach etwas ab, von dem er hoffte, dass es ihm weiterhelfe. Leider ertasteten seine Finger aber bloß Staub und Dreck. Doch vielleicht war grade das die Lösung, dachte sich Jann-Lee. Er nahm eine handvoll Dreck und schmiss sie dem Spanier direkt ins Gesicht. "Du miese Ratte!" Vega wendete sich ab und versuchte sich den Staub, der durch die Augenschlitze und die Luftlöcher unter seine Maske gelangt war, aus dem Gesicht zu wischen. Jann-Lee nutzte die Zeit, die ihm diese Aktion eingebracht hatte, und rappelte sich wieder auf. Für einen Moment vergaß er seine Verwundungen und seinen Schmerz und machte sich für seinen entschiedenen Angriff bereit. Er konzentrierte sich und mobilisierte alle Kraftreserven, die sich noch in seinem Körper befanden. Er sah zu seinem noch immer abgelenkten Kontrahenten hinüber und wartete den perfekten Zeitpunkt ab. Langsam kehrte Vegas Sehkraft wieder zurück und wutentbrannt wendete er sich Lee zu. Doch kaum hatte sich der Spanier herumgedreht wurde er von einem brutalen Uppercut am Kinn getroffen. Benommen taumelte er einige Schritte zurück, aber Jann-Lee ließ nicht locker. Ein linker und ein rechter Harken folgten. Vega riss die Arme hoch und verschränkte sie als Schutz vor seinem Gesicht. Doch das war sinnlos! Lee legte alles, was er an Kraft noch besaß, in einen finalen Hieb, der problemlos die Defensive Vegas durchbrach und das Schicksal des Spaniers besiegelte. Wie von einer Kanonenkugel getroffen wurde er hinweg geschleudert und landete unsanft in den Überresten eines alten Autowracks. Jann-Lee war am Ende seiner Kräfte angelangt, aber das Gefühl des Triumphs und der Anblick des besiegten Feindes ließen ihn das schnell vergessen. Er atmete schwer und spürte wie der unmenschliche Schmerz langsam wieder zurückkehrte. Am liebsten wäre er an Ort und Stelle für ein kleines Nickerchen liegen geblieben. Allerdings wusste er, dass er dazu keine Zeit hatte, denn Chun-Li und Lei-Fang waren immer noch in Lebensgefahr! *** Chun-Li rannte über das Gelände so schnell sie konnte und trotzdem kamen die Schritte der Verfolger immer näher und näher. Normalerweise hätte sie keine Probleme damit gehabt den Gangstern zu entkommen, aber heute war es anders. Sie musste Lei-Fang auf den Schultern tragen und diese Belastung schien von Minute zu Minute schwerer zu werden. Die junge Chinesin war verzweifelt, denn nicht nur der Ballast, sondern auch die Nacht machten ihr zu schaffen. Sie lief, ohne zu wissen wohin, durch die Schluchten der Altmetallberge, bis plötzlich ihre Flucht ein jähes Ende nahm. Eine Sackgasse! Wie schon zuvor war sie in eine Falle gegangen, die ihr von der Gangsterbande gestellt wurde. Wut überkam sie. Wie konnte sie nur übersehen, dass sie wie ein Stück Freiwild an diese Stelle getrieben worden war! Dieser Gedanke schoss ihr wieder und wieder durch den Kopf. "So Kleines, hier ist Endstation!", höhnte der scheinbare Anführer der Schlägerhorde, der nun mit festen und selbstsicheren Schritten an das Girl herantrat. "Meint ihr wirklich?" Langsam drehte sich Chun-Li zu ihren Widersachern herum. "Ein paar Nieten wie euch schaff ich auch alleine!" Behutsam setzte sie Lei-Fang neben sich ab und ging entschlossen auf die Verbrecherbande zu. Ein übermütiges Grinsen war in den Gesichtern der Männer zu erkennen. Nur ein Mädchen. Nur ein dummes junges Mädchen. So dachten die Schläger, als sich Chun-Li ihnen nährte, doch schnell mussten sie feststellen, dass sie mehr war als das. Die drei ersten Angreifer, die diese Erfahrung machen mussten, fertigte die attraktive Kriegerin ohne weiteres mit ein paar Sidekicks ab. Und auch die nächsten Gegner hatten nicht den Hauch einer Chance. Chun-Li ließ sie einfach einige von ihren berühmten Kicks spüren, um sie auszuschalten. Erst als sich die Horde zusammenraufte und vereint einen Angriff startete, geriet Chun-Li in Bedrängnis. Ihr offensiver Beginn wurde nun immer defensiver und zu allem Überfluss schienen die Gegner von Sekunde zu Sekunde mehr zu werden. Aber als schon alles verloren schien und Chun-Li die Hoffnung aufgeben hatte, tauchte plötzlich unerwartete Hilfe auf. Und zwar in Form von Lei-Fang, die sich, als ob sie nie weg gewesen wäre, in den Kampf einschaltete. Gleich ihre erste Attacke stellte dies unter Beweis. Mit einem mächtigen Karatekick streckte sie gleich fünf Schläger auf einmal nieder. "Lei-Fang!?" Chun-Li konnte kaum glauben, was sie da gerade gesehen hatte. Lei-Fang aber nahm sie zuerst gar nicht wahr, da sie sich direkt den Gangstern zugewendet hatte. "Ich hab zwar keine Ahnung wie ich hier her gekommen bin oder was genau passiert ist. Aber ich werde es nicht zu lassen, dass so ein paar Idioten wie ihr meine Freundin nerven!" Lei-Fangs kleine Ansprache schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, einen Moment lang waren die Gangster wie versteinert und völlig verunsichert. Doch nur so lange bis sich der Anführer der Bande, der kräftigste von allen, seine Truppe lautstark zurechtwies. "Lasst euch nicht von dieser Göre beeindrucken! Ob es nun ein oder zwei von der Sorte sind ist doch scheißegal! Macht sie alle!!" Die Ermahnung war bei den Verbrechern angekommen. Auf ein Neues attackierten sie die Mädchen, aber dieses Mal hatten sie weniger Erfolg. Mit vereinten Kräften gelang es den beiden Kriegerinnen einen Schläger nach dem anderen auszuknocken. Chun-Lis brutale Trittkombinationen und Lei-Fangs kraftvollen Uppercuts ergänzten sich wie Ying und Yang und bildeten so die perfekte Einheit, der keiner der Gangster etwas entgegensetzen konnte. Wütend knirschte der Anführer der Bande mit den Zähnen, da er tatenlos mit Ansehen musste, wie einer nach dem anderen seiner Leute erledigt wurde. Schneller als ihm lieb war, war der stämmige Ganove auf sich allein gestellt. Aber auch angesichts seiner besiegten Untergebenen, die zu Scharen bewusstlos am Boden lagen, lehnte er es ab aufzugeben. "Ich werde euch Schlampen ins Nirwana befördern und wenn es sein muss höchstpersönlich!!" Ohne zu zögern zog er eine handliche MP5 (eine automatische Handfeuerwaffe, die mit einer Hand bedient werden kann) aus seiner Innentasche seines Jacketts und zielte auf die Mädchen. Ein folgenschwerer Fehler! Denn ehe es dem Schützen gelang auch nur eine Kugel abzufeuern, hatten die beiden Mädchen schon die kurze Strecke zu ihm hin überwunden und den Gangster mit einem doppelten Schlag in die Magengrube niedergestreckt. Mit weit aufgerissenen Augen kippte der Revolverheld langsam wie ein gefällter Baum nach hinten um und schlug mit einem dumpfen Ton auf dem staubigen Boden auf. Bewegungslos lag der Körper des Gangsters vor den beiden Kämpferinnen, die zwar mitgenommen aussahen, aber nichtsdestotrotz glücklich waren, diese Schlacht fürs erste gewonnen zu haben. *** "Hey Lei-Fang, wie hast du es eigentlich geschafft die Fesseln zu lösen? Die waren doch fest verschlossen.", wollte Chun-Li von ihrer Partnerin wissen, doch diese schien nichts mit der Frage nichts anfangen zu können. "Was für Fesseln? Als ich aufwachte war ich frei, so wie jetzt auch." Chun-Li überraschte diese Antwort. "Aber wenn du nicht die Handschellen geöffnet und ich es auch nicht war. Wer war es dann?" "Ich hab es getan!", erklang eine fremde Stimme aus dem Hintergrund. Erschrocken wirbelten die beiden Mädchen herum. "Ayane!", stießen die beiden Chinesinnen fast gleichzeitig hervor, als sie die Ninjakämpferin erblickten. Reflexartig gingen beide in Angriffsstellung, doch Ayane machte nicht den Anschein, als ob sie eine Attacke starten wollte. "Beruhigt euch wieder! Ich bin nicht hier um mit euch zu kämpfen." "Warum sollten wir dir glauben! Schließlich gehörst du zu Sagats Bande!" Lei-Fang blieb misstrauisch. "Immerhin habe ich dich von den Fesseln befreit und euch so geholfen diese Horde hirnloser Gorillas zu besiegen.", beschwichtigte Ayane, aber auch dies schien ihre Gegenüber nicht zu überzeugen. "Ach, bevor ich es vergesse.", erwähnte die Ninja fast beiläufig. "Ich habe Sagats Aufenthalt hier etwas verlängert, indem ich die Benzinleitung seines Wagens zerschnitten habe. Also wenn ihr ihn euch noch schnappen wollt, nur zu! Er dürfte sich noch am Ausgang des Schrottplatzes befinden." Chun-Li und Lei-Fang zeigten sich sichtlich überrascht, obwohl sie auch weiterhin gewisse Zweifel an Ayanes Hilfe hegten. "Okay, nehmen wir mal an du sagst die Wahrheit. Trotzdem wäre da noch die Frage, wieso du überhaupt das alles für uns tust?" Chun-Li schaute die Ninja fragend an. "Keine Ahnung!", erwiderte Ayane kühl, die sich schon abgewendet hatte und im Begriff war zu gehen. "Vielleicht weil wir uns ähnlicher sind als du glaubst. Immerhin sind wir beide auf Rache aus. Rache dafür, dass man uns unserer Familien beraubt hat! Sowie du Vega dafür hasst, dass er deinen Vater ermordet hat, hasse ich jemanden dafür, dass er mir meine Familie weggenommen hat! Außerdem wäre es Schade um Lei-Fang gewesen! Immerhin ist da noch eine Rechnung vom letzten ,Dead or Alive'-Turnier offen. Und ich will, dass wir sie an einem anderen Ort unter fairen Bedingungen begleichen!" Verblüffung überkam Chun-Li. "Woher weißt du von meinem Vater...?" "Vega hat eine ziemlich große Klappe.", meinte die Ninja ohne sich dabei noch mal die Mühe zu machen sich zu ihren Gesprächspartnern herumzudrehen. "Und gibt dazu noch gerne mit seinen ,Heldentaten' an! Aber das muss ich dir ja wohl nicht sagen, du kennst ihn wohl besser als ich." Mit diesen letzten Worten verabschiedete sich Ayane von den anderen und verschwand mit einem eleganten Satz in der alles verschluckenden Dunkelheit der Nacht. "Weißt du, was sie damit gemeint hat, als sie davon sprach, dass man ihr ihre Familie weggenommen habe?" Chun-Li richtete einen fragenden Blick auf ihre Begleiterin. Lei-Fang wusste in der Tat, was Ayane damit gemeint hatte. Sie kannte den Leidensweg des Mädchens und den Hass, den sie in sich trug. Einen unglaublichen Hass auf ihre große Halbschwester Kasumi, in deren Schatten sie sich Zeitlebens befand und die für sie der Grund war weshalb ihre Familie sie immer wie eine Aussätzige behandelte. Lei-Fang wusste dies alles durch das letzte ,Dead or Alive'-Turnier, aber sie entschied sich dazu die ganze Story Chun-Li lieber in einer ruhigeren Stunde zu erzählen. Denn die Zeit drängte und jede Sekunde zählte. Die letzte Schlacht mit Sagat stand kurz bevor, in der es um alles oder nichts ging. Um Tod oder Leben! *** "Du verdammte Scheißkarre!!" Genervt trat Sagat gegen die Radkappe seines tiefschwarzen BMWs. "60.000 $ hat mich dieses verdammte Drecksding gekostet! Was für eine verfluchte Scheiße!!!" Sagat holte aus und schlug mit seiner geballten Faust jähzornig auf das Dach seines Autos. Der Hieb war stark. So stark, dass sich unter der Wucht des Aufpralls eine tiefe Delle im Blech der Karosserie zurückblieb. Man merkte Sagat an, dass er noch immer fast täglich trainierte, obwohl er eigentlich schon lange kein aktiver Kickboxer mehr war. Seine Angriffe besaßen noch immer die Power einen Menschen zu töten. Diese unglaubliche Kraft war der Grund, warum sich Sagat einst bis zum Stellvertreter Bisons hocharbeitete und es schließlich schaffte ein großes Verbrechersyndikat aufzubauen. Doch in diesem Moment nutzte ihm diese Power rein gar nichts und das ließ ihn vor Wut kochen. Es regte ihn auf, dass die Durchführung seines genialen Plan, den er bis ins Detail durchdacht hatte, schließlich an einer technischen Kleinigkeit zu scheitern schien. Am liebsten hätte er den ganzen Wagen kurz und klein gehauen, jedoch wurde sein Wutanfall unvermittelt durch eine laute Mädchenstimme gestört. "Sagat, du mieser Bastard, gib endlich auf!" Zähneknirschend wandte der Glatzköpfige seinen Schädel herum und erblickte mit zornigem Unglaube die beiden jungen Chinesinnen. Chun-Li, die wie aus heiterem Himmel in Begleitung von Lei-Fang vor dem Eingangstor des Schrottplatzes aufgetaucht war, war es die zu ihm gesprochen hatte. "Wie Bitte! Ihr lebt ja immer noch!", schnaufte Sagat wie ein Stier, dem man ein rotes Tuch vorhält. "Scheinbar muss ich mich heute wirklich selbst um alles kümmern!" Drohend ballte Sagat die Fäuste und verzog sein Gesicht zu einer dämonischen Grimasse. "Macht euer Testament, ihr Ratten! Ich werde euch lehren, was es heißt sich mit einem Krieger meines Niveaus anzulegen!" *** Das Atmen fiel ihm von Mal zu Mal schwerer und auch sein Blick wurde immer verschwommener. Zusehens verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, doch Jann-Lee konnte seinem Körper keine Ruhepause gönnen. Nicht solange sich Chun-Li und Lei-Fang in Lebensgefahr befanden. Aber wohin waren sie verschwunden? Ziellos wandelte Jann-Lee über die Halde, während ihn seine Rippenverletzung ohne Unterlass quälte. Immer anstrengender wurde sein Kampf gegen die Ohnmacht und dem jungen Kampfsportler wurde klar, dass er es nicht mehr lange durchhalten würde. Kalter Schweiß ran seine Stirn hinunter und seine Schritte verloren an Kraft. Erschöpft geriet er ins Torkeln, seine Beine klappten weg und völlig entkräftet brach er zusammen. Bewusstlos lag er auf dem staubigen Untergrund der Halde und, während fast unbemerkt die ersten Regentropfen auf ihn niedergingen, versank er in einem Traum. Ein Traum, der ihn in seine Vergangenheit entführte. In eine Zeit als er noch ein junger unerfahrener Kampfsportler gewesen war und er noch von seinem Meister unterrichtet wurde. Lees Erinnerungen lenkten ihn in seinen alten Dojo, wo er sich selbst als ein zwölfjähriger Junge in einem schneeweißen Karatedress, der zusammen mit seinem Sensei trainierte, wieder fand. Wie üblich war der junge Kämpfer seinem Meister vollkommen unterlegen. All seinen Schlägen und Tritten wich der Lehrmeister problemlos aus und schickte selbst seinen Schüler mit einem lockeren Handkantenschlag in den Nacken zu Boden. "Hey Sensei! Das ist unfair! Kämpfen Sie richtig mit mir!", protestierte der Jüngling, während er sich vom Boden aufrichtete. Ein leichtes Lächeln erschien im Gesicht des Lehrmeisters. "Ach Jann, du musst noch viel lernen. Nur weil jemand viele Schläge und Tritte austeilt, ist er noch lange kein echter Kämpfer. Du weißt, doch >die Ruhe...< " ">...ist der Meister des HandelnsRuhe< zu tun, von der Sie eben sprachen, Sensei?" Der junge Jann-Lee verstand noch immer nicht so recht. "Ganz einfach, der einzige Weg zu der absoluten Konzentration führt über die innere Ruhe. Dein Körper und Geist müssen sich im perfekten Einklang befinden, damit du diesen Zustand der Ruhe erreichen kannst." "Meinen Sie damit Meditation?" "Nun ja, in gewisser Weise schon, aber nicht nur, es gibt viele Wege seine innere Ruhe zu finden. Meditation ist einer davon, aber am wichtigsten ist es sich immer vor Augen zu halten, worauf es wirklich ankommt." "Nicht denken, sondern spüren!", ergänzte Jann-Lee den Satz seines Meisters. "Genau.", der Sensei begann erneut zu lächeln. "Du lernst schnell. Ich bin mir sicher, dass aus dir eines Tages ein großartiger Kämpfer wird. Aber lass uns nun wieder mit dem Training weitermachen." Unvermittelt endete Jann-Lees Flashback und er erwachte aus seinem Traum. Inzwischen war aus dem lauen Nieselregen ein richtiger Schauer geworden und seine Klamotten waren vollkommen durchnässt. Langsam richtete er sich auf und schien sich auf einmal in einer anderen Welt zu bewegen. Weder den brennenden Schmerz seiner Verletzung noch das Prasseln des Regens auf seiner Haut nahm er in diesem Augenblick war. Nur noch ein Gedanke kreiste in seinem Kopf herum. Die Rettung seiner Freunde. Mit festem und entschlossenem Schritte marschierte er los und obwohl er noch wenige Minuten zuvor keine Ahnung hatte, wohin er eigentlich zu gehen hatte, wusste er nun instinktiv wo sich sein Ziel befand und dass er es auch finden würde. *** Heftig atmend und mit funkelten Schweißperlen im Gesicht standen sich die Kämpfer gegenüber, gerade als die letzten Tropfen des Regenschauers, auf dem asphaltierten Belag der Straße niedergingen. Sowohl Sagat als auch die beiden Chinesinnen hatte die erste Runde des Kampfes ein Teil ihrer Kraftreserven gekostet. Sagat ran sogar ein wenig Blut über das Kinn, nachdem er einen von Lei-Fangs Haken einstecken musste, doch stachelte ihn dies eher noch an als ihn zu schwächen. Denn sein Zorn stieg an mit jeder Minute, die dieser Kampf andauerte. "Zum Teufel mit diesen Weibern! Ayane hat tatsächlich nicht gelogen, diese andere Göre ist mindestens genauso gefährlich wie Chun-Li! Wenn ich nicht aufpasse verliere ich noch!" Sagat führte seine rechte Hand zu seiner Hosentasche und stellte mit Genugtuung fest, dass er einen Gegenstand mit sich trug, von dem er überzeugt war, dass er ihm den Sieg einbringen würde. "Ich glaube es ist nun an der Zeit, etwas andere Seiten aufzuziehen! Auch wenn es Verschwendung ist und es die beiden Weiber eigentlich nicht wert sind. Aber sicher ist sicher!", dachte sich der Gangsterboss und zog eine kleine unscheinbare Kugel hervor "Euer Ende ist gekommen! Bereitet euch auf euren Untergang vor!" Lautstark provozierte Sagat seine Gegner, holte anschließend weit aus und warf die Kugel direkt auf den Asphalt vor den beiden Chinesinnen. In einer zischenden Explosion zerberstete die Hülle der Kugel und eine beißende Dampfwolke entfaltete sich, die Chun-Li und Lei-Fang vollkommen einhüllte. "Pass auf, Lei-Fang! Das ist eine Rauchbombe!", warnte Chun-Li ihre Partnerin, da sie glaubte, dass der kleine Ball der selbe war, wie der, den Vega gegen sie eingesetzt hatte, als er Lei-Fang entführte. Doch dieses Mal war der Inhalt weitaus gefährlicher. Um nicht zu sagen tödlich! Wie Salzsäure ätzte der Qualm in den Atemwegen der Mädchen und brannte wie Feuer in ihren Augen. Aber dies waren bloß unbedeutende Nebenwirkungen im Vergleich zu den Qualen, die noch folgen sollten. Plötzliche Krämpfe ergriffen ihre Glieder und ein heftiges Schwindelgefühl, das mit einem starken Brechreiz verbunden war, lähmte die Sinne der Mädchen. Unter schweren Hustenattacken sanken sie zu Boden und versuchten dem giftigen Gas zu entgehen, doch es schien überall zu sein. "Eine Rauchbombe? Glaubt ihr wirklich, dass ich so phantasielos bin?" Durch die dichten Schwaden schob sich der stämmige Körper des Glatzköpfigen, der über seinen Mund und seine Nase eine ovale Maske trug, die mit einem Gummizug hinter seinen Ohren befestigt war. "Das Gas, was ihr da grade einatmet, ist ein starkes Nervengift! Spürt ihr schon, wie es wirkt? Spürt ihr wie eure Muskeln versagen? Spürt ihr wie euer Schädel zu zerspringen scheint? Oder spürt ihr sogar schon den kalten Hauch des Todes im Nacken?" Gemächlich schritt der Gangster auf seine, am Boden kauernden Gegner zu und zog währenddessen eine schwere Pistole, eine silbernglänzende Magnum, aus seinem Schulterhalfter, die er auf die Mädchen richtete. "Wollt ihr, dass ich eurem Leiden ein Ende bereite? Wenn ihr nett seid, werde ich euch diesen Gefallen tun. Es wird mir sogar ein Vergnügen sein euch persönlich den Gnadenschuss zu setzen!" Sagat zog den Schlitten der Waffe nach hinten, ließ ihn los und mit einem metallischen Geräusch schnappte er in seine alte Position zurück. Die Pistole war durchgeladen und bereit zu töten. Langsam senkte er das Mordinstrument und richtete sie auf Chun-Li, die sein erstes Opfer sein sollte. Der Gangster umschloss mit seinem rechten Zeigefinger den Abzug der Waffe und schaute die junge Chinesin mit einem fast wahnsinnigen Teufelsgrinsen an. "So meine Kleine. Nun heißt es Abschied nehmen. Bestell dem Teufel ein schönen Gruß von mir." In Chun-Lis Augen spiegelte sich blanke Todesangst wieder. Das Gift hatte sie bewegungsunfähig gemacht und zur Zuschauerin ihrer eigenen Hinrichtung degradiert. Sagat aber zeigte keinerlei Mitleid, im Gegenteil, er ergötzte sich an der Verzweifelung seines Opfers. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dieser Moment ewig dauern dürfen. Der Moment seines Triumphs. Doch diese vermeintliche Sicherheit ließ ihn unaufmerksam werden und er bemerkte nicht was um ihn herum geschah. Seine Blicke klebten an dem Mädchen fest, das sein unausweichlichen Ende kommen sah, und übersahen so eine dunkle Gestalt, die durch den Nebel streifte. Wie ein Gewitter aus heiterem Himmel kam plötzlich eine geballte Faust aus dem Nebel heran geflogen und erwischte das Gesicht des Glatzköpfigen, ohne das dieser überhaupt wahrnahm, was ihn da eigentlich getroffen hatte. In hohen Bogen flog Sagat nach hinten und krachte mit seinem Rücken gegen den harten Asphalt. Einige Sekunden lang war Sagat außer Gefecht gesetzt und konnte sich erst mit Mühe wieder aufrichten. "Verdammt! Was zum Teufel war das denn?" Mit einer beiläufigen Handbewegung entfernte er die verbeulte Atemschutzmaske, die sowieso überflüssig geworden war, da sich die Giftschwaden mittlerweile gelegt hatten. Blut quoll aus seiner Nase und rann über sein ganzes Gesicht, aber Sagat ignorierte es und suchte mit seinen wuterfüllten Augen nach dem Besitzer der Faust, die es gewagt hatte ihn anzugreifen. Doch dieser schien wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein, genauso wie die beiden Mädchen, die zu seinen Füßen gelegen hatten, aber das nahm er erst in zweiter Linie wahr. "Wo ist dieses Schwein?!" Der aufgebrachte Gangster wandte den Kopf und erblickte plötzlich eine Person, die auf ihn zu schritt. Als die Gestalt näher kam, konnte Sagat erkennen, dass es Jann-Lee war. "Was!? Wieso lebst du verdammter Bastard eigentlich noch!?", bluffte der Gangster verärgert, aber seine Beleidigungen prallten an Jann-Lee ab, wie an einem massive Felsen. Der stechende Blick des jungen Kampfsportlers verunsicherte Sagat und steigerte noch seine Wut. Als dann sogar noch ein hämisches Grinsen im Gesicht des Chinesen erschien, brachte das den glatzköpfigen Hünen fast zur Weißglut. "Du mieses Schwein hältst dich wohl für unglaublich cool!? Aber das wird sich gleich ändern!!" Sagat holte zum Schlag aus und jagte seine Faust auf Jann-Lee zu. Darauf hatte aber dieser nur gewartet. Mit einer grazilen Bewegung tauchte er unter dem Schlag des Hünen hindurch und attackierte seinerseits mit einem Uppercut, der sein Ziel nicht verfehlte. Sagat taumelte benommen einige Meter zurück, aber besann sich gleich wieder und startete einen neuen Angriff. Von seiner Wut getrieben hämmerte er wie verrückt auf seinen Gegner ein, aber schaffte es nicht Jann-Lee auch mit nur einen Attacke ernsthaft gefährlich zu werden. Jedem einzelnen Hieb wich der Chinese leichtfüßig aus, wartete den richtigen Moment ab und erwiderte die Attacken seines Gegners mit einem kraftvollen Roundhouse-Kick, der genau auf Sagats rechte Wange zielte und ihn unsanft zu Boden beförderte. Grollend erhob sich der Gangster und wischte mit der rechten Pranke durch sein blutverschmiertes Gesicht. "Es war ein Fehler sich mit mir anzulegen! Gleich wirst du erfahren, was wahrer Schmerz ist! Ich werde dich zerschmettern, du Wurm!!" Sagat hob seine Faust, holte aus und konzentrierte alle Kraftreserven, die ihm noch geblieben waren, für den finalen Schlag. Jann-Lee spürte sofort, dass er diesen Angriff ernst nehmen musste und nahm vorsichtshalber eine Haltung für einen Gegenangriff ein. Entschlossen standen sich beide Krieger gegenüber und machten sich bereit für den letzten Akt des Kampfes. Die Luft brannte grade zu und man konnte fühlen, dass dieser Schlagabtausch, der letzte zwischen diesen beiden Krieger sein würde. Bloß der Ausgang war noch ungewiss. Die Energiekonzentrationen der beiden erzeugte eine intensive. Das große Finale war nur noch einen Augenaufschlag entfernt. Die Spannung war auf ihrem Höhepunkt und einen Moment kehrte eine absolute Stille ein, bevor dann die Hölle los brach. Mit einem lauten Kampfschrei eröffnete der Gangsterboss die letzte Runde der Entscheidungsschlacht und raste mit einem explosionsartigen Satz auf seinen Kontrahenten zu. Jann-Lee reagierte seinerseits mit einen blitzschnellem Sprung. Ähnlich wie Sagat hatte auch er seine letzten Kräfte in seiner Faust vereinigt. Sekunden schienen zu Stunden zu werden und fast wie in Zeitlupe bewegten sich die beiden Krieger auf einander zu. Schließlich war der Moment gekommen, beide Kämpfer waren in direkter Schlagdistanz. Sagat war der Erste, der seinen Schlag abfeuerte und seine Faust auf Lees Gesicht zu trieb. "Fahr zur Hölle!!! Der Gangster fühlte sich schon als Sieger, aber er unterschätzte seinen Gegner. Instinktiv, noch bevor er realisierte was überhaupt los war, riss er seinen Kopf aus der Flugbahn von Sagats Schlag. Haarscharf schrammte die Faust an seinem Gesicht vorbei. Sagat war völlig schockiert und konnte es kaum glauben, dass seine Attacke ihr Ziel verfehlt hatte. Doch blieb ihm nicht viel Zeit sich darum zu kümmern, denn schon preschte die Faust des jungen Chinesen los und schlug wie ein Kanongeschoss in der Magengrube des Gangsterbosses ein. Soweit es sein Kiefer zuließ, riss Sagat sein Mund auf und stieß einen erstickenden Schrei aus. Für einen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben und eine gespenstische Stille legte sich über die Szenerie. Erst der dumpfe Aufprall Sagats auf dem harten Straßenbelag beendete die düstere Atmosphäre. Mit ausgestreckten Armen und Beinen lag der Gangsterboss zu Füßen Jann-Lees, der nahe neben ihm aufgekommen war und sich bemühte auf den Beinen zu bleiben. Ein letztes Mal wandte der besiegte Kämpfer seinen Kopf herum und stellte seinem Bezwinger eine letzte Frage. "Woher nimmst du diese verdammte Kraft? Bist du etwa ein Dämon?" Jann-Lee sah auf seinen Gegner herab und zwang sich ein erschöpftes Lächeln ab. "Nein, es ist alles nur Konzentration!" "Was?" Sagat verstand nicht, was Lee meinte. "Nicht denken, spüren.", ergänzte Jann-Lee und ging mit diesen Worten ausgelaugt zu Boden. Das Letzte was er hörte bevor er zu Boden ging, war noch wie eine entfernte Mädchenstimme seinen Name rief. Es war Chun-Lis Stimme, die Sekunden zuvor aus ihrer Ohnmacht erwacht war, nachdem Jann-Lee sie und Lei-Fang aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Allmählich erschien am Horizont einer roter Schimmer, der nicht nur ein erster Vorbote des anbrechenden Tages war, sondern auch das Ende eines Alptraums für die drei jungen Chinesen war. *** Ein schneeweißes Meer erstreckte über ihm. Das Weiß, dessen leuchtender Glanz nur noch das gleißende Licht, das direkt vor ihm lag, übertroffen wurde. "Bin ich tot?", fragte sich Lee selbst und wandte sich herum. Nein, er war nicht tot, sondern in einem Krankenhauszimmer, das spartanisch eingerichtet war. Zwei Krankenbette, von denen aber nur eins durch ihn belegt war, ein Fenster, durch das das Licht der Morgensonne und das freundliche Gezwitscher der Vögel ins Zimmer drangen und ein kalter metallener Schrank. Jann-Lee betrachtete sich selbst und tastete nach seiner Wunde. Dicke Verbände umschlossen die Wunde fest, aber verhinderten nicht, dass der lodernde Schmerz noch immer durch seine Glieder zuckte. Unvermittelt schwang die Tür auf und Lei-Fang trat mit einem Tablett, auf dem eine Tasse Kaffee, eine Zeitung und ein belegtes Brötchen zu finden waren, in das Zimmer. "Oh, du bist ja schon wach.", entfuhr es ihr überrascht. "Der Arzt meinte, dass du erst in ein paar Stunden erwachen würdest. Vor allem bei solchen Verletzungen." "Ich bin halt hart im nehmen.", angestrengt versuchte Lee sich auf zu richten und schaffte es schließlich nach ein paar Anläufen. "Was ist eigentlich in der Zeit passiert als ich bewusstlos war, kannst du mich aufklären?" "Sicher, kein Problem." Lei-Fang stellte das Tablett auf dem Nachtschrank neben dem Bett ab und setzte sich auf die Bettkante. "Also, nachdem der Kampf vorbei war, haben wir sofort die Polizei und einen Krankenwagen gerufen. Die Polizei nahm Sagat und seine Bande in Gewahrsam und wir sind zusammen mit dir in dieses Krankenhaus gebracht worden. Während du behandelt wurdest, hat man Chun-Li und mir ein Serum verabreicht, das das Gift aus Sagats Rauchbombe neutralisierte. Der Arzt hat übrigens gesagt, dass wenn wir uns auch nur eine Minute länger in diesem Giftnebel befunden hätten, uns das Gift getötet hätte." Lei-Fang kam Jann-Lees Gesicht immer näher und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. "Danke, dass du uns gerettet hast." Jann-Lee lächelte und erwiderte den Kuss seinerseits. "Du bedankst dich beim Falschen. Bedank dich lieber bei meinem Sensei." Lei-Fang zog überrascht die Brauen hoch. "Wieso, was meinst du damit?" Jann-Lee konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. "Nun ja, das erklär dir später, ist eine ziemlich lange Geschichte. Aber wo ist eigentlich Chun-Li? Ist sie nicht auch im Krankenhaus?" Lei-Fang griff nach der Kaffeetasse und nahm einen kurzen Schluck. "Nein, nicht mehr. Sie ist eben zur Polizei gegangen, wegen der Aussage und so weiter." "Polizei? Ich dachte die stecken mit Sagat unter einer Decke?", stieß Lee verblüfft hervor. Mit einer beiläufigen Handbewegung setzte Lei-Fang die Tasse ab und griff nach dem Brötchen. "Na ja, jetzt wo Sagats Syndikat nur noch ein Scherbenhaufen ist, haben sie wohl Angst um ihre Position. Schließlich ist Korruption keine Kleinigkeit und wird hart bestraft." "Und was ist eigentlich aus der Liste geworden, um die es in der ganzen Sache überhaupt ging?" "Die hat man in Sagats Jacketttasche gefunden, sie gilt als das Hauptbeweisstück. Sagat wird wohl wegen ihr für längere Zeit ins Gefängnis wandern, genauso wie Vega und seine Spießgesellen." Erleichtert atmete Jann-Lee auf. "Das haben sie verdient! Endlich ist die Stadt diese Verbrecher los!" "Fragt sich nur für wie lange.", meinte Lei-Fang nachdenklich. "Das kann man nie wissen." Lee wandte den Kopf und schaute zum Fenster hinaus. "Sag mal, Lei-Fang, hast du eigentlich nächsten Freitag schon etwas vor? Lei-Fang war überrascht, denn diese Frage hatte Lee ihr noch nie gestellt. "Nein, wieso?" "Vielleicht können wir was zusammen unternehmen. Kino oder so." Ein warmes Lächeln erschien in Lei-Fangs Gesicht. "Gerne." Jann-Lee wandte sich wieder ihr zu und grinste sie feist an. "Aber dann suche ich den Film aus." Lei-Fang schüttelte resignierend den Kopf. "Du bist echt ein unromantischer Typ, Jann-Lee-kun!" *E*N*D*E* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)