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Forced Fortune

von

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SOLV - Wir sind die Lösung

„Glück ist weder Zufall, noch hat es etwas mit Schicksal zu tun. Man entscheidet sich dazu, es zu haben, ganz einfach.“

In etwa so lautete Vaters schlauer Spruch, wenn es mir dreckig ging. Er, ein passionierter Prokurist und Pedant sondergleichen, war nie besonders gut, wenn es darum ging, mich zu trösten. Immerhin versuchte er es wenigstens, im Gegensatz zu meiner Mutter, die nie ein gutes Wort für mich übrighatte.
 

Was Glück so genau sein sollte, darüber sparte er sich aus. Das Internet verriet mir allerhand darüber. Selbstliebe stand ganz oben. So weit, so unmöglich. Mit Freunden Zeit verbringen. Dazu müsste man erst einmal welche haben. Anderen helfen. Das klang machbar. Ich stellte mir einen umgekehrten kategorischen Imperativ vor. Wenn ich helfe, wird mir geholfen, wenn ich lächle, spiegeln das die anderen und mögen mich.

Irgendwann in der Mittelstufe verinnerlichte ich diesen Grundsatz. Tatsächlich wurde mein Alltag angenehmer, ich fand sogar aus meiner Depression heraus, aber vollständig erfüllend war es nicht. Aus Mangel an Alternativen zog ich es trotzdem durch. Keine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte. Sie trieb mich in emotionale Distanz, die mir zwei ganz besondere Männer später mit Gewalt wieder abtrainieren mussten. Wieso mit Gewalt anstatt Geduld?

Weil das Glück nicht zu den Geduldigen kommt.
 

Kurz vor Abschluss meines Fachabis sprach mich ein aufgedreht fröhliches Mädchen auf der Straße an, ob ich mich nicht für Vereinsarbeit im sozialen Bereich begeistern könnte. Sie hatte nicht einmal einen Flyer dabei. „Spontane Eingebung“, nannte sie es. Ganz offensichtlich war sie ein ganz klein wenig verrückt. Fand ich super, denn das war ich ebenfalls. Vielleicht war das Freundschaft auf den ersten Blick, wenn es sowas gab. Auf jeden Fall war mir klar, dass ich sie kennenlernen wollte. Ich schrieb mich deshalb noch am selben Tag in diesen Verein, den sogenannten SOLV, ein.

Dies war die beste Entscheidung meines bisherigen Lebens. Das Mädchen hieß Sarina, aber alle nannten sie Sari und sie war die witzigste und wärmste Person, die ich bis zu diesem Tag kennenlernen durfte. Der „Sozial Orientierte Lebenshilfe Verein“ hatte eine Niederlassung nur ein paar Straßen von meinem Elternhaus entfernt. Im Internet stand, dass dies sogar der Hauptsitz war. Das fand ich echt merkwürdig, denn ich glaubte immer, diese alte Villa stünde leer. Sie war im Jugendstil erbaut, verziert mit Ranken, Ornamenten und hübschen Frauen- als auch Männerfiguren an den Giebeln. Das war nichts Besonderes, denn alle Gebäude in diesem Viertel entstanden in der Gründerzeit um 1900, so auch die kleine Villa meiner Eltern. Am Haus war kein Hinweisschild angebracht, nichts, das auf den Verein hindeutete, aber trotzdem trafen sich ihre Mitglieder dort mehrmals pro Woche.

„Heute lernst du unseren Chef kennen. Eigentlich Vizechef, aber egal“,

empfing mich meine neue Freundin, die ihren Kopf herumwirbelte und dabei ihre blonden Locken hüpfen ließ. Mit diesem Manöver begrüßte sie eilig die anderen Mitglieder, die so langsam eintrafen. Wir alle setzten uns an eine lange Tafel, einen sehr gut erhaltenen Echtholztisch. Wie alles in dieser Villa mussten er und die dazu passenden Stühle antik sein. Stilsicher war es fraglos, aber, von der Tafel einmal abgesehen, auch ziemlich verfallen, von innen wie von außen. Vielleicht erzielte der Verein zu wenige Einnahmen, um seine Niederlassung zu sanieren? Besonders vertrauenswürdig kam mir das nicht vor.

Ich sah flüchtig in die Gesichter der vielen fremden Leute am Tisch. Sie reagierten verhalten auf mich und wendeten sich schnell wieder ihren Gesprächen zu. Ich schloss daraus, dass es mir gegenüber Vorbehalte geben musste.

So weit, so normal. Ich erinnerte mich daran, wie ich einmal eine Mitschülerin fragte, warum ich ein so verzichtbarer Teil der Gruppe sei. Ihre Antwort war ebenso verletzend wie einfach. Sie beschrieb mich als unnahbar. Da Ganze war schon eine Weile her, aber daran geändert hatte sich überhaupt nichts. Kein Wunder also, dass ich mich so sehr über Saris offene Art freute.

Ihr Ellenbogen stieß mich von der Seite an und holte mich aus meinen unangenehmen Erinnerungen.

„Da ist er!“

Der stellvertretende Geschäftsführer betrat den Raum und augenblicklich kehrte Ruhe in die zuvor regen Gespräche ein. Bei seiner Erscheinung wunderte mich das nicht wirklich. In ein wahrscheinlich super teures, faltenfreies Hemd und Anzughose gekleidet, zu dem es garantiert ein passendes Sakko gab, erfüllte er das optische Klischee eines typischen Frontmanns. Ich fand es nett, dass er mich mit einem Lächeln und wenigen Worten als neues Mitglied begrüßte. Es schien keine große Sache zu sein, dass jemand zur Gruppe stieß. Wenn ich die vielen jungen Leute sah, konnte ich mir vorstellen, wie hoch die Fluktuation sein musste. Das war ganz gut so, denn ich wollte auch nur ein paar Monate bis zum Studium bleiben und dann umziehen.

Nach dem Meeting ging das Gestupse an meinem Arm schon wieder los.

„Und?“

Ich runzelte die Stirn.

„Und, was?“

Sari hob die perfekt gezupften Augenbrauen an, als sie konkreter wurde.

„Rova, Robert-Valentin Lucard, unseren Chef, wie findest du ihn?“

„Macht einen fähigen Eindruck“,

antwortete ich ehrlich. Er war eindeutig Geschäftsmann und ich traute ihm Verhandlungsgeschick zu. So wie sie mich ansah, wollte sie wohl aber eher auf sein blendendes Aussehen hinaus. Da sie mit den Augen rollte, tat ich ihr den Gefallen, das zu sagen, was sie wahrscheinlich hören wollte.

„Er ist hübsch.“

„Hübsch? Lyzzy, hast du Tomaten auf den Augen? Nenn mir einen Mann, der mit ihm mithalten kann!“

Unwillkürlich sah ich zu seinem nun leeren Stuhl und rief ihn mir in Erinnerung. Ein zartes Gesicht, wilde goldene Haare, eindringlicher Blick aus ebenfalls goldenen Augen und ein guter Körperbau. Keine Ahnung, ob es jemanden gab, der mithalten konnte. Irgendein Schauspieler vielleicht. Männer wie er verpufften in meiner Gegenwart, seit ich von einem Schönling wie ihm sitzen gelassen wurde. Naja, das versuchte ich mir jedenfalls einzureden.

„Ist doch egal. So einen hatte ich schonmal. Die haben mehr Freundinnen, als sie zählen können und verletzen einen nur.“

Mein Geständnis regte sie an, ihre Hand auf meine zu legen, wie es eine Freundin tun sollte. Sie wusste ja nicht, wie gut sich das für mich anfühlte.

„Einen wie ihn hattest du garantiert noch nicht. Vertrau mir.“

Einen Konzernchef, ne, da hatte sie recht. Mein Ex war noch im Studium, als ich mit ihm zusammen war. Wir hatten sechs Jahre Abstand, aber Rova war mindestens zehn, wenn nicht gar fünfzehn Jahre älter als Sari, beziehungsweise ich. Der Gedanke brachte mich zum Lächeln. Wieso dachte ich über so etwas nach? Um mich ging es garantiert nicht, sondern um sie und ihn. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie auf ihn stand und meinen Segen wollte.
 

Es vergingen zwei Wochen, in denen ich den Verein regelmäßig besuchte. Diesmal stand etwas ganz neues auf dem Plan: Eine Kleiderspende sortieren. Wie immer betrat ich den großen, fast schon saalähnlichen Raum der Villa. Auf dem matt gewordenen Parkettboden lagen ganze Berge von Wäsche. Klamotten aller Art, von neu bis abgeranzt und auch Schuhe fanden sich dazwischen. Ein einziges Chaos und ich sah nur zwei Personen daran arbeiten. Meine Freundin Sari und… den Chef? Wow, wo machte einer wie er noch solche Arbeit?

„Hey Lyzzy, wir haben schon mal ohne dich angefangen“,

rief sie erfreut und winkte mir fröhlich mit einer gelben Bluse in der Hand zu. Rova lächelte ebenfalls freundlich in meine Richtung. Sah schon ziemlich gut aus, der Mann, da hatte Sari recht. Ich hoffte für sie, dass es irgendwann zwischen ihm und ihr klappen würde.

So locker wie sonst war die Atmosphäre nicht. Irgendetwas Komisches lag in der Luft, das ich nicht näher definieren konnte. Ich schob mir ein paar Sachen zum Tisch, auf dem ich die Kleidung begutachtete und sortierte, um sie danach zusammenzulegen. Zwar würde die für gut befundene Kleidung im nächsten Schritt in eine Wäscherei kommen, doch trotzdem arbeitete ziemlich akkurat, weil ich das zu Hause so gelernt hatte. Da kam das Pedantische meines Vaters in mir durch. So war ich eben. Unruhig machte mich eher der Blick zweier goldener Augen, den ich auf mir spürte. Ich war sicher, dass da gerade meine Leistung beurteilt wurde, was mich direkt ins Schwitzen brachte.

„Wie war die Aktion auf dem Markt am Samstag, Lyz?“,

hörte ich die warme, tiefe Stimme meines Beobachters fragen. Warum hatte er sich damit nicht an Sari gewandt? So ein Mist!

„Gut, denke ich… hab keinen Vergleich. Waren einige Leute da, die sich Blut abnehmen lassen haben.“

Was war das denn für eine schrecklich formulierte Antwort? Wieso ließen mich meine grauen Zellen ausgerechnet in diesem Moment hängen?

„Mehr als sonst, Rova. Lyzzys positive Art spornt die Leute an, mitzumachen“,

sprang Sari ein, die sich gerade in einem rosa Negligé verheddert hatte. Von ihren lieben Worten peinlich berührt, winkte ich ab. Dass ich dort so gut auf fremde Menschen zugehen konnte, lag doch vor allem an ihrem Einfluss auf mich.

„Wirklich? Das freut mich aber“,

bestätigte er und lächelte Sari breit zu, die entzückt in sich zusammensank. Die zwei waren einfach süß zusammen.

Ich fischte gerade eine blaue Sandale aus meinem Kleiderberg, die da eigentlich nicht hineingehörte.

„Hat einer von euch die andere gesehen?“,

fragte ich in den großen Raum hinein, den Schuh zur Anschauung am Finger baumelnd.

„Hab ihn. Fang!“,

rief der Chef im selben Moment, als er ihn schon warf. Die Sandale landete genau vor mir auf dem T-Shirt, das ich zuletzt zusammengelegt hatte. Geschockt sprang ich auf, weil ich dachte, er trifft mich damit. Eine Hand war zu meiner Brust geschnellt, die nun unter meinen aufgeregten Atemzügen bebte. Sari begann zu Lachen.

„Dein Gesicht, Lyzzy. Du bist total bleich geworden!“

Ja, haha. Wer den Schaden hat und so weiter. Rova machte auch erst einen geschockten Eindruck, aber sein Gesicht erhellte sich zusehends, bis auch er zu Lachen anfing.

„Fang! Nicht hüpf hoch!“

Nun schmiss es Sari total weg. Ihr volles, ansteckendes Lachen hallte im Raum wider und erweichte auch mich. Sie wischte sich die Tränen ab, schniefte und sah Rova an, der neben ihr saß.

„Du weißt nicht, wie sehr ich mich freue, dich Lachen zu hören. Lyzzy hat wohl auf jeden diesen positiven Effekt.“

Während mich ein starkes Kribbeln durchflutete, sah Rova ein wenig überrascht aus. Sie nahm einige Hemden auf den Arm, kam zu mir, um sie mit meinem Stapel zu vereinen und flüsterte mir zu:

„Ohne deiner Anwesenheit kann er ein ganz schöner Stinkstiefel werden.“

„Erzähl ihr nicht solche Sachen, Sari!“,

rief er. Dass er sie aus dieser Entfernung gehört hatte, ließ auf ein gutes Gehör schließen. Sie kicherte und verließ dann den Raum… Sekunde, ließ sie mich gerade mit Rova alleine? Na super! Was jetzt?

Ich legte einfach weiter die Kleidung zusammen, die ich für nutzbar hielt. Kaum einen Moment später sprach er mich an.

„Sieh mal, Lyz!“

Aus seinem Kleiderstapel zauberte er ein weißes, kurzes Spitzenkleid mit schwarzen Verzierungen und Schleifchen hervor. Zuerst hielt er inne, um es selbst zu betrachten und es dann mit ausgestreckten Armen zwischen sich und mich zu halten.

„Wunderschön“,

säuselte ich, ohne nachzudenken.

„Das finde ich auch. Es sieht ganz nach deiner Größe aus. Würdest du es für mich anprobieren?“

Moooment, da musste ich mich verhört haben. Ich sollte was?

„Ich? Aber… das geht nicht, Rova. Das hier ist doch kein Selbstbedienungsladen. Ich… kann…“

Er lächelte zärtlich. Das hatte er an diesem Tag schon häufiger getan, aber wie es schien, nur in meine Richtung… Mein Herz drehte fast durch, setzte kurz aus und legte dann richtig los. Rova hielt Blickkontakt. Es war ihm absolut ernst.

„Na gut“,

gab ich nach, nahm das Kleid an mich und verschwand aus dem Raum. Das Badezimmer lag schräg gegenüber, ein großer Raum voller vergilbter Fliesen mit Bordüre im Rosenmuster. Wohl fühlte ich mich darin gar nicht, eher beobachtet, auch wenn es dafür keinen wirklichen Grund gab. Da fiel mir ein, wo war eigentlich Sari abgeblieben? Sie war doch nicht etwa abgehauen?

Mit einem merkwürdig unruhigen Gefühl im Bauch zog ich meine enge Jeans und das Top aus und das Kleid an. Die weiße Spitze fügte sich derart geschmeidig an meinen Körper, dass es fast schon gruselig war, aber betrachten konnte ich mich nirgends. So groß das Bad auch sein mochte, gab es keinen Spiegel darin, oder zumindest keinen intakten, denn ich sah, innerhalb eines goldenen Rahmens an der Wand, Reste von Spiegelscherben. Schade um dieses einst edle Stück.

Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, um zu testen, ob der Rock in die Höhe flog. Keinen Schritt hätte ich vor die Tür des Badezimmers gemacht, wenn er zu wenig Sicherheit geboten hätte. So nackt um die Beine war ich normalerweise nicht unterwegs. Ein komisches Gefühl.
 

„Unglaublich. Das behältst du auf jeden Fall!“,

begrüßte mich Rova vor Freude strahlend, auf seine Ellenbogen über den Tisch zu mir gelehnt. Etwas ungläubig sah ich an mir herab, denn so wie er reagiert hatte, musste ich richtig gut ausgesehen haben. Es war mir ein bisschen unangenehm, ein so knappes Kleid zu tragen, wo mir meine Mutter doch eingetrichtert hatte, dass nur leichte Mädchen Röcke trugen, die über dem Knie endeten… und dieses endete weit darüber.

„Seh ich damit nicht wie eine Lolita aus?“,

fragte ich unsicher, immerhin erreichte ich gerade mal eine Körpergröße von 1,62 m, und da mogelte ich schon ein bisschen. Rova schmunzelte mich an.

„Würde dich das stören?“

Das war kein „Nein“… also stimmte es wohl. Naja, wenn es ihm gefiel, mochte ich es auch irgendwie. Schon zuvor hatte er mich oft angesehen, aber in diesem Kleid konnte er kaum ein Auge von mir lassen. Er schien zufrieden mit seinem Werk zu sein und obwohl ich so etwas sonst gar nicht mochte, genoss ich seine Aufmerksamkeit ein wenig. Ich hoffte nur, dass er mich nun nicht für ein leichtes Mädchen hielt, ganz so, wie es meine Mutter prophezeite.

Rova und ich unterhielten uns noch etwa eine halbe Stunde über den Verein und Saris Verbleib, bis er aufstand.

„Das reicht für heute, Lyz. Ich habe noch einen Anschlusstermin.“

Er warf sich ein, natürlich zu seiner Hose passendes, blaues Sakko über und begleitete mich nach draußen. Das kam so plötzlich, dass ich keine Chance hatte, mich wieder umzuziehen. Tja und das wiederum hieß, ich musste notgedrungen in diesem knappen Kleid nach Hause gehen. Na, das konnte noch heiter werden.
 

Es kam wie erwartet. Kaum Zuhause angekommen, beschimpfte mich meine dürre Mutter, die sich dazu ihre hässliche, strenge Brille festhielt, als Hure.

„Ellys! Geh dir sofort etwas anderes anziehen, bevor dein Vater dich sieht!“,

brüllte sie. Meiner Vermutung nach fühlte sie sich von mir bedroht. Aufgrund einiger Komplikationen bei meiner Geburt, hatte ich ihr das Sexualleben gestohlen. Ich, das unerwünschte Kind, verursachte diese irreparablen Schäden. Meine Mutter wurde niemals müde, mir das zu sagen. Ich ganz allein hatte ihr Leben zerstört. Das verstand ich. Deshalb war ich auch nicht wütend auf sie. Geduldig ertrug ich ihr giftiges Gekeife, schließlich war das alles, was ich ihr als Entschuldigung anbieten konnte. Immerhin schlug sie mich nicht, obwohl eine Aggression in ihren Augen funkelte, die ihren Drang danach verriet. Sie klammerte sich an gewisse Moralvorstellungen, die ihr verboten, handgreiflich zu werden. Das gehöre sich nicht in einer gut situierten, bürgerlichen Schicht wie unserer, sagte sie dann gern. Vater hätte mir nicht geholfen, das wusste ich. Ihm war ich dann doch zu gleichgültig.
 

Zwei Tage später stieß ich wieder beim regulären Mittwochs-Meeting auf Sari. Demonstrativ hatte ich das Kleid wieder angezogen, schon um es ihr vorführen zu können. Sie saß mit zwei Jungs zusammen an der Tafel in der Villa, aber die Kleiderberge waren inzwischen beseitigt worden. Als sie mich sah, sprang sie sofort auf, sprintete zu mir und fiel mir um den Hals, wie sie es seit kurzem immer häufiger tat.

„Ich freu mich auch, dich zu sehen!“,

lachte ich, musste ihr aber auch einen Vorwurf machen.

„Wie konntest du mich nur einfach so mit dem Chef alleine lassen?“

„Was hast du da Phänomenales an?“,

überging sie mich. Ich vergaß die Anklage, denn mir schoss augenblicklich das Blut in den Kopf.

„Das hat mir Rova… geschenkt?“

Sie hüpfte um mich herum und sah mich von allen Seiten an, was mir immer peinlicher wurde, bis sie sich in ihren Komplimenten fast überschlug.

„Das ist toll! Wunderschön! Lyzzy, du bist eine Augenweide, wow! Lass uns shoppen gehen! Du brauchst passende Accessoires!“

„Brauchte ich?“

„Auf jeden!“

Sie drehte sich zum Rest der Anwesenden, vier, nein fünf Mitglieder und rief ihnen zu:

„Wir melden uns ab für heute, bye!“

Dann schnappte sie sich meine Hand und zog mich hinter sich her.
 

Wie angedroht, schleppte sie mich in einen Schuh- und einen Taschenladen. Eine Lederfarbe, die sich Cognac nannte, passte besonders gut zu meinen kastanienbraunen Haaren, befand sie und empfahl mir, mich damit einzudecken.

Zwei Taschen, zwei Paar Schuhe und einen leeren Geldbeutel später machten wir uns auf den Rückweg. Sari nahm sich wirklich viel Zeit für mich. Ich empfand das als große Ehre.

„Warum vergeudest du deine Zeit mit mir? Du… weißt doch fast gar nichts über mich“,

fragte ich viel zu negativ. Mist, dabei mochte sie es doch viel lieber, wenn ich positiv war.

„Vergeuden? Haha, du machst Witze, Lyzzy, du machst mich einfach glücklich!“

„Glücklich?“,

wiederholte ich perplex. Warum musste sie ausgerechnet dieses Wort benutzen? Ich verstand das Glück nicht. Es war zu abstrakt. Ganz ohne, dass ich zu fragen brauchte, versuchte sie es zu erklären.

„Ich find es schön mit dir, kann's mir ohne dich schon gar nicht mehr vorstellen. Ich war ein bisschen einsam, bevor wir uns kennengelernt haben.“

„Du klaust mir meinen Text!“,

lachte ich ergriffen und doch fiel es mir schwer, das diesem fröhlichen Mädchen abzukaufen. Wie konnte sie einsam gewesen sein? Ich dachte, sie verstand sich mit allen gut, nicht so oberflächlich wie ich es tat, sondern richtig freundschaftlich.

„Bist du schon lange beim Verein?“,

fragte ich, um der Sache nachzugehen.

„Nicht als aktives Mitglied, aber Rova kenn ich schon ewig, falls du das wissen wolltest.“

Eigentlich nicht. Wie kam sie schon wieder auf ihn? Er musste ziemlich viel ihrer Rechenleistung beanspruchen, wenn er ihr immer wieder dazwischen platzte. Es hatte sie echt erwischt. Das machte mir gleich ein schlechtes Gewissen. Er machte nämlich den Eindruck, an mir interessiert zu sein. Ein Gedanke, der mein Herz höherschlagen ließ, aber das musste ich ignorieren. Meiner Freundin den Kerl auszuspannen, kam überhaupt nicht in Frage.



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