Zum Inhalt der Seite

A Place to Belong

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

31

„Chef, do is wos inna Düür, zefix!“

„Nicht was. Wer, und so.“

 

Was oder wer stellte sich als ein kleines Mädchen heraus, das in der Tür zum Hauptquartier der Tantalus-Theatertruppe stand, das gleichzeitig auch als kleines Theater zum Aufführen fungierte – zumindest so lange noch, bis sie sich weit genug etabliert hatten, um auch größere Bühnen zu erreichen.

Obwohl sie alles andere als groß war, hatte sie eine Präsenz, die den ganzen Türrahmen ausfüllte, wie sie da mit verschränkten Armen stand und an Marcus und Cinna vorbeifunkelte.

„Ich will den Chef spräche“, erklärte sie energisch, Bark ins Auge gefasst.

„Garharhar. Du bist ja ne ganz mutige junge Dame.“

Das Mädchen reckte die Nase in die Luft, eine Mischung aus Stolz und Trotz.

 

„Natüllich. Sönst kummt man im Theoterjeschäft doch jar nit vörran.“

 

Barks Schnauzbart zuckte vor Amüsement über die Abgebrühtheit, mit dem das kleine Ding ihm begegnete – die war doch kaum alt genug, um trocken hinter den Ohren zu sein!

Aber sie hatte Mumm, und er mochte Mumm.

Er trat zu ihr, ging vor ihr in die Hocke, um halbwegs auf einer Höhe zu sein. Tat doch irgendwann sicher im Nacken weh, wenn das Mädchen immer hochschauen musste; dass das ihren Stolz kränken könnte, darum kümmerte er sich nicht.

Wenn sie wirklich im Theater arbeiten wollte, dann würde sie sich schnell daran gewöhnen müssen.

Das Publikum konnte grausamer sein als der schlimmste Foltermeister.

„Theater, so so. Deshalb bist du also hier?“

Das Mädchen nickte.

„Mein Name es Ruby. Ich will Schauspielärin werde, un ich hab jehört dun, dat deine Tropp ziemlich underbesetzt es.“

„Und was sagen deine Eltern dazu, und so?“

 

Ruby zuckte mit den Schultern. Sie drehte eine Locke ihres langen, wilden Haars um den Finger.

„Denen es dat ejal.“

Sie klang ein bisschen zu ausweichend, als dass Bark ihre Worte für bare Münze nahm. Er hob die Augenbrauen, um seiner Skepsis wortlos Ausdruck zu verleihen. Obwohl sie sich Mühe gab, es nicht zu zeigen, wand sich Ruby sichtlich unter seinem Blick.

Schließlich seufzte sie unwirsch.

„Ich hab sie nit jefraacht, okay?! Ich kann sie jar nit frajen, ich weiß jo nit mol, wo sie sind.“

„He, wia meensten des, zefix?“

„Jenau so, wie ich et saje!“, fauchte sie mit einem gefährlichen Beben in der Stimme und trat einen ungestümen Schritt auf Cinna zu. Obwohl er ihr in allem – Alter, Autoritätsposition, Größe – überlegen war, stolperte er mit abwehrend erhobenen Händen zurück.

„G-Gnadn, Frollein…!“

 

Als auch Marcus vortrat, wohl in dem Bestreben, zu schlichten, ehe alles explodierte, beschloss Bark, dass es genug mit dem Kindergarten war und räusperte sich kräftig.

„Marcus, Cinna, schlagt hier keine Wurzeln und geht los, um die Einkäufe zu machen. Nachher sind alle guten Waren schon weg, weil ihr zwei Kasper hier lieber Maulaffen feilhaltet!“

„J-jawoll, Chef, zefix!“

„Sind schon unterwegs, und so.“

 

Er wartete, bis die Beiden samt Einkaufszettel hinaus waren, dann wandte er sich wieder an Ruby, die Arme immer noch streng vor der Brust verschränkt.

„Erzähl mir doch erstmal, was das jetzt mit deinen Eltern ist. Hast zwar gut erkannt, dass ich hier kein Mindestalter habe, aber ich nehm keine Ausreißer auf, damit ich nachher von Mutti und Vati die Hucke vollkriege.“

„Ich hab doch scho jesaacht, ich weiß nit mol, wo die sind“, wiederholte Ruby, das Gesicht zu einer halben Schnute verzogen.

Inzwischen bröckelte ihre selbstbewusste Fassade. Da war so viel Unsicherheit in ihrem Gebaren, so viel Hilflosigkeit. Hoffnungslosigkeit. Sie brauchte einen neuen Ausblick, das wurde immer deutlicher.

„Ich bin vör ene Weile abjehaue, als wir uns jestritte habe. Weil sie nit wöllte, dass ich Schauspielärin werden du. Dat sei so e dumme Beröf, dat mache nur Leut, die könn' sonst nix, sajen sie. Dann bin ich wejjelaufe. Un dann–“

Sie brach ab, biss sich heftig auf die Unterlippe. Ihr ganzer kleiner Körper bebte.

 

„Bin en paar Taje später wieder zuröck, weil ich Hunger hat' un mein Taschejeld wa alle. Da war'n sie äber nit mehr da. Un ihre Säche och nit. Die sind enfach ohne mich jejange!“

Ruby schniefte, wischte sich energisch mit dem Ärmel über die Augen.

„Deshalb!“

Noch ein Schniefen. Tränen, die sie wieder gnadenlos wegrubbelte. Dann zog sie die Nase hoch und reckte das Kinn vor in dem Versuch, würdevoller auszusehen als das kleine Mädchen mit dem verheulten Gesicht und den verfilzten Haaren, das sie war.

„Ich brauch Jeld, dat ich mer Esse kaufe kann. Un ich will Schauspielärin sein. Alsu bin ich hier! Du brauchs Leude, un ich lern schnell. Ich kann sojar scho fast lese!“

 

Bark hätte sie doch nicht einmal ablehnen können, wäre er dafür bezahlt worden.

 

Er tätschelte Ruby flüchtig den Kopf, ehe er sich wieder erhob.

„Ist ja gut. Aber ich warne dich! Wir hier bei der Tantalus nehmen unsere Arbeit extrem ernst! Du wirst schuften und schuften, bis du umkippst – und dann wirst du noch weiterschuften! Hast du das verstanden? Wir können hier keine verweichlichte kleine Dame gebrauchen!“

 

Dass Rubys erste Reaktion ein rasend wütendes Funkeln war, während sie die tätschelnde Hand wegschlug, brachte ihn dazu, bellend aufzulachen.

„Wunderbar! Du hast ja richtig Feuer! Bewahr dir das bloß.“

Sie schnaubte.

„Natüllich.“

Bark bezweifelte, dass sie wirklich verstand, aber das war auch in Ordnung – sie würde früh genug lernen.

 

„Dann komm, Ruby. Ich zeig dir dein Zimmer und geb dir deinen Trainingsplan. Wer faulenzt, wird bestraft, also komm nich‘ auf Ideen!“

„Wie öft denn noch? Ich faulenz nit! … Ah. Äber.“

Sie war gerade einmal ins Haus getreten, hielt jetzt aber doch wieder inne.

„Eh ich et verjesse, da es noh wat.“

„Was denn noch?“

Sie reckte sich hoch, die Schultern entschlossen gestrafft.

„Ene Bedingung.“

„Garharhar! Das wird ja immer besser hier! Was für eine Bedingung hast du denn?“

 

Ruby antwortete nicht. Sie packte Bark nur am Ärmel und zog ihn mit sich hinaus.

 

An der Hauswand hockte ein kleiner Junge. Schmutzig, in zerschlissenen Kleidern, das feuerrote Haar verfilzt – alles an ihm schrie Straßenkind.

„Den hab ich jefunde“, erklärte Ruby schließlich, „Ich weiß, der es noh wat klein, äber der wirkt janz jescheid. Und weil a kein Platz mehr habe dut, hab ich en mitjebraacht.“

Bark schmunzelte heimlich, setzte dann aber sein strengstes Gesicht auf.

„Das geht dann aber von deinem Gehalt ab, wenn der bei uns schmarotzern soll.“

 

Ruby schwieg.

Sie schien nachzudenken, zwirbelte wieder eine Haarsträhne um den Finger, kaute auf ihrer Unterlippe herum. Dann stieß sie schließlich die Luft in einem Seufzen aus.

„Na jut. A sull dat zuröckzahle, suballd a selbs orbeite dut.“

 

„Garharhar! Bist ja eine ganz harte Geschäftsfrau. Gefällt mir! Na gut, dann soll dein kleiner Freund eben bleiben. Wie heißt er denn?“

„Dat wisse wir och nit.“

„Tja, dann braucht er wohl nen neuen Namen. He Jung, hast du Wünsche?“

Scheinbar nicht, zumindest schwieg er. Aber er ließ sich von Ruby immerhin dazu motivieren, hochzukommen, und mit dem Zwerg an der Hand marschierte sie zurück ins Hauptquartier, mit einer Selbstverständlichkeit, als würde ihr der ganze Laden gehören.

Bark wusste jetzt schon, er würde verdammt viel Spaß an dem Mädel haben. Sie war eine großartige Bereicherung für seine Bande.

Und, was noch viel wichtiger war – sie würde sich mühelos zwischen den Jungs durchsetzen können.

 

Und natürlich würde sie das gleiche Taschengeld wie Cinna und Marcus kriegen. Bark konnte sie doch nicht dafür bestrafen, einem Kind in Not zu helfen.

„Wird ja langsam richtig lebhaft hier“, murmelte er amüsiert in seinen Bart, schüttelte den Kopf.

So hatte er sich seine Theatergruppe ursprünglich zwar nicht vorgestellt, aber er war weit davon entfernt, sich zu beklagen; es war besser, als jede Vorstellung es hätte sein können.

Guter Dinge folgte er den Beiden zurück ins Gebäude, sah gerade noch, wie Ruby samt Anhängsel in einem Gang verschwand, vermutlich um das Haus zu erkunden.

Mutiges Ding.

 

„He, wartet gefälligst, Ruby, Blank!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück