A Place to Belong von Puppenspieler ================================================================================ 25 -- Es war das Tuscheln einer feinen Dame, das ihn überhaupt erst auf den Jungen aufmerksam machte. Er war klein. Trug einen Hammer bei sich, den er schlapp hinter sich her über den Boden schleifte, während er die Straße entlangschlurfte. „Wirklich! So ein schmuddeliges Balg hier herumlaufen zu lassen! Dass sich seine Eltern nicht schämen!“ Sie machte keinen Hehl daraus, was sie davon hielt, dass dieses Kind in seinen schmutzigen Kleidern, mit der ebenso schmutzigen Kappe auf dem Kopf und den durchdringenden, gelben Augen, die im Schatten des Kappenschirms unheimlich glühten, die gleiche Luft atmete wie sie.   Es war Alltag.   Die verschiedenen Klassen in Lindblum kollidierten immer wieder. Wer Geld hatte, sah auf all jene herab, die für jede Mahlzeit hart arbeiteten. Inzwischen gehörte er selbst zu denen, die genug Geld hatten, um nicht jede Münze zweimal umdrehen zu müssen. Das kleine Theater lief gut genug, dass es Gewinn abwarf, und die gelegentliche – man musste doch den guten Ruf wahren – Zusammenarbeit mit lokalen Diebesbanden warf auch immer eine hübsche Summe ab. Er war freilich kein reicher Mann. Doch es reichte. Für seine eigenen Bedürfnisse, und dafür, gelegentlich einem Straßenkind eine Münze zuzustecken oder eine Süßigkeit.   Er wollte keiner dieser Erwachsenen sein, die wehrlose Kinder sich selbst überließen, weil sie nur ihr eigenes Leid sehen konnten. Er musste es auch nicht. Er hatte das Geld, um sich zu kümmern.   Kurz entschlossen ging er vor dem kleinen Jungen in die Hocke. Es war unübersehbar, dass er zu den Kindern gehörte, die kein Heim mehr hatten. „Hey, Kleiner. Wohin willst du denn?“ „Wees i need, zefix“, war die dumpfe Antwort, die er bekam. Der Kleine sah ihn aus unergründlichen Augen an, in denen Bark nicht lesen konnte. „Hast du Eltern?“ Kopfschütteln. „Wie heißt du denn?“ Schulterzucken. Er seufzte hilflos, suchte nach irgendetwas, um den Jungen zu erreichen. „Darf ich deinen Hammer einmal sehen?“ „Naa! Des is mei Homma, zefix! Den hod mei Babba mia ‘geb’n. … Abber Babba is nimma do. Babba hod gsogd, i soll druf aufpasse, bis a wiedakemma dud, zefix.“   Aber Papa kommt nicht mehr wieder hing unausgesprochen in der Luft.   Bark schloss für einen Moment die Augen. Dieses Kind hatte ganz offensichtlich keinen Platz mehr, an den es zurückkehren konnte. Es hatte ganz offensichtlich keine Eltern mehr, die auf es warteten. Und der Junge war so klein, dass er kaum alleine überleben konnte. „Was sagst du? Du kannst bei mir darauf warten, dass dein Papa wiederkommt. Ich hab ein großes Haus, da ist viel Platz für dich. Und alleine ist es ein wenig einsam.“ Er zwinkerte gutmütig, streckte dem Jungen eine Hand entgegen. Einen langen Moment passierte gar nichts, dann ergriff er sie. „I hob Hunga, zefix.“ „Dann gehen wir jetzt und machen dir etwas zu essen. Ich mache den besten Räubereintopf weit und breit, garharhar! Und auf dem Weg erzählst du mir, wie du heißt.“ Der Junge brummte, sagte aber nichts.   Bark versuchte es den ganzen Abend noch, doch egal, wie oft er nachhakte, der Junge wollte ihm keinen Namen nennen.   Irgendwann gab er auf. Fragte nicht mehr. Er würde ihm seinen Namen irgendwann sagen, hoffte er zumindest.   Er brachte den kleinen Kerl schließlich ins Bett; für den Moment musste ein Haufen aus Decken und Kissen reichen, in dem er sich einkuscheln konnte. Bark würde ihm das Zimmer ordentlich einrichten, sobald es möglich war. Mit seinem Hammer, den er selbst zum Baden nicht aus der Hand hatte legen wollen, krabbelte der Junge in den Deckenhaufen und deckte sich bis zur Nasenspitze zu. „I bin müede, zefix“, informierte das Kind träge blinzelnd. Bark lächelte, strich ihm über den Kopf. „War ein langer Tag, was?“ Der Junge nickte. Er kuschelte sich in die Decken, sah aus, als würde er gleich einschlafen. Bark brummte ihm einen sanften Gutenachtgruß zu, dann erhob er sich wieder, um den Raum zu verlassen und dem Kind seine wohlverdiente Ruhe zu geben. „Cinna“, sagte der Junge, noch ehe er die Tür erreichen konnte. Verdutzt hielt er inne, wandte sich noch einmal um. Die gelben Augen glühten in dem Licht, das aus dem Flur hereinfiel. Bark war sich nicht sicher, doch er glaubte, den Anflug eines Lächelns in dem Blick zu erkennen. Er schmunzelte still. Was für ein Zufall.   „Gute Nacht, Cinna.“   Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass er seine Kopie von Deine Taube möcht‘ ich sein mal wieder zur Hand nahm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)