Zum Inhalt der Seite

A Place to Belong

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

9

Im ewiggleichen Alltagstrott war das erste Mal, dass er das Gefühl hatte, dass das Leben mehr für ihn bereithalten mochte als Tagelohnarbeiten und Kleingaunerei ein harmloser Nachmittag der begann wie jeder andere: Er traf sich mit den anderen Kindern der Nachbarschaft in einer verdreckten Hintergasse zum Spielen.

Normalerweise spielten sie Fangen. Verstecken. Spielten mit abgegriffenen, verknickten Karten, die ein Junge einmal in einer alten Holzkiste mitgebracht hatte. Keiner von ihnen kannte das Regelwerk, und jedes Mal, wenn gespielt wurde, wurden immer neue Regeln erfunden – manchmal auch mitten in der Partie.

Doch weder warfen sie eine Münze, um herauszufinden, wer beim Fangen oder Verstecken den Kürzeren zog, noch diskutierten sie um die Reihenfolge beim Kartenspielen, weil es einfach nicht genug Karten für sie alle auf einmal waren.

 

Als er ankam, saßen die Anderen in einem Halbkreis um eines der ältesten Mädchen herum, das aus einem Buch vorlas.

Die Geschichte war platt und abgedroschen, ein Kindermärchen, das er selbst schon albern gefunden hatte, als seine Mutter es ihm das letzte Mal vor Jahren erzählt hatte.

Trotzdem fühlte er sich von der Erzählung in den Bann gezogen, konnte nicht aufhören, zuzuhören, während das Mädchen mit Feuereifer und über Buchstaben stolpernd vorlas, um der Geschichte neues Leben einzuhauchen.

Die anderen Kinder waren genauso. Verharrten reglos, voller Aufmerksamkeit auf ihrer Vorleserin. Sie lachten über die lustigen Stellen in der Geschichte, bangten, wenn es brenzlig wurde.

 

An diesem Nachmittag lernte Bark eine Lektion, die er für sein Leben nicht vergessen sollte:

 

Ablenkung war eine wertvolle Waffe gegen Hoffnungslosigkeit. In allem Eifer für die Geschichte sah er seine Spielkameraden zum ersten Mal seit Langem wieder wirklich ausgelassen und unbekümmert, und er selbst fühlte sich, als wäre eine große, schwere Last von seinen Schultern genommen, zumindest für den Augenblick.

 

Als es vorbei war und sie sich zum Abendbrot wieder zerstreuten, fing er das Mädchen mit ihrem Buch ab.

„Bring mir Lesen bei.“

 

Er wollte dieses Gefühl weitergeben.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lost_Time
2019-08-27T15:10:12+00:00 27.08.2019 17:10
Der Alltag wird schön beschrieben, auch die Art, wie die Kinder damit umgehen mit der Situation. Generell die Art der Kinder fine ich schön beschrieben und erklärt, auch recht plausibel alles. Eine gewisse Unbekümmertheit in einer angespannten Welt. Das zweite Kapitel ist ähnlich gehalten wie das erste mit den kurzen und langen Sätzen, doch nehmen die längeren hier deutlich zu, was auch dem Leser ein weniger beklemmendes Gefühl gibt. Man fühlt sich freier. Wird selber abgelenkt von der traurigen Alltagssituation, was einem bewusst wird, wenn man den entsprechenden Satz dazu in der FF liest. Ich bin gespannt, wie Bark sich da schlagen wird mit seinem Vorhaben, was er da gefasst hat.


Zurück