Shuichi Akai - Agent auf Abwegen von ginakai ================================================================================ Kapitel 16: Hilflos ------------------- Ungefähr eine halbe Stunde suchte Gin nach einer Art Vase, nachdem er sich den Mantel wieder entledigt und die Rosen fürs Erste auf dem Tisch abgelegt hatte. Doch egal wie gründlich er die Schränke und andere Orte durchsuchte, er fand nicht wonach er gesucht hatte. Dabei war er sich sicher bestimmt irgendwo eine Vase im Haus zu haben. "Allerdings...wofür sollte ich so etwas brauchen?" Gin seufzte und ließ sich auf einem Stuhl in der Küche nieder. Sein Blick wanderte durch den kleinen Raum, bis sich seine Stirn runzelte. Er stand auf, nahm eine Teekanne von der Küchentheke und füllte sie zur Hälfte mit Wasser. Da rein tat er dann die Rosen. "So geht's auch.", dachte er zufrieden und belächelte sein Werk mit verschränkten Armen. Aber das Lächeln blieb nicht lang und verschwand mit den nächsten Sekunden wieder so schnell, wie es gekommen war. Jetzt waren schon über 30 Minuten vergangen, musste Gin erneut feststellen, als er zur Uhr sah. Bis jetzt hatte er nicht mehr mit dem Agenten geredet, der sich immer noch im Schlafzimmer befand und bisher keinen Laut mehr von sich zu hören gegeben hatte. Gin fragte sich, wie es Akai wohl ging und woran dieser jetzt vielleicht dachte. "Ich muss mich entschuldigen.", ging es dem Silberhaarigen durch den Kopf. Mehr sein Gefühl als sein Wille suchte daraufhin den Weg zum Schlafzimmer auf. Aber seine Beine wollten ihn nicht mehr bis durch die Tür tragen. Er blieb einfach davor stehen. "Nein." Gin zog seine Hand von der Türklinke zurück. "Er ist doch selber Schuld. Wofür sollte ich mich entschuldigen?", versuchte er sich einzureden. Das vielleicht auch nur aus dem Grund, weil er nicht gut darin war sich zu entschuldigen, nicht etwa, weil es die Wahrheit sein könnte. Er ging zurück zum Wohnzimmer. "Der wird schon von allein wieder raus kommen, wenn er was braucht.", dachte er um seine Sorgen vergessen zu können. Gin zweifelte nicht an seiner Vermutung. Zumindest vorerst nicht. Schließlich wartete er, bis die Stunde gefüllt war. Zwei Stunden. Drei Stunden. Nichts. Kein Lebenszeichen. Als hätte das Warten etwas bezwecken können. Nun war Gin nur noch mehr besorgt als vorher und begann längst damit sich Vorwürfe zu machen, das war wiederum etwas, was er so gut wie fast nie tat. Wieder ging er zum Schlafzimmer, als er das Gefühl von Schuld und der Einsamkeit, die durch grauenvolle Stille erzeugt wurde, nicht länger ertragen wollte. Wieder stand er vor derselben Tür. Gin wusste nicht, weshalb er seinen Atem kurz unterdrückte während er die Tür öffnete und schließlich dann im Zimmer stand. Dieser Vorgang verlief relativ leise. Akai lag auf dem Bett, kehrte ihm den Rücken zu und regte sich nicht. Wer weiß ob er nicht schon die ganze Zeit so in dieser Position verbracht hatte. Der Silberhaarige schluckte letztlich den Kloß in seinem Hals herunter, der ihm keinesfalls Worte verwehren sollte. "Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut...", brachte Gin mühevoll aus sich heraus. Es war wirklich nicht einfach. "Vielleicht hätte ich meine Wortwahl vorher nochmal überdenken sollen.", fügte er hinzu und lehnte sich an die Wand. "Was zur Hölle mach ich hier gerade...?!", hörte er dabei seine entsetzte Stimme in Gedanken. Jetzt war er sich wirklich sicher, sich noch nie bei jemanden ernsthaft entschuldigt zu haben. Doch er wollte seine Gedanken ignorieren und sprach weiter. Auch wegen der Tatsache, dass Akais Schweigen ihn nicht sonderlich befriedigte. "Und...Danke für die Rosen... Sie sind sehr schön..", stammelte er beschämend leise, während sich Röte auf seine Wangen schlich. Am liebsten hätte er sich dafür eine rein gehauen, so bescheuert wie das gerade bestimmt geklungen hatte. Doch es sollte wohl noch schlimmer kommen. Nicht mal das regte den Agenten zu einer Erwiderung an. Immer noch lag er still auf dem Bett. Beinahe wie tot, wenn man nicht noch gesehen hätte, wie sich sein Brustkorb langsam auf und ab bewegte. Gin glaubte, dass Akai wohl wirklich sauer sein musste. Dessen Ignoranz war demütigend, aber auch schmerzhaft. Eine letzte Idee hatte Gin noch, auch wenn es dafür nicht genügte nur einmal über seinen Schatten zu springen. Aber der Moment bot sich nun mal an und der Silberhaarige wusste, er würde mit Sicherheit nicht eher zufrieden sein bis Akai ihm wieder verzeihen würde. "Ich l-..." Gin brach den Satz ab. Es war schwer etwas auszusprechen, was bisher nicht mal in seinen Wortschatz existiert hatte und bisher für ihn nur Fremdworte gewesen waren. Jedoch startete er einen neuen Versuch: "Ich liebe...dich übrigens auch...glaub ich.", sagte er und nahm seine Stimme dabei irgendwie heiser war. Kurz war es, als würde sein Herzschlag aussetzen. Dann aber verschnellerte sich sein Atem und er fühlte sich, als würde ihm sein Herz jeden Moment aus der Brust springen. Hitze breitete sich in seinem Körper aus. Schlimmer war aber der Scham, der sich bemerkbar machte, als tatsächlich immer noch alles still war. Keine Reaktion. Nichts in seinem Leben war demütigender gewesen als dieser Augenblick. Seine Miene verfinsterte sich. Dann trat er ein paar Schritte vor. "Dieser verdammte-" Gin blieb mit geweiteten Augen vor dem Bett stehen, als er erkannte, dass Akais Auge geschlossen war. Offensichtlich schlief er tief und fest. Unentschlossen starrte er den schlafenden Agenten an. Doch schnell wurde aus seiner Verwunderung Wut. Er überwand die verbleibende Distanz und streckte die Arme aus, um die Person zu wecken, die ihn dermaßen verärgert hatte. Unmittelbar bevor er dessen Schultern jedoch ergriff und ihn gewaltsam weckte, erstarrten die Hände des Silberhaarigen mitten in der Luft. "Er sieht wirklich erschöpft aus... Die letzten Tage und Wochen waren ja auch nicht gerade leicht…" Gin erinnerte sich plötzlich an verschiedenste Situationen aus der Zeit, die er jetzt mit dem Agenten schon zu zweit verbracht hatte. Anstatt den Agenten zu wecken, senkte Gin leicht schuldbewusst den Kopf und legte dem Schwarzhaarigen vorsichtig eine Decke über. "Er hat so viel für mich durchgemacht... und wie danke ich es ihm? Mit Gewalt." Gin schloss kurz die Augen, doch sobald er den Agenten nicht mehr vor sich sah, meldete sich eine andere Stimme in seinem Kopf: "Was kümmere ich mich eigentlich um den? Er ist doch selbst schuld!" Zusammen mit diesem Gedanken kehrte die Wut zurück. "Dieser Idiot wusste genau worauf er sich einlässt, also muss ich mir doch keine Gedanken um ihn machen! Das hat er alles selbst zu verantworten!" Kaum öffnete der Silberhaarige seine Augen, war er wieder wie gefangen von dem Anblick des schlafenden Mannes. "Ich... habe ihn doch nie... darum gebeten…" Beinah wäre Gin vor dem Bett zusammengesunken. Immer stärker und schneller machten sich die verschiedensten Gefühle in ihm breit. Wut wurde zu Mitgefühl und Verständnis, dann zu Schuldgefühlen und wieder zu Wut. Doch ein Gefühl blieb dabei ständig erhalten und verdrängte zunehmend die anderen. "Ich liebe dich auch...", dachte Gin beinah verzweifelt, bevor er sich vom Bett wegdrehte. Dieser Agent brachte ihn mit den Gefühlen, die er in ihm auslöste, noch um den Verstand. Denn die Liebe war mit einem weiteren Gefühl verbunden: dem Gefühl der Hilflosigkeit. Je stärker die Gefühle in ihm wurden, umso weniger nahm Gin von seiner Umgebung wahr. Wie ferngesteuert betrat er das kleine Bad, schloss die Tür hinter sich, entkleidete sich und stellte sich unter den lauwarmen Wasserstrahl der Dusche. Er hielt sein Gesicht hinein und ließ die Wassertropfen die verräterische, salzige Nässe seiner Augen verbergen. So, wie er es schon immer getan hatte. Nein, das war nicht ganz richtig. So, wie er es getan hatte, seit Rum ihm eingeprügelt hatte, dass Tränen Gefühle zeigen und Gefühle Schwäche. Eine Schwäche, die er sich nicht leisten durfte. Ohne es zu merken, lehnte sich Gin gegen die kalten Fliesen der Dusche und sank langsam daran herab. Er spürte weder die Kälte der Wand, noch wie die Wassertropfen über sein Gesicht liefen und die Tränen fortspülten, die unaufhörlich flossen. Gin, der kaltblütige Mörder der Organisation, konnte seine Gefühle nicht länger unterdrücken. Es tat weh. Seit wer weiß wie vielen Jahren hatte Gin angefangen sich seinen Gefühlen zu öffnen. Für einen Verräter. Einen elendigen, schwarzhaarigen FBI-Agenten, den er aus ganzem Herzen liebte. Und er wusste nicht, wie er es ihm sagen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)