Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 39: ------------ Warmes schon fast heißes Wasser prasselte auf mich nieder, während ich regungslos unter der Dusche stand. Mein Kopf war an die Wand gelehnt und ich versuchte die Bilder zu sortieren. Diesen schalen Geschmack auf der Zunge los zu bekommen und die Erinnerung an dieses ekelhafte Gefühl, als das Sperma von Viktor über meine Haut lief. Viktor hatte sich für die schöne Zeit bedankt und war dann verschwunden. Er hatte mich einfach dort zurück gelassen, als er bekommen hatte, was er wollte und aus dem Gefühl geliebt zu werden, wurde eine eiskalte Hand, die sich nun unbarmherzig um mein Herz schlang und zu drückte. Ich wurde benutzt. Schamlos benutzt. Von wegen geliebt oder gar gemocht. Ich war nur ein Mittel zum Zweck. Wie für alle. Für meinen Vater war ich der Punchingball. Für Luzifer ein netter Zeitvertreib. Für die Band ein Schlagzeuger, der an sich schwer zu finden war. Für meine Schwester der Packesel und Sündenbock. Für Melody der Idiot, der die blödsten Aufgaben übernahm und sie ihr so ersparte. Für meine Mutter ein willkommenes Schutzschild. Meine Hand ballte sich zur Faust und ich schlug auf die Wand ein. Immer und immer wieder. Es war mir egal, ob ich irgendwen damit weckte oder ich es beschädigte. Ich musste diese Wut, diese Angst. Dieses verdammte Gefühlschaos nur irgendwie los werden. Ein Knurren drang über meine Lippen als meine Schläge härter wurden und sich Schmerz in meinen Händen ausbreitete, doch ich hörte nicht auf. Mit einem letzten verzweifelten leisen Aufschrei legte ich all meine Kraft in den Schlag und spürte, wie die Wand nachgab. Die gebrochenen Ränder bohrten sich in meine Hand und schickten neuen Schmerz durch mein Inneres. Ich sog scharf die Luft ein, als ich das Blut fließen sah. Die Wut war erst einmal verflogen, als ich vorsichtig versuchte meine Hand aus dem Loch zu ziehen. Dabei schnitt ich mich erneut, doch ich zischte nur kurz, bevor ich dann die Verletzungen betrachtete. Sie waren nicht allzu schlimm. Mit einem kleinen Verband sollten sie versorgt sein. Das größere Problem war eher die beschädigte Wand. Ich wusste, dass ich eine gute Erklärung für meinen Vater brauchte, doch aktuell fiel mir noch keine ein. Die konnte ich mir noch überlegen und so begann ich mich zu Ende zu waschen und dann aus der Kabine zu steigen. Ich trocknete kurz meine Haare grob ab, bevor ich das Handtuch dann um meine Hüfte band und mir den Verbandskasten holte. Ich konzentrierte mich vollends auf mein Tun und ließ keine anderen Gedanken zu, weil ich das gerade nicht wollte. Es tat gut endlich mal keine negativen Gefühle mir zu haben. Sich einfach auf sonderbare Weise befreit zu fühlen. Auch wenn es Ärger bedeutete, was gerade geschehen war. So bereute ich es nicht. Ich hatte es gebraucht. All dem endlich mal Luft machen zu können und so legte sich seit langem mal wieder ein zufriedenes Lächeln auf meine Lippen. Es blieb sogar, als ich mich abtrocknete und nur eine Boxershort anzog, um dann in mein Zimmer zu gehen. Das ganze Haus war dunkel. Scheinbar hatte niemand meinen Wutausbruch oder gar meine Abwesenheit mitbekommen und somit konnte ich unbehelligt zurück in mein Zimmer gehen. Sofort fiel mein Blick auf das blinkende Handy auf dem Bett. Ich konnte mir denken von wem die Nachrichten waren und diese Vermutung löschte mein Lächeln aus. Mit einem Seufzer nahm ich auf meiner Schlafstätte Platz und griff nach dem Smartphone. Ich hatte Recht. Sie waren alle von Luzifer. Sogar ein paar Anrufe und ich seufzte schwer. Der letzte war nicht allzu lange her, doch ich unterdrückte das Verlangen ihn zurück zu rufen, sondern schrieb nur eine kurze Nachricht: „Du wolltest den Kontaktabbruch. Halte dich endlich selbst daran. Mir geht es gut. Ich brauche keinen Babysitter. Konzentrier dich auf Xenia und vergiss mich. Es ist besser so.“ Es dauerte nur zwei Herzschläge und schon klingelte mein Handy. Luzifer rief an, wodurch ich ein Knurren nicht unterdrücken konnte und entsprechend geladen abhob: „Hör auf! Hör auf mich zu kontaktieren! Du wolltest den Abbruch! Du hast dich gegen mich gestellt! Dann steh endlich dazu! So viel Arsch solltest sogar du in der Hose haben! Steh zu deinen Entscheidungen, sonst kann ich dich nicht mehr ernst nehmen. Werde einfach glücklich mit Xenia. Ich komm schon klar.“ Ich legte auf, bevor Luzifer auch nur ein Wort erwidern konnte und ich war fest davon überzeugt, dass mein Handy sofort wieder klingeln würde, doch es blieb still. Eine Minute. Zwei. Fünf. Zehn. Dreißig und dann vibrierte es nur kurz, um die Nachricht anzukündigen. Ich schluckte schwer und traute mich fast nicht sie zu öffnen, doch ich konnte es auch nicht verhindern. Sie war kurz. Zu kurz und rammte mir ein Messer in die Brust. „Du hast Recht. Lebewohl.“ Ich las sie immer wieder. Versuchte zu verstehen. Ein anderes Gefühl zu bekommen, doch es blieb. Diese eisige Kälte, die mich schon vorhin unter der Dusche in ihren Klauen hatte, war zurückgekehrt. Mit diesen vier Worten hatte er alles Glück in meinem Inneren zerstört. Ich wusste, dass ich es wollte. Provoziert hatte. Doch... ich hatte mir etwas anderes erhofft. Ein anderes Gefühl. Eine andere Antwort. Ich schluckte trocken, als ich spürte, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Sofort schloss ich die Nachricht und legte das Smartphone auf mein Nachtkästchen, bevor ich mich verzweifelt in meine Bettdecke einrollte. Versuchte so den Gedanken und Gefühlen zu entkommen. Nicht zu weinen und diese Kälte los zu werden, die sich langsam um meine Kehle und mein Herz legte. Ich schloss meine Augen und zog die Decke noch enger um mich. Nur schlafen. Ich wollte nur noch schlafen und diesen Tag vergessen. Mit all seinen Hochs und Tiefs. Ich atmete tief durch um mich zu beruhigen und die Tränen endgültig zu vertreiben, als plötzlich der Wunsch in mir erwachte, dass Viktor bei mir wäre. Ich wusste, dass ich für ihn nur eine schnelle Nummer war, dennoch hatte er mir für diese kurze Zeit ein unheimlich warmes Gefühl geliebt zu werden gegeben und ich wollte es noch einmal spüren. Nur wissen, dass man würdig ist solche Empfindungen zu bekommen. Ich hatte mich trotz der anfänglichen Schmerzen wohl bei ihm gefühlt. Hatte mir gewünscht, dass es länger dauern würde. Es war viel zu schnell vorbei. Er verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war. Seine sanften Berührungen und diese beruhigenden Worte haben mir eine unglaubliche Kraft gegeben. Mich in eine andere Welt entführt und jetzt schien ich wieder in der kalten Realität angekommen zu sein. Meine Hand pochte unter dem Verband und ich seufzte schwer. Ich wollte gar nicht wissen, was ich für eine Strafe dafür bekam. Irgendwie war es unbedeutend. So unglaublich unbedeutend. Ich drehte mich um. Starrte in die Dunkelheit. Umklammerte meine verbunden Hand und schloss schließlich langsam die Augen. Ich wollte schlafen und nur kurz war dort der Wunsch nicht mehr aufzuwachen. Doch ich wusste, dass es töricht war. Irgendwann würde ich aus dieser Spirale ausbrechen. Spätestens wenn ich volljährig war. Dann würde ich von hier verschwinden. Denn alles war besser als hier zu bleiben. Wirklich alles... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)