Crush on you von Dolly-Bird ================================================================================ Kapitel 5: Drittes Date - Teil 1 -------------------------------- Die folgende Woche zog sich hin wie Kaugummi. Ich schrieb zwar immer wieder mit Sebastian, einen Abend hatten wir sogar telefoniert, aber ich verbot mir selbst, ihn zu sehen. Die letzte Klausur, ausgerechnet am Freitag, war sehr wichtig. Ich hasste das Fach und den Lehrer, Deutsch war einfach nicht meine Sprache, aber das interessierte niemanden. Ich wollte zumindest mit einer 3 bestehen und dafür musste ich mich sehr anstrengen. Zur Belohnung verwöhnte ich mich Donnerstagabend selbst, während ich Sebastians Bild betrachtete. Schreiben tat ich es ihm nicht, aus Angst, ich könnte die Nachricht versehentlich versenden. Nicht, dass das noch nie passiert wäre. Zwar hatte es mir schon zwei Dates mit meinem Schwarm eingebracht und das dritte würde bald sein, aber ich wollte nicht probieren, wie Sebastian auf so eine Nachricht reagieren würde. Am Wochenende verbrachte ich tagsüber Zeit mit meiner Familie und abends las ich eins meiner neuen Bücher. So vergingen die letzten zwei Tage, bis es endlich Montag war, recht schnell. Ich hatte keine Ahnung, was Sebastian vorhatte, er wollte es mir, egal wie oft ich ihn fragte, auch einfach nicht verraten. Also zog ich eine meiner Lieblingsjeans an, ein Unterhemd, ich weiß, total uncool, aber ich mochte es nicht, unter einem Pulli nichts zu tragen und es war einfach bequemer als ein T-Shirt. Da meine neuen Sachen schon gewaschen waren, zog ich den blauen Pullover an, den Sebastian für mich ausgesucht hatte. Ich hoffte, er würde sich freuen. Da ich nur wusste, an welcher U-Bahnstation wir uns treffen würden, fuhr ich mit dieser dort hin. Meine Eltern waren arbeiten und Celest war am Morgen zu seiner Freundin gefahren. Ein nettes, hübsches Mädchen aus gutem Haus. Ich hatte sie zwar noch nicht oft getroffen, aber sie passten gut zusammen und ich freute mich für meinen Bruder. Das einzige, das mich wunderte, war, dass ich mir Essen und Trinken mitnehmen und bequeme Schuhe tragen sollte. Ich befürchtete, Sebastian wollte mit mir wandern gehen. Aber da wir uns in der Stadt trafen, konnte das eigentlich nicht sein. Nun ja, ich ließ mich wohl oder übel überraschen. Als ich die Station erreicht hatte, stieg ich aus. Oben sah ich mich um, konnte Sebastian aber nirgends entdecken und so ging ich nach draußen. Dort stand er. Unfassbar gutaussehend mit lässiger, schwarzer Jeans, schwarzem T-Shirt mit roten Aufdruck und schwarzer, offener Sweatjacke. „Hey“, begrüßte er mich und zog mich in eine feste Umarmung. Ich erwiderte den Gruß, als ich auch schon seine weichen Lippen auf meinen spürte. Ich hatte kaum Zeit, den Kuss zu erwidern, da hatte er sich schon von mir gelöst. Wir waren in der Öffentlichkeit und auch, wenn die Leute toleranter waren als noch vor ein paar Jahren, wollten wir keine Gaffer oder gar blöde Kommentare. „Du siehst gut aus“, lächelte Sebastian mich an. „Du auch“, erwiderte ich leise und mit gesenktem Blick. „Danke!“ Er grinste mich an, dann nahm er meine Hand und zog mich mit. „Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte ich und Sebastian blieb stehen. Er drehte sich um, mit gehobener Augenbraue fragte er belustigt: „Ist das nicht offensichtlich?“ Ich erwiderte verwirrt seinen Blick, als mein Auge an ihm vorbei schaute und mir ein Licht aufging. „Du willst in den Tower?“ Er musste meine kaum, eigentlich gar nicht, vorhandene Begeisterung heraus gehört haben. Ich hatte auch nicht versucht, meine Unlust zu verstecken. Sebastian grinste mich an und schleifte mich einfach weiter. Leise seufzend ergab ich mich. Nachdem wir den Eintritt, der fast schon unverschämt teuer war, bezahlt hatten, gingen wir rein. Naja, ich schlurfte eher lustlos. „Da es wahrscheinlich nichts gibt, das du zuerst anschauen willst, schlage ich vor, wir gehen in den White Tower“, sagte Sebastian und schleifte mich mit. Auf dem Weg zum White Tower sah ich mich dann doch neugierig um. „Kennst du die Geschichte der Prinzen?“, fragte Sebastian mich plötzlich und ich schüttelte verwirrt mit dem Kopf. Das sagte mir absolut nichts. „Die Prinzen Eduard und Richard waren neun und zwölf, als sie starben. Ihnen wurde der Thron abgesprochen, da ihre Eltern wohl nicht rechtmäßig verheiratet waren. Ihre Eltern hatten wohl heimlich geheiratet, das war damals ein Beweis dafür, dass es rechtliche Hinderungsgründe gab. Was die Entscheidung des Parlaments letztlich beeinflusste, ist nicht überliefert. Ich will dich auch gar nicht zu sehr mit Namen und Spekulationen langweilen. Auf jeden Fall sperrte ihr Onkel, Richard III., sie hier ein, nachdem ihr Vater 1483 gestorben war. Der Tower ist Palast und Gefängnis zugleich. Bis heute ist nicht bekannt, was damals passierte, aber im Sommer 1483 wurden die Jungen zum letzten Mal lebend gesehen. Ihr Onkel ist auch einer der Tatverdächtigen, aber aufgeklärt wurde der Fall nie. Im 17. Jahrhundert wurden hier, im White Tower, die Knochen von zwei kleinen Menschen, wahrscheinlich Kindern, bei Renovierungsarbeiten gefunden. Das sind wahrscheinlich die Überreste der beiden Prinzen.“ Sebastian hatte die Geschichte recht kurz zusammengefasst, während wir durch den Turm gingen. Als er geendet hatte, überkam mich eine unangenehme Gänsehaut. Menschen konnten wirklich unfassbar grausam sein. Sebastian führte mich nach dem White Tower durch die anderen Türme, deren Namen ich mir nicht gemerkt hatte. Ich musste zugeben, es war schon interessant, etwas von der Geschichte des Tower of London zu sehen. Als wir im Bloody Tower waren, sagte Sebastian, dass die Prinzen wahrscheinlich hier ermordet worden waren. Plötzlich sah ich zwei kleine Jungen vor mir, mit blonden Locken und großen Augen, die nur mit weißen Nachthemden bekleidet auf einem Bett saßen und sich ängstlich an den Händen hielten. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich schüttelte mich. Ich wollte nur noch schnell aus dem Turm, diese Geschichte, obwohl sie so viele hundert Jahre zurück lag, ging mir seltsam nah. Sebastian folgte mir schweigend und führte mich weiter herum. Als wir wieder im Hof standen, sagte ich, dass ich etwas essen wollte. Das viele Laufen machte mich echt fertig und hungrig war ich mittlerweile auch. Also setzten wir uns auf eine der freien Bänke, aßen unsere mitgebrachten Sandwiches und beobachteten die Leute. „Findest du es jetzt immer noch langweilig hier?“, fragte Sebastian mich schmunzelnd. „Nein, gar nicht. Es ist viel interessanter, als ich gedacht habe. Ich hab aber auch einen tollen Führer“, grinste ich ihn an. Sebastian lächelte mich an und ich versank in seinen schönen, rotbraunen Augen. Wie gerne ich ihn jetzt küssen würde! Da wir aufgegessen hatten, nahm Sebastian meine Hand: „Komm mit.“ Er zog mich hinter sich her, die große Treppe nach unten Richtung Eingang, dann bogen wir um mehrere Ecken, bis wir in einer verlassenen Ecke im gefühlt hintersten Teil des Towers standen. Ehe ich mich versah presste er mich an die Steinmauer hinter uns und seine Lippen auf meine. Erst sanft, doch dann wurde Sebastian schnell fordernder und seine Zunge streifte über meine Unterlippe, bat um Einlass. Diesen gewährte ich ihm gerne, während mir das Herz bis zum Hals schlug und es in meinem Bauch kribbelte, als würden tausende von Schmetterlingen dort explodieren. Sebastians Zunge erkundete meinen Mund, forderte meine eigene zum spielen auf und würde ich nicht zwischen der Wand in meinem Rücken und Sebastian eingekeilt sein, ich wäre längst zu Boden gegangen. Meine Beine hatten ihren Dienst längst aufgegeben und waren weich wie Wackelpudding. Während Sebastians Hände an meinen Hüften lagen, machte sich die eine plötzlich auf Erkundungstour unter meinen Pullover. Er streichelte meine Seite nach oben, am Rücken wieder nach unten. Die andere Hand wanderte über meine Jeans zu meinem Hintern und presste meinen Unterleib noch weiter an seinen. Natürlich ging das nicht spurlos an mir vorbei, aber Sebastian ließ mir keine Zeit, auch nur peinlich berührt zu sein. Die Hand, die gerade noch an meinem Hintern war, wanderte plötzlich nach vorne und nestelte an dem Verschluss meiner Hose. In dem Moment, als Sebastian mir das Kleidungsstück von den Hüften schieben wollte, löste ich mich von ihm und hielt ihn auf. „Nicht!“, meine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen, aber es reichte, dass er von mir abließ. „Entschuldige, ich hab mich mitreißen lassen“, flüsterte er gegen meine Lippen und gab mir noch einen intensiven Kuss. Dann schloss er meine Hose und lächelte mich, ich würde es fast schon verliebt nennen, an. Es war nicht so, dass ich nicht von Sebastian berührt werden wollte, aber das erste Mal sollte nicht in der Öffentlichkeit sein und schon gar nicht im Tower of London, mit dem ich nun auf ewig die traurige Geschichte der beiden Prinzen verband. Außerdem sollte er nicht meine peinliche Unterwäsche sehen! Ihr wisst, dass ich Unterhemden trage. Diese unsexy weißen Teile. Aber ich trage, anders als die anderen Jungs in meinem Alter, immer noch Slips! Ich habe Boxershorts probiert, die weiten wie die anliegenden, aber ich hasse sie. Vor allem die weiten finde ich schrecklich. Nicht nur, dass sie auch die beste Figur ruinieren, es hängt auch alles einfach frei da rum. Da kann ich auch gleich ohne Unterwäsche rumlaufen. Ich wusste, dass Sebastian wohl früher oder später meine Wäsche zu Gesicht bekommen würde, aber ich wollte es noch heraus zögern. Wir hatten erst unser drittes Date, und auch wenn die meisten in Filmen dann miteinander ins Bett stiegen, wollte ich das nicht. Ich wollte, dass wir uns erst richtig kennen lernen und ein Paar sind, bevor wir es tun. Das sagte ich Sebastian zwar nicht, aber er akzeptierte meine Reaktion mit einem Lächeln und schleifte mich zur nächsten Ecke des Towers. Wer hätte gedacht, dass es hier so viel zu sehen gibt? Am Ende, als wir wirklich alles gesehen hatten, schlug ich vor, dass wir uns noch die Kronjuwelen anschauen könnten. Die Schlange war nun kaum mehr vorhanden. Nicht, dass es mich wirklich interessierte, aber bei der unfassbar langen Schlange von heute Mittag wollte ich einen Blick hinein werfen. Kaum waren wir drin, war ich sehr ernüchtert. Die Luft war stickig und muffig, es war ziemlich dunkel und die Leute konnten einfach nicht vorwärts gehen! Ich schnaufte genervt und Sebastian drückte meine Hand. Die hatte er, seit dem Kuss, auch nicht mehr losgelassen. Irgendwann waren wir dann auch an der Reihe, uns auf das Fließband zu stellen. Im Schneckentempo fuhren wir an Vitrinen vorbei, in denen die Kronjuwelen, wenn es überhaupt die echten waren, ausgestellt wurden. Gelangweilt schaute ich es an. Nach dem Fließband gab es noch viele weitere Vitrinen mit Kronjuwelen zu bestaunen. Die Leute sammelten sich um jede einzelne und gafften minutenlang einfach nur darauf. Ich verstand nicht, was daran jetzt so spannend war. Fragend warf ich einen Blick zu Sebastian, aber dieser zuckte auch nur mit den Schultern. Nachdem wir uns alle Kronjuwelen angeschaut hatten, verließen wir das Gebäude und dann auch den Tower. Meine Füße taten unfassbar weh, das teilte ich Sebastian auch gleich mit, und so setzten wir uns auf eine der Bänke, die außerhalb des Towers aufgestellt worden waren. Müde lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und schloss mein Auge. „Wow, wir waren jetzt über fünf Stunden drin!“, sagte Sebastian erstaunt und brachte mich damit dazu, meinen Kopf doch noch mal zu heben. Erstaunt sah ich ihn an und warf einen Blick auf sein Handy, das er mir hinhielt. Kein Wunder, dass meine Füße so schmerzten. Ich lehnte meinen Kopf wieder an Sebastian und dieser legte einen Arm um meine Schultern. Nun war es uns egal, was andere von uns dachten. Wir genossen einfach nur die Nähe des jeweils anderen. ~~~~~~~~~~~~~~~ Ich hoffe, euch hat der Ausflug in den Tower of London gefallen :) Fünf Stunden klingen zwar nach einer langen Zeit, aber wenn man erst mal drin ist und sich alles interessiert anschaut sind fünf Stunden gleich rum *lach* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)