Bedrohte Bestimmung von Varlet ================================================================================ Kapitel 4: Rückblende: Erinnerung --------------------------------- „Wieso habt ihr euch getrennt?“ Obwohl Jodie schon eher mit dieser Frage gerechnet hatte, traf sie sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie spürte sofort, wie sich ihr Bauch verkrampfte, ihre Kehle austrocknete und sich Tränen ihren Weg bahnen wollten. Jodie kämpfte gegen ihre eigenen Emotionen und brachte kein Wort heraus. Stumm starrte sie auf ihren besten Freund. „Jodie?“, fing Shukichi an. „Hab ich was Falsches…oh ja, ich hab was Falsches gesagt. Entschuldige, Jodie. Was für eine dumme Frage von mir. Vergiss es, okay?“, schoss es aus ihm heraus. Jodie brauchte einen Moment. „Hat…hat…er…“, murmelte sie leise. „…dir nichts erzählt?“ Shukichi schüttelte den Kopf. „Er hat nichts gesagt. Du musst auch nichts sagen. Wirklich. Ich hätte nicht fragen sollen.“ „Er hat wirklich…nichts zu unserer Trennung gesagt? Kein Wort?“ „Er…also wir saßen zusammen am Esstisch, als Mom vorschlug, dich mal wieder einzuladen. Daraufhin hat er uns gesagt, dass ihr nicht mehr zusammen seid. Mehr auch nicht.“ Shukichi beobachtete ihren Blick. „Tut mir leid.“ „Ich verstehe…“, gab Jodie leise von sich. Hatte sie ihm so wenig bedeutet, dass er nach der Trennung schnell mit ihr abschließen konnte? War alles eine Lüge? Oder gehörten sie einfach nicht zusammen? „Jodie? Ist…auch wirklich alles in Ordnung?“, wollte Shukichi wissen. „Ich wollte keine Wunden aufreißen, aber…ich wusste auch nie wann der Zeitpunkt richtig gewesen wäre. Und jetzt wo ich darüber nachdenke, war der Zeitpunkt alles andere als richtig. Können wir nicht einfach vergessen, dass ich gefragt habe?“ Jodie sah runter auf den Tisch. Die erste Träne rollte über ihre Wange. „Er…er hatte eine…Andere…“, gestand sie. „Was?“, stieß Shukichi überrascht aus. „Das kann nicht sein. Bist du sicher?“, wollte er wissen. Jodie nickte und schloss die Augen. „Er hat…er hat es…mir selbst…gesagt…“ „Aber…“ Shukichi brach ab. Er hat nie von einer Anderen gesprochen. Shukichi zog aus seiner Jackentasche ein Taschentuch heraus und reichte es Jodie. „Jodie, es tut mir so leid. Ich hätte das Thema nicht erwähnen sollen.“ Shukichi schluckte. „Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“ Jodie nahm das Taschentuch und hielt es zerknüllt in ihrer Hand. „Ich dachte…wir wären glücklich…aber…ich hab mich geirrt“, sprach sie leise. „Es war so…“ Sie waren fast drei Jahre zusammen und es hätte nicht besser laufen können. Hätte –aber was dann geschah, kam aus heiterem Himmel. Sie waren glücklich und verbrachten jeden freien Moment miteinander. Dass sie nicht rund um die Uhr aufeinander hocken konnten, half ungemein dazu bei. Schon bevor sich Jodie für das Studium entschied, war Shuichi immer zur Stelle wenn sie Hilfe mit ihren Schulaufgaben oder Klausuren brauchte. Dafür las sie seine Hausarbeiten, hörte seinen Vorträgen zu und fragte ihn für die Abschlussprüfungen ab. Ein Jahr später unterstützte er sie dann bei ihren Hausarbeiten und Prüfungen. Da sie sich Beide für eine Zukunft beim FBI entschieden, spornten sie einander an - Shuichi in seinem Studium der Ingenieurswissenschaften und Jodie in ihrem Studium der Literaturwissenschaften. Je länger sie zusammen waren, desto ernster wurde ihre Beziehung. Für Jodies Eltern war es eine große Umstellung, als das Mädchen die erste Nacht bei Shuichi verbrachte. Sie waren beim Lernen auf seinem Sofa eingeschlafen und erst durch einen Anruf von Agent Starling wach geworden. Statt noch einmal die Wohnung zu verlassen, blieben sie dort. Danach wurden die Übernachtungen immer häufiger - Jodie bei Shuichi zu Hause oder er bei ihr. Und auch mit der Familie des jeweils Anderen verband sie mittlerweile eine tiefe Freundschaft. Zwischenzeitlich hatte Shuichi auch seinen Nebenjob in der Bar an den Nagel gehängt und bei einem seiner Dozenten als Assistent begonnen. Die dadurch gesammelte Arbeitserfahrung war der nächste Schritt auf seinem Weg zum FBI Agenten. Agent Starling nahm ihn zudem auch unter seine Fittiche und brachte ihm das Schießen bei. Die Ausflüge zur Schießhalle wurden nur in den seltensten Fällen zu einem Verhör über seine Absichten Jodie gegenüber ausgearbeitet. Es war ein harter Weg für das Paar: Studieren, Hausarbeiten, Prüfungen, Arbeit und irgendwo dazwischen mussten sie die Kraft aufbringen sich zu sehen. Aber Jodie konnte ihm wegen der zusätzlichen Arbeit keinen Vorwurf machen. In ihrem nächsten Semester würde auch sie ihr erstes Praktikum absolvieren. Anfangs war die Veränderung schwer, aber sie hatten sich eingespielt und konnten sich wenigstens hin und wieder sehen. Es reichte ihnen, wenn sie abends zusammen einschlief und am nächsten Morgen zusammen aufwachten. Und dann bekam er eine Stelle in Buffalo angeboten. Sie war perfekt auf ihn zu geschnitten und Shuichi durfte dort an diversen Projekten mitarbeiten. Wenn diese so erfolgreich wurden, wie angedeutet, wurde ihm ein eigenes Projekt in Aussicht gestellt. Shuichi hatte sich damals bereits entschieden, wollte aber auch Jodies Meinung dazu einholen. Da Jodie wusste, wie wichtig die Arbeit für ihn war, stellte sie sich ihm nicht in den Weg. Insgeheim hoffte sie aber, dass er die Stelle wegen ihr ablehnte. Nichts davon geschah. Shuichi zog nach Buffalo. Es war eine große Umstellung für Jodie und für Beide sehr stressig. Wann immer es ging, fuhr sie nach Buffalo und lernte oder machte ihre Hausarbeiten im Zug. Wenn sie die Verbindung am Freitagabend und Sonntagnachmittag nahm, konnten sie wenigstens den Samstag zusammen verbringen. Zumindest solange bis sich Shuichi entschied auch am Samstag an den Projekten zu arbeiten. Jodie war jedes Mal erleichtert, wenn Shuichi zurück nach New York kam. Dennoch sagte er viele Treffen spontan ab und blieb in Buffalo oder traf sich mit seiner Familie. Es machte Jodie schwer zu schaffen, wenn sie sah, welche Auswirkungen die Arbeit auf ihre Beziehung hatte. Sie konnte sich auch im Studium nicht mehr richtig konzentrieren und dachte überall über ihre Beziehung nach. Es dauerte nicht lange, bis Jodies Noten unter dem Stress litten. Für das Lernen oder für ordentliche Hausarbeiten fehlte ihr oftmals die Zeit. Sobald sie nach Hause kam, versuchte sie alles was möglich war. Doch selbst nach Stunden hatte sie weder eine Seite ihrer Hausarbeit geschrieben, noch war sie bei ihren Notizen weitergekommen. Der ersten schlechten Note in einer Hausarbeit schenkte sie nicht viel Aufmerksamkeit. Der zweiten ebenfalls nicht. Ab ihrer dritten schlechten Note setzte sie sich wieder vehement mit ihrer Zukunft auseinander. Da das College dazu da war, um seine eigenen Interessen herauszufinden und sich auszuprobieren, hatte Jodie noch Hoffnung. Außerdem konnte sie auch auf ein anderes College wechseln, egal in welchem Bundesstaat es lag. Jodies Plan stand fest. Der Wechsel nach Buffalo war die einzige Möglichkeit um ihre Beziehung und das Studium zu retten. Sie würde Shuichi davon erzählen und dann würde es wieder bergauf gehen. Jodie stand vor dem Spiegel ihres Kleiderschrankes und beobachtete ihr Spiegelbild bei jeder Bewegung. Sie lächelte. Heute würde sie ihm auch ihre Liebe gestehen. Sie hatte sich alles bereits ausgemalt: Es begann mit einem Spaziergang zu einen kleinen Café. Danach würden sie nach Hause kommen und ihrem Zimmer verschwinden. Dort würde sie es ihm sagen und in seine Arme fallen. „Jodie?“, rief Angela und holte ihre Tochter damit aus ihren Gedanken. „Shuichi ist da.“ Angela sah zu diesem. „Sie kommt sicher gleich runter.“ Akai nickte. „Nur keine Umstände“, fing er an. „Ist dein Mann zu Hause?“ „Nein, er arbeitet mal wieder“, entgegnete Angela. „Wenn du möchtest, kannst du schon hoch gehen.“ „Danke“, sagte Shuichi und ging nach oben. Er klopfte an Jodies Zimmertür und wartete einen Moment ab. Auch wenn von Jodie keine Reaktion kam, betrat er das Zimmer. Der Raum war leer. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Bücher und Notizen, am Boden lag Jodies Tasche und auf dem Bett waren einige Anziehsachen verstreut. Shuichi ging an den Schreibtisch und blickte in eines von Jodies Büchern. „Ich bin schon da…ich bin schon da…“, hörte er Jodie rufen. Jodie lief aus dem Badezimmer in ihr Zimmer. „Shu…“, stieß sie hervor. Sie ging sofort zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich hab dich so vermisst“, fügte sie an und umarmte ihn. „Ich hab auch schon eine Idee was wir machen können. Was hältst du davon, wenn wir spazieren gehen und uns dann in das kleine Café in der Thirdstreet setzen? Ich war da letzte Woche mit Kommilitonen. Es ist wirklich süß dort.“ Shuichi löste sich aus ihrem Griff. „Jodie, wir müssen reden.“ Die Angesprochene schluckte. Seine Stimme war auf einmal so ernst. Zu ernst. So hatte sie ihn nur selten reden gehört. „Okay…“, murmelte sie. „Worüber?“ „Über uns“, sagte er ruhig. „Ich wohne jetzt schon eine ganze Weile in Buffalo und ich weiß nicht, wie lange ich noch dort bleibe. Es kann sein, dass ich nicht mehr zurück komme und nach meiner Ausbildung zum FBI Agenten in die dortige Niederlassung gehe.“ „Ja…das…das weiß ich doch…“, kam es von Jodie. Sie hatte ein sehr schlechtes Gefühl was die Richtung des Gespräches anging. „Aber…das war doch nie…ein Problem für uns. Ich hab…sogar geschaut…ich könnte nächstes Semester…auch nach Buffalo wechseln…dann…dann sind wir…häufiger zusammen und…können uns auch unter…der Woche sehen.“ „Es ist besser, wenn wir uns trennen.“ Jodie sah ihn geschockt an. „Was? Wieso?“ Sie kämpfte gegen ihre Tränen an. „Was…was ist passiert?“, wollte sie leise wissen. „Jodie, bitte mach es uns nicht schwerer als es ist.“ „Aber…warum…was…was hab ich…falsch gemacht?“ „Du hast nichts falsch gemacht, Jodie. Es liegt an mir.“ Jodie schluckte ein weiteres Mal. „Das ist…so ein Klischee“, entgegnete sie. „Ich versteh…nicht, was…auf einmal…los ist. Warum…warum willst du dich…von mir trennen? Wir…sind doch glücklich…“ Die Tränen liefen ihr über die Wange. „Shuichi…bitte…wir…sind glücklich…Sag mir…bitte…warum…du die Trennung…willst? Ist es…wegen dem…FBI? Das…das ist sicher kein…Problem…Bitte…sag mir…was los…ist…“ Der junge Mann schwieg. „Shu…“ Jodie hielt sich die Hand vor den Mund. „Gibt…gibt es…eine Andere? Hast…hast du…jemanden…kennen gelernt?“ „Tut mir leid, Jodie.“ „Also…also stimmt es? Du…du hast eine…Andere? Seit…seit wann?“ „Egal wie stark ein Mann ist, er wird nie in der Lage sein, zwei Frauen gleichzeitig zu lieben und sie gleichermaßen zu behandeln. Das gilt auch für mich. Ich habe dich nie betrogen, während wir zusammen waren.“ Jodie rutschte auf den Boden. „Kannst…kannst du…uns nicht noch eine…Chance geben…?“, fragte sie flehend. „Es tut mir wirklich leid, Jodie.“ Shuichi ging an ihr vorbei und blieb im Türrahmen stehen. „Das mit uns ist vorbei.“ Jodie sah runter auf ihren gefüllten Teller. Ihr war der Appetit vergangen, während sie die Geschichte erzählte. „So…so war es…damals…“, murmelte sie. „Shuichi hat…sich in eine andere Frau verliebt und sich von mir getrennt. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass ich die nächsten Nächte nur noch geweint hab.“ „Ach Jodie“, sagte Shukichi leise. „Ich wusste nicht, dass das…wenn du doch was gesagt hättest…“ „Du hättest nichts tun können, Shukichi. Du warst doch in Japan und…da war doch auch noch die Zeitverschiebung…Ich hab das alleine schaffen müssen.“ „Ich wünschte trotzdem, ich hätte es gewusst. Ich wäre sofort für dich da gewesen.“ „Danke“, wisperte sie. „Weißt du…ich war so wütend auf ihn…und dann bin ich am Wochenende auch nach Buffalo gefahren um seine neue Freundin zu sehen. Ich wollte wissen, für wen er mich verlassen hat. Vielleicht hätte ich…was ändern können. Ich mein, wenn sie…große Brüste gehabt hätte…da hätte ich nachhelfen können…aber Shuichi hat mich beim Spionieren erwischt und wieder nach Hause geschickt. Es war so demütigend für mich.“ Jodie wischte sich ihre Tränen weg. „Eigentlich sollte ich doch mittlerweile darüber hinweg sein, aber…ich liebe deinen Bruder noch immer…“ „Jodie.“ Shukichi legte seine Hand auf ihre. Und ich wusste von nichts. Nicht einmal von der anderen Frau in seinem Leben. „Ist in Ordnung…du kannst ja nichts dafür. Bitte entschuldige, ich klage dir hier mein Leid, dabei sind wir wegen deiner Hochzeit hier und nicht um über meine gescheiterte Beziehung zu reden.“ „Er hat abgesagt“, meinte Shukichi ruhig. „Ja, ich weiß…mein Dad hat es mir erzählt. Es gibt wohl einen dringenden Fall. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass er nicht kommt. So…lerne ich auch seine Neue nicht kennen. Nimm mir diese Gedanken bitte nicht übel.“ „Das tu ich nicht“, antwortete der junge Mann. „Ich wusste auch nicht, ob es dir recht ist, wenn ich dich einlade…also wenn du die Familie wiedersiehst.“ Jodie nickte leichte. „Ich hab mich über die Einladung gefreut…wirklich…“ „Dann bin ich ja beruhigt“, sagte Shukichi. „Und…was hast du jetzt vor? Also wie soll es weiter gehen?“ „Wie immer. Ich komm damit klar…wie ich bisher mit allem klar kam.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)