Zum Inhalt der Seite

Ein Mirakel zwischen zwei Identitäten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der sterbende Schwan terrorisiert im Tutu

Der sterbende Schwan terrorisiert im Tutu
 

Das Wochenende habe ich damit verbracht mich in die Situation von Ryurai hineinzuversetzen. Trotz seiner Worte, dass er für den Siegelmeister da wäre, hat er eine Pflicht zu erfüllen. Soweit kann ich ihn verstehen, aber die Stimmung einer Situation so dermaßen falsch einzuschätzen, geht mir zu weit. Hoffentlich kann der Infernale wiedergeboren werden, um seinen Traum zu erreichen. Nathaniel ist so lieb gewesen eine Zeichnung auf meiner Beschreibung hin anzufertigen, die er mir heute geben will. Darauf bin ich sehr gespannt und werde nach der Schule direkt einen Rahmen kaufen, damit ich den Infernalen niemals vergessen werde. Allerdings müsste ich dafür erstmal den Elan finden aufzustehen, denn ich fühle mich noch sehr schlapp. Kommt sicherlich von zu vielen negativen Gedanken in den vielen Stunden vom Wochenende. Heute kommt zudem Adrien zur Schule zurück und dies gibt mir dann doch noch den Kick aufzustehen. Immerhin will ich ihn begrüßen nach monatelanger Abstinenz – mal von dem Vorfall abgesehen. Nun kommt die schwierigste Frage – was ziehe ich an? Es wird heißer – leider – und somit muss ich gucken, was am besten passt, damit der Blonde weiß, wie sehr ich mich über sein Wiedersehen freue. Na ja, alleine bin ich da sicherlich keineswegs, doch will ich unbedingt etwas hervorstechen. Oh man, ich bin wirklich wie ein verliebtes Schulmädchen dabei an solch unsinnige Dinge nachzudenken, wie was ich wann anziehe, um jemanden zu beeindrucken. Am besten drehe ich meine Gedanken ein wenig zurück, atme durch und gehe meine Kleidung mit Kalkül an. Bei 26° kann ich schon schmelzen und dabei haben wir noch Frühling. Zudem kommt die Extrahitze, die nur in Städten entstehen kann, was insofern bedeutet, dass es sicherlich 32° sein werden. Bei dem Gedanken wird mir schon schlecht. Sonnenanbeter dürften sich freuen, zu denen ich mich nun wirklich keinesfalls zähle. Wer für Hitze ist hat doch einen Schaden im Kopf, da man sich dagegen wirklich nicht schützen kann. Kälte hingegen kann man mit dicker Kleidung überstehen und die schadet dem Körper nicht so stark – bis auf zu tiefe Minusgrade, doch die haben wir hier ja nicht, anders als diese unerträgliche Wärme. Gerade kommt mir eine grandiose Idee – Achromas kann mir doch ein gutaussehendes Kleidungsstück erfinden, welches den Körper kühl hält im Sommer. Nur müsste ich diesen ebenfalls erstmal aufsuchen sowie überzeugen…, ach was, das wird schon gut gehen. Wo war ich überhaupt stehengeblieben? Ah, bei der Kleiderwahl, worüber ich mir keinen Kopf machen wollte. Hot Pants, Söckchen in der gleichen Farbe wie die Halbschuhe, ein T-Shirt mit V-Ausschnitt, welches kürzer ist, damit man meinen Bauch ein wenig sehen kann sowie eine Sonnenbrille sollten für das Wetter reichen und um Adrien glücklich zu machen. …jetzt habe ich schon wieder wie ein verliebtes Schulmädchen gedacht. Langsam glaube ich, dass ich doch bescheuert im Kopf werde. Zeitlich gesehen bin ich früher fertig als gedacht, also war ich eher wach. Reimen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Jeder kleine Matsch, verdient einen Klatsch. Okay, ich merke, dass mir der Adrienentzug keineswegs gut bekommen ist, wenn ich solch wirre Gedanken erhalte. Tief durchatmen, Shirado, ganz tief und danach langsam ausatmen. Genau das habe ich gebraucht und kann zum Frühstück gehen. Natürlich hat Vater direkt gegen mein Outfit etwas, da ich viel zu freizügig hinausgehen will – was ich an sich nachvollziehen kann – jedoch wird es doch so heiß, dass ich vorbeugen will – was er nachvollziehen kann – weswegen eine Einigung zwischen uns getroffen wird – halb darf ich freizügig sein, halb muss ich mich bedecken. Dieser Kompromiss ist annehmbar und deswegen tausche ich die Hot Pants gegen eine Dreiviertelhose aus. Wir beide sind zufrieden und ich bekomme seit einigen Tagen mal ordentlich Hunger am Morgen, was meinem Herrn Papa überrascht, er es aber nicht kommentiert. Sein Glück, denn sonst hätte ich eine Szene gemacht, weil mein Gewicht ihn nichts angeht, es sei denn, ich verliere zu viel oder nehme zu viel zu. Echt mal, Shirado, erneut wie ein Schulmädchen! Anscheinend bin ich heute in meinem Gedankengut tief in dieser Misere drinnen, ohne es vorher bemerkt zu haben. Liegt vielleicht auch daran, dass ich Adrien wiedersehen werde und meine Hormone darum verrücktspielen. Fürwahr kein schönes Statement mir selbst gegenüber, weil ich mich sonst im Griff habe. Ruhig bleiben, in den Gedanken meditieren und weiterleben – immerhin siehst du jemanden wieder, den du kennst. Zwar mag dieser ein Frauenschwarm sein, allerdings weißt du, dass er dich auserwählt hat. Knallrot erinnere ich mich an unser Bettwochenende und wie eng wir in dieser Zeit waren. Nein, nein, nein, du bist noch zu jung, Shirado, denke bloß nicht weiter – auch wenn der heiße Typ dich ziemlich begrapscht hat, aber nur im Schlaf. Seufzend verabschiede ich mich erstmal von konstruktiven Gedanken, bis ich genug Adrien aufgetankt habe, sonst bleibe ich noch in diesem Zustand. Vaters Fragen ignoriere ich dahingehend und lenke ihn auf seine Arbeit und was mir wieder zufällt. Monsieur Agreste und er überlegen noch, würden allerdings gerne vor den Sommerferien eine Modenschau machen, in der wir Kinder auftreten werden. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, doch will ich kein Rosa oder Pink komplett haben. Mir graut es noch immer davor, als ich die Kleidung bei der letzten gemeinsamen Modenschau vorgezeigt bekam. Gänsehautalarm! Etwas unterhalten wir uns noch über eher belanglose Themen, bis es Zeit wird, dass ich zur Schule komme. Ricardo und Felix warten schon unten auf mich, wobei ich überrascht angeguckt werde. Wieso schauen die beiden so… geschockt? Geschockt beschreibt dieser gemeinsame Blick nicht komplett. Mir fällt ehrlich kein passendes Wort für den Ausdruck der beiden ein. Vor ihnen bleibe ich stehen und winke mit einer Hand vor ihren Augen, bis endlich eine Reaktion erfolgt. Tagträumen nur wegen einem Blick auf meiner Wenigkeit? Glaubt man mir das, wenn ich es herumerzählen würde? Eher weniger, da ich sonst kein großes Aufheben um meine Person gestalte, außer ich singe und performe. Lieber ein Mauerblümchen sein und somit eine gütige Person, anstatt so ein It-Girl. Immer noch warte ich, dass die beiden in die Gänge kommen, denn ich will Adrien begrüßen – da schickt es sich keineswegs zu spät anzukommen.

„Wieso bewegt ihr zwei euch kein Stück?“

Nonverbal hat es ja nicht funktioniert, also muss es verbal klappen. Und siehe da, sie kommen endlich komplett zu sich.

„Äh…, Shirado, willst du wirklich bauchfrei nach draußen vor die Tür gehen?“

„Natürlich, sonst hätte ich das Shirt nicht an. Die Hot Pants habe ich weggelassen, auch wenn ich diese ebenfalls gerne an hätte, aber Vater hat ja Recht, dass ich zu freizügig herumlaufen würde, also haben wir diesen Kompromiss geschlossen.“

„Shirado, was Ricardo damit meint ist, dass eine Menge Reporter vor dem Eingang stehen und sehr wild auf dein Statement in Bezug auf Cat Noir sowie Adrien sind.“

Aha, das ist selbstverständlich ein Problem und zum Glück habe ich das sehr kurze Höschen keineswegs an. Bauchfrei hingegen sollte ich bei Reporten keineswegs auftreten, von daher muss ich wohl wieder hoch und mich umziehen – dabei wäre ich so gerne früh genug in der Schule gewesen. Nervig ist diese Klatschpresse allemal. Hoch mit mir, ab ins Zimmer, dort ein normales T-Shirt anziehen mit Blumen drauf und einen leichten Umhang, der die Schultern und Teile der Brust verdeckt, damit ist alles soweit wieder in Ordnung und ich kann erneut hinunter. Felix und Ricardo nicken das Outfit ab und somit muss ich mich nur dem Blitzlichtgewitter stellen sowie den neugierigen Reportern. Kaum geht es hinaus, muss ich meine Augen zusammenkneifen und einige Momente ausharren, bevor ich sie öffnen kann.

„Mademoiselle Fleur! Mademoiselle Fleur! Was hat es mit Ihnen und Cat Noir auf sich?“

„Betrügen Sie etwa Adrien Agreste?“

„Wieso sind Sie nicht mit einem Mann an Ihrer Seite zufrieden?“

„Unsere Leser haben es verdient die Wahrheit über Sie zu lesen!“

Diese Leute sind viel zu aufgeregt, laut und aufdringlich – das grenzt schon an Gehässigkeit. Kann es nicht mal Tage geben ohne Klatschpresse? Dass andere Menschen unbedingt alles von anderen wissen müssen, aber selber nichts preisgeben wollen ist paradox.

„Ruhe! Sie sind erwachsene Menschen, also können Sie sich gesittet benehmen! Zwei Fragen beantworte ich – mehr werde ich dahingehend keineswegs beantworten. Es ist mein Privatleben und dies möchten Sie mit Ihrem eigenen sicherlich auch wahren. Gut, ich betrüge Adrien nicht. Er und Cat Noir haben sich gegenseitig anerkannt und lieben mich beide, genauso wie ich diese. Damit habe ich sogar eine dritte Frage beantwortet und nun ist Schluss – ich habe Unterricht. Schule ist wichtig.“

Stumpf Reporter ins Leere laufen lassen könnte mein neues Hobby werden – das macht viel mehr Spaß als zuerst angenommen. Länger warte ich nicht auf irgendwelche weiteren Reaktionen und steige in die Limousine ein, worin ich erstmal ordentlich seufze.

„Meinst du, dass sie dieses Mal nur einen kleinen Artikel bringen?“

„Davon träume ich jedes Mal. Drei Antworten habe ich gegeben und daraus werden sicherlich vier Seiten, wegen der Spekulationen. Klatschpresse ist einfach schlimm. Ehrliche Presse wäre mir lieber, aber die habe ich bisher noch kein Stück kennengelernt.“

Merkt man mir an, dass ich die Hoffnung dahingehend schon aufgegeben habe? Ach, das kann man ruhig, denn die habe ich ja weg. Hauptsache ich komme nicht zu spät an.
 

Dem ist leider am Ende doch so. Um Adrien hat sich eine Traube an Menschen gebildet und er wird mit dieser in die Schule gezogen. Für mich hat sich die überschwängliche Begrüßung somit erledigt. Nachher gibt es bestimmt noch eine Gelegenheit ihn zu begrüßen. Jedenfalls steige ich nun aus und bekomme meine anderen Freunde zu Gesicht, die ich herzlich begrüße und prompt gefragt werde, weshalb ich so spät erst ankomme. Einfach nur das Wort Reporter reicht als Erklärung aus und schon klingelt es. Tja, für mehr Unterhaltung können wir in der Pause sorgen. In der ersten Stunde bekommen wir sogleich die Ankündigung für die letzten Arbeiten in diesem Schuljahr. Wow, ein Jahr ist fast herum, seitdem ich hierhergekommen bin und es ist sehr viel geschehen. Missen will ich die Zeit sowie Erfahrungen keineswegs, denn die machen mich nun aus.

„Nur noch zweieinhalb Monate, dann habt ihr Sommerferien. Trotzdem solltet ihr euch weiterhin anstrengen. Doch kommen wir nun zur Projektwoche. Nächsten Monat beginnt sie und ihr habt Glück, denn unsere Klasse hat den Freitag der Präsentationswoche erhalten. In dieser Stunde sammeln wir eure Ideen und schauen in der darauffolgenden, was ihr umsetzen könnt und möchtet. Irgendwelche Fragen?“

Die anderen scheinen diese Projektwoche mit der Präsentation schon zu kennen, allerdings ich kein Stück, weswegen ich meine Hand hebe und nachhake, was es damit auf sich hat.

„Diese Projektwoche hat Tradition an dieser Schule. Jede Klasse präsentiert ihr eigenes Werk, welches sie in der Projektwoche erarbeitet haben. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, allerdings muss das Budget beachtet werden, welches die Sponsoren insgesamt geben. An sich wird gezeigt, was ihr leisten könnt und dies der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Bekanntgabe des Budgets macht Monsieur Damocles am Beginn des ersten Projekttages und wie die Aufteilung erfolgt. Sollte noch Geld übrigbleiben, wird dieses in die Schule investiert. Dabei ist es ebenso möglich durch das investierte Geld Produkte anzubieten, dessen Verkauf mit einfließen wird. Da wir dieses Jahr unser 150. Jubiläum haben, wird der letzte Tag besonders hoch angesehen und besucht werden. Die Klassen werden per Losverfahren den Tagen zugeteilt. Bei zehn Klassen sind selbstredend zwei Klassen für einen Tag zuständig – allerdings operieren diese erst eigenständig, bis zur Besprechung der einzelnen Ideen. Bisher war es so, dass der letzte Tag auch Teile der ersten vier beinhalten wird, damit die Schule als ein Ganzes repräsentiert wird, doch obliegt das den Klassen des letzten Tages. Madame Mendeleiev und ich sind eure Ansprechpartner, denn wir arbeiten zusammen. Ansonsten könnt ihr Ressourcen nutzen, die euch zur Verfügung stehen und das Budget keineswegs sprengen. Dies war es soweit. Hast du noch irgendwelche Fragen, Shirado?“

„Nein und vielen Dank für die Erklärung, Madame Bustier.“

„Dafür bin ich da, Shirado. Gut, kommen wir zur Ideensammlung. Ja, Alya?“

„Ein Konzert von Shirado!“

Bitte was? Warum wirft sie direkt mich in den Raum? Hallo, ich bin doch niemand, den man einfach ungefragt irgendwo anmelden kann – auch wenn sie meine Managerin ist.

„Na gut, ich notiere deinen Vorschlag mal.“

Gegenargumente hätte die Lehrerin ruhig finden können und ich ebenso, aber ich stehe gerade neben der Spur wegen der plötzlichen Angabe meines Namens.

„Bunte Flyer, auf denen unser Programm zu sehen ist und was wir anbieten und Plakate für Shirados Konzert.“

Nicht du auch noch Rose. Womit habe ich das denn verdient? Singen möchte ich zwar schon, aber im Sommer gebe ich keine Konzerte – da ist es viel zu heiß und ich will niemanden in den Hitzetod schicken – besonders nicht mich.

„Oh ja, wir können eine kleine Parade vorher veranstalten mit allen Klassen. Wenn wir diese etwa in die Mitte legen vom Programm, würde Shirados Konzert einen Abschluss bilden. Und…, und ganz am Schluss ein kleines Feuerwerk, mit ganz viel Glitzer.“

„Nun mal schön ruhig, Rose, ich komme kaum mit bei deinem Ideeneifer. Hat noch jemand einen Vorschlag zu unterbreiten oder hören wir weiter Rose zu?“

Niemand sagt etwas und unsere quirlige Klassenkameradin sagt noch, dass wir einen Fotografen engagieren können, damit sich jeder Fotos von diesem besonderen Tag holen kann. Danach ist sie allerdings still, sodass ich gerne meinen Einspruch erheben möchte in Bezug auf mein Konzert, jedoch prescht Chloé vor und gibt großspurig an, dass sie dafür sorgen wird, dass ich eine angemessene Bühne für den Auftritt erhalte. All meine zurechtgelegten Worte verpuffen in diesem Moment. Unsere Chloé hilft dabei ein kleines Konzert aufzustellen ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Haben die Talismane solch eine große Wirkung auf sie gehabt? Irgendwer muss mich aus diesem Traum herausholen, denn ich kann es ernsthaft keinesfalls glauben.

„Meine Eltern und ich würden dann gerne Backwaren zum Verkauf anbieten.“

„Hmmm, das wird lecker, wenn deine Eltern ihre besonderen Kreationen anbieten, Marinette. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen.“

Übertreibungen gehören in letzter Zeit zu Alyas Sprachgebrauch und erneut verpasse ich meine Chance Einspruch zu erheben, denn Max meldet sich und würde gerne einen Rätselstand aufbauen, wo man verschiedene Rätsel lösen muss, um am Ende der Veranstaltung die Gewinner zu verkünden und denen einen Preis zu überreichen. Wirklich eine nette Idee von ihm, doch jetzt möchte ich endlich zu Wort kommen. Daraus wird leider nichts, denn Kim und Alix wollen sportliche Spiele anbieten oder kleine Wettkämpfe mit Preisen. An Einfallsreichtum mangelt es der Klasse sicherlich nicht, doch möchte ich endlich mal zu Wort kommen – so doll wie noch nie ist mein Drang zur Kommunikation im Moment ausgeprägt. Selbst in dem Moment, als ich meinen Mund öffnen will, kommt jemand anderes an der Reihe und mein Frust wächst. Nathaniel gibt amüsiert von sich, dass ich gerne etwas sagen will, allerdings nicht zu Wort komme. Dankend sehe ich ihn an, auch wenn ich sein Amüsement mit meiner ausgestreckten Zunge kommentiere.

„Welchen Vorschlag möchtest du uns unterbreiten, Shirado?“

„Madame Bustier, ich erhebe eher Einspruch zu dem Konzert. Mir liegen bisher keine französischen Lieder vor, die ich singen könnte und dem Standard entsprechen, den meine Zuhörer gewohnt sind. Außerdem gebe ich im Sommer keine Konzerte wegen der schrecklichen Temperaturen, die in dieser Zeit immer herrschen und die noch schlimmer werden durch den Klimawandel. Zusätzlich wäre dies unfair den anderen Klassen gegenüber, die keine solch große Show aufsetzen können. …wieso fangt ihr alle an zu lachen?“

Ernsthaft versuche ich deutlich zu machen, dass ich kein Konzert geben kann und alle lachen mich aus. Beleidigt schmolle ich erstmal. Adrien meldet sich und wendet sich mir zu.

„Du hast gerade nur Argumente genannt und dabei an andere gedacht, Shirado, und deswegen mussten wir lachen. Dein Einspruch negieren wir hiermit. Drei Lieder habe ich dir doch schon übersetzt – die kannst du singen und es macht sicherlich nichts, wenn du andere Sprachen ebenfalls nutzt, die hier unterrichtet werden – dies zeigt nur, wie vielfältig unsere Schule ist.“

„Außerdem kann ich auch eine Eisbühne organisieren, die genug Kälte absondert, dass ein Publikum nicht von der Hitze überwältigt wird. Dafür musst du dann Schlittschuhe anziehen.“

„Im Moment suchen wir nur Ideen, Shirado, und ich glaube kaum, dass die andere Klasse groß gegen deine Gesangskunst wäre.“

Oh je, selbst Chloé und Madame Bustier geben ihren Senf dazu – meine Niederlage steht fest und ich muss schauen, wie ich das ihnen heimzahlen kann, weil ich noch ein bisschen sauer auf die alle bin.

„Na gut, aber nach dem Komfortstandard, wie ich ihn jedem Fan auf einem meiner Konzerte verspreche – wobei weiche Sitze in diesem Fall entfallen. Es darf kein Gedränge entstehen, es wird nach Größe sortiert sich hingestellt, Nino macht die Musik, Adrien ist mein Gesangs- sowie Tanzpartner auf dem Eis, Alix bringt mir das Eislaufen noch bei, Madame Bustier moderiert, Ivan und Myléne sorgen für Getränke, Max und Juleka möchte ich gerne Achromas vorstellen, damit ihr eine Lichtershow zu den Liedern erstellt – Nino hilft dabei, während Nathaniel eure Ideen zu Zeichnungen konzipiert, sodass wir handfestes Material haben – wobei er den Tag als Zeichner arbeiten kann, um Karikaturen und was weiß ich noch den Leuten anzubieten. Sabrina und Chloé hätte ich gerne als Strukturierer für die Show, damit alles seinen geordneten Rahmen hat, da ihr zwei als Team ausgezeichnet dieser Aufgabe nachgehen könnt und sonst hätte ich noch die Idee, dass ihr beiden Führungen durch die Schule anbieten könnt. Kim wird die Plakate und Flyer verteilen, weil er der schnellste von uns ist, die Rose anfertigt. Ayla passt das Bühnenkonzept an. Zudem werde ich Ricardo als zusätzlich Strukturierer arbeiten lassen und Felix als Empfänger der Besucher. Yuura wird mit mir Make a wish singen, aber sonst bieten er sowie Joel andere Leckereien an, als Marinette und ihre Eltern. Ach ja – ein Outfit für eine Eiskunstlaufgesangshow habe ich nicht, also brauche ich noch eines von dir, Marinette. Dies wäre das Konzept, welches ich vorbringen würde, da alle Stärken von allen Klassenkameraden sowie der Lehrerin präsentiert werden – wie die Schwächen ausgeglichen. Gibt es irgendwelche Einwände?“

Jetzt guckt ihr alle dumm aus der Wäsche – ha! Kommt eben davon mich so vorzuführen und es tat recht gut alle sprachlos zu machen.

„Keine Einwände – wunderbar. Madame Bustier – wir haben unser Gesamtkonzept.“

Sogar sie braucht einige Sekunden, bis sie dieselbe Frage stellt, wie ich, doch kommen keine Gegenargumente, weswegen wir alles so stehen lassen. Wunderbar, dann kann ich meine guten Angestellten dahingehend vorbereiten. Weil wir früher fertig mit allem waren, können wir schon mit dem Stoff der nächsten Stunde anfangen, sodass diese eher beendet wird und wir eine kleine Minipause erhalten. In dieser kann ich sicherlich Adrien ordentlich begrüßen, aber das Schicksal ist ein mieser Verräter geworden, denn er muss auf die Toilette und ich kann ja nicht einfach mit ihm auf dieser gehen, weil ich meine Rolle noch zu beachten habe.

„Musst du etwa auch auf Toilette, Shirado? Gehe doch einfach.“

Marinette meint es gut, ich weiß es, aber ich gehe vor und nach der Schule daheim auf Toilette, um das Schauspiel aktiv zu halten – als Junge kann ich doch nicht auf die Mädchentoilette gehen.

„Von müssen kann keine Rede sein, Marinette, ich möchte endlich Adrien begrüßen, doch heute scheint der Wurm drin zu sein, denn ich bekomme ihn einfach nicht zu packen.“

Trübsal zu blasen hat niemandem bisher irgendwas eingebracht – meine Stimmung hingegen geht auf den Tiefpunkt der Traurigkeit zu.

„Lass‘ den Kopf nicht hängen. Nach Chemie haben wir doch eine größere Pause und die Mittagspause kommt auch noch. Außerdem hat Adrien heute Fechtunterricht – also eine Stunde länger als wir anderen. So gesehen hast du noch genug Möglichkeiten ihn anzutreffen.“

Alya hat Recht – genug Möglichkeiten gibt es. Somit kann ich einige Versuche starten.
 

Schicksal, du mieser Verräter, ich habe dir nie irgendwas angetan, allerdings denke ich echt, dass du mich auf dem Kieker hast. Die erste Pause war Adrien bei Monsieur D’Argencourt wegen irgendwas und ich konnte ihn nicht mehr erwischen. Auf der anderen Seite konnte ich Nathaniel ordentlich knuddeln, weil er mir eine unglaublich gute Zeichnung von dem Infernalen gemacht hat und dies auf DIN A3-Papier. Da er es zur Sicherheit in stabiler Pappe eingelegt hat, werde ich den notdürftigen Schutz erstmal beibehalten – immerhin ist der Schultag noch lang. In der Mittagspause wird der blonde Schönling extrem von der Damenwelt bedrängt und ein Durchkommen ist für mich unmöglich, weshalb ich es aufgegeben habe und mit den anderen zu Mittag esse. Im Gymnastikraum probiere ich neue Tanzfiguren zu drei neuen Liedern aus, ehe ich einen aufgeregten Monsieur D’Argencourt hören kann und Klingen, die ziemlich laut und schnell aufeinander prasseln. Kaum bin ich fertig mit meiner Stunde und habe alles aufgeräumt sehe ich keine Menschenseele mehr beim Fechtunterricht. Was ist denn nun schon wieder passiert? Oh, ich höre Stimmengewirr, also sind die alle noch da, nur haben sie wohl den Unterricht früher beendet. Zu meinem Unglück sehe ich keinen Adrien, der herausgekommen ist und ich fühle mich wirklich veräppelt. Wo steckt der Gute bloß? Hach, wäre es doch bloß einfacher ihn zu erwischen. Willkommen zurück Trübsal.

„Mademoiselle Fleur, weswegen das traurige Gesicht?“

Muss der Fechtlehrer mich ansprechen? Obwohl, ja, er kann mir sicher erzählen, wohin Adrien verschwunden ist.

„Ach, Monsieur D’Argencourt, ich wollte den ganzen Tag schon Adrien begrüßen, aber zuerst haben Reporter mich bedrängt und ich musste mich vorher zweimal umziehen, weil ich sonst nicht nach draußen gedurft hätte. Danach war er auf Toilette, bei Ihnen, von Mädchen umringt und jetzt fehlt von ihm jede Spur – dabei wollte ich nur sagen, dass ich es schön finde, dass er wieder hier an der Schule ist.“

Der Gefühlsausbruch der Trauer ist emporgekommen und einige Tränen fließen mir aus den Augen heraus, die wohl den Mann berühren, denn er streicht mir sanft den Rücken, damit ich mich beruhige, und flüstert sanft, dass alles gut wird. Zwar komme ich mir vor wie ein kleines Kind, doch hilft es wirklich super, sodass ich nach einigen Schluchzern aufhöre und mich unter Kontrolle habe.

„Meine Gute, das Leben ist wie ein Duell – mal gewinnt man und manchmal verliert man. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht und wurde akumatisiert, da ich es nicht ertragen konnte, gegen Bourgeois verloren zu haben. Dennoch habe ich eines dadurch gelernt – aus einer Niederlage kann man lernen. Sie haben den ganzen Tag versucht Adrien zu erreichen und er Sie vielleicht ebenfalls. Doch heute hatten wir eine Herausforderung erhalten und als mein bester Schüler hat er diese angenommen. Echtes Fechten zu erleben war für mich ein erhabenes Gefühl, aber es scheint Unstimmigkeiten gegeben zu haben, denn er ist der Herausforderin hinterher, ohne sich umzuziehen. Wenn Sie möchten, können Sie gerne mit mir auf ihn warten.“

Ein sehr freundliches Angebot von ihm und ich nehme es gerne an. Ricardo kommt hinein und hat sich wohl gewundert, wo ich bleibe, aber ich erzähle ihm, dass ich auf Adrien warten werde. Da Monsieur D’Argencourt bei mir bleibt, hat er nichts dagegen und ich gebe ihm die Zeichnung von Nathaniel mit, weil er schon weiß, was für einen Rahmen ich gerne hätte – nur die Größe wusste ich bisher noch nicht. Eine Stunde warten wir schon auf die Rückkehr vom blonden Schönling und er lässt auf sich warten. Alles ist aufgeräumt und an sich soweit, dass die Schule geschlossen werden kann, aber ohne den Kleiderwechsel vom Blonden muss selbst Monsieur Damocles warten. Drei Personen warten auf das Eintreffen von einer einzigen – was für eine Schule nun wirklich ungewöhnlich ist.

„Hmmm, Adrien lässt auf sich warten. Möchtest du wirklich nicht nach Hause, Shirado?“

„Nein, Monsieur Damocles, ich möchte ihn heute hier in der Schule begrüßen.“

Stur zu sein bringt meistens wenig, doch heute bin ich es in diesem Punkt. Immerhin ist mein einziges Ziel für heute Adrien zu begrüßen und dies kann ich doch wohl erreichen, da dies kein sehr hoch angestrebtes Ziel ist.

„Wie wäre es mit ein bisschen Fechtunterricht, bis Adrien zurückkommt, Mademoiselle Fleur?“

Fechten und ich? Ob das gut gehen wird? Besser als nur zu warten wäre es allemal, weswegen ich zusage und er mir eine ungenutzte Ausrüstung holt, die ich einfach überziehen kann, weil ich keine Wechselkleidung dabei habe – außer schon die gebrauchte Gymnastikkleidung. Kurzerhand lege ich mir die Schutzkleidung an und halte die Fechtmaske noch in meinen Händen. Irgendwie macht es mich ein bisschen glücklich, dass ich fechten werde wie Adrien. Merkwürdig finde ich dieses Glücksgefühl schon, aber er und Cat Noir können kämpfen, während mein Versuch mit dem Tessen auf Tanz basiert hat, ohne jegliche Technik dieses Kampfstils. Es kann also mir Erfahrung bringen, die ich sonst niemals machen würde. Ohne weitere Verzögerung lege ich die Maske an und erhalte einen Degen. Dieser erinnert mich an das Florett, welches ich in dem komischen Traum hatte, in dem Yuura, Joel und Achromas sich verwandelt haben – allerdings sieht dieser Degen weniger stabil und schön aus. Mir werden Haltungen beigebracht, genauso wie die Regeln anhand von praktischen Beispielen, sodass ich schneller diese verinnerliche – auch wenn es hier nur um Zeitvertreib geht. Zwei weitere Stunden sind vergangen und zwischendurch haben es sich Ricardo sowie Felix gemütlich gemacht. Der Himmel leuchtet schon im Abendrot und sicherlich ist es fast sechs Uhr am Abend.

„Hervorragende Leistung, Mademoiselle Fleur. Wie wäre ein Übungskampf gegen…, ähm… mich?“

Sicherlich wollte er einen seiner Schüler beim Namen nennen, ehe er gemerkt hat, dass wir doch eher alleine sind. Dies macht Monsieur D’Argencourt ein bisschen putzig – finde ich zumindest. Unser Schulleiter mimt den Schiedsrichter und wir beide stellen uns in unsere Positionen. Aufgeregt bin ich schon, denn in dem Crashkurs habe ich gegen keinen Gegner geübt, sondern nur die Haltungen und Regeln gelernt, als wäre es das einfachste auf der Welt – was keineswegs so ist. Dieses Regelwerk mit den ganzen Begriffen und Unterschieden sich zu merken war schwierig, doch mit den Bewegungen dazu konnte ich es mir bis jetzt noch im Gedächtnis behalten. Natürlich verliere ich sofort die erste Runde, weil ich ein Anfänger bin, aber ich finde solche Kämpfe lehrreicher als nur die Übungen durchzuführen. Zusätzlich zur ersten verliere ich die zweite ebenfalls, aber ich denke, dass ich die dritte für mich entscheiden kann, denn Monsieur D’Argencourt hat eine ganz eigene Art mit seinem Degen umzugehen wie Cat Noir mit seinem Kampfstab. Bei seinem Angriff in der dritten Runde nutze ich meine Körperspannung, um gerade so auf der Matte beim Ausweichen zu bleiben und nutze den Schwung zum festen Stand voran, damit ich einen Treffer lande. An sich habe ich mich an die Regeln gehalten, doch erhalte ich keinen Punkt, da ich Verhalten gezeigt habe, welches keineswegs zum Sport gehört. So ein Mist und ich dachte, ich könnte meine Nachteile durch Vorteile ersetzen. Gut, dann halt komplett regelkonform, sodass mir niemand Schummelei vorwerfen kann. Gerade wollen wir die vierte Runde starten, da kommt Adrien zurück und sieht ein wenig überrascht aus, dass hier noch welche am Fechten sind.

„Adrien, du hast dich unerlaubterweise von deiner Fechtklasse entfernt. Dein Verhalten geziemt sich keineswegs und deswegen habe ich einen Anwärter auf deinen Platz hierbehalten. Du wirst gegen diesen Anwärter um drei Punkte fechten. Solltest du gewinnen, behältst du deinen Platz und wenn nicht, verlierst du diesen.“

Wieso spricht Monsieur D’Argencourt solch einen Unsinn aus? Gegen Adrien habe ich keine Chance und den Platz will ich keineswegs.

„Als Direktor gebe ich Monsieur D’Argencourt Recht. Adrien, du kannst nicht einfach aus dem Unterricht gehen. Von daher ist diese Strafe akzeptabel.“

Warum werde ich mit in diese Strafe eingewebt, ohne vorher gefragt zu werden? Beide Männer sehen zu mir und zwinkern mir zu, was ich erst nicht nachvollziehen kann, bis mir ein Licht aufgeht – beide wollen den Blonden nur Grenzen aufzeigen und nicht wirklich bestrafen – auch wenn sie das Recht dazu haben, wegen Adriens Verhalten. Dieser sieht mich direkt an, aber zum Glück erkennt er mich unter diese Maske kein Stück. Zu meinem Pech jedoch scheint Feindseligkeit in seinem Blick aufzukommen, weswegen ich mich wohl warm anziehen muss.

„Na gut, ich nehme die Bedingungen an. Wie heißt mein Herausforderer?“

„Den Namen wirst du erst am Ende des Kampfes erfahren, Junge. Und nun kommen wir zu den Regeln – bei diesem Kampf werden die Punkte ohne elektronische Hilfe vergeben. Die Waffen sind Degen und somit gilt der Treffer überall am Körper. Die Regel, dass man seinem Gegner nicht den Rücken zeigen darf, wird ausgesetzt und das Kampffeld ist das gesamte Schulgelände. Gebt eure besten Fechtkünste zur Schau und zeigt uns, wie sehr ihr das Fechten verehrt.“

Wohin haben sich überhaupt Ricardo und Felix verzogen? Vorhin waren sie doch hier und haben zugeschaut. Länger kann ich meine Gedanken keinesfalls schweifen lassen, denn die erste Runde beginnt, die der Blonde in wenigen Sekunden für sich entscheidet, weil ich mental noch woanders gewesen bin. Okay, ich sollte meine Konzentration darauf geben, dass ich Adrien eine Lektion erteilen soll und da ich ihm meinen Rücken zeigen darf, würde das Ausweichen einfacher gestaltet sein. Runde Zwei beginnt und ich weiche ihm mit einem Radschlag aus, bevor ich im festen Stand direkt den Degen gegen sein rechtes Bein bekomme. Gleichstand zwischen uns und die dritte Runde beginnt. Dieses Mal ist der direkte Schwertkampf von ihm favorisiert, damit ich wohl kein gutes Ausweichmanöver mehr hinbekomme. Er drängt mich in die Defensive und damit ziemlich weit zurück, bis ich die Mauer in meinem Rücken spüren kann. Entgegen seiner Annahme, dass er nun leicht einen Punkt ergattern kann, mache ich ohne Umschweife einen Spagat und treffe ihn am Bauch, während sein Degen gerade so über meiner Maske die Wand getroffen hat. Ob er nun meine Haare sieht und erkennt, dass ich es bin? …wohl eher nicht, denn er knurrt kurz sauer und begibt sich zu der Ausgangsposition.

„Die erste Entscheidungsrunde findet statt.“

Oh je, ich kann Adriens ziemlich wütenden Blick auf mir spüren. Ist er jetzt sauer auf sich oder auf mich? Ganz genau kann ich es keineswegs deuten, weswegen ich einfach weitermachen sollte. Glück ist bei Anfängern bekanntlich immer mit dabei. Unsere erste Entscheidungsrunde beginnt und ich muss einem direkten Treffer prompt ausweichen, weil Adrien nun noch versierter gegen mich vorgeht. Ausweichen kann ich jedenfalls gut, wenn ich Bewegungsfreiheit habe und somit geht diese Runde länger als die anderen davor, bis ich den Fehler mache die Brücke zu nutzen, wie ich sie beim Yoga anwende. Diese Figur braucht zu lange, damit sie wieder aufgelöst wird, weshalb er mich trifft und erneut Gleichstand herrscht. Zurück zur Ausgangsposition heißt es für uns beide.
 

„Eine zweite Entscheidungsrunde erfolgt und sie wird gleichzeitig die Finalrunde werden.“

Nach dem Zeichen vom Start, springt Adrien auf mich zu und ich weiß in diesem Moment nicht, was ich machen soll, da ich damit keineswegs gerechnet habe. Er schlägt mir den Degen aus der rechten Hand, lässt seinen gleich mit diesem auf den Boden fallen und zieht unsere Masken weg, um mich innig zu küssen. Seine nun auch freien Hände wandern direkt an meinen Po, was ich mit einem Misslaut quittiere, aber er macht ungerührt weiter – da kommt der Macho in ihm durch. Jedenfalls beendet er den Kuss und ich weiß im Moment echt keineswegs, was ich machen soll, denn der Überfall von ihm war spektakulär.

„Adrien Agreste hat das Duell gewonnen – wenn auch mit einem Ende, welches in Wettkämpfen keineswegs bewertet wird.“

„Hehe, das macht mir nichts, Monsieur D’Argencourt, ich hatte ein gutes Training. Vielen Dank, dass Sie mich nicht aufgegeben haben, obwohl ich einfach gegangen bin.“

„Meinen besten Schüler gebe ich niemals auf! Dich werde ich allerdings beim nächsten Mal härter bestrafen müssen.“

„Gewiss doch und entschuldigen Sie meine unangemeldete Flucht.“

„Damit hätte sich alles in Wohlgefallen aufgelöst. Wie wäre es, wenn du Shirado freilässt, Adrien? Immerhin müsst ihr beiden euch um- oder ausziehen. Unsere Schule schließt pünktlich und heute war eine Ausnahme.“

Gerne wäre ich frei von dem Grapscher hier, denn es ist mir peinlich, dass er es ganz natürlich macht und ich hier wie eine rote Tomate kein Stück von ihm wegkomme. Kurzerhand nimmt er mich auch noch mit in die Umkleidekabine, obwohl ich nur die Ausrüstung ablegen müsste. Keine Sekunde später presst er mich gegen die Wand und küsst mich, als bräuchte er den oralen Kontakt wie die Luft zum Atmen oder wie ein ausgehungerter Tiger gerade seine erste Mahlzeit nach Tagen zu sich nimmt. Einige Male muss ich gegen seine Brust hämmern, bis er mich freigibt und ich atmen kann, weil ich darauf gar nicht vorbereitet war. Warum ist er heute so merkwürdig? Erst bekomme ich ihn gar nicht zu packen und nun wirkt er richtig anhänglich auf mich.

„Dich habe ich so sehr vermisst. Am liebsten würde ich dich mit mir nehmen und einen Monat einsperren, damit ich die verlorene Zeit aufholen kann, aber das würde dir kein Stück gefallen, weshalb ich einfach nicht anders kann als dich zu bedrängen. Entschuldige bitte, Shirado…“

„Ebenso habe ich dich vermisst – nur ohne diese gruseligen Gedanken dich einzusperren. Willkommen zurück.“

Fast am Ende des Tages kann ich ihm endlich meine Begrüßung vorbringen und komme gerade mal auf zwei Wörter. Von mir selbst bin ich gerade eher enttäuscht, doch lächelt er glücklich, küsst mich sanft und wendet sich ab, um sich auszuziehen. Peinlich berührt werde ich rot dabei, denn er macht sich bis auf die Boxershorts nackig, legt einiges in einen Waschbeutel, der wohl mit nach Hause genommen wird und hängt die Ausrüstung korrekt an den vorgesehenen Platz in seinem zugewiesenen Umkleideschrank. Dabei bekomme ich seinen Körper einmal richtig zu sehen und muss die aufkommende Hitze flott wegwehen, denn ihm sieht man jetzt richtig an, dass er seinen Körper härter trainiert. Oh man, dieser Junge liebt mich und ich bin am Dahinschmelzen im Moment – eine schlechte Kombination. Als er sich jedoch unter einer Achsel beschnuppert und kurz das Gesicht verzieht, muss ich kichern und der Bann vom Sex-Appeal ist gebrochen. Somit kann ich die Ausrüstung ausziehen und sie ordentlich zusammenlegen, damit Monsieur D’Argencourt sie weglegen kann, weil ich keine Ahnung habe, wohin diese kommt.

„Weißt du nicht wohin mit der Ersatzausrüstung, Shirado? Einfach die Tür hinter den Umkleideschränken öffnen und schon bist du im Materiallager. Ich gehe kurz duschen.“

Und schon ist er in die entgegengesetzte Richtung losgegangen, sodass ich mich in das Materiallager begebe und kaum öffne ich die schwere Tür, würde ich sie am liebsten wieder schließen. Wer hält denn bitte diese Unordnung aufrecht? Wenigstens geht Licht an und ich kann sehen, wohin die Ausrüstung hingehört – natürlich weit hinten. Seufzend will ich schon loslegen, doch ersinnen sich meine Gehirnzellen eine bessere Idee – ich räume mir den Weg frei. Dabei kann ich die Gefahr, irgendwas kaputtzutreten oder mich zu verletzen minimieren. Der Haken dabei ist, dass ich länger brauche, doch für die eigene Sicherheit nimmt man mehr Zeit in Kauf. Zu meiner Überraschung geht es schneller als erwartet und ich bin schon am Ende angelangt, sodass ich die Ersatzausrüstung geordnet aufhängen kann. Zufrieden mit meinem Werk kehre ich zurück in den Umkleideraum und kaum will ich zur Tür, umschlingt mich jemand von hinten und ich erschrecke mich total.

„Ganz ruhig, Kleines. Dein gutaussehender Schönling ist es nur.“

„Oho, Prinz Charming persönlich überfällt mich. Welch eine Ehre.“

„Hey! Sarkasmus kannst du an anderen ausüben – aber nicht an mir.“

„Wirklich? Und ich dachte, dass du ein hartgesottener Kerl geworden bist. Dahingehend habe ich mich wohl geirrt.“

„Willst du mich ärgern, Shirado? Vorhin war es so schön zwischen uns.“

„Genau – es war schön. Hättest du mich nicht erschreckt, wäre das schöne Gefühl geblieben.“

„Ah~, du bist beleidigt und schmollst gerade. Dagegen habe ich ein Mittel.“

Stumpf zieht er mich an seinen Körper heran und küsst mich innig. Zuerst will ich mich dagegen wehren, doch meine Gegenwehr schmilzt dahin wie Eis im Sommer. Seine Kusstechnik nimmt mich voll ein und seine Art mich besitzergreifend an seinen starken Körper zu drücken macht es mir simpel ausgedrückt unmöglich irgendeine Abwehr dagegen zu entwickeln. Kurzum – mein Gehirn wird Matsch und mein Körper Wachs. Nachdem er den Kuss löst, sieht er mich mit einem hitzigen Blick direkt an und ich komme mir im Moment wie die Beute vor, die von einem Tiger in die Ecke gedrängt wurde. Allerdings löst er seinen Blick auf, indem er seine Augen schließt und seinen Kopf auf meine linke Schulter legt.

„Du machst mich fertig. So gerne würde ich dich als mein Eigentum allen präsentieren… Shirado, ich liebe dich.“

Okay, gerade geht die Stimmung dorthin, wo ich in meinem Alter noch nicht sein wollte. Dennoch sollte ich auf seine Aussage hin etwas erwidern.

„Gegen deine Aussage, dass ich dein Eigentum werde, muss ich erstmal ein Veto einlegen, denn du hast Cat Noir vergessen, mein Guter und dich liebe ich auch. Bevor du dich hier noch vergisst – es warten einige Menschen hinter dieser Tür auf uns, wovon zwei schon längst Feierabend haben.“

Tief nimmt er einen lautstarken Atemzug an meinem Hals, was mir eine Gänsehaut einbringt, ehe er sich wieder aufrichtet und mich liebevoll ansieht.

„Recht hast du. Schön war es trotzdem dich ein bisschen für mich allein zu haben – das sollten wir öfter machen.“

Ohne auf weitere Worte meinerseits zu warten zieht er mich mit sich zu den anderen und entschuldigt sich, weil es ein wenig gedauert hat. Einige Kommentare von Ricardo und Felix bekomme ich von weiter weg zu hören und ich glaube, dass ich diese Fahrt zurück gefoppt werde. Solange die beiden ihren Spaß haben – sie haben schon viel für mich getan und ein bisschen Schmollen schadet ja nicht – immerhin hören sie dann eher auf und bringen mich zum Lachen, was ich ihnen hoch anrechne. Verabschiedet wird sich ganz normal bei den Erwachsenen und zwischen uns liebevoll, ehe wir uns trennen für heute.
 

Paris bei Hitze – unerträglich. Gebäude ohne Kälte – unerträglich. Draußen sein – tödlich. Und ich – stehe vor einem Gebäude, welches Kälte beinhaltet, jedoch noch geschlossen ist – weswegen auch immer – während ich zergehe. Selbst der Schatten ist nur noch ein kümmerlicher Anblick von gerade mal zwei Grad Unterschied zum sonnendurchfluteten Rest von Paris, was ebenfalls nichts bringt. Monsieur Agreste muss mich wirklich sehr lieb haben, wenn er seinen Sohn und mich erneut in die Hölle schickt. Heute gibt es nämlich eine Ballettshow und er hat natürlich keine Zeit, weswegen die Karte sogar auf meinen Namen ausgestellt wurde. Wie er das hinbekommen hat, würde ich gerne erfahren, damit ich ihm ebenfalls eine wunderschöne Karte zu einem sehr interessanten Kulturakt schenken kann – zudem sorge ich persönlich dafür, dass er nicht mit irgendeiner Ausrede, dass er krank wäre, davonkommen könnte. Oh ja, die gemeine Idee der Heimzahlung werde ich nutzen, wenn ich weiß, wie ich sie konkret umsetzen kann. Wo steckt überhaupt mein Begleiter? Ohne diesen lassen mich die Angestellten nicht herein, weil er natürlich die Karten erneut bei sich hat. Außerdem lassen sie im Moment niemanden herein, als ob sie wollen, dass man in der Hitze zergeht. Gerade wegen dieser Aufführung konnte ich nicht in kurzer Kleidung erscheinen und präsentiere einen vollkommen neuen Kimono, den Vater letzte Woche in Japan herausgebracht hat. Zu meinem Unglück bildet er den Sommer ab in drei Phasen und in allen Phasen strahlt die Sonne hell und klar. Juni, Juli, August – Sonne strahlt über schöne Berge in ein Tal, der Strand wird mit der Sonne beglückt, die das Meer orangefarben erscheinen lässt und zuletzt werden verschiedene Felder angezeigt, deren Kinder erntereif sind. Drei Phasen, drei Monate, dreimal so viel Hitze in Gedanken und dann noch die vom heutigen Frühlingstag. Bei den Kami, die überall existieren – wieso gibt es bloß diese schreckliche Hitze? Genügen euch die anderen katastrophalen Ereignisse keineswegs? Macht doch eher die Umweltverschmutzer alle kaputt, damit ein Umdenken sofort geschieht, anstatt eine zu hohe Gradzahl loszulassen. Okay, so langsam macht die Hitze mich komisch im Kopf. Wenigstens machen die Angestellten die Doppeltür auf und die ersten Besucher können eintreten. Leicht schwelt Kälte hinaus, die meine Füße umschmeichelt und mich wohlig seufzen lässt. Genau in diesem Moment hält eine mir bekannte Limousine an, aus der prompt der Blonde steigt, dem ich gerne in diesem Moment die Ohren langziehen möchte. Anscheinend kann er spüren, dass ich sauer bin und er versteckt irgendwas hinter seinem Rücken, als er sich zu meiner Wenigkeit beeilt.

„Hey, Kleines, sei doch nicht sauer auf mich. Ich habe beim Training die Zeit vergessen und deswegen entschuldige ich mich auch hiermit.“

Sein versöhnlicher Gesichtsausdruck lässt schon meine kleine Wut verpuffen, doch als er mir einen Schlüsselanhänger in Herzform überreicht, worin unsere Namen eingraviert sind, muss ich ihn einfach glücklich umarmen. Irgendwie kommt ein merkwürdiges Gefühl in mir hoch, ein schleichender Gedanke, dass er mich lesen kann wie ein offenes Buch, doch gleichzeitig ist das ein schönes Gefühl. Gegensätzlich denke und fühle ich in diesem Moment, aber auf einen Nenner komme ich keineswegs, bis darauf, dass ich seine Grapscherei direkt unterbinden sollte. Seit wann hat er denn solch einen hohen Drang mich immer wieder an den Hinten zu fassen? Hmmm…, es könnte auch eine neue Masche sein mich zum Schmollen zu bringen oder zum Meckern. Obwohl es ebenfalls ein Tick von ihm sein könnte, welchen er entdeckt hat und an mir auslebt, weil er weiß, dass ich ihn dafür keineswegs in die Wüste schicke. Unsere Umarmung dauert schon zu lange und deswegen löse ich sie auf, damit wir endlich in das kalte Theater können, wo wir diese Ballettshow hinter uns bringen müssen. Charmant gibt er mir einen Handkuss und hält mir seinen linken Arm danach hin, damit ich mich einhaken kann, wie es sich in hoher Gesellschaft gehört. Oder war es dann der rechte Arm? Nein, der rechte Arm muss frei sein, damit der Mann sein Schwert zum Kampf ziehen kann, sollte ihn jemand herausfordern. Zumindest bei der Hochzeit war dies Tradition damals. Wissen ist Macht! Woher kam denn jetzt dieser Gedanke? Es wird wirklich Zeit, dass ich aus der sengenden Hitze herauskomme und nachdem mein Begleiter die Karten vorgezeigt hat, können wir in das Gebäude, welches ich zwar schon kenne, doch heute wegen einem anderen Grund eintrete. Kälte umhüllt mich und ich seufze wohlig. Diese habe ich vermisst und gebraucht. Hach, wie gerne würde ich einfach mich hinlegen und es genießen sie zu spüren.

„Du scheinst die kühle Luft eher zu genießen als meine Anwesenheit, Shirado.“

Will er wie ein kleiner Junge wirken oder meint er sein Kommentar ernst? Von meiner Seite her komme ich auf keinen Schluss, was er genau bezwecken will, weshalb ich dieses Mal mit dem Strom schwimme und ihm die stylische Frisur durchwuschle.

„Mama hat dich immer noch ganz doll lieb, kleiner Adri.“

Mit einer kindlichen Stimme sage ich diese Worte zu ihm, während meine Lippen sich zu einem schelmischen Grinsen verformen. Dieser Vorlage konnte ich nun kein Stück widerstehen. Seine Mimik wirkt erst befremdlich auf mich, bevor er meine Haare durchwuschelt und sagt, dass klein Adri die Mama sehr doll lieb hat. Erheitert über diese winzige Geste, die wir uns gegenseitig gegeben haben, richten wir notdürftig unsere Frisuren und gehen an die Bar. Dort treffen wir auf eine Frau, die den Barkeeper ordentlich zur Schnecke macht, weil er wohl nicht nach ihrer Pfeife getanzt hat. Einfach ignorieren und freundlich sowie mitfühlend den Mann hinter der Theke anlächeln. Bis die Frau ihren Dampf abgelassen hat, dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Neben mir stellt sich ein Mann, der wohl keinen Dresscode kennt, weil er in einem Rockeroutfit diese Kulturveranstaltung besucht.

„Wen muss man hier bestechen, damit man endlich seinen Wodka bekommt?!“

Zudem ist der Kerl auch noch laut und fuchtelt wild mit seinem linken Arm herum, der mit spitzen Nietenbändern versehen ist. Angstvoll behalte ich die Fuchtelei lieber im Blick, denn getroffen werden will ich keineswegs. Schlagzeilentechnisch wäre das sicherlich ein Renner, aber meine Augen würde ich gerne behalten, wie ein narbenfreies Gesicht. Keine Sekunde später tauche ich flott ab, damit ich in Sicherheit bin, weil er noch eine Schippe drauflegt. Langsam gehe ich ein paar Schritte zurück und erhebe mich erst mit dem Sicherheitsabstand. Es gibt Menschen, die sind echt bescheuert und egoistisch oder noch schlimmer – die sitzen auf einem hohen Ross und bekommen nicht mit, dass sie andere Menschen erniedrigen. Vielleicht bekommen die es doch mit und genießen es simpel ausgedrückt gerne. Personen dieser Art beuge ich mich keineswegs. Von der beinahe Misere bin ich in eine andere geraten, die ich hätte vermeiden können, was mich ärgert. Drei junge Männer umstellen mich. Ein Lachen muss ich mir verkneifen, denn die haben ernsthaft ihre Haare nach den Grundfarben gefärbt. Schlimm wäre es keineswegs, hätten sie nur Frisuren, die zu ihren Gesichtern passen würden. Mir kommen sie vor wie aus einem Film oder einer Serie. Moment Mal, die drei könnten Schauspieler sein und somit Trendsetter. Och ne, auf eingebildete Möchtegerns würde ich am liebsten verzichten.

„Sieh‘ mal an, was uns das Schicksal eingebracht hat – eine hübsche Begleitung.“

Blauhaar meldet sich zuerst und die Stimmlage gefällt mir kein Stück, denn sie klingt hungrig, wie ein Wolf auf Beutezug. Gelbhaar hingegen kichert vergnügt und hält ein Halsband mit Kette in seinen Händen, was mich kontrolliert schlucken lässt.

„Ja! Ich will ein neues Haustier haben!“

Neues Haustier? Gab es etwa schon jemanden vor mir für ihn? Kami, ich bekomme wirklich Angst hier.

„Pfft! Die hält doch nicht mal zwei Tage durch, bei deiner Dressurtechnik. Und ihr Freund kommt auf uns zu, also verstecke das Halsband wieder!“

Rothaar scheint einigermaßen in Ordnung zu sein, denke ich mir mal. Da nun ein Weg frei für mich ist, gehe ich die wenigen Schritte auf Adrien zu, die noch übrig sind zwischen uns. Pure Erleichterung durchflutet mich und ich bin froh, dass ich keineswegs alleine hierhergekommen bin.

„Geht es dir gut? Haben die drei dir irgendwas getan?“

Ernst und mit leicht wütendem Unterton fragt er mich nach der vorhergegangenen Lage und ich nicke zur ersten Frage, während ich die zweite verneine. Angst vor zwei von denen habe ich schon bekommen, wie sie ganz natürlich ihre Art und Weise hervorbringen – zu gruselig. Sein Selbst zu unterdrücken ist allerdings ungesund… Seufzend lehne ich mich an den Blonden und genieße seine Nähe gerade, die mein negatives Gefühl in eines voller Sicherheit umwandelt. Umständlich umarmt er mich, da er noch die Getränke hält, die er bestellt hat. Zeitlich gesehen bleiben wir in dieser Position nur wenige Augenblicke, aber die reichen aus, damit ich mich wohl fühle.

„Hier ist dein Wasser.“

Dankend nehme ich das Glas von ihm an und gönne mir einen Schluck von der spritzigen Flüssigkeit. Meine Kehle fühlt sich danach um einige Stufen angenehmer an, wodurch mit auffällt, dass diese wohl schon ein bisschen länger nach Benetzung gezehrt hat. Galant geleitet mich Adrien zu einem Stehtisch und wir warten auf den Einlass in den Theaterraum.

„Chloé scheint heute nicht da zu sein.“

Ganz genau kann ich hören, wie er dies als Segen empfindet und ich stimme ihm zu – heute sind es mal nur wir beide. Sogar die McGlores sind heute nicht zugegen, wobei es mich gewundert hätte, würden diese zwei extra aus Nordirland hierherreisen, nur um ein kleines Ballettstück zu sehen. Ruhig unterhalten wir uns über meine Nachhilfefächer, damit ich ja auf dem Laufenden bleibe, weil wir einiges nachzuholen haben durch unsere ungewollte Trennung auf längerer Zeitbasis. Bewusst wird mir in diesem Moment, dass ich es kaum besser haben könnte. Paris…, die Stadt der Lichter und der Liebe – lichterloh ist es meistens in der Nacht und Liebe habe ich gefunden. Schon merkwürdig, dass bezeichnende Titel oftmals wahr sind. Unser Gesprächsthema ändert sich allerdings zu dem Antreffen der drei farblichen Typen, zu denen ich aus Versehen gekommen bin.

„Shirado…, ich frage mich das schon länger, aber seit wann bekommst du so schnell Angst? In der Bibliothek hast du damals doch gegen die Piraten versucht zu kämpfen. Dein Mut war inspirierend und deine Technik wunderschön. Deswegen wundere ich mich, weshalb du nun eher ängstlich bist.“

Nun stellt sich mir die Frage, wie Adrien wissen kann, was ich dort unten getan habe. Nino und Ayla haben keineswegs detailreich das Geschehen damals wiedergegeben, weswegen ich mich wundere – war er selber dort unten? Anscheinend hat er sich sehr gut versteckt, doch dann müsste er schon vor unserer Zuflucht sich im Kellerlager aufgehalten haben. Gleichzeitig türmt sich eine weitere Frage auf – warum hat er kein Sterbenswort gesagt? Immerhin muss er genau gewusst haben, was kommen würde, um ein geeignetes Versteck zu finden. Ein Feigling ist Adrien keineswegs, also kann ich nur schlussfolgern, dass er vorher in einem dieser Blätter gefangen war und mich gesehen hat. Einzig diese Möglichkeit bleibt übrig, von der logischen Seite her gesehen. Da gibt es jedoch noch die fantasievolle Seite, die Unmögliches in den Fokus legt und in die Realität integriert, damit ein Blick auf andere Seiten gewährt wird. Verschiedene Blickwinkel zu betrachten ist für uns Menschen schwer, dennoch kann man dies irgendwie erlernen. Fantasievoller Blick also auf die Situation mit dem Wissen, dass Adrien genau wusste, was ich getan habe. Alle Piraten fallen weg und auch die Gefangenen, genauso wie die vorher schon ausgeschlossenen Mitflüchtenden. Sobald man alles Mögliche ausgeschlossen und die Verdächtigen komplett abgeschrieben hat, bleibt nur noch die Wahrheit übrig – Cat Noir ist derjenige, der meine Tätigkeit hätte sehen können. Nein, dies wäre wahrlich unmöglich, dass Adrien Cat Noir wäre, selbst aus der fantasievollen Perspektive. Obwohl es Sinn ergeben würde, denn die anderen Optionen habe ich mit diesem Blick ja ausgeschaltet. Allein die Vorstellung passt allerdings keineswegs – immerhin sind beide recht unterschiedlich…, nein, beide haben eine ähnliche Frisur, die beinahe den gleichen Blondton besitzt, während ihre Augen dasselbe grün tragen, wobei Cat Noir das Weiß der Augäpfel in einen minzgrünen oder pastellgrünen oder giftgrünen Ton besitzt. Ihre Größe hat einen kleinen Unterschied von wenigen Zentimetern und der Charakter beider gutaussehenden Kerle gleicht sich in einigen Punkten sehr und in anderen gibt es winzige Unterscheidungen. Okay, Shirado, so langsam musst du tatsächlich an deinem Verstand zweifeln, wenn du die beiden als eine Person vereinst. Am Ende ist die Habichtmotte genauso gut mein Vater oder sogar der von Adrien. Jegliches Denken über dieses Thema sollte ich erstmal unterlassen, zumal ich meinem Begleiter Sorgen bereite, wegen meinem wohl zu langen Gedankenaussetzer.

„Würde ich einen genauen Zeitpunkt festsetzen, wäre es beim botanischen Berater am ehesten der Fall, dass ich Angst erhalten habe. Du wurdest weggeschleudert und ich habe einen komischen Realitätsentzug erlitten. Komplett der Angst bin ich erst mit den Vampiren verfallen. Ihre Welt oder eher ihr Teil der Monsterwelt mit ihrer Art und Weise alle als Nahrung zu sehen, während sie an sich nur mich fangen wollten, hat meinen Mut zerstört. Darauf bin ich keineswegs stolz, allerdings hat der Ausflug in die Monsterwelt mir einen neuen Weg eröffnet und diesen werde ich fortan beschreiten. Meinen Entschluss will ich niemals in Frage stellen und auch wenn ich andere in meiner Nähe umso mehr gefährde, weiß ich ebenso, dass die Infernale nicht einfach nur böse sind. Theoretisch gesehen gehe ich davon aus, dass sie nur Spiegel von uns Menschen sind, die von negativen Gefühlen und Erfahrungen leben. Sobald sie stark genug sind und ein Schlüsselereignis stattfindet, gehen sie den Wünschen ihres Wirts nach oder erfüllen ihre eigenen. Wie gesagt, ist dies nur theoretisch gedacht. Gleichsam denke ich so über die Vampire. Wünsche, Träume und Hoffnungen treiben uns an und der leichte Weg dahin wird einem eher ermöglicht, sodass viele diesen nehmen, aber es ist der schwierige, der uns vorantreibt und uns gut tut. Angst, Verzweiflung und noch mehr sind nur Auslöser für das, was in einem steckt. Zwar mag ich im Moment ängstlich sein, dennoch gehe ich davon aus, dass ich meinen Mut wiederfinden werde.“

Hoffentlich habe ich nicht zu sehr um den heißen Brei philosophiert, sodass er mich verstehen kann, denn mein Monolog war echt lang. Ach, was denke ich denn da? Wenn mich jemand versteht, dann ist es Adrien.

„Gerade habe ich mich unsterblich in dich verliebt, Shirado.“

Muss er mich kalt erwischen und mir seine unsterbliche Liebe gestehen? Hallo? Von solchen Aussagen werde ich knallrot und kann gar nicht mehr klar denken!

„Sicher sagen kann ich, dass du ruhig Angst haben darfst, selbst wenn dein Mut zurückkommen wird – immerhin sind Cat Noir und ich für dich da.“

Zwinkernd und mit einem charmanten Lächeln gibt er seine Meinung preis, sodass ich meine Röte keineswegs abbauen kann, sondern sie sich intensiviert und ich heiß im Kopf werde. Dass er kichert und ein selbstbewusstes Grinsen trägt, lässt mir nur eine Strategie zu – wegdrehen und aus meinem Glas Wasser trinken. Ganz ruhig atmen und die Augen wandern lassen, um sich abzulenken. Langsam und stetig sinkt die Hitze und sicherlich vergeht ebenfalls die Röte dadurch.

„Kleines, ich wollte dich zwar in Verlegenheit bringen, allerdings nicht von mir abwenden lassen. Na komm‘, schaue mich an.“

Ein bettelnder Ton in seiner Stimme und ich kann keine Sekunde länger mich von ihm fernhalten, sodass ich ihn wieder ansehe.

„So gefällt mir der Abend schon sehr viel besser.“

Dieser Schlawiner spielt im Moment mit mir, wofür ich einerseits ihm gerne die Leviten lesen will, andererseits von diesem Verhalten angetan bin. Hach, zwiespältige Gefühle brauche ich nun wirklich nicht. Darum stippe ich die Finger meiner rechten Hand in mein Wasserglas und bespritze ihn danach mit winzig kleinen Tröpfchen direkt ins Gesicht.

„Wofür war das denn?“

„Ich wollte dich megaultrasuperheißen Typen abkühlen, denn wir sind hier auf einem berufsbezogenen Date und nicht auf einem anderer Art.“

„Soll das heißen, dass ich dich auf einer anderen Art von Date ordentlich in Verlegenheit bringen darf sowie dich andauernd berühren?“

Die anzügliche Art, wie er seine Augenbrauen bewegt, sowie das freche Grinsen dabei erinnern mich frontal daran, dass mein Argument sich perfekt für ein Gegenfeuer seinerseits geeignet hat, sodass er es nutzte. Toll, nun habe ich ihm eine Art Freifahrtschein gegeben und muss mir eine Gegenstrategie überlegen, denn eines weiß ich – in Bezug auf mich ist der Blonde unersättlich. Am besten fange ich an, den Anfang eines noch kommenden Plans auszuführen, indem ich den Stehtisch umrunde, mich an ihn schmiege sowie mein Gesicht ganz nahe zu seinem bewege, bevor ich stoppe – sehr kurz vor einer Berührung unserer Lippen.

„Mein lieber Adrien, ich werde erst mit dir intimer, wenn es der richtige Zeitpunkt ist und meine Prinzipien, dass man älter sein muss für die Vereinigung und so weiter, sich in diesem Moment in Luft auflösen. Vorher wirst du mich nicht dazu bekommen.“

Nach meinen Worten ziehe ich mich zurück und nehme meinen vorherigen Platz ein, von dem ich einen interessanten Anblick erhaschen kann – ein eingefrorener junger Agreste, der eine leichte Röte im Gesicht hat, dessen Lippen voneinander getrennt sind und seine Augen in die weite Ferne der Gedankenwelt blicken. Zwei Positionen habe ich somit klargestellt, dass er einen Freifahrtschein erhält, aber meine Prinzipien niemals über den Haufen werfen darf, weil dies meine Entscheidung wäre. Blinzelnd scheint er zurückgefunden zu haben und wendet sich mir zu, als eine Ansage erfolgt, dass alle Gäste nun in den Hauptraum eintreten dürfen. Tja, seine Worte werden warten müssen, bis wir Zeit für ein weiteres Gespräch erhalten.
 

Natürlich sitzen wir wieder in der Mitte der ersten Reihe. Selbstverständlich hat Adrien eine neben sich, die ihn anhimmelt, während ich mit dem komischen Rocker als Nachbarn aufpassen sollte, von seiner Fuchtelei nichts abzubekommen. Wenigstens gibt es für uns ein Programmheft, welches ich studiere. Eine Ballettaufführung von Schwanensee in vier Akten. Klingt recht kurz und schnell vorbei, aber sicherlich ist meine Vermutung falsch – immerhin würde die Aufführung sonst in einem kleinen Theater aufgeführt werden, anstatt in der größten Kulturhalle von Paris. Diese Ballettschule scheint zudem renommiert zu sein sowie bekannt. Da ich mich für diese Form des Tanzes kein Stück interessiere, wüsste ich keineswegs, wer diese Madame Concorde sein sollte oder woher diese Mädchen stammen. Gutes Haus hier, althergebrachte Traditionen dort und was weiß ich noch was, womit man angeben kann, wird in der Rede im Moment herausposaunt. Obligatorisch klatsche ich den Beifall mit, doch würde es mich wundern, wenn ich tatsächlich Gefallen an der Vorstellung finden würde. Madame Concorde verschwindet in die Bühne, was mich überrascht, denn das habe ich noch nie gesehen. Als ich meinen Begleiter frage, erklärt er mir, dass die Bühne hier mit verschiedenen Hebeelementen bestückt ist und auch Falltüren, wenn es schnell gehen soll in einem Stück. Verstehend nicke ich seine Erklärung ab und denke mir mal, dass die Madame mit einer Hebebühne unter die Bühne verschwunden ist, weil sie langsam versank. Musik setzt ein und der Vorhang wird zusammengezogen, sodass jeder von uns den Rest sehen kann, welcher vorher versteckt worden war. Hmmm…, wenn ich raten müsste, wäre es ein Park und da dahinter ein Schloss abgebildet ist, müsste es ein eigener Schlosspark sein, der hier dargestellt werden soll. Das Bühnenbild haben sie gut hinbekommen und es gefällt mir. Europäische Burgen sehen stark anders aus als welche von meinem Heimatland, aber sie haben etwas. Opas Burg kenne ich recht gut und ich würde gerne mal ein anderes Schloss besuchen, damit ich Unterschiede finden kann – wäre sicherlich eine lustige Entdeckerreise. Dieser Prinz Siegfried hat Geburtstag und feiert diesen wohl gerade. Seine Mutter, die Königin müsste es dann ja sein, wirft ihm fürsorglich Unbeschwertheit vor. Wie kann man denn bitte fürsorglich solch eine Eigenschaft vorwerfen. Hinterhältig würde ich das eher bezeichnen. Netter ausdrücken könnte man es auch, wie dass sie sich Sorgen macht, weil seine sorglose Art ihm bisher keine Liebe eingebracht hat und sie sich diese für ihn wünscht. …irgendwie klingt das ebenfalls hinterhältig, oder kommt mir das nur so vor? Egal, ich muss das Stück keineswegs aufführen, weshalb ich mir keine großartigen Gedanken machen sollte. Dann soll er auch noch am morgigen Hofball eine Braut finden. Im 21. Jahrhundert ist das Stück wohl noch nicht angekommen, allerdings wurde es ja auch in einer Zeit geschrieben, in der es rechtlich gesehen kaum irgendwas gab, außer die Privilegien der Oberschicht, die es heute immer noch gibt, was ich selber zu spüren bekomme, wie heute. Nun habe ich mich selbst runtergezogen. Ändern kann ich es jetzt auch nicht mehr und die erste Tanzeinlage beginnt mit dem aufkommenden Hofball, wo viele Schüler und Schülerinnen dieser Ballettschule die Bühne füllen. Respekt dafür, dass die es schaffen sich nicht zu streifen oder sonst etwas. Diesen Hofball so gut hinzubekommen hat sicherlich am meisten Arbeit gemacht, denn alle müssen weitestgehend synchron tanzen und sich abgestimmt haben – besonders mit den vielen wechselnden Partnern, die der Prinz führen muss. Zum Ende des ersten Akts verlässt der Prinz den Ball und scheint in seine Gedankenwelt versunken zu sein, während er den Himmel anstarrt und beim Anblick von Schwänen Lust auf eine Jagd erhält. Arme Schwäne. Vereint schließt der Vorhang den ersten Akt und die Madame kündigt eine zehnminütige Pause an. Lohnenswert dafür den Raum zu verlassen ist diese Zeitspanne keineswegs. Allerdings kann ich mich ausstrecken und meine müden Knochen wecken, sollten diese denn dazu bereit sein. Immerhin konnte ich mich mit meinen Überlegungen vom Schlaf abhalten, dabei dürfte es gerade mal halb acht am Abend sein, wenn ich die Zeit richtig einschätze.

„Bist du schon müde, Shirado?“

Mitfühlend fragt der Blonde mich das und ich nicke nur, denn seine definierte Fragestellung hat mein Gehirn auf Schlaf eingestellt. Kurz spüre ich, dass er sich bewegt, bevor ich einen Arm von ihm um meine Schultern fühle, welcher mich an seinen Körper zieht, sodass ich meinen Kopf auf die mir zugewandte Schulter von ihm legen kann, was ich allzu gerne mache. Lieber würde ich mich ganz an ihn kuscheln, aber wir haben noch einen langen Abend vor uns, weswegen ich die kleine Zeitspanne nutzen sollte. Viel Erholung habe ich keinesfalls erhalten können, doch unsere Position hat der Frauenschwarm neben mir kein Stück gelöst, was ich schön finde sowie nett von ihm. Zweiter Akt, erster Tanz – ich finde es interessant, wie sie echtes Wasser nutzen, ohne die mechanischen Vorgänge und Konstruktionen unterhalb der Bühne zu beschädigen. Mit einer Armbrust bewaffnet will der Prinz einen Schwan erledigen, der sich jedoch als eine junge Frau ausgibt oder andersherum, keine Ahnung wie das funktioniert. Jedenfalls soll es wohl Liebe auf den ersten Blick sein und ein Zauber soll die junge Frau als Schwanenprinzessin brandmarken, wie ich es zu hören bekomme. Ewige Liebe muss der Prinz schwören, damit der Zauber gebrochen werden kann und er macht es, ohne an mögliche Konsequenzen zu denken. Ah ja, ein wohl dunkler Zauber kommt keineswegs von irgendwoher und wenn der Nutzer von diesem den Prinzen ebenfalls trifft? Wie können die beiden dann sich zurückverwandeln? Gilt dann die ewige Liebe als Schwäne ebenfalls? Sie suchen sich einen Partner für das Leben und bleiben diesem treu, was wohl hier ebenso dargestellt werden soll. Trotzdem finde ich es blöd, dass der Prinz als hormon- oder instinktgesteuert präsentiert wird. Romantisch finde ich dies kein Stück. Direkt nach dem Schwören erfolgt ein langwieriger Tanz, der zur Verzauberung gehören soll, wie es dargestellt wird. Diese Szene gefällt mir bisher am wenigsten, denn ich finde es recht starr dargebracht. Zwischen dem Prinzen und der Schwanenprinzessin ist es wohl hinter der Bühne kaum gut bestellt – zumindest kommt es mir so vor, wegen den steifen Bewegungen, die erfolgen. Erneut klatsche ich obligatorisch mit, denn die nächste Pause dauert sogar eine Stunde an. Überaus langwierig wird es leider doch, trotzdem finde ich eine längere Pause schön. Es wundert mich nur, wieso Adrien sich kein Stück von der Stelle bewegt, ehe ich hochschaue und sehe, dass er eingeschlafen ist. Kichernd pikse ich ihn ein bisschen in die Seite und er schreckt auf, sodass meine angenehme Position ein Ende gefunden hat. Bedauern brauche ich sie nicht, denn wir können uns bewegen und müssen nicht zuschauen, wobei einer von uns den anderen auflaufen lassen hat. Sympathischer könnte mir der Blonde keineswegs mehr werden, so dachte ich bis jetzt, aber er hat es geschafft, dass ich ihn unentbehrlich finde. Ob es für diesen Zustand eine genauere Bezeichnung oder sogar eine Steigerung gibt? Vielleicht, jedoch entbehrt sich mir dieses Wissen im Moment.

„Bin ich etwa eingeschlafen?“

Fragt er mich das ernsthaft? Gähnend streckt er sich und dabei löst sich sein Hemd aus der Hose. Haargenau kann ich einen kleinen Teil seiner unteren Bauchregion sehen und muss an mich halten, damit ich meine Finger bei mir behalte. Dass ein kleines Stück Haut von ihm mich wuschig macht, hätte ich niemals gedacht. Rechtzeitig habe ich meine Augen seinem Kopf zugewendet, damit wir uns ansehen, weil er mich an die Hand nimmt und mitzieht.

„Am besten essen wir eine Kleinigkeit und versuchen uns wach zu halten für die nächsten Akte.“

„Dein Training heute muss echt anstrengend gewesen sein, wenn du sogar vor mir eingeschlafen bist.“

„Hehe, ja, ich wollte fünf Kilo mehr heben und als ich das Gewicht verinnerlicht habe, konnte ich mich kaum stoppen. Darum war ich zu spät und bin müde.“

Weiter auf dem Thema herumreiten will ich vermeiden und wende mich der Umgebung zu, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich seine Müdigkeit nachvollziehen kann. Sobald ich mehr trainiere an einem Tag als sonst, schlafe ich ebenfalls früher ein. Wir bewegen uns zielstrebig durch einen Gang in Richtung des großen Salons, wo eine reich verzierte Essensausgabe zu finden ist. Heute gibt es Muschelsuppe, flambierte Schnecken und Froschschenkel zur Auswahl und mir wird schlecht. Kein Gericht davon würde ich freiwillig zu mir nehmen. Salat mit Thunfisch und geriebenen Käse in einem Öldressing klingt für mich um Längen besser. Unglücklicherweise haben sie keinen Salat im Angebot, sondern eine Käseplatte mit einigen Früchten. Bestimmt sind es Preiselbeeren, Weintrauben und Himbeeren, die sie dazugeben.

„Was hättest du gerne, Shirado?“

„Gar nichts, wenn ich die Wahl habe.“

„Du und deine Witze. Okay, dann wähle ich für dich aus und du suchst uns einen Tisch.“

Protestierende Worte bleiben mir im Hals stecken, weil er stumpf weggeht, als ob er gewusst hätte, dass ich gegen seine Entscheidung angehen würde. Pah, ich werde einfach nichts essen, was auch immer er bestellt! Grummelnd in meinen Gedanken zum Teil versunken suche ich einen Tisch für zwei Personen und werde fündig. Anzeichen für eine Reservierung sowie Besetzung gibt es nicht, weshalb ich ihn kurzerhand erobere. Mögliche eklige Gedanken an das Essen versuche ich zu vermeiden, denn ich finde die Hauptgerichte schlimm. Nichts gegen die Leute, die diese Nahrung herunterbekommen, aber für mich ist klar, dass ich dies niemals im Leben essen würde. Lange braucht mein Begleiter nicht, um mit einem Silbertablett anzukommen, worauf die Käseplatte, kleine Salatschalen und zwei Gläser Wasser sich befinden. Fragend blicke ich ihn direkt an, denn Salate gab es jedenfalls nicht zur Auswahl, soweit ich es überblicken konnte.

„Hinter den Hauptgerichten gibt es eine Salatbar, an der ich einige Schalen gefüllt habe für uns.“

Erst jetzt bemerke ich, dass es nur eine Gabel auf dem Tablett gibt. Hat er irgendwas vor?

„Gucke mich doch nicht so an, als ob du mich für einen Mord verdächtigen würdest. Wegen des hohes Werts von Silber geben sie pro Person nur einmal Besteck heraus.“

Sehe ich ihn echt dermaßen schlimm an? Wenigstens ist nun klar, dass er keine Hintergedanken damit hatte, weswegen ich es akzeptiere, wie sie ihre Regeln hier aufstellen. Silber ist halt ein Metall, welches teuer ist und von daher nehme ich es hin, obwohl sie dies irgendwo anschreiben hätten können. Na ja, somit verteilen Adrien und ich uns indirekte Küsse, was schön ist. Ruhig und gelassen nehmen wir das Essen in uns auf und lassen Gespräche sein. Unsere Blicke sprechen für sich und maßgeblich nehme ich die Salate zu mir, bis auf den Camembert, den er mir hinschiebt. Sonst isst er davon Berge, besonders wenn er krank ist, und plötzlich nimmt er keinen Bissen mehr zu sich… Muss ich mir Sorgen um ihn machen?

„Ist irgendwas, Shirado?“

„Ehrlich gesagt ja. Jedes Mal, wenn ich in deinem Zimmer gewesen bin und du ebenfalls dort warst, habe ich viel Müll wegwerfen müssen, welcher von verpacktem Camembert stammt. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass du diesen sehr gerne isst und vorhin hast du ganz dezent den Camembert von der Käseplatte zu mir geschoben. Wieso isst du ihn nicht wie sonst?“

Nervös sieht er überall hin, nur mich meidet er. Bin ich da etwa auf ein Geheimnis gestoßen, von dem ich nie erfahren darf? Nein, der Schönling trägt hundertprozentig kein bahnbrechendes Geheimnis mit sich, was ich keineswegs wissen dürfte. Bisher haben wir uns alles erzählt und ich werde dies weiterhin beherzigen.

„Ähm…, also, wie soll ich dir das erklären? An sich verabscheue ich Camembert, allerdings esse ich ihn, wenn meine Nase verstopft ist. Weswegen genau kann ich dir nicht sagen, aber sonst lasse ich die Finger von diesem Käse.“

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich angelogen werde und es verletzt mich tiefer, als ich es für möglich gehalten hätte. Da ich jedoch ohne Beweise dastehe sowie ihn nie besucht habe, als er krank war, fehlt mir das Fundament für eine Diskussion, die mein Gefühl der Verletztheit auf Mutmaßungen anhand von Gefühlen auslöscht oder bestätigt. Nichtsdestotrotz sollte ich meine Gefühle beiseiteschieben und mich damit beschäftigen, sobald ich außerhalb seiner Gegenwart bin. Darum lasse ich das Thema fallen, was ihn erleichtert und lassen uns über die Ballettaufführung aus.
 

Den letzten Bissen haben wir verspeist und gehen zum Tablettständer, um unseren Essensträger hineinzustellen. Danach, weil noch Zeit vorhanden ist, spazieren wir ein bisschen durch das Gebäude – zumindest dort, wo wir als Privatpersonen hindürfen. Viel gibt es zwar nicht zu sehen, aber ich finde es interessant, wie viele Künstler und Shows in diesem Gebäude aufgetreten sind. Für meine Konzerte wäre es mir zu hochgestochen, allerdings hat es schon etwas, mal hier auftreten zu dürfen. Bei einem Plakat bleibe ich hängen und bekomme große Augen.

„Chrysantheme Floraleur mit ihrem Orchester Bouquet nur für diesen Abend hier in Paris! Genau achtzehn Jahre ist das her. Das gleiche Datum… Geht es dir gut, Shirado?“

Besser könnte es mir schon gehen, denn ich hatte keine Ahnung, dass meine eigene Mutter mit ihrem Orchester hier auftrat. Wieso haben weder Vater noch Opa von ihrer musikalischen Ader erzählt? Klar, es gibt sehr viel, was ich wissen sollte und beide haben eine Menge zu erledigen – dennoch wäre es schön gewesen, dass ich davon weiß. Dass ich weiß, woher ich mein Talent im Gesang erhielt. Ihr Künstlername Floraleur finde ich im Zusammenhang ein bisschen albern sowie verspielt gewählt, aber dies macht sie für mich sympathischer. Blitzlicht holt mich aus meinen Gedanken und ich schaue zu Adrien, der wohl ein Foto von dem Plakat gemacht hat, weil er sein Handy wegsteckt.

„Deine Mutter wäre sicherlich stolz auf dich, wie weit du schon in der Musikbranche gekommen bist und wieder einsteigen willst. Und ich bin stolz auf mich, dich zu daten.“

Angeberisch seinen Stolz zu präsentieren lässt mich kurz losprusten und ein Lachen runterschlucken, denn ich weiß genau, dass er mich aufmuntern wollte mit seinen Worten, weil ich neben der Spur war, für einige Augenblicke. Zufrieden lächelt er mich an, gibt mir einen Kuss auf die ihm zugewandte Wange und nimmt mich an einer Hand, damit wir zurückgehen. Zeit ist endlich und man hat davon nicht gerade viel im Leben, weswegen ich keinen Widerstand leiste. Abrupt hält er jedoch an, wird grober und verfrachtet mich zwischen der Innenwand und seinen Körper, was mich überrascht. Abwartend sehe ich ihn an, was er mit dieser Handlung bezwecken will, doch höre ich nur knackende Geräusche, bis die Außenwand dicke Risse erhält sowie in unsere Richtung auseinanderfällt, was viel an Baustaub hervorbringt und wir unsere Lungen direkt davon befreien wollen, indem wir husten. Einige Brocken rollen rasant in unsere Richtung, doch mein Begleiter hält sie gerade so auf, sodass wir keine allzu großen Schäden erhalten – eher wohl ich, denn ich habe genau gesehen, wie er schmerzhaft sein Gesicht verzogen hat. Entkräftet sinkt er zu Boden und keucht, weil wohl Staub erneut in seiner Lunge gelangte durch diese Aktion.

„Verstecke…, dich…“

Oh ihr Kami überall, er klingt schrecklich! Vor einigen Sekunden war er das volle Leben und jetzt wirkt er auf mich wie vom Tod besucht. Zurücklassen werde ich ihn keineswegs. Tragen kann ich ihn nicht, so viel steht fest, aber ich kann ihn beim Gehen unterstützen. Darum fackle ich keine Sekunde länger und unterstütze ihn, auch wenn er sich dagegen wehren will.

„Verschwinde…, in Sicherheit…“

„Dich lasse ich niemals zurück, genauso wie du es bei mir machen würdest, Adrien, also huste den Staub aus deinen Lungenflügeln und lasse mich dir helfen.“

Röchelnd hustet er sich die Seele aus dem Leib und ich gebe mein Bestes, damit wir zwei von hier wegkommen, denn irgendwer oder irgendwas muss diesen Schaden ausgelöst haben und treffen möchte ich niemanden, der solch großen Schaden anrichtet. Abermalig höre ich diese knackenden Geräusche und unser weiterer Weg ist dicht, weil eine weitere Stelle in der Außenwand sich verteilt hat in dem Gang sowie Teile der Decke und des Stockwerks darüber sich hinzugesellt haben. Na toll, wohin sollen wir beide fliehen? Draußen wartet sonst was auf uns, aber es ist der einzige Weg, der übrigbleibt, zumal der Teil der Wand, der noch stehengeblieben ist, Schwierigkeiten erhält, das Konstrukt zu halten. Mühsam schleppe ich uns lieber in Gefahr, die wir mit ganz viel Glück überstehen, anstatt begraben zu werden und zu sterben. Rechtzeitig schaffe ich uns hinaus, ehe der restliche Teil in sich zusammenfällt. Puh, das war wirklich sehr knapp gewesen.

„Endlich bist du draußen! Ich dachte schon, dass ich dich getötet hätte, aber zu meinem Glück bist du noch quicklebendig.“

Mir kommt weder die Stimme, noch die Person bekannt vor, die in einem komplett schwarzen Ballettoutfit einen schwarzen Schwan darstellen soll. Hinter ihr hat sich ein riesiger weißer Schwan den Kopf in den Schutt gesteckt und ich frage mich, ob dies Absicht war oder ein Versehen. Jedenfalls ist mir bekannt, dass diese Person irgendwas von mir will. Hat ein Infernaler sie verwandelt? Binnen weniger Sekunden steht sie nahe genug vor mir und holt zu einem Kick aus, der jedoch kurz vor dem Treffer anhält.

„Stopp, Prima Terrorina! Solange der Junge bei ihr ist, greifst du nicht an! Inzwischen dürften Ladybug und Cat Noir kommen. Bereite den beiden einen grandiosen Empfang und bringe mir deren Miraculous!“

„Jawohl, Hawk Moth.“

Sie zieht sich zurück und gibt dem Riesenschwan die Anweisung uns zwei nicht aus den Augen zu lassen. Dieser zieht seinen Kopf aus dem Schutt und watschelt auf uns zu, bevor er seine Flügel um uns legt und sich hinsetzt. Trotz der Sicherheitsvorkehrung sitzen wir fest – wunderbar. Sanft lege ich meinen Begleiter auf den Boden ab und wische ihm Staub aus dem Gesicht. Ab und zu hustet er heftig, doch sonst scheint es ihm soweit gut zu gehen. Große Sorgen mache ich mich um ihn, denn wenn er zu viel Baustaub in sich hat, kann seine Lunge nicht mehr korrekt arbeiten und er wäre beeinträchtigt. Jedoch gibt es noch den Hoffnungsschimmer, dass Ladybug mit ihrer Macht ihn retten kann. Ja, genau darauf hoffe ich jetzt. Cat Noir und sie werden es schaffen, diese Ballerina aufzuhalten. Eines wundert mich trotzdem… Habichtmotte hat deutlich gemacht, dass wir beide verschont bleiben, solange Adrien bei mir ist. Weswegen sollte er Interesse an dem Blonden haben? Welchen genauen Zweck hat diese Verschonung? Schlau werde ich daraus kein Stück und unruhig werde ich ebenfalls. Ihm helfen kann ich keineswegs und festsitzen gehört kaum zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Vielleicht hilft es, wenn ich seinen Kopf in meinen Schoß lege und singe? Probieren geht über studieren und infolgedessen haben wir beide eine neue Position eingenommen.

„Shirado…“

„Psst, Adrien. Versuche dich zu erholen und den Baustaub aus deiner Lunge zu bekommen. Sicherlich wird alles gut werden.“

Zuversichtlich sehe ich ihm in die Augen, die er einige Sekunden später schließt und kraftlos nickt. Meinen Freund so zu sehen, kratzt an meinen Nerven und Gefühlen. Liedtechnisch müsste ich irgendwas haben, was ihn entspannen lässt, damit sein Körper Kraft sammeln kann, um die Lunge zu befreien. Lediglich ein einziges Lied fällt mir ein, welches schön klingt und einen melancholischen Kontext mit sich führt, der Entspannung und gleichzeitig ein wohliges Gefühl erzeugt.

„Du gehst deinen Weg, im Abendlicht. Nur ein paar Tränen auf deinem Gesicht. Doch wenn ein neuer – Tag dann beginnt – trocknen die Tränen im Morgenwind. Schau‘ auf das Meer, es flüstert dir zu. Was es zu sagen hat, dass hörst nur du. Steht die Welt auf dem Kopf, mach‘ dir nichts draus. Hör‘ auf das Lied und es bringt dich nach Haus‘. Wenn dich das Glück verlässt. Kannst du es nicht verstehen. Halte die Hoffnung fest – auch das wird vergehen. Lauf‘ deinen Träumen nach, du wirst sie wiedersehen. Irgendwo auf dem Weg, wartet jemand auf dich.“

Der vorher ungemütliche Ausdruck auf seinem Gesicht hat einem entspannenden Platz gemacht, was mich erleichtert. Zum Glück lassen Körper und Geist sich von Musik berühren. Wundern tue ich mich nur noch über die fallenden großen Tropfen, die in unserer Nähe landen. Regen sollte keineswegs diese Ausmaße annehmen, doch als ich hochschaue, erkenne ich, dass der riesige Schwan weint. Perplex sehe ich diesen an und traue meinen Augen in diesem Augenblick, bei diesem Anblick, kein Stück. Wie soll man denen trauen, wenn ein riesiger Kampfschwan, der mit Leichtigkeit Beton und Stahl auseinanderbrechen kann, weint? Ungewöhnlich ist dieser Anblick schon, aber es kann sein, dass dieser Schwan eine größere Rolle spielt, als ich zunächst annehmen konnte. Na ja, mein Hauptaugenmerk liegt auf Adrien und dass seine merkwürdige Schwächung in kurzer Zeit plötzlich aufgetreten ist. Trotzdem wäre es besser, wenn Ladybug und Cat Noir endlich ankommen würden, denn ich möchte meinen starken, lebendigen blonden Freund zurückhaben. Durch einen Aufschrei wende ich mich von meinem Begleiter ab und sehe, dass Ladybug neben uns landet – total geschwächt und fertig mit der Welt. Klein ist der Stein, den sie dabei aus ihrer linken Hand fallen lässt. Steht sie wieder auf? Eher nicht, wie es den Anschein hat, denn sie bleibt mit einem verbissenen Ausdruck auf ihrem Gesicht liegen.

„Ja! Endlich ist es soweit. Prima Terrorina, befreie Ladybug von ihrem Miraculous!“

Hawk Moth scheint sich seinem Triumph echt sicher, wenn er meint, dass Cat Noir dies zulassen würde. Wo bleibt der strahlende Held in schwarzer Rüstung überhaupt? Sonst macht er immer einen auf großen Auftritt mit seiner Angeberei und schlauen Sprüchen, sodass ich hin und weg davon bin. Er lässt doch nie Ladybug alleine kämpfen… Ob ihm irgendwas passiert ist? Toll, jetzt mache ich mir Sorgen um ihn, der Heldin neben uns und Adrien. Diese akumatisierte Ballerina springt zu uns, weil sie anscheinend dem Schwan nicht sagen will, dass er seine Flügel öffnet – warum auch immer. Wie in Zeitlupe kommen mir ihre Bewegungen nun vor und ich spüre, dass mein Körper sich von alleine bewegt, ohne dass mein Gehirn hinterherkommt. Kurzerhand habe ich der ollen Trulla eine Ohrfeige verpasst und sie somit gestoppt. Am besten wäre es gewesen, dass ich erst nachgedacht hätte, anstatt meinen Körper machen zu lassen, aber nun ist es geschehen.

„Wie kannst du es wagen?! Du wirst die erste Person sein, die für immer den sterbenden Schwan spielen muss!“

Damit hätte ich vorher rechnen sollen. Wieso hat sich mein Körper von alleine bewegt? Darüber sollte ich allerdings später nachdenken, denn sie greift mich an und viel Ausweichmöglichkeiten besitze ich keineswegs. Zudem möchte ich die beiden geschwächten Personen ungern von einem ihrer Tritte treffen lassen, denn sie durchbohrt selbst den gepflasterten Boden mühelos. Entschwinden in den Boden oder in die Luft kann ich kein Stück, doch könnte ich den Schwan mit hineinziehen, damit der umgebene Raum sich auflöst. Ohne lange zu fackeln platziere ich mich so, dass sie ihren Kumpanen treffen muss – auch wenn es mir im Herzen schmerzt, ein solch schönes Tier verletzen zu lassen.

„Konzentriere dich auf Ladybug!“

„Vergiss es, Hawk Moth! Erst muss sie ewig leiden, damit ich Genugtuung empfinde!“

Wow, eine Ohrfeige und sie rastet komplett aus – allerdings ist rasende Wut die beste Strategie, die ich gegen sie nutzen kann. Ihr nächster Tritt trifft, nach meinem Radschlag, den ich ungeschickt ausgeführt habe, den Schwan, der schmerzhafte Laute von sich gibt und mit mehreren Saltos in dem zerstörten Teil des Kulturhauses landet. Dafür hat sie im Moment keinen Blick, denn noch bin ich ihr Ziel. Jetzt kann ich sie weglocken von den beiden, damit sie sich erholen können – hoffentlich. Plötzlich bleibt sie stehen und scheint Schmerzen zu haben, ehe sie keucht und sich erneut Ladybug zuwendet. Gerade muss etwas passiert sein, was einen Sinneswandel, nein, einen Gefühlwandel verursacht hat. Von Wut auf schmerzhafte Einsicht zu wechseln ist unnatürlich, sofern keine Situation geschehen ist, die einen direkt bewegt. So gesehen muss sie ihre Wut eher unterdrücken, denn ihr angespannter Körper spricht für meine Denkweise. Verhöhnen wäre eine gute Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit zurück zu mir zu lenken.

„Dachte ich mir doch, dass du kaum mit mir mithalten kannst, obwohl ich einen Kimono trage. Ballerinas heutzutage sind anscheinend schwach im Geist und Körper. Ah, nun weiß ich auch, weswegen Adrien bei der Aufführung eingenickt ist. Alles ergibt Sinn.“

Bebend vor Zorn bleibt sie stehen und ich muss wohl noch einige Worte nachlegen, damit sie die Habichtmotte vergisst. Chloé wäre besser darin, aber sie zu imitieren funktioniert vielleicht auch.

„Selbstverständlich könnte ich das viel graziler umsetzen im Tanz, als so eine wie du. Klobig in deinen Bewegungen, die sanft ausgeführt werden müssen. Erwartet habe ich sowieso nicht gerade viel und meine niedrigen Erwartungen wurden sogar untertroffen.“

Persönlich wird mir schlecht, wie fies ich ihre adrette Darbietung auf der Bühne niedermache – egal wer sie ist.

„Selbst Faultiere wären vielversprechendere Tänzer gewesen.“

Okay, jetzt ist sie so sehr in Rage, dass Hawk Moth nicht mehr zu ihr durchkommt und sie sich auf mich konzentriert. Eine Glanzleistung ist diese Taktik meinerseits keineswegs gewesen, aber ich möchte Ladybug Zeit zur Erholung geben und den Kampf weit weg von Adrien lenken, der noch immer energielos wirkt. Cat Noir sollte sich mal beeilen oder gibt es noch einen Gegner in Paris und die beiden haben sich aufgeteilt… Chaos pur würde ich diese Situation somit betiteln. Entgegen der vorherigen Darbietung, holt sie auf und ich muss einen Zick-Zack-Lauf anwenden, damit sie mich keineswegs so schnell erwischt. Mist, ich wäre so gerne mal einen Abend mit Adrien unterwegs, ohne solch einen Schlamassel. Knapp verfehlt mich ein kräftiger Kick, der den harten Steinboden in eine tiefere Lage versetzt sowie beinahe pulverisiert. Gefangen in der Kuhle komme ich nicht an den Rand, um diese zu verlassen – blöde Sache. Siegesgewiss werden ihre Bewegungen langsamer und sie hebt einen kleinen Brocken Erde auf, der sich in einen schwarzen Schwan verwandelt – eine hübsche kleine Figurine, die ich gerne auf einer Fensterbank stellen würde.

„Damit werde ich dich vernichtend schlagen.“

Fluchtinstinkte werden in mir geweckt und ich versuche erneut die Kuhle zu verlassen – leider rutsche ich ab. Anstatt jedoch einen harten Aufprall zu erwarten, umschließt mein Körper eine schwarze Schnur und wird hochgezogen. Oben angekommen entlässt das Band meine Hüfte und Ladybug zieht mich hoch.

„Danke für die Pause, Shirado. Aber nun verstecke dich bitte – deinen Begleiter habe ich vorhin in Sicherheit gebracht.“

Ich nicke ihr zu und suche mir ein Versteck – recht einfallslos wird es der nächstbeste Baum mit Busch, den ich finden kann. Lange hält dieses nicht, denn die Prima Terrorina ignoriert ihre Gegnerin, während sie den Baum mal eben enthauptet und einen kleinen schwarzen Schwan nach mir wirft. Relativ sicher war ich mir, dass dieses Versteck ausreichend ist, doch hat sie mich eines Besseren belehrt. Regungslos verharre ich mit großen Augen in ihrer Blickrichtung, während die kleine Figur sich meiner Brust nähert. Ausweichen kann ich keineswegs mehr und ich denke mir, dass ich einen Treffer ruhig einkassieren könnte, aber jemand stellt sich vor mich hin und bekommt den schwarzen Schwan ab – es ist zu meinem Erstaunen Ryurai. Dieser bricht zusammen und keucht erschöpft. Blut sehe ich keines und er atmet ohne pfeifende Töne, also muss diese Figurine bei einem Treffer für Erschöpfung sorgen. Anders kann ich es mir keineswegs erklären, wieso Adrien, Ladybug und nun Ryurai dermaßen kraftlos sind. Diese Macht finde ich eher übertrieben, allerdings ebenso effektvoll.

„Siegelmeister… – …verschwinde!“

Unter Schmerzen – hat er doch irgendwas abbekommen, was ich nicht entdecken kann? – steht er auf, zieht sein Katana und nimmt eine Kampfhaltung an.

„Los!“

Ihm nicke ich zu, auch wenn er mich nicht im Blick hat und überlege beim Wegrennen, wo ich mich verstecken kann. Irgendein Versteck muss es doch hier in der Gegend geben. Hätte ich Ladybug gefragt, wo sie Adrien versteckt hat, könnte ich mich zu ihm gesellen – auf der anderen Seite würde ich ihn damit in Gefahr bringen, weswegen ich diese Idee prompt verwerfe.

„Plagg, ich will aber Shirado helfen…“

„In deinem Zustand? Vergiss‘ es. Außerdem habe ich Hunger, weil du den Camembert unbedingt ihm geben musstest.“

„Hey, ich kann ja schlecht vor allen Leuten und dem scharfsinnigen Blick von Shirado dir einfach etwas geben.“

„Spare dir deinen Atem, Adrien, ich weigere mich, denn solltest du nur einen Treffer abbekommen, wäre es aus mit uns beiden.“

Adriens Stimme erkenne ich sofort – sie bringt mir ab und zu eine wohlige Gänsehaut, was er jedoch kein Stück wissen darf – während die andere Stimme neu für mich ist. Seit wann kann Plagg denn reden und eine eigene Meinung sagen, wenn er nur ein Maskottchen ist? Oder er konnte schon immer sprechen, aber nur der Blonde kann diese Funktion aktivieren. Neumodernes Zeug gibt es ja zu genüge und vielleicht hat Achromas diese Maskottchen erfunden sowie mit künstlicher Intelligenz versorgt. Bald sollte ich diesen Mann wirklich unter vier Augen sprechen, denn ich möchte ihn darum bitten ebenfalls eines zu erhalten, wenn es die gibt. Es kann auch sein, dass diese Unikate nur begrenzt von ihm entwickelt wurden – wenn ja, dann habe ich keine Chance ein Maskottchen zu erhalten, weil er an dem Projekt kein Interesse mehr zeigt. Neben mir schlägt etwas ein, was Staub aufwirbelt und ich mein Gesicht erstmal abwende, damit nichts an Stellen landet, die wichtig sind. Nachdem ich einige Sekunden gewartet habe, sehe ich zu der Stelle und bin schockiert, dass Ryurai bewegungslos dort liegt.

„All die Störenfriede sind endlich aus dem Weg geräumt – jetzt werde ich dich vernichten!“

Sogar Ladybug hat nichts mehr ausrichten können? Ihrem Angriff weiche ich aus und kann dabei erkennen, dass ein roter Pfeil mit schwarzen Punkten auf ihrem Outfit gesprüht wurde und zu ihrem Dutt zeigt. Woandershin würde dieser Hinweis keinen Sinn machen. Demnach steckt dort in einer besonderen Haarnadel der schwarze Schmetterling, den Ladybug reinigen muss. Der Glücksbringer war also eine Spraydose, aber ich habe keine Ahnung, wie ich die Haarnadel herausbekommen soll – immerhin fehlen mir Superkräfte dafür. Trotzdem greife ich einen stabil aussehenden Stock und halte ihn wie den Degen von vor zwei Tagen.

„Kaum hast du keine Rückendeckung mehr, greifst du selber zur Waffe. Mit Freuden werde ich dich leblos machen.“

Total verrückt wirkt sie auf mich, aber ich habe ihr derzeitiges Verhalten ja herausgefordert, weshalb ich eine immense Schuld trage, dass es Ryurai so miserabel geht und Ladybug…, hoffentlich geht es ihr soweit recht gut.

„Sobald alle Stricke reißen und man in die Ecke gedrängt wird, zeigt man Kräfte, die vorher nicht vorhanden waren. Dann kann sogar ein Stock genug sein, damit man mit dem Leben davonkommt. En garde!“

Kompromisslos presche ich voran und überrasche sie damit so sehr, dass ich sie treffe und somit aus dem Gleichgewicht bringe. Kurzum schlage ich ihr in die Kniekehlen und bringe sie zu Boden, bevor ich ziemlich harsch den Dutt löse sowie jede Haarnadel an mich nehme.

„Na warte! Dich erwische ich noch!“

Diese Worte ruft sie mir zu, als ich mich flott von ihr entferne, denn die wenigen Sekunden, die ich herausschlagen konnte, muss ich weise nutzen. Zum Glück hat die Überraschung geklappt, denn einen langen Kampf könnte ich keineswegs austragen. Nähern sollte ich mich nun Ladybug und bin erleichtert, als sie auf mich zukommt. Kaum sind wir nahe genug, werfe ich die ganzen Haarnadeln in ihre Richtung und sie wirbelt ihr Jo-Jo im Kreis, sodass die Wurfgeschosse in kleine Teile zerspringen. Der Schmetterling kommt aus einem der zerbrochenen Stücke und sie legt los.

„Hab‘ ich dich! Deine dunklen Zeiten sind vorbei, kleiner Akuma. Gleich musst du nicht mehr böse sein!“

Mühelos fängt sie ihn mit ihrem Jo-Jo ein, bevor sie ihn verabschiedet und ihren Spruch mit dem Wurf ihres entstandenen Glücksbringers kombiniert, sodass alles seine Richtigkeit zurückerhält. Stürmisch umarme ich sie und wünsche ihr noch einen erholsamen Abend, denn ich muss noch nach zwei anderen schauen – oder drei, je nach dem, wie viele ich vorfinde. Die Prima Terrorina war die Schwanenprinzessin, die ziemlich durch den Wind zu sein scheint und Kopfschmerzen hat.

„Es ist alles soweit in Ordnung. Gehe lieber zurück und erhole dich – die anderen machen sich sicherlich Sorgen um dich.“

Mit einem Nicken mir gegenüber macht sie sich auf den Weg und ich bemerke, dass eine Haarnadel hier noch liegt – zu unserem Glück war die besondere in meinem Besitz, als es darauf angekommen ist. Weitere Gedanken verbrauche ich nicht, denn ich nehme sie vom Boden weg und stecke sie ein – mein Gegenstand zur Erinnerung an diesen Kampf. Ryurai ist verschwunden, auch wenn ich ihn gerne vorher noch gesehen hätte, um mich zu bedanken – er hat alles gegeben. Man kann gar nichts erkennen, dass hier solch eine starke Auseinandersetzung war, was ich schön finde.

„Shirado?“

Mein blonder Begleiter gesellt sich quietschfidel zu mir und ich umarme ihn erleichtert, was ihn kichern lässt.

„Hast du mich vermisst?“

Schmollend will ich die Umarmung lösen, aber er lässt mich keinen Zentimeter zurückweichen, da er seine Arme um meinen Körper gelegt hat.

„Tja, der Abend ist gelaufen. Wie wäre es mit ein bisschen Fernsehen und Kuscheleinheiten bei mir?“

Gegen Ende wird sein Ton recht anzüglich und ich trommle gegen seine Brust mit meinen Fäusten, damit mein Gehirn keineswegs weitere Gedanken spinnt, die seine auffassen.

„Gut, ich rufe Vater an und melde mich ab. Ricardo wird mir mit Felix ein paar Kleidungsstücke sowie Schulsachen mitbringen. Jedoch bleiben deine Hände oben, denn…“

Weitere Worte meinerseits erstickt er mit einem innigen Kuss und ich gehe auf diesen ein, weil es sich zu schön anfühlt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
18 1/2 Seiten - mein bisher längstes Kapitel nach der Kürzung - kürzer treten konnte ich einfach nicht.^^'
Ich hoffe es gefällt euch und bleibt weiterhin gespannt, was kommen wird, auch wenn ich keine Ahnung habe was ihr von der Geschichte haltet.

Liebe Grüße

Patricipa Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück