Ein Mirakel zwischen zwei Identitäten von Patricipa ================================================================================ Kapitel 15: Zwei im Kasten, acht davor, sechs mittendrin, vier flankieren und zwei streiten sich – der gespielte Tannenbaum im Mai ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Zwei im Kasten, acht davor, sechs mittendrin, vier flankieren und zwei streiten sich – der gespielte Tannenbaum im Mai Beim Schubser vom Pharao – was ich ihm keineswegs verzeihen werde – erschrecke ich mich und sehe direkt in das Gesicht von Adrien, als ich hochgeschossen bin. Anscheinend hat er darauf gewartet, dass ich aufwache, weil er mich sofort küssend zurückwirft in das weiche Bett. Moment Mal! Welches weiche Bett bitte? Wir waren doch im Museum… Mein Kopf schmerzt extrem. Adrien entlässt mich aus seinem Kuss und streicht mein Gesicht, als ob ich beinahe gestorben wäre. Wie sich herausstellt, ist er nicht die einzige Person bei mir, sondern auch Vater ist hier und sitzt in einem Sessel neben dem Bett, welches ich besetze, während er sich Tränen wegwischt. Okay, die beiden haben entweder eine Schraube locker oder aber ich war wirklich für einige Momente tot. …bei meiner gedanklichen Auswahl wähle ich lieber die erste Erklärung – die ist glaubwürdiger. Der blonde Schönling lässt es sich nun nehmen mich zu belagern, denn es sind noch andere Leute in diesem Zimmer, die mich mit ihrer Anwesenheit beehren wollen, auch wenn sein Blick wie ein traurig ewiger Abschied aussieht, bevor er sich komplett von mir entfernt. Weiter kann ich mir den Kopf nicht darüber zerbrechen, denn meine Freunde und Angestellten wollen mich ebenfalls belagern, weswegen ich erst recht spät bemerke, dass er weg ist und ich mich in einem Zimmer von dem Krankenhaus befinde, wo ich schon öfter zu Gast war. Na toll, was mache ich hier überhaupt? Lange brauche ich mir den Kopf über meinen Aufenthalt hier kein Stück zerbrechen, denn ein Arzt kommt herein und schickt alle, bis auf Vater, raus, weshalb sie sich im gleichen Zug verabschieden. Netter Arzt, den ich bisher noch nicht kennengelernt habe. Dieser erklärt uns beiden prompt, dass diese zwei Tage, die wir sechs im Koma waren, zwar keine Auswirkungen auf meine Freunde hatte, jedoch auf mich. Den Schinken kann er gerne selber essen – ich möchte ihn nicht. Leider kann ich mir diesen Erhalt wohl keineswegs aussuchen und bekomme zu hören, dass mein Gehirn einige alte Synapsen mit Gewalt erneut verbunden hat, anstatt das altbewerte Prinzip zu nutzen. Wunderbar, jetzt spinnt mein Gehirn zusätzlich noch in der Realität, ohne gerade in einer Illusion oder Traumwelt festzustecken. Geschmacklich gefällt mir dieser Schinken überhaupt nicht. Generell würde ich gerade gerne einfach nur wieder schlafen und darauf hoffen, dass bei meinem nächsten Erwachen alles seinen vorherigen normalen Gang nehmen wird. Plötzlich wird der Schinken jedoch gehaltvoller im Geschmack – denn diese erzwungenen Synapsenverbindungen scheinen mir eher zu helfen, auch wenn ich einige Tage lang höllische Kopfschmerzen haben werde, bis ich mich daran gewöhnt habe. Deswegen – und wegen diesem Phänomen – werde ich einige Tage lang hierbleiben müssen. Weswegen meine Freunde das nicht müssen – die waren immerhin ebenfalls zwei Tage lang im Koma – finde ich ungerecht, weil ich alleine bin und erneut Unterricht verpassen werde. Trotzdem sagt mir der Blick von Vater, dass ich dieses Mal keinen Aufstand machen darf, sonst bekomme ich zusätzlich noch Hausarrest. Seufzend nehme ich meine derzeitige Lage unwillig hin und er kündigt an, dass ich täglich nach dem Frühstück meine Gehirnströme gemessen bekomme. Hach, was gäbe ich dafür, dass Cat Noir jetzt hereinkommen und mich entführen würde? Nun, dies würde seinen Status als Helden stark mindern und es wäre weniger hilfreich, jedoch finde ich diese Vorstellung erquickender als die vorgeschriebenen Pläne für die nächsten Tage meinerseits. Unterm Strich heißt es, dass ich eher ein Forschungsobjekt werde. Ende Februar werde ich erst entlassen und meine bisherigen Tage bleiben meistens zum Teil bestehen. Im Gegensatz zu den anderen hat mich Adrien kein einziges Mal besucht oder mir überhaupt geschrieben – in den Phasen, in denen ich zumindest wach war und nachgucken konnte sowie Besuch empfangen. Zwar hat der Arzt gemeint, dass ich kaum schlafen werde, aber ich habe immer nach der Messung bis zum Abend geschlafen, war einige Stunden wach für das Abendbrot, meine Freunde sowie Hausaufgaben, ehe ich die Nacht wieder geschlafen habe. Solch eine Zeitverschwendung! Eher müsste ich frei vom Bett und voller Tatendrang sein, aber selbst daheim kann ich diesen Ablauf nicht durchbrechen, wegen den weiteren Untersuchungen, die zum Glück erst gegen Abend stattfinden. Zu meiner Bestürzung bekomme ich auch noch zu hören, dass Adrien wieder daheim unterrichtet wird und nicht mal das Anwesen verlassen darf – außer für seine Arbeit als Model. Gemeinsame Auftritte mit mir sind erstmal auf Eis gelegt und Vater vermisst seinen ersten Freund in Paris, der sich am Telefon nur noch auf die Arbeit beschränkt – sein Grund ist, dass ich den Bogen mit den Gefahren endgültig überspannt habe und deswegen sein Sohn niemals wieder Kontakt mit mir haben darf. Ich weiß, dass er Verlustängste hat und dass ihm das Wohl seines Sohnes viel bedeutet – jedoch diese harsche Maßnahme zu ergreifen klingt absolut absurd sowie lächerlich in meinen Ohren und Gedanken. Irgendwie müssen wir alle nun mit dieser recht bescheuerten Situation zurechtkommen, die sich ausgelöst hat. Zudem darf ich mich auch noch mit angehenden „Experten“ beschäftigen, die genau wissen wollen, wie es sein kann, dass wir zwei Tage im Koma lagen und es in der Monsterwelt ein ganzes Jahr war. Darauf kann ich doch keine Antwort geben, denn ich war die meiste Zeit eingesperrt. Bücher über Zeitverschiebungen zwischen Dimensionen gab es keineswegs und ich kenne auch keines hier in unserer Welt. Neben diesen Leuten sind die Paparazzi wieder aktiver geworden. Die haben Wind davon bekommen, dass wir sechs im Koma lagen und plötzlich wieder aufgewacht sind. Besonders Adrien und mich scheinen sie gerne fotografieren zu wollen, doch da man den blonden Schönling so gut wie gar nicht mehr zu Gesicht bekommt und ich versuche so wenig wie möglich ohne diesen draußen zu sein, zeigen die bisherigen Ausgaben der Klatschzeitschriften kaum etwas – bis auf die brodelnde Gerüchteküche, dass ich schwanger wäre und deswegen wir beide uns zurückgezogen haben. Haha, irgendwie ist dieses absurde Gerücht – zumal wir viel zu jung für solch eine Aktivität der Intimität sind – nicht nur sonderbar, sondern recht erheiternd, dass man uns sogenannten Stars solchen Unsinn unterstellt. Wer ordentlich im Geiste ist, der macht diesen Schritt in einem vernünftigen Alter. Jedenfalls bleibt diese Situation im März gleich. Demzufolge habe ich ab und zu Nathaniel überreden können mit mir Zeit zu verbringen, wenn ich inkognito durch Paris gehe. Allerdings habe ich kein Stück damit gerechnet, dass auch der April genau die gleiche Situation bereithält und ich langsam unter Adrienentzug leide. Sogar Cat Noir hat kaum Zeit übrig, denn er und Ladybug müssen viel mehr Kämpfe bestreiten als vor diesem Vorfall. Für diese Kämpfe werde ich wohl nicht gebraucht, denn niemand von den verwandelten Menschen scheint von einem Infernalen besessen worden zu sein. Ansonsten bleibt mir nur das alleinige Lernen der Naturwissenschaften, was immer noch ohne meinen Nachhilfelehrer eine Katastrophe ist. Madame Mendeleiev wundert sich ebenfalls um meinen Rückfall, jedoch kann ich daran nichts ändern. Es war bisher so, dass alleine die Anwesenheit von ihm mir geholfen hat. Da ich fast nur noch deprimiert in meinen Gedanken bin, hat Nathaniel mich heute, am 30. April, dazu animiert Adrien wenigstens einen Brief zu schreiben, worauf er als Absender stehen wird, sodass eine Chance besteht, dass Adrien diesen erhält. Durch diese Idee beflügelt schreibe ich prompt vier Doppelseiten voll und bin froh, dass ich endlich alles, was mir im Kopf herumspukt und gerne mit ihm besprechen würde, aus meinen Gedanken habe. Dass ich nach zweieinhalb Monaten immer noch keine Monster bei mir wisse, macht mir das größte Kopfzerbrechen neben seiner Abwesenheit. Vom Rest meiner Gedanken in diesem Brief will ich lieber kein Resümee ziehen. Keinesfalls darf dieser Brief in andere Hände gelangen, denn dies wäre mein absolut peinlichster Untergang, den ich jemals haben könnte, obwohl mein Verschleierer meint, dass alles in Ordnung wäre. Die Spannung nach dem Abschicken kann ich keineswegs mehr aushalten und würde am liebsten das dicke Eisentor vor dem Anwesen der Agreste aus den Angeln heben, um zu wissen, was er davon hält. Vielleicht landet der Brief sofort in den Müll oder wird – gegen das Gesetz – nicht vom Adressaten geöffnet. Argh! Kann mir denn niemand sagen, dass alles seine richtigen Bahnen hat? Nachdem der Brief nun im Postkasten war, sind Nathaniel und ich noch bisschen durch Paris gegangen. Dabei hat es uns mal ein einen anderen Stadtteil gezogen, wo mich ein kleiner Laden in den Bann zieht, der alte chinesische Heilkunst bei vielerlei Problemen anbietet. An sich geht es mir ja gut, aber vielleicht kann die Heilkunst meine Trübsal wegblasen, damit ich wieder fröhlicher andere in meiner Umgebung ansehe. Somit zerre ich meinen Begleiter mit hinein und ziehe vorschriftlich meine Schuhe aus, denn der Boden hat eindeutig Tatamimatten als Belag. Zu unserem Glück scheint der Betreiber dieses kleinen Ladens gerade eine Pause zu machen, denn er trinkt Tee aus seinem Becher. „Dich habe ich erwartet, Shirado, und dich ebenso, Nathaniel:“ Er öffnet seine Augen, die er vorhin geschlossen gehalten hat – wohl um seinen Tee zu genießen – und ich bin so perplex, da ich zu spät merke, dass ich mich hinsetzen wollte und nun voran kippe, sodass ich die Teekanne auf dem Tisch mit meinem Kopf treffe, mir Schmerzen zufüge und dem alten Mann dabei den heißen Tee direkt in den Schoß gekippt habe. Dröhnende Schmerzen pochen in meinem Schädel umher, als ob sie Cowboys wären, doch der Betreiber müsste viel größere Schmerzen durch den heißen Tee erhalten haben. Gerade will ich mich richtig hinsetzen sowie entschuldigen, da hat mich mein Begleiter gepackt und hinter sich geschoben. „Woher kennen Sie unsere Namen?“ Dass bei Nathaniel die Alarmglocken schrillen wundert mich, denn vorher hat er alles noch recht entspannend gesehen. Anscheinend hat ihn die Erfahrung in der Monsterwelt geprägt – dabei wollte ich lieber, dass mir niemand der anderen erzählt hat, dass sie ebenfalls dort waren. Nähergebracht hat uns diese Erfahrung schon, aber solch ein Verhalten braucht nun wirklich er nicht bei mir an den Tag legen – dies sollte er mehr bei Marinette machen, um sie von sich zu beeindrucken. „Einen vorsichtigen Begleiter zu haben schützt dich nicht nur vor denjenigen, die hinter dir her sind, Shirado und ich danke dir dafür, dass du mir nachgegossen hast.“ Wie soll ich das denn nun verstehen? Infernale sind hinter mir her, aber Nathaniel kann ja wenig gegen diese ausrichten und sonst fallen mir nur die Paparazzi ein, sollten die mich erkennen. Apropos, er hat mich erkannt, also kann ich meine Verkleidung ablegen. „Wieso bleibst du so gelassen, Shirado? Der alte Mann kennt unsere Namen, also kann er einer von denen sein, die hinter dir her sind!“ „Ganz ruhig, Nathaniel. Wäre dem so, hätte uns schon längst angegriffen. Beruhige dich bitte und setze dich. Dieser Herr weiß von uns beiden, also kann er vielleicht ein paar Fragen beantworten.“ Wenigstens lässt er sich nach unten ziehen und wir sitzen nun gegenüber von dem alten Mann, wobei mir auffällt, dass die Teekanne gar nicht mehr auf dem Tisch in Tee liegt, sondern steht sowie die verschüttete Flüssigkeit verschwunden ist. Wir bekommen beide je einen Teebecher und er füllt diese mit dem Inhalt der Kanne. Bedankend puste ich erst etwas, bevor ich mir den Becher an meine Lippen halte und einen Schluck daraus nehme. Hmmm, grüner Tee, den trinke ich am liebsten. Bevor jemand von uns das Wort an sich reißt, hält er uns einen Artikel vor, den es vor einigen Wochen wohl in einer Zeitung gegeben hat. Dort sind Bilder von uns und ein Bericht über den Komavorfall. „Daher kenne ich eure Namen und euer Aussehen, Nathaniel. Ich bin zudem Meister Fu und es freut mich euch hier begrüßen zu dürfen. Besonders auf dich habe ich gewartet, letzter Siegelmeister.“ Okay, jetzt wird mir doch mulmig zumute, wenn er meinen wahren Status kennt. Nichtsdestotrotz lächelt er milde und meine Anspannung legt sich ein bisschen. „Etwas ausholen sollte ich wohl. Ich bin der letzte Wissende aus China, der von deinem Geschlecht weiß. Ja, der Rest der Bevölkerung hat keine Ahnung davon, dass du existierst – dies gilt ebenso für die restliche Welt. Nur einige wenige wissen von deiner Existenz. Ob sie wissen, dass gerade du der Siegelmeister bist, lassen wir außen vor, denn dies kann ich keineswegs beantworten. Auf alle Fälle bin ich kein Mensch, der hinterhältig anderer Leute Leben ruinieren will, sondern eher denjenigen helfen möchte, die nicht weiter wissen. Shirado, mich dünkt, dass du im Moment keine Ahnung hast, wie du weiter als Siegelmeister kommen kannst.“ Dies ist sogar korrekt. Meister Fu scheint einen sechsten Sinn dafür zu haben, wie Adrien, wenn es um mich geht. Dennoch finde ich es ein wenig unheimlich, dass man mir das immer so offen ansieht. „Hattest du schon Kontakt mit deinen Urahnen?“ „Hatte ich, ja. Mitsunari Ishida und Pharao Atemu mit seinem Yugi habe ich getroffen.“ Lange ist es her – da habe ich bei Adrien übernachtet und plötzlich war der Kontakt da. Ob eine Verbindung zwischen meiner Übernachtung bei ihm und meinen Erstkontakt besteht? „Aha, dann weißt du sicherlich auch, was du als Siegelmeister zu tun hast.“ „Freundschaft, Mut, Liebe, Entschlossenheit, Gerechtigkeit und Willensstärke mir aneignen, sodass das Millenniumsarmband aktiviert werden kann.“ „Interessant. Ein Relikt aus der alten Pharaonenzeit neu für dich kreiert. Zwar weißt du von den sechs Eigenschaften, aber wie du sie erhältst verschließt sich dir, nicht wahr?“ „Leider schon. Die Freundschaft habe ich allerdings schon erhalten, als die Monsterwelt von dem Bösen durch meine Zustimmung zu Vennu gereinigt wurde.“ Niemals wieder will ich einfach so in solch eine gefährliche Situation gebracht werden, ohne eine vorherige Absprache, damit ich mich darauf vorbereiten kann. Zusätzlich waren meine Freunde ebenso in der Gefahr und zum Glück geht es Ali auch gut. „Wahrlich interessant, was ein Siegelmeister ohne Miraculous erlebt hat.“ „Wie meinen Sie das denn, Meister Fu?“ „Miraculous werden an sich an bestimmte Personen verliehen, die sich als würdig erachtet haben. Dabei gibt es unterschiedliche Kriterien, die für oder gegen einen Träger sprechen. Man kann einen auch durch Vertrauen gegenüber einer bestimmten Person erhalten. Bei Siegelmeistern ist es bisher jedoch unterschiedlich gewesen, wie sie ihren Miraculous erhalten haben. Derjenige in China hatte als Kind eine besondere Waffe gefunden, die nur er heben konnte. Mut, Entschlossenheit und Willensstärke brauchte er, um dadurch seinen Miraculous zu wecken und damit das Chaos, welches damals herrschte, zu lindern. Eine komplette Linderung konnte er damals nicht erreichen, jedoch hat er das, was für das Chaos verantwortlich war, versiegeln können. Sein Tod kam unerwartet, aber seine Aufgabe hat er erfüllt. In naher oder späterer Zukunft kann es sein, dass du auch diesen Urahn von dir treffen wirst, Shirado. Der Weg von diesem Vorfahren war durch den Fund seines Miraculous geebnet – deiner hingegen scheint erst mit Prüfungen belegt zu sein und eine hast du bestanden.“ Geschichten und Informationen von einem meiner Vorfahren zu hören finde ich schon toll, jedoch entziffere ich zwischen den Zeilen nicht, was dessen Leben nun mit meinem in Verbindung bringt, außer halt den gleichen Status sowie unheimlich viel Druck mit Stress gekoppelt. Den Namen von diesem Vorfahren meinerseits zu erfahren wäre schon toll, jedoch scheint der alte Herr keineswegs daran interessiert zu sein, mir alles zu sagen. Eigene Erfahrungen zu machen stärkt einen zwar, jedoch kann ich auf einige bisherige gut und gerne verzichten. „Sie wissen recht viel, Meister Fu. Hatten Sie Kontakt mit einem Siegelmeister?“ „Oho, ich muss sagen, dass die Frage gut gewählt wurde von dir, Nathaniel. Die Antwort darauf lautet – ja und nein.“ Leicht grummelt mein Begleiter und ich muss kichern, denn so frustriert kenne ich ihn kein Stück. Argwöhnisch zu sein steht ihm irgendwie, allerdings mag ich ihn als entspannenden Ruhepol viel lieber. „Vielleicht führen Sie Ihre Antwort über den bekannten Horizont hinaus, Meister Fu.“ „Dagegen spricht sicherlich nichts. Es gab bisher sechs Siegelmeister. Der erste bekannte Siegelmeister ist um die 10.000 Jahre alt und stammt aus Australien. Vor 8.000 Jahren gab es denjenigen aus Südamerika, wonach vor 6.000 Jahren der aus Nordamerika sein Siegel kreiert hat. 5.000 Jahre ist es her seit Pharao Atemu aus Afrika, um die 1.850 Jahre ist es seit der Geburt des chinesischen Siegelmeisters her und vor gut 440 Jahren gab es den japanischen Siegelmeister Mitsunari Ishida. Nun bist du an der Reihe, Shirado, das letzte Siegel zu kreieren und in Europa den Siegelpunkt zu finden. Deine Aufgabe wird am schwierigsten sein, denn das, was versiegelt werden muss, hatte sehr viel Zeit sich auszubreiten sowie zu stärken. Darum wird es Zeit, dass ich mich dir offenbare. Man nennt mich auch den letzten Hüter der Miraculous.“ Wie bitte???!!! Hüter der Miraculous kenne ich kein Stück und davon stand auch bisher in keiner Schriftrolle oder Steintafel etwas. Baff bin ich deswegen schon von dieser Offenbarung, weil Hüter sich sicherlich eher in die Versenkung gegeben haben, anstatt damit laut herum zu posaunen. Gerade wegen so einigen schlimmen Umständen finde ich es eher befremdlich, dass er uns dies erzählt. „Und wieso öffnen Sie sich gerade uns?“ „Fürwahr mag es in euren Ohren recht befremdlich klingen, dass ich mich offenbare, jedoch drängt die Zeit, da Shirado schon richtigen Kontakt mit denjenigen hat, die hinter ihm sind.“ „Ich habe schon Kontakt? Hatte ich diesen nicht eher?“ „Nein, noch besteht der Kontakt. Leider kann ich nicht sagen wer genau es ist, aber durch das Handeln von Hawk Moth weiß ich schon mal, dass deine Gegner einen Träger der sonstigen Beschützer übernommen haben. Obwohl ein natürlicher Schutz gegen die Übernahme herrscht, scheinen die Beschützer dieses Mal anfälliger geworden zu sein oder diejenigen Übeltäter, die gegen die Versiegelung sind, sind massiv stärker geworden.“ Theorien, die mir ebenfalls in den Sinn gekommen sind, aber sicher kann man nur sein, wenn man genau weiß, inwieweit alles seinen Lauf nimmt. Vage Vermutungen haben schon einige Konflikte auf dieser Welt ausgelöst. „Meister Fu…, ich glaube kaum, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin, nichtsdestotrotz denke ich, dass es irgendwie klappen könnte. Zwiespältig an eine solch große Lebensaufgabe zu gehen sollte man niemals tun, ich weiß dies, allerdings bleibt mir keine andere Wahl, wie ich festgestellt habe. Nur möchte ich gerne meine Freunde und Familie weitestgehend von den Gefahren fernhalten, die noch kommen werden. Haben Sie einen Rat für mich?“ Entgeistert sieht Nathaniel mich an, wie ich aus einem Augenwinkel mitbekomme, jedoch wäre mir dies viel lieber, anstatt alle mit hineinzuziehen – so könnte ich nämlich Adrien wiedersehen. Zweieinhalb Monate ist es schon seit unserem letzten Kontakt her und mir geht es dahingehend mehr schlecht als recht. „Hmmm…, es ist schwierig für alle Personen zu sprechen. Aus meiner Sicht würde ich dir raten, dass du jede Person selber fragen solltest. Schicksalhafte Begegnungen tragen nicht umsonst dazu bei, ein Leben zu verändern – zum positiven wie negativen Ergebnis.“ Solch eine Antwort befriedigt mich nicht im Geringsten, denn ich glaube kein Stück daran, dass meine Familie und Freunde sich aus der Gefahr begeben würden. Hach, was mache ich nun? Erhofft habe ich mir mehr von der Antwort weswegen ich nun total auf dem Schlauch stehe. „Vom Kontext her will ich mal die Chance ergreifen und sagen, dass ich zu dir halten werde, Shirado. Immerhin hast du nach meiner Akumatisierung ebenso zu mir gehalten und auch wenn du nicht akumatisiert wirst und viele Gefahren kommen – werde ich zu dir halten. Wir sind Freunde und daran wird sich nichts ändern.“ Mir kommen wirklich viele Gedanken, bei denen Nathaniel sich in Gefahr begibt, obwohl ihm dies keineswegs gut tun wird – jedoch sieht er mich mit solch eine Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit an, die ich ebenfalls kaum bis gar nicht von ihm kenne. Lange bleibt seine Aufmerksamkeit jedoch nicht bei mir, sondern geht zurück zu Meister Fu, der die Situation wohl gutmütig belächelt hat. „Müssten Sie nicht als Hüter solche Miraculous bewachen? Und wie finden Sie heraus, wer als Träger geeignet ist?“ Warum komme ich nicht in solchen Situationen auf solche Fragen? Immer machen das andere und ich komme mir blöd vor. „Tja, ob ich welche bewache oder nicht bleibt ein Geheimnis, welches ich bisher nur Ladybug sowie Cat Noir anvertraut habe. Cat Noir und sie habe ich hier in Paris auserwählt und sie machen sich als Träger ihrer Miraculous sehr gut. Rena Rouge hingegen hat Ladybug persönlich ausgewählt, da sie mein Vertrauen dahingehend besitzt. Zudem hat sie Carapace erwählt, genauso wie sie Queen Bee eine neue Chance gewährt hat. Dennoch ist es gefährlich einen Miraculous zu besitzen, weswegen ich ungern einen herausrücke, wie diesen hier.“ Er zeigt uns eine Art Kette mit Fuchsschwanz als Anhänger, den er einfach unter dem Tisch hervorgenommen hat. Soll das jetzt heißen, dass er welche hat oder nur die fünf in Besitz hatte, wovon er zwei weggab und die letzten nun bewacht, um bei Problemfällen diese wieder auszuleihen? Argh, mein Kopf schmerzt. Muss alles auf der Welt so kompliziert sein? Kann denn niemand stumpf sagen, was Sache ist? „Trotzdem haben Sie zwei von ihnen dauerhaft vergeben – wieso?“ „Ganz einfach – ich habe gespürt, dass der Träger vom Schmetterlingsmiraculous seine Macht für das Böse nutzt und deswegen gehandelt. Bei der Auswahl der stärksten Beschützer vom Siegelmeister musste ich natürlich erst genau wissen, inwieweit die Herzen der auserkorenen Träger rein sind und mich haben beide bisher nicht enttäuscht.“ Mich ebenfalls nicht – besonders Cat Noir. Dass mir kurz warm im Gesicht wird, schiebe ich einfach auf den Tee – der allerdings nur noch lauwarm ist. Weder ihn noch Adrien sehe ich zur Zeit richtig – wobei der Held manchmal an mein Fenster klopft und mir einen Kuss zuwirft, wenn er gerade in der Nähe ist, um die akumatisierte Person zu stoppen. Irgendwie ist er lustig und charmant auf seine ganz eigene Art und Weise. An die beiden sollte ich echt weniger denken, aber es klappt so gut wie kaum – ich vermisse einfach die direkte Nähe zu beiden. Vergraben in tiefe Gedanken bringt ebenso wenig, wie dem Nachtrauern verlorener Zeit. „Kommen wir doch nun zur wichtigsten Frage – Shirado, was möchtest du speziell als Siegelmeister?“ Darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht und großspurig ausgesagt, dass ich dieses und jenes machen möchte – jedoch vor dem Vorfall mit der Monsterwelt. Jetzt sieht die Sache eher anders aus, doch kann ich Nathaniel, nach seiner wunderbaren Zusage für mich, schlecht vor den Kopf stoßen. Andererseits kann ich es wirklich keineswegs verantworten, dass jemand ohne irgendeine Kraft gegen Gegner antritt, die übermenschliche Kräfte besitzen. „…ich möchte am liebsten, dass keine solche Eskapaden existieren, damit alle in Sicherheit sind. Diesen utopischen Gedanken habe ich andauernd, jedoch ist mir klar, dass ich diesen niemals umsetzen könnte. Neben Kriege und Kämpfe sowie Streitereien kann auch Freundschaft, Liebe und Verbundenheit entstehen. Schicksal oder nicht – das Universum nimmt seinen Lauf und wir selbst sollten ebenfalls voranschreiten – ich sollte voranschreiten. Nicht nur als Idol, als Schüler, Siegelmeister und Sohn von berühmten Persönlichkeiten – sondern auch als Teil des Ganzen. Egal, welche Steine mir auf den Weg gelegt werden, ich sollte sie überwinden und somit wachsen, damit das, was auch immer kommen mag, mir nicht das nimmt, was mir wichtig ist. Auf Ihre Frage, was ich als Siegelmeister möchte – einen Weg finden, wie das Leben dieses Universums allesamt geschützt werden kann – selbst die Infernale, die eher gegen mich sind.“ Für mich war dies nun die einzig richtige Antwort – obwohl sie erneut utopisch klingen mag, da ich das Universum mit einbezogen habe. Jegliche Änderung werde ich jedoch kein Stück zulassen – diesen Weg werde ich fortan beschreiten, ohne klein beizugeben. Zumindest hoffe ich das. Konsequent solch einen Pfad zu beschreiten zehrt ziemlich stark an den Nerven, weswegen ich nicht allein handeln sollte. Da Nathaniel gerade anwesend ist, nehme ich eine seiner Hände zwischen meine beiden und drücke sie ganz fest. „Alleine werde ich diesen Pfad nicht beschreiten, sondern auf die, die mir nahe sind zählen. Gemeinsam werden wir alles geben und somit eine wunderbare Zukunft erschaffen.“ Sterben gehört dann auch zu meinem Pfad, denn es kann sein, dass ich durch mein Handeln mein Leben geben muss – jedoch würde ich das der anderen behüten. Inwieweit ich dies bewerkstellige bleibt noch außen vor, doch mangelt es mir nicht an Fantasie, um eine Möglichkeit zu finden. „Gut gewählte Worte, Shirado. Ab sofort kannst du gerne zu mir kommen, wenn du auf bestimmte Ereignisse keine Antworten findest. Sofern ich kann, werde ich dir antworten. Und dich, Nathaniel, würde ich gerne bald mal alleine hier begrüßen, denn du hast dich stark zurückgehalten, willst allerdings viel mehr wissen. Insofern begrüße ich auch dich hier, wenn du die Zeit findest.“ Anscheinend wird es wohl Zeit für uns zu gehen, denn ein Kunde kommt herein. Es kommt mir so vor, als hätte Meister Fu genau gewusst, wie lange unser Gespräch dauern würde und dass ich dieses brauche, sodass ich mich endlich wirklich festlege. Mein Begleiter und ich spazieren noch ein bisschen im Park umher, schauen kurz im Café Kalos vorbei und haben somit diesen Tag ausklingen lassen. Fünfter Mai, fünfter Tag nach dem Verschicken von dem Brief an Adrien sowie das Gespräch mit Meister Fu. Der Postbote war schon da und leider war kein Brief für mich mit dabei. Ausheulen kann ich mich bei Nathaniel keineswegs, denn er muss noch einige Entwürfe für Opa Max anfertigen, wobei ich ihn ungern störe. Alya und Nino haben ein Date, während Marinette einfach nicht zu erreichen ist. Beim Mittagessen habe ich – wie in den letzten Tagen – meist nur dem Essen beim Erkalten zugesehen oder kleine Portionen zu mir genommen, die selbst unter dem Niveau eines Kindes waren. Vater macht sich natürlich große Sorgen um mich, aber helfen kann er dabei weniger – zumal die Auswertung meines Zustandes zusätzlich uns belastet. Wer will denn auch zu lesen und hören bekommen, dass man „potentiell gefährdet“ ist verrückt zu werden? Zum Glück wird sich ein japanischer Hirnforscher mit mir befassen, denn der wird von Hosuke engagiert – damit habe ich eher die Chance kein Forschungsobjekt mehr zu sein und keineswegs als verrückt zu gelten. Manchmal sind die Methoden der Yakuza zu etwas nutze – obwohl man gegen das Gesetz verstößt. Besser macht es die Sache zwar kaum, aber ich kann mehr Freiheiten genießen dadurch, also habe ich dem zugesagt, als er mir es angeboten hat. „Spatz, du magerst noch mehr ab als sonst. Bitte iss doch mehr.“ „Weder Hunger noch Appetit verspüre ich, Vater, also hilft es recht wenig, wenn ich mich dazu zwinge zu essen.“ So gerne ich ihm die Sorgen nehmen möchte – ich kann im Moment einfach nicht anders. Dabei ist es keine Vergeltungsmaßnahme wegen einer seiner bescheuerten Regeln, sondern einfach nur, weil ich nicht essen kann. Sobald ich nur an Adrien oder den Kater denke, fühle ich mich schwer und leer – eine merkwürdige Kombination. Auf dem Weg zur Schule bin ich recht still und Ricardo analysiert mich die ganze Zeit, denn sein Blick verrät es mir. „Liebeskummer – eine wirklich schwere Krankheit, die psychosomatische Phänomene auslöst.“ „Und was willst du mir nun raten, Doktor Velez?“ „Einiges kann ich dir raten, doch du musst es dann auch umsetzen, Shirado. Zuerst einmal rufe ich bei der Schule an, dass es dir während der Fahrt zu übel wurde und dein geschwächter Zustand uns dazu veranlasst hat, dich wieder mit zurückzunehmen.“ Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten erledigt er das Telefonat, sodass ich mir blöd vorkomme – ich schwänze die Schule! Schwänzen gehört nun wirklich zu einer Tätigkeit, die niemand machen sollte – immerhin ist Bildung viel zu wichtig und war früher nur wenigen Leuten zugänglich. „Dies wäre erledigt und der Direktor wünscht dir gute Besserung. Phase 2 beinhaltet eine andere Route, als unsere jetzige. Zum Glück habe ich Felix schon vorher Bescheid gegeben.“ Grinst mein Bodyguard mich etwa schelmisch an? Hat er das von Anfang an geplant gehabt? Wehe ihm, wenn sein Plan nicht funktioniert! Wir halten an und er steigt aus, gibt mir jedoch zu verstehen, dass ich noch warten soll. Mir kommt der Ort, an dem wir halten recht bekannt vor. Gerade komme ich jedoch nicht darauf, wo wir sind. Kurz darauf steigt Ricardo wieder ein und wirkt sauer. „Plan B bei Phase 2 müssen wir nun einläuten. Halte dich gut fest – auch wenn du angeschnallt bist.“ Was hat er denn nun vor? Sein ernstes Gesicht lässt mich seinen gut gemeinten Rat prompt in die Tat umsetzen und dies keine Sekunde zu spät, denn Felix scheint gerade ein ziemlich unbedachtes Manöver einzusetzen mit der Limousine, ehe er total beschleunigt und wir gegen irgendwas donnern, was nachgegeben hat – doch der Ruck dabei hat mich ordentlich durchgeschüttelt. „Ziel erreicht. Phase 3 startet nun, Shirado. Komm‘ mit.“ Plötzlich hat er es eilig und Felix wohl ebenso, denn er steigt mit uns aus und nun weiß ich auch, wo wir sind – auf dem Vorhof vom Anwesen der Agreste. „Spinnt ihr beiden vollkommen?! Ihr könnt doch nicht einfach so einige Gesetze außer Acht lassen!!“ Das gewaltige Eisentor ist zerstört, die Limousine ebenfalls und wir haben Hausfriedensbruch begangen, weil wir uneingeladen vor dem Anwesen stehen und die beiden mich verständnislos ansehen. „Dir geht es nicht gut, da können wir beide für ein oder zwei Monate ins Gefängnis, damit du wieder so strahlst wie wir dich kennen.“ Tränen sollten mir im Moment keineswegs kommen, aber ich finde diese Geste dann schon irgendwie süß, sodass ich ihnen freien Lauf lasse und liebevoll beide als Deppen beschimpfe. Der Leibwächter, Nathalie und Monsieur Agreste sowie Adrien haben den lauten Krach sicherlich schon längst gehört und siehe da, zwei von den vier in meinen Kopf vorkommenden Personen stehen auch schon vor dem Eingang des Anwesens. Kurzerhand halten die beiden Verrückten die zwei auf, sodass ich in das Anwesen rennen kann, um den Blonden wiederzusehen. „Was hat dieser laute Krach und der Tumult zu bedeuten, Nathalie?!“ Oh, oh, Monsieur Agreste kommt verärgert aus seinem Arbeitszimmer. Zu meiner Erleichterung hat er mich auf der Treppe noch nicht bemerkt, weswegen ich jedoch trotzdem vorsichtig und leise sein sollte. Da er den Weg hinaus wählt, beeile ich mich schnell voranzukommen und klopfe an der Tür von Adrien, woraufhin nur ein genervtes Stöhnen erfolgt, mit der verärgerten Antwort, dass ich mich sonst wohin verziehen soll. Ganz klar ein Zeichen dafür, dass ich eintreten sollte und ich mache es auch stumpf. „Habe ich nicht gesagt, dass ich in Ruhe gelassen… Shirado?“ Von seinem wirklich bösartig klingenden Ausruf wechselt er zu einem eher überraschten Ausdruck, als ob er es kein Stück fassen könnte, dass ich tatsächlich in seinem Zimmer stehe. Na ja, von einem Zimmer kann nicht die Rede sein – es ist zu einem Drecksloch geworden und er hat sich nicht mal die Mühe gemacht sich anzuziehen oder zu duschen, wie ich gerade zu riechen bekomme. Allerdings ist es egal, denn er umarmt mich und ich ihn – wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen. Intensiver wird seine Umarmung zusätzlich noch, als er realisiert, dass es wirklich ich bin, der bei ihm ist und mir wird von der Kraft sowie dem Geruch schlecht. Nach einem harten Training zu müffeln kenne ich von ihm – das macht mir nichts aus, sondern gefällt mir sogar, aber der Gestank scheint eher länger Zeit gehabt zu haben sich zu entwickeln. Am liebsten würde ich die Umarmung deswegen lösen, aber er fängt an zu weinen und dies berührt mein Herz einfach, sodass ich ihn ein wenig fester umarme. Zeitlich gesehen habe ich keine Ahnung wie lange wir umschlungen herumstehen – es fühlt sich, simpel ausgedrückt, richtig an. Langsam lösen wir uns voneinander und genießen die Nähe zueinander einige Augenblicke noch, bis die Tür aufgerissen wird und Monsieur Agreste eintritt – ziemlich wütend. Bevor er irgendwas sagen kann, prescht Adrien vor und verpasst seinem Vater einen heftigen Faustschlag in den Bauch. Okay, diese Szene finde ich grotesk und keineswegs gut, weshalb ich mich beeile und zwischen den beiden Agreste mich schützend stelle. Tief und traurig blicke ich in die Augen von dem blonden Schönling, der innegehalten hat und schleichend beginnt zu realisieren, was er gerade getan hat. Es mag aus einem Affekt passiert sein – dennoch sprechen die Fakten gegen ihn – er hat seinen Vater in den Bauch geboxt und dies mit einer Kraft, die diesen selbst überrascht hatte. Geistesgegenwärtig scheint Monsieur Agreste noch zu sein, aber sein schmerzhaftes Keuchen schmerzt mir in der Seele. Niemals wollte ich eine Person sein, die sich zwischen eine Familie drängen will – leider ist dies nun geschehen. „Geht es, Monsieur Agreste?“ „Ja. Dass mein eigener Sohn mich mit solcher Wucht schlägt, hätte ich nie für möglich gehalten. Ugh!“ Den großen Mann braucht er keineswegs zu spielen, ich merke doch, dass es eben nicht geht. Sollte ich ihn berühren, um ihn in eine angenehmere Position zu bringen? Meine Hand, die sich ihm nähert, wird weggezogen und zwar von Adrien. „Papa, ich werde mich für diesen Schlag nicht entschuldigen, denn den hast du verdient. Ich halte es nicht mehr aus! Denkst du, dass ich Mama nicht ebenfalls vermisse? Glaubst du wirklich, dass ich mir keine Sorgen mache, weil du ständig arbeitest und mich alleine lässt? Im Gegensatz zu dir habe ich jedoch jemanden gefunden, mit dem ich über alles reden kann, bei dem ich mich wohlfühle und den ich liebe. Selbst du weißt, wie sich Liebe anfühlt und was man auch für Dummheiten anstellt, damit man zusammen sein kann. Heute ist das beste Beispiel dafür. Alles, was ich seit dem Verschwinden von Mama gemacht habe, habe ich für dich getan, Papa, doch ich kann nicht mehr so tun, als ob alles in Ordnung wäre, wie es zur Zeit ist. Shirado mag zwar ein Magnet für Ärger sein und viele Gefahren anziehen – trotzdem will ich nie von seiner Seite weichen. Zusätzlich habe ich Freunde gefunden, mit denen ich Spaß habe und mich ablenken sowie erheitern, sollte ich es brauchen. Bitte, Papa, siehe ein, dass ich frei mein Leben leben möchte.“ Am Ende kniet er vor seinem hin Vater und sieht ihn direkt an. Wie sein Gesichtsausdruck ist, kann ich nur über die Reaktion von Monsieur Agreste erahnen, denn bei diesem spricht die pure Überraschung so einige Bände. Kaum sind einige Sekunden vergangen, liegen sich beide im Arm und damit wäre diese kritische Situation ein wenig abgemildert. Nun stehe ich hier wie bestellt und nicht abgeholt da. Unangenehm ist es mir schon. Nachdem beide sich wohl genug im Arm gelegen haben, stehen sie auf und die Aufmerksamkeit beider lenkt sich auf mich. „Mademoiselle Fleur, mein Sohn und ich haben noch einiges zu klären. Daher bitte ich darum, dass Sie unverzüglich mein Grundstück verlassen und für den Rest der Woche nicht hier erscheinen.“ „In Ordnung. Entschuldigen Sie bitte diesen Aufruhr, aber Ricardo und Felix haben sich das ausgedacht – natürlich werde ich für den entstandenen Schaden aufkommen.“ „Gewiss werden Sie das.“ Ob ich nun noch tiefer bei ihm gesunken bin oder nicht, ahne ich keineswegs, jedoch wirkt Adrien zufriedener auf mich und ich fühle mich ebenfalls besser. „Und Ihr Brief war sehr informativ.“ Knallrot beeile ich mich lieber von hier wegzukommen, denn mit solch einer Aussage habe ich keineswegs gerechnet und mir ist der Inhalt sowieso schon peinlich genug beim Schreiben gewesen. Weil er über eine Anzeige hinwegsieht, übersehe ich auch seinen Gesetzesbruch. Es sind nun zwei Tage seit meinem Wiedersehen mit Adrien vergangen und alles hat fast seinen gewohnten Gang eingenommen. Vater ist wieder glücklicher, da Monsieur Agreste sich privat bei ihm gemeldet hat, Adrien kommt ab nächster Woche wieder in die Schule – also nur noch drei Tage – und darf wieder freier seine Tage verbringen. Soweit ich es korrekt verstanden habe bei unserem letzten Telefonat, haben die beiden eine Übereinkunft geschlossen, damit sie den anderen besser verstehen sowie respektieren. Ein Glück, denn ich hatte bei dem einen festen Faustschlag echt das Gefühl, dass Adrien seinen Vater nicht mehr ausstehen kann. Deswegen finde ich es so wunderbar, dass dem nicht der Fall ist. Trotz des ungestümen Verhaltens von Ricardo und Felix – wobei ich auch noch mitgemacht habe im Endeffekt – bleibt alles wie gehabt. Das Eisentor vor dem Anwesen der Agreste ist wie neu und die neue Limousine fährt nur mit elektrischer Ladung, was mir persönlich sehr gut gefällt. Immerhin will ich die Umwelt keineswegs mehr belasten, als unbedingt sein muss. Dass ich nun auch wieder im normalen Maße – für mich zumindest normal – esse, lässt Vater zudem beruhigter in den Tag starten. Heute jedenfalls hat Yuura mich stumpf mitgenommen, weil er nicht alleine bei all den Spielerfrauen sein wollte. Zu meinem Unglück scheint Joel einen guten Freund in einem Fußballteam zu haben und dieser hat zu wenige Auswechselspieler, sodass er freundlicherweise eingesprungen ist. Achromas hat heute jedoch eine Präsentation und Testung seiner neusten Errungenschaft, weswegen ich herhalten musste und dabei finde ich Fußball null bis gar nicht interessant. Einige Sportarten dienen echt nur dazu herum zu pöbeln und den harten Macker heraushängen zu lassen. Andere wiederum, wie Kendo, dienen der Ehre und diese finde ich wiederum interessant, da das Fechten dem ähnelt. Hier wiederum fehlt jegliche Eleganz und Struktur. Obwohl ich keine Ahnung habe, hat eine Mannschaft schon jetzt keine Chance, denn sie besteht fast nur aus Muskelbergen. Woher stammt die überhaupt? Bewusst zugehört habe ich nämlich kein Stück. Nur die Mannschaft, in der Joel heute aushilft, hätte gute Chancen, weil sie eine ausgewogene Mischung haben und trotz der gegnerischen Muskelberge keine Unsicherheit an den Tag legen. „Joel! Joel!! Joel!!!“ Kurzerhand ziehe ich Yuura wieder auf seinen Platz, doch der macht unbeirrt weiter, bis sein Angebeteter tatsächlich zu ihm sieht – schon schmilzt der Dunkelgrünhaarige dahin. Beide sind dermaßen heftig in Liebe, dass anderen dabei schlecht werden könnte – ich finde es, simpel ausgedrückt, eher zauberhaft. Also, die Muskelberge tragen blau-rote Trikots mit weißen kurzen Hosen, während Joels Mannschaft dunkelgrün und weiß trägt, wobei die schwarzen kurzen Hosen das gut abdecken, was die Farbgebung hergibt. Zwischen den ganzen Spielerfrauen sind nur wir zwei zu finden, was mir schon mulmig werden lässt – alle sehen aus wie verzogene Barbies, die sich einen Dreck um andere scheren, sondern nur an sich denken. Anscheinend stehen Fußballer auf diese Art Frauen – es ist nicht meine kleine Welt, sondern deren. Immerhin hat Yuura den Feuereifer wieder zurück und fiebert regelrecht mit – allerdings auch nur, wenn Joel am Zug ist. Hätte ich mir doch etwas zum Lesen mitgenommen, denn ich sterbe fast vor Langeweile. Niemand macht eine elegante Bewegung oder nutzt eine richtige Finte. Würde jemand den Ball zwischen seine Füße festklammern und mit einem saftigen Sprung über einen Gegner hinwegkommen, wäre das Spiel ein bisschen interessanter gestaltet. Mir fallen so einige Bewegungen ein, die passen könnten, allerdings kenne ich weder die Regeln noch sonst irgendwas – nur, dass der Ball in einen der Kästen muss und die Männchen kleine Hampelmänner sind, die diesem Ball hinterherrennen. Jeder hat zwar seinen Geschmack, doch könnte ich ehrlich nichts daran finden, was gut wäre, zumal der Kommentator einen auf den Wecker geht sowie das Verletzungsrisiko regelrecht hoch zu sein scheint. Wenigstens Joel macht konsequent eine gute Figur und kommt erst kurz vor der Halbzeit, wie die Pause genannt wird, ins Schwitzen, trotz seiner andauernden Performance. Kaum will ich Yuura fragen, was wir in der Zeit machen sollen, da ist er auch schon verschwunden. Ah ja, Joel wird jetzt wohl belagert werden, weswegen ich etwas Ruhe erhalte, damit ich in den Himmel sehen kann. Leider bleiben die Tage länger hell und es wird wieder heißer – da kann man ja nur Depressionen bei kriegen. Angenehmes Wetter wäre besser, doch mit der Erwärmung unseres Klimas kann ich darauf wohl leider lange hoffen – eine Schande. Heute Abend geht das Wetter noch, da wir unter eine Abdeckung sitzen, aber diejenigen ohne müssten tierische Hitze ertragen. Zudem sieht es so aus, als ob wir bald Regen erhalten werden – darauf hoffe ich sehr. Paris ist einfach viel zu heiß, doch dies hat jede Großstadt als Problem. Zerzaust und mit weißer Creme um den Mundwinkel taucht Yuura wieder neben mir auf, was die Barbies erschreckt, weil es plötzlich passiert ist. Bei seinem Aussehen könnte man sich seinen Teil denken, jedoch glaube ich kaum, dass beide in den fünfzehn Minuten mal eben eine Nummer geschoben haben – viel zu wenig Zeit. „Hier, Shirado, ich habe dir einen Kokosshake mitgebracht.“ „Danke, Yuura. Was hast du in der Pausenzeit überhaupt gemacht? Du warst auf einmal weg.“ „Ich habe Joel in der Duschkabine überrascht, wir hatten eine kurze Kuschelstunde und sind dann Milchshakes holen gegangen, um diese zu schlürfen – aber alles aus Kokosmilch natürlich. Kurz vor dem Ende haben wir noch ein bisschen geknutscht und dabei habe ich aus Versehen meinen restlichen Milchshake zwischen uns fließen lassen, sodass wir schnell mit Wasser notdürftig unsere Kleidung gereinigt haben. Hach, Joel wird immer so wild und fordernd, wenn seine kämpferische Seite geweckt wurde – ein Traum.“ Knallrot wende ich mich lieber dem Spielfeld wieder zu, denn mir waren das doch zu viele Informationen auf einmal. Allerdings habe ich nun eine neue Seite von Joel zu hören bekommen, für die Yuura nur schwärmen kann – wie an sich für alles bei ihm. Die sogenannte zweite Halbzeit zeigt ein vollkommen anderes Bild als vorher – das Team von Joel zeigt eine strategische Performance, wie ich sie vorhin vermisste. Ihre Positionen sind dieselben, doch ihre Dynamik eine vollkommen andere – wie ein Trupp aus einer Armee, der einer besonderen Aufgabe zugedacht war. Ihr Eindringen in die andere Seite können die Muskelberge nicht verhindern und durch eine geschickte Ballübergabe haben sie das erste Tor geschossen. Der Prozess war für wohl so einige recht überraschend gewesen, denn es dauert – sogar beim Kommentator – bis eine Reaktion erfolgt. Somit steht es 0:1 für Joels Mannschaft, was ihren Gegnern keineswegs schmeckt. Für einen Moment habe ich das Gefühl, wieder im Visier von dunklen Mächten zu sein, doch verschwindet es genauso flott wieder, wie es aufgekommen war. Es kann sein, dass ich mir zu viel einbilde. Keineswegs bilde ich mir jedoch ein, wie die Muskelberge plötzlich flinker wirken und damit sich einen Vorteil ergattern sowie ebenfalls ein Tor schießen. Mit solch einem anderen Verhalten hat wohl niemand im Stadion gerechnet, der nicht zum Team gehört. Gleichstand lässt Joel allerdings nicht zu, denn er schafft es so weit ins gegnerische Gebiet hineinzukommen, dass er einem Teammitglied den Ball zuspielen und dieser einen Punkt macht. Beim Gegenangriff schafft es Yuuras Göttergatte – oder eher Götterverlobter – den Schuss mit einem Fallrückzieher – wie der Kommentator diesen Trick genannt hat – über das gesamte Spielfeld zurück zu pfeffern und damit sogar ein Tor zu schießen. Wow, das war wirklich interessant und toll mit anzusehen, denn er hat die brachiale Wucht des Schusses in seinen Konterschuss mit einfließen lassen. Sportlich, athletische Figur, über 1,90 m groß, gutaussehend und ehrgeizig – Joel macht als Sportler eine viel bessere Figur wie als Kellner. Hmmm…, wieso macht er sein sportliches Talent nicht eher zu einer Karriere? Yuura bekommt nicht genug von ihm zu sehen und spüren in diesem Stadium der Verausgabung, sodass die Liebe der beiden noch feuriger werden könnte dadurch. Oder hat es einen anderen Grund? Wenn ich mir Yuura so ansehe – genauso zierlich und zart wie ich – dann würde dieser eher in meinem sportlichen Bereich tätig sein und dies würde für die Beziehung der beiden schwer werden – besonders wegen ihrer tonnenschwere Liebelei, die man jedes Mal mitbekommt, die allerdings total süß und rein ist. Sollte ich Joel sein, würde ich mehr bei Yuura sein wollen, da dieser unbedarft und naiv durch die Welt streift, weswegen wohl ein Job, der das Talent von dem Dunkelgrünhaarigen unterstützt am besten zur Wahl steht – Kellner. Also ehrlich mal – beide sind das wunderbarste Paar, welches ich jemals zu Gesicht bekommen habe – selbst die im Theater oder in Büchern sind nichts gegen die beiden. Erneut gerate ich ins Schwärmen um die zwei, die wahrlich einzigartig sind – aus meinem Blickwinkel zumindest. Die letzten Minuten verändert sich das Verhalten der Muskelberge erneut und sie werden…, ich traue meinen Augen kaum, größer. Größer werdende Muskelberge? Dies kann ja nur wieder das Werk der Infernale oder Hawk Moth sein – wobei Letzterer bisher maximal zwei gleichzeitig akumatisiert hat, was ich zumindest mitbekommen habe. Alya hat wirklich alles auf ihrem Ladyblog drauf, was es über die Superhelden zu wissen gibt. Bis zur letzten Minute schaffen die Spieler von Joels Mannschaft es, die Muskelriesen aufzuhalten und gewinnen das Spiel. Der Schiedsrichter, der das Spiel abpfeift, wird von einem von den Großen weggeschlagen, sodass dieser bewusstlos an so einer Werbetafel zusammenbricht. Sicherheitsleute wollen den Spieler vom Platz verweisen, doch geraten alle von ihnen in eine Art Raserei, sodass so einige stark verletzt irgendwo auf dem Feld liegen. Panik bricht aus und als ob dies nicht genug wäre, schießen die Aufrührer noch merkwürdige Bälle um sich. Wer getroffen wird, verschwindet und wer weiß wohin. Einer dieser Bälle fliegt in unsere Richtung und ich bereite mich innerlich auf den Zusammenstoß vor, doch bleibt dieser aus, denn Yuura hat sich vor mir hingestellt, eine Hand ausgestreckt und kurz davor hat der Ball in der Luft schwebend angehalten. Die Katzenohren und den Schweif kann ich wieder sehen und frage mich nun wirklich, ob ich noch träume oder dies die Wirklichkeit ist. Bedankend suche ich nach einem Versteck und er verschwindet, damit er wohl Joel irgendwie unterstützen kann. Einige Einschläge von Bällen, die ihr Ziel verfehlt haben, kann ich in meiner Nähe hören, wie fühlen. Sehr unangenehm, wenn man den Krach und das kleine Erdbeben zusätzlich selbst im Inneren des Körpers spürt. „YUURA!!!“ Joels Gebrüll vom Namen seines Liebsten lässt mich dann doch aus meinem Versteck kommen, denn ich muss doch wissen, wie es meinen Angestellten geht und der Beschuss hat zeitgleich aufgehört. Weder den Dunkelgrünhaarigen noch Joel kann ich erkennen, nur noch ich bin hier im Stadion und die bewusstlosen Verletzten. Wohin sind denn die Riesen verschwunden? Nichts deutet mehr auf diese hin, was schräg ist, denn die können doch nicht ebenfalls einfach verschwinden. Haben die sich tatsächlich selber abgeschossen? Möglich wäre es schon, denn das Klischee würden sie leider bedienen. Nichtsdestotrotz finde ich es gruselig hier im Stadion zu sein, wo sonst niemand wirklich da ist. Ob die Rettungskräfte es hierhin schaffen? Hoffentlich würden sie es, denn ich weiß nicht, ob Ladybug sowie Cat Noir gegen eine Fußballmannschaft gewinnen können. Helfen kann ich dabei ebenso wenig. Manchmal kotzt es mich schon an, wenn ich in solche Situationen komme und keine Hilfe bin. Am besten gehe ich erstmal aus dem Stadion heraus, kontaktiere zur Sicherheit die Rettungsdienste und versuche möglichst weit weg von der Gefahrensituation zu sein. Gedacht und umgesetzt habe ich nun alles und befinde mich auf dem Heimweg. Ricardo hat heute frei und der Ersatzbodyguard wurde wohl erwischt, da ich ihn nicht auf seinem Handy erreiche, weswegen ich nun alleine durch Paris streife – wobei alleine wirklich wörtlich genommen werden kann, da ich keiner Menschenseele begegne oder einem Tier. Paris komplett zu einer Geisterstadt geworden – dies wäre die Schlagzeile für sämtliche Nachrichten. Langsam bekomme ich es dann doch mit der Angst zu tun, wenn wirklich niemand zu sehen oder hören ist. Irgendwas zischt an mir vorbei und lässt einige Meter weiter eine tiefe Kuhle in der Straße zurück. Schlimme Befürchtungen kommen in mir auf und ich drehe meinen Kopf zur Seite, ehe ich aus den Augenwinkeln tatsächlich einen der großen Muskelberge ausmachen kann, der einen weiteren Schuss ansetzt. Lieber hechte ich mich hinter ein Auto und suche fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit, denn von solch einem Schuss getroffen zu werden ist keineswegs gut für die Gesundheit. Das Auto wird getroffen und kippt dabei zur Seite – somit, wie es das Schicksal wohl meint, direkt in meine Richtung. Sieht man solche Situationen in Filmen oder Serien oder liest sie in Büchern, denkt man sich sicherlich, wieso der Charakter gerade in diesem Moment sich kein Stück bewegt. Genau in diesem Moment weiß ich warum – der Körper verarbeitet mit dem hohen Adrenalinhaushalt zu viele Daten auf einmal, sodass die Nerven und Muskeln nicht wissen wohin sie sollen. Allgemein bezeichnet man das wohl als situative Lähmung des Körpers oder so ähnlich. Ahnung davon habe ich wenig und im Moment eher andere Sorgen. Kurzerhand beende ich gedanklich mein Testament, als sich jemand zwischen meinen Körper und das umkippende Auto stellt, dieses kurzerhand in mehrere Teile zersäbelt und sein Katana gelassen wegsteckt. „Kannst du aufstehen, Siegelmeister?“ Diese Tonlage und Stimme kommen mir bekannt vor, wie gleichzeitig nicht, doch habe ich in dieser Situation keine Zeit mir Gedanken über wirklich alles zu machen. Zudem hat mich der Unbekannte mit dem Wort betitelt, was für viele Probleme bisher gesorgt hat. Einer Antwort bleibe ich ihm wohl schuldig, da er mich gerettet hat, und nicke auf seine Frage hin, allerdings halten mich meine Beine irgendwie nicht mehr so, wie vor einigen Sekunden noch. Der Samurai bemerkt es, beugt sich runter und zieht mich hoch, ehe er mich auf seinen Rücken hievt und somit Huckepack nimmt. Sein Schwert in der Scheide stützt mich von unten, während er mir sagt, dass ich mich festhalten soll. Zu gerne erfülle ich seine Anforderung und er springt auf das Dach des Hauses neben uns, um über die Dächer dem Fußballer zu entkommen. Lange braucht er dafür keineswegs, aber er rennt fast bis zur Stadtgrenze, bevor er runterspringt und mich absetzt. Danach wird es merkwürdig, denn er tastet mich nach Verletzungen ziemlich nervös ab, bis er erleichtert seufzend von mir ablässt. „Dir geht es also gut, da bin ich erleichtert.“ „Wer sind Sie?“ Eine erwachsene Person siezt man bekanntlich erst, bis das Du angeboten wird, aber mir wäre beinahe Letzteres aus dem Mund gekrochen. Seine Rüstung sieht aus wie aus Jade gemacht, mit einigen Stellen aus Stahl sowie Verzierungen aus Legierungen, die zu einem Drachen passen. Die Maske umschmeichelt nicht nur seine Augenpartie, sondern ebenso die Mundpartie, was ebenfalls einem Drachen ähnelt. Der Helm trägt sein Übriges dazu bei, sodass ich hier einen Drachensamurai vorfinde, der mich gerettet sowie als Siegelmeister betitelt hat. Skeptisch nachhaken, wer die rettende Person ist, darf man da wohl. „Ich bin Ryurai, ein Samurai im Dienste des Siegelmeisters dieser Zeit. Anders als Ladybug und Cat Noir gehöre ich der Zusatzgruppe an, die an vorderster Front gekämpft haben. Mein Miraculous ist jedoch ein Teil vom vorherigen Siegelmeister, Mitsunari Ishida, und zwar der Drache. Für weitere Fragen haben wir jedoch keine Zeit, denn wir müssen dich weit weg von hier bringen und die Situation abwarten.“ Mitsunaris Miraculous ist also in vier Teile geteilt worden und er trägt den Drachen bei sich, den östlichen Beschützer. Kein Wunder, dass Opa und Vater diesen keineswegs gefunden haben bisher. Damit fällt es wohl weg, dass ich diesen Miraculous nutzen kann. Wunderbar, ich bin noch mehr aufgeschmissen als eine Schildkröte auf ihrem Rücken. Dass er jedoch abwarten und Tee trinken will, passt mir kein Stück in den Kram. „Ein Held hat das Ziel alles Leben zu beschützen und sich nicht wie ein Feigling zu verkriechen, um eine Situation auszuharren. Andere riskieren ihr Leben, damit wiederum andere leben können, also wird hier nicht abgewartet, sondern losgelegt! Los! Abmarsch, Ryurai! Helfe Ladybug und Cat Noir gefälligst anderen zu helfen!“ Ihn will ich in Richtung Stadtkern schieben, doch rührt er sich keinen Millimeter von der Stelle. Wieso sind muskulöse Typen schwer in eine Richtung zu bekommen? Kurz gibt er nach, sodass ich aus meiner Position stolpere, aber sonst passiert nichts, außer einem amüsierten Lachen von ihm. „Siegelmeister, ich muss an sich nur gehorchen, wenn du verwandelt bist, aber ich werde eine Ausnahme machen und mich deiner Vorstellung eines Helden beugen.“ Will der Kerl mich zur Weißglut bringen?! Solch einen Helden würde ich am liebsten in den Kindergarten schicken, damit er dort bessere Manieren lernt oder noch besser zurück zu seinen Eltern, da diese für die Erziehung verantwortlich sind. Jedenfalls springt er wieder auf ein Dach und verschwindet geschwind aus meiner Sicht, während ich nun wie bestellt und nicht abgeholt irgendwo am Rand von Paris bin. Toll, wie komme ich nun zurück in den mittleren Bereich, wo ich wohne? Hätte mich der eine Fußballer nicht gefunden, wäre ich in aller Ruhe daheim geblieben und somit in Sicherheit, wie man mir es zigmal gesagt hat, aber nein, da will ich mich mal daran halten und wird weit weg ausgesetzt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu Fuß den weiten Weg anzutreten, doch kaum biege ich in eine Straße ein, trifft mich etwas und mir wird schwarz vor Augen. „Shirado!“ Laut und deutlich höre ich meinen Namen und öffne daraufhin meine Augen. Yuura sieht mich erleichtert lächelnd an und scheint eine Sorge weniger zu haben. Wo bin ich überhaupt gelandet? Och ne, der Rostturm ist über uns, also sind wir zwischen seinen vier Füßen in einer Art Blase gefangen. Die erste Frage, die sich mir stellt ist, weswegen noch niemand versucht hat die Blase zum Platzen zu bringen. Kurzum frage ich Yuura das und der erzählt mir, dass die Blase nicht platzt, aber man hinauskann, nur wird man direkt mit einem Schuss getroffen und landet wieder hier, weshalb keine Flucht stattfindet. Sicherlich ist halb Paris schon hier drinnen und es kommt niemand der Gedanke mehr an Flucht, nur weil es bei ein paar wenigen keinen Nutzen hatte? Joel kommt zu uns und wirkt ebenfalls eher erleichtert mich zu sehen. Anscheinend haben die beiden sich Sorgen um mich gemacht, weil ich bewusstlos war. Noch jemand fällt in die Blase, wie wohl ich vor einiger Zeit und es handelt sich um Cat Noir, der selbstverständlich direkt auf meinen Körper landet. Zu meinem Glück bleibt er nur einige Sekunden auf mir, bevor er sich schnell runterbewegt. Einige weitere braucht er jedoch, um zu erkennen, dass ich es bin und er charmant sowie galant mir aufhelfen will. Dabei geht mir direkt Adrien durch den Kopf, der die gleiche Gestik und Mimik bei mir genutzt hat. Weswegen sind die beiden sich so dermaßen ähnlich? Ryurai hat mich ein bisschen an Vater, Hosuke oder Keisuke erinnert, doch die Größe und Masse stimmen nicht überein. Es hat wohl den Anschein, als wäre ich doch härter getroffen worden als gedacht. Kaum stehe ich, umarmt mich der Kater und bringt meinen Körper in eine seitliche Lage, sodass er mich romantisch küssen kann. Gerne würde ich in diesem versinken – zumal es sehr lange her war – aber ich muss ihn an seine Aufgabe als Beschützer von Paris erinnern und dass hier sehr viele andere glotzen, als würden sie niemals im Leben zwei sich Küssende gesehen haben. Liegt vielleicht auch daran, dass es sich hierbei um Cat Noir handelt, der mich küsst, als würde er diese Tat wie die Luft zum Atmen brauchen. „Schön Euch wohlbehalten wiederzusehen, Mylady.“ „Lass‘ den Schwachsinn, Katerchen, sonst habe ich ab morgen Drohbriefe aller Art in der Post, nur weil du mich vor halb Paris küssen musstest.“ „Ich dich auch, Shirado.“ Grinst der glücklich und dumm vor sich hin, während ich einige scharfe Blicke in meinem Rücken zu spüren bekomme. Die Klatschpresse wird davon sicherlich mehr als nur gut profitieren. Meinem Schicksal ergebe ich mich in diesem Moment und gebe dem Charmebolzen einen kurzen Kuss zurück, ehe ich einen guten Schritt Abstand halte. „Was machen wir jetzt?“ Von meiner Seite aus gesehen eine berechtigte Frage, die ich ausgesprochen habe, denn hier herumlümmeln kommt gar nicht erst in die Tüte. „Du bleibst schön hier, Shirado, denn da draußen ist es viel zu gefährlich für dich.“ Muss der Kater mich nun bevormunden und wieso stimmen meine Angestellten ihm auch noch zu? Gemeinheit! Bietet man seine Hilfe an, wird sie abgelehnt. Fordert man, dass man helfen will, wird man abgewiesen. Bittet man helfen zu dürfen, wird man übergangen. Steht nur noch aus, dass man einfach handelt, ohne auf die anderen zu hören. Leider merken die drei, was ich machen würde und deswegen kann ich die Idee ebenfalls in den Eimer werfen. „Dieses Mal sind sie nicht hinter dir her, Shirado, also brauchst du nicht schmollen, auch wenn dich das niedlich macht.“ Muss der Held frech werden? Bei seinem Kommentar werde ich leicht rot und wende mich ab. Meine Röte muss er jetzt nicht sehen, das macht nur sein großes Ego noch größer. Weil ich auf die Bank verbannt wurde, schaue ich mich halt um und sehe, wie Ladybug gerade versucht gegen die Muskelberge anzukommen, allerdings daran scheitert und wie es so kommen muss, landet sie in der Blase direkt auf meine Wenigkeit. Zweimal in einer zu kurzen Zeitspanne schadet dann doch mehr, als es sollte. Sie braucht länger als der Kater, damit ich keine Last mehr auf meinem Körper spüre, aber sie hilft mir genauso schnell wieder auf wie ihr Kollege. Nun sind die Helden ebenfalls in der Blase und Ryurai kann ich nirgendwo sehen. Wo steckt der Samurai bloß? Kurzweilig erkläre ich ihr die Lage und sie wundert sich genauso wie ich darüber, dass dieses Mal niemand hinter mir her ist, obwohl alle Anzeichen dafür sprechen. Ohne weitere Umschweife aktiviert sie ihren Glücksbringer und er verwandelt sich in eine Torwand, die sich vor die Blase aufstellt. Okay, dass der Glücksbringer mal kein handliches Element ist, habe ich bisher auch noch nicht erlebt. Allerdings scheint diese Torwand die Muskelberge anzuziehen, denn sie ballern einfach drauf los. Wusste ich es doch – Klischee erfüllt. Es bleibt nur noch die Frage, was wir nun machen sollen, da die Torwand nur eine Ablenkung zu sein scheint. Stumpf gehe ich aus der Blase heraus und mit mir passiert rein gar nichts, also können wir die Zivilisten zur Flucht anregen, was einigermaßen gut klappt, denn die rennen wie die Verrückten weg und schreien dabei auch noch. Viele Menschen scheinen einfach nur masochistisch bescheuert im Kopf zu sein. Bei einer Flucht ist man leise und versucht unsichtbar zu bleiben. Dass sie nochmals gefangen werden gönne ich ihnen somit nur zu gern. Dummheit muss man einfach bestrafen, sonst lernt niemand daraus. Auf alle Fälle können die beiden Helden erneut loslegen und Yuura scheint helfen zu wollen, denn er lässt von den Muskelbergen einige schweben sowie mehrmals aufeinanderprallen, damit sie wohl außer Gefecht gesetzt werden. Dieser Ablauf geschieht kontinuierlich, bis das komplette Team geschafft am Boden liegen bleibt. Kein Infernaler ist bisher erschienen, weswegen ich mich wundere, denn die Zeit drängt für Ladybug. Das Fußballteam schrumpft auf ihre vorherige Größe und einige kleine wabernde Tropfen kommen aus ihren Körpern, die sich zusammenraufen und eine Gestalt entsteht, die einem Teenager in unserem Alter gleichen könnte. Nein, sie wird noch größer und gleicht eher Joel. Mein selbsternannter Held in schwarzer Rüstung will mit seinem Kataklysmus loslegen, aber ich stoppe ihn, denn der Infernale weint und gibt eine jämmerliche Gestalt ab, was mein Herz berührt. Sicher bin ich mir zwar kaum, aber dieser Infernale scheint wirklich kein Interesse an mir gehabt zu haben und wollte nur Fußball spielen. Sollte ich damit richtig liegen, dann könnte ich vielleicht einen Schritt weiter auf meinem gewählten Weg gehen. „Hey, ähm…, Infernaler. Wir tun dir nichts.“ Demonstrativ nutzt der Kater seine gefährliche Kraft an einer Parkbank, die somit zerfällt, als hätte sie niemals existiert. Dies lässt die Gestalt innehalten und uns ungläubig ansehen. „Du wolltest ein Fußballstar werden, oder?“ Es nickt und spricht in einer Sprache, die ich keineswegs verstehe, doch macht dieser Umstand nichts, denn ich höre auf mein Herz in diesem Moment. „Auskennen tue ich mich wahrhaftig nicht mit diesem Sport, aber du hast geschummelt und dies ist gegen den Sportsgeist, dass man fair spielt. Wenn du wirklich nur Fußball spielen willst, finden wir sicherlich eine Lösung, wie du deinen Traum wahr werden lassen kannst – ohne Manipulation und Schummelei. Wie klingt das für dich?“ Ungläubig starrt es mich an, doch dann werde ich einige Sekunden später in eine glückliche Umarmung gedrückt, die mich beinahe zerquetscht. „Bushido – Zerteiler!“ Den schmerzhaften und wütenden Schrei werde ich niemals aus meinem Gedächtnis bekommen, genauso wie das Bild des sich auflösenden Infernalen, der nur einen Sport spielen wollte. Welcher Fiesling hat ihn bitte vernichtet? „Siegelmeister, du hast dich auf falsche Gesten eingelassen, die dich einlullen sollten. Demonstriere Stärke und Härte, anstatt dich auf Gefühle zu verlassen, die ins Gegenteil abrutschen werden!“ Aus einem Impuls heraus schnappe ich mir den Kampfstab von Cat Noir und werfe diesen auf den Mistkerl zu. Meine tränenbedeckten Augen haben leider falsch kalkuliert, sodass meine Wurfwaffe an ihm vorbeifliegt. „Halte deinen Mund! Von dir will ich nichts hören! Endlich habe ich die Chance gehabt meinen Weg zu beschreiten und selbst einem Infernalen zu helfen, der nur einen Traum hatte und du, du Mistkerl hast ihn einfach vernichtet! Wärst du von Anfang an dabei gewesen, wie ich dir gesagt habe, dann hättest du mitbekommen, wie dieser Infernale tickt – getickt hat. Dich will ich kein Stück mehr sehen! Geh‘ mir aus den Augen, Ryurai!“ Ich wende mich von ihm ab und heule mich an Joel aus, denn er und Yuura halten mich in einer Umarmung, damit ich ein bisschen Halt spüre, weil Cat Noir und Ladybug schon weg müssen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verschwindet Ryurai ebenso und ich sehe noch, wie der Zauber von Ladybug alles repariert, was zerstört oder verletzt wurde – nur den Infernalen nicht. „Selbst unter den Feinden kann man Freunde finden und sicherlich erhältst du eine weitere Chance, Shirado. Es ist nun mal passiert und dieser Ryurai wollte auch nur seiner Aufgabe gerecht werden. Vielleicht hast du ihm einen verbalen Schlag verpasst, sodass er über seine Rolle als Held nachdenkt. Doch wirst du es erst erfahren, wenn er sich dir wieder zeigt.“ Joel hat Recht, er hat nur seine Rolle erfüllt und dabei nicht über den Tellerrand gedacht. Trotzdem finde ich es traurig und unnötig einen rehabilitierten Infernalen einfach auszulöschen. „Yuura, was ist los?“ „Nichts…, denke ich. War ich brav, Joel?“ „Ja, das warst du.“ „Hurra!“ Die niedliche Art von Yuura bringt mich wieder zum Lächeln und ich bin froh, dass ich diese beiden bei mir habe. Immerhin erleichtern sie mein schweres Gemüt im Moment. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)