Ein Mirakel zwischen zwei Identitäten von Patricipa ================================================================================ Kapitel 1: Der Start in ein neues Leben --------------------------------------- Der Start in ein neues Leben Der angenehm lange Schlaf ist mir verwehrt worden, wie ich es mir gedacht habe. Das angenehme Doppelbett im französischen Stil war eine Wohltat nach der Marathonreise. Mit der modernen und gleichzeitig antiken Ausstattung hat Vater sich wohl einen kleinen Innenarchitektentraum erfüllt – auch wenn ich die ganzen alten Möbel lieber gegen neuere austauschen möchte. Welcher Jugendliche will solche Dinger denn in seinem eigenen Zimmer haben? Vielleicht schaffe ich es ihn von einem Austausch zu überzeugen, aber noch ist es zu früh dafür. Erstmal muss ich mich einleben und schauen, wie mein Alltag aussehen wird. Die neue Schultasche ist passend zu meinen Augen gewählt worden – zumindest da hat Vater ordentlichen Geschmack. Nach der Dusche ziehe ich mir farblich hellere Sachen an, denn laut dem Wetterbericht wird es heiß in Paris. Wie man weiß, reflektieren hellere Farben das Sonnenlicht ein wenig, sodass einem nicht ganz so schnell heiß wird – aber ob das in dieser Stadt funktioniert, muss ich noch austesten. Dunklere Farben mag ich persönlich lieber, aber besser ich bin auf das Wetter vorbereitet, da es in Großstädten oft heißer ist, als es sein sollte. In meine Tasche packe ich meinen Fächer mit dem Familienwappen ein, falls ich diesen zusätzlich brauche. Ich kenne nur den Sommer in Japan und da ist man am Meer meistens von einer Brise umgeben, die einen vor zu viel Hitze schützt – hier sieht es anders aus. Zur Sicherheit nehme ich Abdeckschminke mit. Wer weiß schon, was passieren könnte? Sobald ich falle, ist ein blauer Fleck für Vater schon ein Grund für erhöhte Sicherheit, weshalb ich die Schminke seit Jahren nicht vergessen sollte. Daran mag ich mich ungern erinnern. Jedenfalls habe ich soweit alles beisammen und kann in den Essbereich der Wohnung gehen, um mit Vater zu frühstücken. „Shirado, ich habe hier noch dein Handy, welches du immer bei dir haben sollst, sobald du unser Stockwerk verlässt.“ Seufzend stimme ich zu und verfrachte es direkt in meine Umhängetasche. Sicherlich ist da ein Peilsender drinnen oder was weiß ich was. Anders kenne ich es gar nicht mehr. „Vater, wo ist der Reis oder der Fisch?“ „Schatz, in Frankreich gibt es Croissants und andere Köstlichkeiten. Du wirst dich schon daran gewöhnen.“ Er kann mich zu einem Umzug zwingen, wegen den Gesetzen, er kann mir einiges vorschreiben, weil er mein Vater ist, aber dass ich ungesund frühstücken soll geht mir gegen den Strich. Ich kenne seit Jahren ein gesundes japanisches Frühstück und nun meint er, nur weil er nicht den Tod von Mutter verarbeiten kann, dass wir alles so machen sollten, wie es hier Gewohnheit ist. Nicht mit mir. „Wenn dem so ist, verzichte ich auf jedes zukünftige Essen, welches hier aufgetischt wird, Vater.“ Dass er mich entgeistert ansieht ist mir im Moment egal. Blätterteiggebäck und das Zeug aus Weizenmehl, was noch im Angebot ist, finde ich widerlich. Ab und zu Gebäck und Kuchen zu genießen, dagegen habe ich nichts, aber am Morgen solch einen Kram zu mir nehmen geht zu weit. „Jetzt sei doch nicht so, Shirado. Probiere doch mal.“ „Nein. Ich werde nun zur Schule gehen, Vater.“ Kurzerhand stehe ich auf und nehme mein Portemonnaie vom Sideboard neben der Tür, um in den Empfangsraum unseres Stockwerks zu kommen. Dort wartet der Fahrstuhl sogar auf mich, weswegen ich in diesen steige und das Erdgeschoss wähle. Ich kann Vater noch gehetzt zu mir rennen sehen, aber die Tür schließt sich schon, bevor er ankommen kann und ich demnach nach unten gefahren werde. Sein Gesichtsausdruck bleibt mit noch vordergründig vor Augen, weshalb ich nun ein schlechtes Gewissen entwickle. Vorhin habe ich überreagiert, das wird mir bewusst, aber ich möchte einfach irgendwas von meiner Heimat beibehalten und sei es nur die Essgewohnheiten. Was soll ich denn machen? Jedem Gespräch mit mir lässt ihn nur an Mutter denken, die ich kaum kennengelernt habe. Frustriert seufze ich und wäre gerne zurück in Japan. „Mademoiselle Fleur, Sie müssen hier einsteigen!“ „Muss ich nicht! Sie müssen mir folgen und damit hat sich der Laden!!“ Wieso soll ich in die Limousine steigen, wenn ich den einen Kilometer auch gehen kann? Viel zu tragen habe ich nicht und ich kann hier sicherlich für ein paar Yen ein leckeres Frühstück finden, welches ich unterwegs essen werde. An einer Bäckerei komme ich, nach einiger Zeit, vorbei, die auf hat und trete ein. Begrüßt werde ich mit perfektem Französisch und ich habe nur die Hälfte verstanden – klasse. „Bonjour, Madame. Ähm… haben Sie Gebäck ohne Weizenmehl?“ Habe ich das richtig ausgesprochen? Sie sieht mich verwirrt an, lacht ein bisschen und zeigt mir verschiedene Waren aus Vollkornmehl oder sogar Reismehl. Besser als nichts und ich habe meine Wahl um zwei Flaschen Wasser erweitert, weil ich ja nichts mitgenommen habe. Dies sollte für meinen ersten Schultag reichen. Mein Beschützer hat mich eingeholt und konsequent in die Limousine gezerrt, bevor ich einen Vortrag gehalten bekomme, weswegen ich nicht einfach abhauen darf und noch mehr Quatsch. Heute bin ich schlecht gelaunt – da hilft mir dies kein Stück weiter. Genau in diesem Moment klingelt das Handy in meiner Tasche und ich hole es heraus. Natürlich ist es Vater und ich ignoriere den Anruf. Noch ist meine schlechte Laune zu weit in mir verbreitet, da wäre ein Gespräch jetzt unnötig hitzig und negativ. Kurz darauf klingelt das von meinem Beschützer und dieser gibt an, dass ich in der Limousine zur Schule sitze und in Sicherheit bin. Anscheinend macht er sich wieder zu große Sorgen um mich. An der Schule angekommen – was wirklich recht kurz war von der Bäckerei aus – darf ich erst hinaus, wenn mein Beschützer draußen ist und natürlich werde ich komisch angesehen, weil ich neu bin und zudem auch noch in solch einem schlimmen Umweltverschmutzer fahre. Zu Fuß wäre es schöner gewesen. Okay, ein einziger Kilometer war es dann doch nicht, wie ich erkenne, denn unser Hochhaus ist kaum zu erkennen. Mathematik war noch nie meine Stärke gewesen, wozu die Schätzung der Entfernung gehört. Die wenigen Schüler – womit Vater wirklich Recht hatte, dass es wenige sein werden – sehen mich weiterhin an, als wäre ich von einem anderen Stern, bis noch eine Limousine vorfährt und ein blonder Junge aussteigt. Von dem scheinen sie das zu kennen, denn eine Blondine schmeißt sich an ihn und ich muss mir das nicht länger ansehen. Heute soll mein Bodyguard wohl bis zum Direktor mit, wie es den Anschein macht, weil ich noch nicht alleine bin. Er weiß wohl auch wohin es geht, denn er geht zielstrebig voran, während ich mich über den Aufbau der Schule wundere. Wieso ist die Sporthalle gleichzeitig die Eingangshalle? Ergibt das überhaupt einen Sinn oder ist das nur zu bestimmten Zeiten ein Sportfeld? Viel Zeit zum Anschauen bekomme ich keineswegs geschenkt, denn sobald ich länger brauche als er will, werde ich an die Hand genommen, sodass ich wieder gehe – wie öde. Beim Büro des Direktors angekommen klopft er und wir werden hineingebeten. Der Mann ist sogar schon grau und weiß – muss wohl an der Arbeit liegen. „Bonjour, Monsieur und Mademoiselle.“ „Bonjour, Monsieur Damocles. Ich bin im Auftrag von Xilan Fleur hier um Mademoiselle Fleur an Ihrer Schule anzumelden. Hier sind die Akten von der Privatschule in Japan, in Ihrer Sprache übersetzt und geschrieben sowie eine genaue Anweisung, wie Mademoiselle Fleur sich zu benehmen hat. Des Weiteren dürfen Sie Monsieur Fleur anrufen, falls irgendwas mit Mademoiselle sein sollte.“ Der Direktor nickt und überfliegt grob die Papiere mit den Sachen, die ich einhalten soll, wo sicherlich auch die Handhabung mit meinem richtigen Geschlecht steht. „Hmmm…, mit dem Sportunterricht müssen wir sehen, wie sich das einrichten lässt. Ansonsten habe ich keine Probleme damit. Wie sieht es mit Ihnen aus, Mademoiselle?“ Wenigstens werde ich noch gefragt, was ich davon halte. „Ich würde lieber ein normales Leben führen, ohne diese ganzen Anordnungen, jedoch denke ich, dass Vater ordentlich Geld in Ihre Schule investiert hat, weshalb ich mich weitestgehend füge, weil der Typ hier sowieso alles petzen wird. Was brauche ich für den Unterricht?“ Resignierend lasse ich meinen Frust in diesen Worten hinaus und bin innerlich gewappnet für das Kommende. Dass die beiden Herren sich ansehen und ein bisschen ratlos wirken, lässt mich innerlich zumindest schmunzeln. Lange hält dieser Zustand jedenfalls nicht an und mein Bodyguard verabschiedet sich. Der hat solange Pause, bis die Schule aufhört für mich. „Monsieur Fleur, Ihr Vater mag zwar recht klammernd in Ihren Augen sein und deswegen diese hohen Schutzmaßnahmen auffahren, aber er meint es nur gut mit Ihnen. Ich gebe Ihnen Ihren eigenen Lerncomputer mit. Sie können auf dem integrierten Bildschirm schreiben, zeichnen und Berechnungen mit dem dazugehörigen Stift erledigen. Ein Großteil der Bücher ist ebenfalls in diesem gespeichert. Weiteres Material wird Ihnen die jeweilige Lehrkraft mitgeben. Und nun begleite ich Sie zu Ihrer Klasse.“ Für einen alten Mann, der mich gerade mal einige Minuten kennt, scheint er meinen Vater richtig lesen zu können, was ich ihm hoch anrechne. Würde er bloß mit dem Tod von Mutter komplett abschließen, wäre er freier in seiner Art und Weise. Nach zwölf Jahren sollte er wirklich ein Ende der Trauer finden. Der Weg zur Klasse scheint er verlängern zu wollen, denn er führt mich noch netterweise durch das Gebäude. Meine Meinung von ihm ist, dass er ein gutes Herz hat, denn ein Direktor einer Schule hat an sich immer viel zu tun. Es sei denn, er möchte mich beruhigen, damit ich einen angenehmeren Tag ab jetzt verbringen kann. Irgendwie finde ich nichts negativ an ihm. Ein Mädchen läuft gerade die rechte Treppenseite hoch und schleicht danach in den Raum in der Nähe, welcher wohl ein Klassenraum zu sein scheint. „Dies ist Mademoiselle Marinette Dupan-Cheng. Sie geht in Ihre Klasse.“ Und ist zu spät, wie ich mitbekomme. Dass die Lehrerin nichts zu ihr sagt, wundert mich schon oder sie hat diese Marinette noch nicht bemerkt, was sich in diesem Moment ändert, als der Schulleiter gerade anklopfen möchte. Kurz hält er inne, vollführt seine Bewegung jedoch bis zum Schluss durch und öffnet die Tür um einzutreten. „Bonjour, Monsieur Damocles.“ „Bonjour, Madame Bustier. Dies hier ist Mademoiselle Shirado Fleur und ab heute in Ihrer Klasse. Dieses Papier händige ich Ihnen aus und geben Sie dieses bitte an die weiteren Lehrkräfte. Das ist sehr wichtig.“ „Natürlich, Monsieur Damocles.“ Sie überfliegt das Papier kurz, bekommt große Augen, sieht mich verdattert an und liest es richtig durch, ehe sie sich im Griff hat. Neugierig bin ich schon, was Vater wieder angestellt hat. „Ich werde nun gehen. Meine liebe Marinette, komme doch bitte morgen wieder pünktlich zum Unterricht. Mich würde es sehr freuen und Madame Bustier sicherlich auch.“ Nach diesen Worten schließt er die Tür hinter sich und geht seinen Weg zum Büro zurück, während ich hier wie bestellt und nicht abgeholt stehe. Nur bruchstückhaft alles zu verstehen macht die Sache keineswegs leichter. Was soll ich nun machen? Alle Plätze sehen belegt aus, wenn ich mir das so ansehe, wie immer zwei nebeneinandersitzen, obwohl auch zwei Jungen alleine sitzen, aber von dem gleichen Geschlecht soll ich mich ja fernhalten, weswegen diese Plätze wegfallen. „Nun, meine lieben Schülerinnen und Schüler haben wir dieses Jahr einen Neuzugang erhalten. Deswegen wird diese Stunde wohl für eine Vorstellungsrunde entfallen. Also, Shirado, ich bin Caline Bustier, deine Klassenlehrerin. Falls Probleme auftreten sollten, kannst du gerne zu mir kommen. Mich wirst du in Literatur, Geschichte und einige Fremdsprachen antreffen, wovon du eine recht gut zu beherrschen scheinst.“ „Bitte nicht so schnell, Madame Bustier. Noch verstehe ich nicht alles und welche Sprache meinen Sie bitte?“ „Entschuldigen Sie, Madame Bustier? Wie sollen wir mit einer fremden Person reden geschweige denn lernen können, wenn diese nicht mal uns richtig verstehen kann?“ Einige Wortfetzen habe ich schon verstanden und dein arrogantes Gehabe ebenfalls. Solche Personen kann ich am wenigsten ausstehen. „Chloé, dies war ein sehr ungerechtes Verhalten von dir. Shirado kommt aus Japan und laut dem, was ich weiß, hatte er nur drei Wochen Zeit unsere Sprache zu erlernen. Deswegen sollten wir …solltet ihr lieber helfen. Und die Sprache die ich meine ist Japanisch, Shirado. Neben dieser lernt ihr hier noch Englisch und Spanisch.“ Diese Chloé kann ich definitiv nicht ab, jedoch finde ich Sprachen generell wichtig und bin froh, dass es im Unterricht integriert ist, mehr als nur zwei Sprachen zu erlernen. Singen wird mir dabei sehr gut helfen. „Möchtest du dich der Klasse in Japanisch vorstellen? Wäre sicherlich eine gute Methode um herauszufinden, wer alles in den Sommerferien geübt hat.“ Eine Lehrerin mit Köpfchen, die wohl auch über dem Lehrplan schaut. Dieser Chloé merkt man sofort an, dass sie nicht gelernt hat. „Gerne doch. Ich heiße Fleur Shirado und bin 14 Jahre alt. Mein Vater lebt seit zweieinhalb Jahren hier in Paris, während ich seit gestern hier bin. Sein Name lautet Fleur Xilan.“ Bei dem Namen von Vater scheinen einige sehr hellhörig zu werden und staunen sogar. Ist er hier schon so berühmt? Klar, er ist weltweit bekannt, aber dass sogar Schüler ihn kennen wundert mich schon. Eher hätte ich von der oberen Schicht gedacht, dass diese ihn kennen würde oder bin ich hier in der oberen Schicht? Wenn ich mir alle so anschaue, dann eher weniger. Es ist gut gemischt, was ich eher mag. „Vorher habe ich eine Privatschule besucht. Bis auf mathematische Fächer oder zeichnerischer Tätigkeiten habe ich recht passable Noten. Wenn es hier einen Yoga-Kurs gibt oder Gymnastik bin ich gerne mit dabei. Zudem mag ich es zu singen. Ich verabscheue Arroganz, aber ab und zu bin ich es selber, weil ich dann schlechte Laune habe. Hoffentlich nehmt ihr mir diese nicht zu sehr übel. Ich freue mich eure Bekanntschaft zu machen.“ Wie es sich gehört verbeuge ich mich und male an dieser Tafel meinen Namen. Somit wäre meine Vorstellung auf Japanisch geregelt und ich habe extra langsam sowie deutlich gesprochen, denn ich möchte keineswegs unsympathisch erscheinen – besonders als Neuling. „Sehr gut, Shirado. Falls ihr noch Probleme habt kann euch unser neustes Klassenmitglied sicherlich helfen.“ „Es würde mich freuen.“ Ohne nachzudenken habe ich französisch gesprochen und bin erstaunt, dass ich es mal flüssig geschafft habe. Madame Bustier sieht lächelnd zu mir und scheint mir einfach ein bisschen Aufregung nehmen zu wollen, indem ich mich in meiner Landessprache vorstellen konnte. Bonuspunkte für sie – hundertprozentig. „Ein Problem haben wir, denn der Klassenraum ist nicht auf eine ungerade Zahl eingestellt. Deswegen kannst du dir gerne einen Platz aussuchen, wo du sitzen möchtest – sicherlich rücken deine neuen Klassenkameraden auf. Neben Ivan und Nathaniel ist sogar noch jeweils ein Platz frei.“ „Vielen Dank, aber was wird mit der restlichen Vorstellungsrunde, Madame Bustier?“ Sie wird peinlich berührt rot und schwenkt das Ruder zurück, damit sich die anderen vorstellen können. Nicht so ausführlich wie ich, aber die alle kennen sich sicherlich schon länger. Mir reicht es, um einen ersten Eindruck entwickeln zu können, denn die Tonlagen sprechen mehr, als die Worte es schaffen. Meine Platzwahl fällt neben Marinette, denn sie und diese Alya klangen wirklich erfreut über meine Anwesenheit, genauso wie einige andere – zum Beispiel Adrien – jedoch sollte ich möglichst Jungen vermeiden – laut Vater. Bei diesem sollte ich mich entschuldigen, wenn ich ihn heute wiedersehe, denn er meint es nur gut. Kaum möchte ich die paar Stufen hoch, stolpere ich über irgendwas und knalle auf die restlichen Stufen. „Treppensteigen will gelernt sein, Shirado.“ Dass einige lachen, kann ich ihnen keineswegs verübeln, weil es sicherlich lustig ausgesehen hat und in Kombination mit dem spöttischen Spruch – selbst ich hätte kichern müssen. Dass jedoch Chloé den Spruch ausgesprochen hat, finde ich weniger erfreulich. „Kann ich dir aufhelfen?“ Ernsthaft? Adrien will mir aufhelfen und sieht mich milde lächelnd an, weshalb ich die dargebotene Hand annehme und bei dem entsetzen Gesichtsausdruck von der Arroganz in Person mich doch freue gefallen zu sein. „Merci, Adrien.“ „Keine große Sache.“ Auch noch bescheiden – obwohl ich den Ausdruck in seinen Augen klar deuten kann – er mag es, dass man sich bei ihm bedankt. Schick sieht er ja aus, muss ich mir eingestehen, aber wir sollten uns hinsetzen, denn der Moment ist schon länger vorbei und die Szene wird peinlich – besonders da wir unnatürlich lange unsere Hände ineinander halten. „Ich glaube es nicht, dass Adrien dir einfach aufgeholfen hat. Wie hast du das geschafft, Shirado?“ Marinette flüstert zwar, aber sie ist echt aufgeregt dabei. Mag sie ihn etwa? Oder sind die beiden gute Freunde? Alya mischt sich ein und erklärt, dass er vorher noch nie aufgestanden ist, um jemand anderem aufzuhelfen und dies mitten im Unterricht. Keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll, denn ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe, aber eines ist sicher – ich muss meinen linken Fußknöchel nachher mit Schminke bedecken, da sonst der blaue Fleck auffällt. Hätte ich besser mal nicht die Halbschuhe genommen heute. Die wenige restliche Zeit wird noch der Stundenplan erklärt, bevor ich mich für meinen Sportkurs eintragen muss. Gymnastik nehme ich sehr gerne und Yoga mache ich dann in meinem Zimmer – Platz genug habe ich ja. Ansonsten bleibt die Sitzordnung auch in anderen Räumen bestehen, sollte ein Raumwechsel erfolgen, was mich keineswegs stört, denn Marinette und Alya sind freundlich zu mir, obwohl es noch zu schnell für mich in Sachen Französisch geht. In einer Pause gehen wir hinaus und ich kann den Innenhof richtig kennenlernen, denn dem habe ich bisher weniger Beachtung schenken können, als ich wollte. Jetzt kann ich auch einen Überblick über die Schülerzahl der gesamten Schule erhalten und es sind doch insgesamt mehr, als ich erwartet hätte. „Shirado, dein linker Fußknöchel sieht echt schlimm aus. Kommt das von deinem Sturz? Musst du ins Krankenzimmer?“ „Nein, Alya, danke für deine Sorge um mich. Mein Körper reagiert recht schnell und deswegen bekomme ich früh blaue Flecken bei leichten Sturzhandlungen, wie vorhin im Klassenraum. Dafür habe ich aber Abdeckschminke mit.“ Die ich geschwind aus der Tasche hole und die Stelle bedecke, denn Vater wäre sonst wieder überfürsorglich. Mit ihr und Marinette unterhalte ich mich gut und frühstücke nebenbei. Dass ich in der Bäckerei von Marinettes Eltern war erfahre ich dadurch und noch einige Anekdoten der beiden Freundinnen, die mich herzlich mit einbinden und nach meiner Meinung fragen. Zu sehr quetschen die zwei mich nicht aus, was ich zuvorkommend von ihnen finde. Der Schultag ist zum Glück erst nur zur Eingewöhnung nach den Sommerferien gedacht, weswegen ich mitkommen konnte, aber ich muss wohl noch mehr üben, weil ich sonst Probleme erhalte und ich meinen Notendurchschnitt in den Fächern, die ich gut kann, gerne beibehalten möchte. Kaum beendet Madame Bustier den heutigen Schultag geht es hinaus. Am Eingang steht schon mein Beschützer und ich seufze genervt. Beide fragen mich, was ich denn habe und ich deute auf den Mann draußen. „Mein Vater will mich in Sicherheit wissen, aber es nervt wirklich. Lieber würde ich mehr Zeit mit euch beiden verbringen, denn mir hat es mit euch sehr gefallen, jedoch muss ich leider mich verabschieden. Ich freue mich auf unser morgiges Wiedersehen.“ Dass ich beide verwirrt stehen lasse, ist mir klar, jedoch reicht es für heute. Es war anstrengend die ganze Zeit zu übersetzen im Kopf. Mit diesem Lerncomputer muss ich mich ebenfalls auseinandersetzen. Ob man diesen in eine andere Sprache versetzen kann? Würde es mir zwar vereinfachen, aber es bringt ja nichts, wenn ich den einfachsten Weg wähle und dann trotzdem hinterherhinke, weil ich die Sprache nicht verstehe. Kurzum ist die Qual einfach die bessere Wahl. „Mademoiselle Fleur, wie war Ihr erster Schultag?“ Fragt der mich ernsthaft aus seinem Interesse her oder weil es zu seinem Beruf gehört? Mit solch einer Frage habe ich nicht mal gerechnet, weshalb ich ein paar Sekunden brauche. „Der Start war holprig, aber ansonsten ganz nett, danke der Nachfrage. Wie war Ihre Pause?“ Mit einer Gegenfrage hat er wohl nicht gerechnet, denn er braucht länger als ich, was mich amüsiert. „Sehr ruhig, Mademoiselle, danke der Nachfrage.“ Stille Übereinkunft – mich nicht maßregeln, ich nicht zickig werden. Hach, wäre es nur angenehmer draußen. Ihn muss das mehr schaden als mir, weil er ja schwarz trägt – bei der Hitze. Zum Glück habe ich meinen Fächer eingepackt und hole diesen heraus, um uns beiden Luft zu zufächeln. Solch ein großer Kung-Fu-Fächer für die Hand ist einfach genial. Er hält mir wieder die Tür auf und ich steige dieses Mal ohne Protest ein. Die Klimaanlage in der Limousine läuft zu gut, aber ich mag Kälte eher, sodass ich entspannt seufze und die Fahrt zurück genieße. Zwar wäre ich lieber zu Fuß gegangen, jedoch ist es angenehmer mit der Klimaanlage. Im Penthaus angekommen, verziehe ich mich erst in mein Zimmer, um diesen Lerncomputer aufzuladen sowie den Umgang mit diesem zu lernen. Mit solch einem Gerät habe ich bisher kein Stück hantiert. Die Chancen stehen 7/8 dass ich es schrotte. Mal schauen, ob es dennoch klappt. Nach einer Stunde habe ich genug und würde das Ding am liebsten schrotten, weil der Bildschirm nichts macht und immer nach einem Passwort fragt, welches ich weder kenne noch eingeben kann. Na gut, ich lasse es lieber auf meinem Schreibtisch liegen und mache mein Yoga zur Entspannung. Mitten in einer Figurenstellung klopft es an meiner Tür und ich lasse die Person eintreten, die sich als mein Bodyguard herausstellt. Was macht der denn noch hier? Er müsste doch frei haben, weil ich noch nicht durch Paris zwischendurch gehen darf. Eine Standpauke behalte ich dieses Mal im Mund, aber wenn ich schlecht gelaunt bin, vergesse ich gerne mal die Vorschriften und maßregle einige Personen um mich herum. Er fragt mich, ob er noch irgendwas für mich machen könnte, da er seinen Bericht fertig hat. Also wenn er danach fragt und sich anbietet, hätte ich nichts dagegen, wenn er meinen Lerncomputer so ändert, dass selbst ich an den Inhalt komme. Zum Glück schafft er es und das Handbuch liegt aufgeschlagen neben dem kleinen Handcomputer. War das mit dabei? Habe ich wohl komplett übersehen. Na ja, das macht nichts, jetzt darf ich ein Passwort aussuchen und gebe gleich eines in Japanisch ein. Welcher Franzose auch immer darankommen wird, der beißt sich die Zähne an meinem langen Passwort aus. Ich bedanke mich für seine Hilfe, beende meine Übungen und trinke ausreichend, bevor ich mich wieder an diesen Lerncomputer setze. Inzwischen ist er sicherlich bei seiner Familie – wenn er denn welche hat – und genießt seinen Feierabend. Viel war es heute zwar nicht, aber ich muss mich an ihn gewöhnen und er sich an mich, weswegen Vater immer eine Woche Eingewöhnungszeit gibt. Mein Stundenplan wurde mir auf dieses Teil gesendet und ich versuche diesen zu öffnen, was nach einigen Versuchen funktioniert. Meine Güte sind das viele Fächer und dann auch noch welche mit Mathematik. Wozu braucht man den Schwachsinn denn noch? Ab der sechsten Klasse hat man alles gelernt, was man braucht – der Rest danach ist nur Folter. Aber die vielen Fremdsprachen finde ich interessant. Ob mein Agent mich wirklich hier vermitteln kann? Immerhin ist er in Japan bei seinen anderen Klienten. Wäre schön, wenn er einen guten Freund von ihm als Ersatz finden würde, denn sonst hat er nur Stress wegen mir, was ich ihm ungern antun möchte – dafür war er viel zu freundlich meiner Person gegenüber. Mal sehen, wie es mit mir läuft – ob Europa mich überhaupt annimmt steht erstmal aus und umgekehrt. Erstmal sollte ich mich mehr auf meine neue Landessprache einstellen. Am nächsten Morgen frühstücken Vater und ich zum Glück auf japanische Art und Weise, was mir eher mundet. Ich habe mich für mein Verhalten entschuldigt und er sich für seinen Übereifer. Der Direktor hatte Recht damit und wir unterhalten uns über gestern, weil ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen habe – die restliche Müdigkeit habe ich am gestrigen frühen Abend noch kompensiert und fühle mich heute auch besser. Wenig Schlaf schadet echt den Nerven und dem Gemüt. „Es freut mich, dass dein Tag trotz dem schwierigen Anfang angenehm war, Shirado. Wir haben heute Abend einen Termin mit dem Bürgermeister von Paris und seiner Tochter. Bitte kleide dich angemessen.“ „Werde ich machen, Vater.“ Traditionelle Kimonos also. Sonst darf ich sie nicht tragen, wegen dem hohen Wert, aber heute Abend einen tragen zu dürfen freut mich enorm. Ich liebe es einfach sie zu tragen. Heute gehe ich gesitteter aus dem Hochhaus und mein Bodyguard meint, dass wir ruhig bis zu der Bäckerei gehen können, um von dort aus wegzufahren. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, denn es hat mir sehr gut geschmeckt und ich möchte ein anderes Gebäck ausprobieren. Da Marinettes Eltern die Inhaber sowie Vertreiber sind, könnte ich sie vielleicht mitnehmen. „Laut Ihrem Vater ist es mir an sich untersagt, aber wir können ja den Chauffeur mit leckerem Gebäck bestechen, damit er den Mund hält, weil ich das aus dem Bericht weglasse.“ Heute ist mir mein Beschützer sympathischer und die Eltern von ihr stellen sich vor, wie ich es mache. Mein Bodyguard Ricardo Velez – ein Spanier, dessen Name ich auch zum ersten Mal höre – stellt sich ebenfalls vor und sie rufen ihre Tochter, während ich für den Fahrer, Ricardo und mich eine Kleinigkeit kaufe, weil der heutige Schultag lang sein wird und es hier eine große Menge an Auswahl gibt. „Oh, Shirado, schön dich zu sehen und nett von dir, dass du mich mitnimmst.“ Sie gähnt danach recht ausgiebig – es muss wohl ein langer Tag für sie gestern gewesen sein. „Sehr gerne, Marinette. Ich finde es an sich schöner zu gehen, aber Vater besteht darauf zu fahren, weshalb ich es angenehmer finde nicht nur mit meinem Beschützer gefahren zu werden. Hier, Ricardo, dein Frühstück.“ Eine kleine Überraschung für ihn und ich bin zufriedener heute. Entweder fehlte der Schlaf oder die restliche Entwicklung vom gestrigen Tag. Wie dem auch sei, mir geht es heute besser. Marinette und ich reden ein bisschen über den gestrigen Schultag und der Fahrer behält diese Sache für sich, weshalb Vater keinen Wind davon bekommt, dass ich einfach seine Regeln mit Hilfe seines Personals umgehe. Anscheinend finden die beiden mich mit positiver Laune besser, denn sie hoffen auf weitere stressfreie Fahrten mit mir. Bei dieser kleinen Anmerkung von meinem Verhalten spiele ich die beleidigte Leberwurst, weil ich es schon gemein gefunden habe von ihnen und die zusätzlich lachen. Ricardo geht vor und erst steigt Marinette aus bevor ich nachkomme. Weswegen kommt es mir vor, dass die Strecke von der Bäckerei zur Schule nur ein Wimpernschlag ist – trotz des Verkehrs? „Wir sehen uns heute am späten Nachmittag wieder. Welche Farbe soll Eure Gymnastikkleidung haben, Mademoiselle Fleur?“ Er kauft wirklich Kleidung für mich? Sonst macht Vater dies im Handumdrehen auf seiner Arbeit, doch Sportbekleidung liegt ihm keineswegs, sodass er es gerne anderen Leuten überlässt. Ihm beschreibe ich nun, wie sie aussehen sollte und was er als Abweichung nehmen darf, denn ich möchte schon gut aussehen, falls Wettkämpfe stattfinden sollten. Sicher ist sicher. Alya hetzt auf uns zu und wirkt aufgeregt auf mich. „Gestern hat Ladybug mich gerettet! Cat Noir war auch dabei – schaut euch das an!“ Sie zeigt ein Video auf ihrem Handy und ich komme nicht ganz mit, weswegen sie so aus dem Häuschen ist – das sind Teenager in Kostümen, die einen guten Film machen, wie ich finde. „Ist das wirklich echt? Wie kann denn dieser eine Typ aus seinen Augen Laserstrahlen schießen und andere in Mumien verwandeln? Dies kann nur ein Film sein.“ Ein Fettnäpfchen habe ich wohl betreten, denn Alya sieht ein bisschen verärgert aus. „Natürlich ist das echt! Ich war dabei und Ladybug sowie Cat Noir retten Paris seit einigen Wochen vor solch gefährlichen Schurken!“ Beschwichtigend hebe ich meine Hände hoch, denn ich war gar nicht darauf gefasst, dass sie wohl ein riesiger Fan sein könnte, denn nur solche gehen ab, wenn man ihre Passion herunterputzt – auf welche Art auch immer. Marinette scheint sich unwohl zu fühlen. „Oh, Alya, sieht die Frisur von Ladybug nicht genauso aus wie die von Marinette?“ Entschuldigend sehe ich diese an, denn die aufbrausende Mitschülerin wollte ich mit einem Themenwechsel beruhigen. Sie vergleicht beide mehrmals, jedoch wirkt sie nicht gerade überzeugt von meiner Behauptung. Wenigstens ist sie ruhiger und erzählt mir, was sie schon alles auf ihrem Blog im Internet veröffentlicht hat. Du meine Güte, sie ist wahrlich ein Fan mit Zügen von einem Paparazzo. Zudem werde ich gefragt, weshalb ich nichts von dem Vorfall in den Nachrichten gesehen oder im Radio gehört habe. „Ich besitze – bis auf den Lerncomputer – keinen Computer. Einen Fernseher habe ich ebenfalls nicht. Mein Handy ist zwar modern, kann aber nicht ins Internet und bis auf meine Musikanlage geht mir meistens alles andere kaputt, was ich an elektronischen Geräten besitze. In der Limousine hören wir an sich nur CDs. Allerdings war ich in Japan immer recht beschäftigt, sodass ich keine Langeweile hatte. Wie es hier aussieht, weiß ich noch nicht.“ Klingt zwar in der modernen Zeit recht hinterwäldlerisch, aber bisher habe ich das keineswegs vermisst. „Dann werden Marinette und ich dich auf dem Laufenden halten. Es kann ja nicht sein, dass du nicht weißt, was in Paris abgeht, Shirado.“ Ich bedanke mich fragend, denn ich habe absolut keinen Schimmer, wieso ich unbedingt das wissen muss, aber unfreundlich möchte ich keineswegs sein. Diese Ladybug scheint eine Art Hobby von ihr zu sein, wenn ich es richtig verstehe. Sie möchte am liebsten noch mehr Lobpreisungen loswerden, aber wir müssen in den Klassenraum gehen, weil wir sonst zu spät kommen, weswegen Marinette und ich Alya einfach in das Gebäude schieben, da sie kein Ende findet. Im Klassenraum steht schon eine Lehrkraft, die wohl in eine Zitrone gebissen zu haben scheint, denn ihre gesamte Mimik spiegelt wider, dass sie sauer zu sein scheint. Vielleicht irre ich mich auch, denn ich kenne sie keineswegs. Wir setzen uns und holen diese Computer heraus, obwohl ich noch Probleme mit dem technischen Gerät habe. „Guten Morgen, Schüler!“ „Guten Morgen, Madame Mendeleiev!“ Bei diesem Namen habe ich mir auf die Zunge gebissen und mich gleichzeitig verschluckt, weswegen ich hier ein recht jämmerliches Bild abgebe. „Ah, du bist neu hier, Shirado. Ich verbitte mir solche Störungen in meinem Unterricht.“ Als ob ich steuern könnte, wann und wie ich husten muss. Da es mir leichter fällt, entschuldige ich mich in meiner Erstsprache, was sie nicht versteht und es als respektlos bezeichnet. Dass Chloé ihren Kommentar dazu abgeben muss, macht die Sache keineswegs leichter für mich, der immer noch husten muss. Eine blöde Situation ist das. Ein paar weitere Huster meinerseits und ich kann wieder normal atmen. Mein Gesicht ist sicherlich knallrot von der Aktion. „Pardon, Madame, aber mir fällt es noch schwer diese Sprache zu sprechen und Ihr Name war eine große Herausforderung. Ich werde diesen in meinen Übungsplan aufnehmen und mich bessern.“ „Hören Sie nicht auf sie, Madame Mendeleiev, sie will sich nur herausreden, weil sie neu ist.“ Diese Blondine könnte ich echt mal Intelligenz verpassen – was für eine schlechte Lüge! Ein bisschen Anstand würde ebenfalls nicht schaden. „Schon gut, ich weiß, dass unser Sprachstamm mit dem in Asien keineswegs übereinstimmt, weshalb ich heute Nachsicht walten lasse, Mademoiselle.“ „Vielen Dank, Madame.“ Puh, ich habe Glück gehabt. Lange hält es keineswegs, denn wir haben Physik. Bei den Kami, ich werde untergehen. Da hatte ich schon Probleme mit in meiner Sprache – hier wird es wohl noch schlimmer werden. Einigermaßen verstehe ich ihre Erklärungen, aber dennoch entschließt sich mir der Rest und ich scheine recht bedröppelt auszusehen. Diese Aufgabe würde ich nie im Leben lösen können. Zu allem Überfluss scheine ich die Aufmerksamkeit von der Lehrerin erhalten zu haben, da sie sich neben mich stellt und auf meine Versuche schaut, die ich aufgeschrieben habe. Bei ihrem Laut, der Unmut ausdrückt, denke ich, dass ich alles löschen kann – wenn ich wüsste wie. Sie geht in die Hocke und sieht mich durchdringend an, bevor sie anfängt. „Kann es sein, dass es Probleme gibt, Shirado?“ „Ja, Madame. Ich konnte diese Art der Fächer noch nie, selbst mit selbstauferlegtem Lernpensum. Mir fehlt wohl einfach das Verständnis dafür.“ „Dieser Umstand ist wahrlich ein Problem. Ich werde schauen, was sich einrichten lässt. Und warum löschen Sie die falschen Antworten von sich nicht?“ Peinlich berührt sehe ich sie an und sie schaltet flott. „Sie sind ein Fall für sich, Shirado. Ich erkläre es Ihnen.“ Nicht nur eine Erklärung erhalte ich, sie zeigt es mir und stellt meinen Lerncomputer soweit um, dass ich leichtere Aufgaben aus unteren Klassenstufen bekomme, damit ich die Grundlagen beherrsche, bis ich aufholen kann. Ihr sauertöpfisches Aussehen verbirgt eine gute Lehrkraft – die sicherlich eine kurze Lunte hat, aber trotzdem für ihre Schüler da ist. Danach redet sie noch genauso leise mit Adrien, wie mit mir, der nur nickt und sie scheint zufrieden zu sein. Indes versuche ich die einfacheren Aufgaben, die ich trotzdem nicht hinbekomme. Warum lernt man so einen Blödsinn, wenn man ihn im echten Leben keineswegs braucht? Verstehe einer die Schulreformen. Nach der nächsten Doppelstunde in Mathematik bin ich komplett ausgebrannt. Mir würde es für heute reichen, aber wir haben gerade mal die erste Pause. Kami, so helft mir doch bitte aus dieser Misere! Man kann Chloé laut und deutlich hören, dass ihr Vater mit einem großartigen Modedesigner heute Abend essen wird. Mehr scheint sie nicht zu wissen, aber sie hofft wohl auf Adrien, der anscheinend auch einen Vater in dem Modebusiness hat, weil sie ihn bedrängt. Jedoch wird meine Aufmerksamkeit auf das Gespräch der beiden Freundinnen neben mir gelenkt, die sich darüber unterhalten, wie die vorherige Lehrerin war. Es hat den Anschein, dass sie sonst wirklich sauertöpfisch ist. Noch habe ich Welpenschutz, wenn ich mir das anhöre. Nach der Pause haben wir Madame Bustier und ich kann besser mitmachen, als davor, was kein Wunder ist – Sprachen liegen mir eher, mit oder ohne Startschwierigkeiten. Diese Stunden gehen vorbei und die Mittagspause ist länger angesetzt. Während wir drei unsere Gerichte essen kommt Adrien zu uns, was nicht nur mich zu wundern scheint. „Hey, Marinette, Alya und Shirado.“ Die Mädchen wirken ganz aus dem Häuschen, doch noch kenne ich ihn nicht gut genug, um ihre Gefühlslage zu verstehen, die allein er auszulösen scheint. „Madame Mendeleiev hat mich gebeten dir Nachhilfe zu geben, Shirado. Ich hoffe, dass es für dich okay ist.“ Was soll ich dazu denn sagen? Wenn ich verneine, wäre es doch eine Beleidigung für die Lehrerin und ihn, also nehme ich dankend an und er meint, dass es besser wäre, wenn wir bei mir daheim lernen würden, da er oft kaum Zeit hat und mich nicht seinem Stress ausliefern möchte, was ich zuvorkommend von ihm finde. Dem stimme ich zu und er gibt mir seine Handynummer, damit wir Termine abgleichen können. Er hat mehr als gute Noten, wenn die Lehrerin ihn anfragt, ob er mir Nachhilfe gibt. Mir würde jeweils eine Drei im Schnitt in diesen Fächern reichen – sollte ich denn zu dieser Note kommen. Das Thema danach ist Adrien und ich bekomme eine Menge an Informationen. Ich lag richtig damit, dass er ein Sohn von einem Modedesigner ist. Sein voller Name lautet Adrien Agreste und er modelt ebenfalls für seinen Vater. Schauspielernde Talente besitzt er zusätzlich und er ist ein guter Schüler, wie es aussieht. Sein bester Freund ist Nino Lahiffe, der neben ihm sitzt. Er scheint hier wahrlich ein Star zu sein. Uns verbindet definitiv die gleiche Arbeit unserer Väter. Keine Ahnung wieso wir nicht mit den Agreste ein Abendessen in einem Restaurant haben – wäre doch interessanter als mit dem Bürgermeister und seiner Tochter. Wieso denke ich überhaupt daran? Ich sollte mir weniger Gedanken darüber machen und den Zettel mit der Handynummer ordentlich verstauen, damit ich diese daheim eingeben kann. Die letzten Stunden sind Kunst und Literatur. Ersteres ist erneut eine Schwäche von mir, aber in Literatur kann ich aufwarten, denn ich lese viele Bücher – obwohl die meisten alten Geschichten – wie Romeo und Julia – öde sind. Lieber lese ich reale Geschichtsbücher und habe mehr Spannung und Gefühle. Zudem lerne ich dabei auch noch als Bonus ein wenig. Am Ende des Schultages bekomme ich in der Limousine meine Gymnastiksachen präsentiert und bin mit der Auswahl zufrieden. Marinette und Alya hatten schon etwas vor, aber ich bin ja noch in der Eingewöhnungswoche – also wird das nichts mit Treffen nach der Schule. Da ich Vater sowieso noch von Adrien Agreste erzählen muss, wird das eine längere Diskussion werden. Jedenfalls besitze ich eine Menge guter Argumente für die Nachhilfe – drei Stück. Meine Worte muss ich mir nur zurechtlegen. Zuhause angekommen mache ich erst zur Entspannung Yoga, bevor ich die paar Hausaufgaben bewältige und mich frisch mache, um mir einen schicken Kimono anzuziehen. Der in Weiß mit den blühenden Kirschbaumzweigen steht mir ausgezeichnet. Nur noch die passenden Schuhe dazu und somit schleift mein Kleidungsstück nicht mehr am Boden. Meine Haare richte ich mir und danach überbrücke ich die restliche Zeit damit herauszufinden, wie ich bei dem neuen Handy eine Nummer speichere. Zu meiner Verwunderung klappt das sogar beim ersten Mal und ich rufe wohl zudem Adrien an, bei dem ich mich entschuldige, weil ich ihn gestört habe, ohne einen triftigen Grund zu liefern. Am anderen Ende der Leitung lacht er nur und empfindet es in Ordnung. Wir sprechen über belanglose Themen und legen danach auf. Er ist ein guter Unterhalter und scheint sich für Animes zu interessieren, denn er hat mich nach einigen Namen gefragt, von denen ich nur CDs habe, um meine Stimmbänder zu lockern, wenn ich singen möchte. Animelieder sind da einfach die besten für. Diese könnte ich ihm ja zum Hören anbieten – als kleine Gegenleistung für die Nachhilfe, die er mir noch geben wird, wenn Vater zustimmt. Apropos Vater – wo bleibt er denn? Er muss sich auch noch fertigmachen für das Abendessen. Gerade denke ich an ihn und schon höre ich ihn. Vier Beschützer haben wir nun bei uns, von denen niemand Ricardo ist. Selbst der Chauffeur ist mir unbekannt. Wer sind diese Männer? Da Vater bei mir ist und er diese Männer akzeptiert oder toleriert – in seinen Kopf kann ich keineswegs sehen – bleibe ich ebenfalls ruhig. Er trägt im Gegensatz zu mir einen nachtblauen Anzug. Ich mag diese klammernden Anzüge nicht – deswegen bin ich froh, dass ich traditionelle Kleidung tragen darf. Die Limousine hält vor einem piekfeinen Nobelrestaurant. Bei den Kami, ich will von hier sofort weg. Man wird nie satt in solchen Restaurants, sie sind sehr teuer und haben meistens hochnäsige Attitüden. Stress pur, weil ich mich verstellen muss. Mal sehen, ob und wie lange ich es schaffe. Die Bodyguards steigen aus und dann dürfen wir erst. Vater geht vor und hält mir die Hand hin, um mich zu führen. Diese Show ziehen wir seit Jahren ab. Den wahren Grund kenne ich keineswegs, aber es soll meinem Schutz dienen. Schutz vor irgendwas oder irgendwem. In dem Restaurant verteilen sich die vier Beschützer im Raum, was merkwürdig aussieht. Ein paar weitere sind ebenfalls zugegen. Hier sieht es aus, als ob sich einige Yakuza treffen würden. Der Oberkellner begrüßt uns und Vater regelt alles, sodass wir an den Tisch geführt werden, wo schon zwei Personen sitzen – leider kenne ich eine davon. Sie scheint zu merken, dass Vater und ich zu dem Tisch geführt werden, an dem die zwei sitzen und wirkt weniger begeistert davon. „Monsieur und Mademoiselle Bourgeois, Ihre Gäste, Monsieur und Mademoiselle Fleur. Der Aperitif wird in wenigen Augenblicken gebracht.“ Daraufhin verschwindet der Oberkellner und Vater schiebt mir den Stuhl – nach der obligatorischen Begrüßung – zurecht, sodass ich mich setzen kann. „Verehrter Monsieur Fleur, es ist mir eine Freude Sie endlich an einen Tisch zu bekommen und persönlich kennenzulernen. Die Telefonate mit Ihnen waren recht nett, aber ein persönliches Treffen blieb uns bis heute verwehrt.“ „Dies trifft zu, Monsieur Bourgeois. Ich wollte auf Shirado warten, bevor ich engere Kontakte knüpfe. Wie Sie sehen können, ist mein Kind nun endlich hier in Frankreich.“ Champagner für die beiden wird gebracht, während wir Teenager wohl diesen alkoholfrei bekommen, was ich freundlich ablehne und lieber Wasser hätte. Dieser Wunsch wird mir erfüllt und ich finde es besser. Hoffentlich gibt es keine landestypische Küche. Gerade, weil wir keine Menükarten erhalten haben, denke ich, dass hier alles vorbestellt wurde. Chloé sieht mich heimlich sauer an, macht ansonsten jedoch eine auf nettes Papakind. Definitiv verzogen und ich bin froh, dass ich anders bin. Die Vorspeise besteht aus einem Salat mit Garnelen darin. Damit kann ich sogar leben und ich muss sagen, dass es schmeckt. Weiterhin bleibe ich jedoch bei meinem Wasser, auch wenn der für uns zuständige Kellner verschiedene Weine anbietet. Vater und der Bürgermeister reden über Politik, Wirtschaft sowie Börsenentwicklungen, während Chloé und ich ruhig bleiben. Die Zwischenspeise ist ein Teller Suppe und nun bewegt sich die Blondine mir gegenüber ein bisschen, was mich wundert. Allerdings erschrecke ich kurz, als der Kellner plötzlich stolpert und dabei den Teller Suppe auf den Tisch kippt. Ein paar Tropfen bekomme ich zwar ab, aber sie macht aus der Mücke einen Elefanten. Sie macht Theater und manipuliert ihren Vater soweit, dass es sich nicht geziemt, dass die Gäste des Bürgermeisters solch eine Tragödie – sie trägt extrem dick auf – erdulden müssen, weil diese seinem Ruf schadet. Was für ein großer Blödsinn. Den Kimono kann man reinigen und danach ist alles wie vorher. Mein Vater versucht zu vermitteln und der Kellner entschuldigt sich andauernd, bis der Oberkellner kommt und wissen möchte, weswegen hier so ein Tumult herrscht. Mir platzt langsam der Kragen, bei diesem schlechten Theater und ich haue mit meinen flachen Händen auf den Tisch, während ich ruckartig aufstehe. „Jetzt reicht es mir. Ich kenne dich gerade mal aus der Zeit in der Schule, was nur zwei Tage sind, Chloé, aber du bist ein verzogenes, arrogantes und manipulierendes …Mädchen, welches nicht davor scheut unschuldige Personen in ihren Existenzen zu zerstören, nur um die Macht des eigenen Vaters auszunutzen! Der Kellner kann nichts dafür, dass er stolpert – er ist genauso ein Mensch wie du! Also höre auf hier Theater zu machen und werde mal vernünftig. Ich habe vielleicht vier Tropfen von der Suppe abbekommen und das kann die Reinigung richten. Und nun entschuldigt mich, ich brauche eine kurze Pause von diesem Gehabe.“ Jetzt entschuldigt sich Vater in hohem Maße für meinen Wutausbruch, der eine hohe Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, aber viel bekomme ich nicht mehr davon mit, denn ich verschwinde in dem Gang zu den Toiletten und nehme bewusst die Herrenseite. Leicht benetze ich eines der Handtücher, die es hier statt den Papiertüchern gibt, und tupfe auf die Flecken, damit sie sich vom Stoff lösen. Diesen Vorgang mache ich lange genug, damit die Flecken heller werden und ich somit kaum noch sie sehen kann. Trotzdem bin ich wütend auf Chloé, denn solch eine Farce kann doch nicht wahr sein. Zwar weiß ich, dass Vater sich gut mit der Regierung stellt – hat er auch in anderen Ländern gemacht, wo er Firmen aufgebaut hat, die seine Kleidung produzieren – jedoch ist die Tochter vom Bürgermeister bisher das schlimmste Kind, welches ich treffen musste. Falschheit und Manipulation in einer Person. Schrecklich – einfach schrecklich finde ich das. Es dauert noch, denn ich möchte den dunklen Wasserfleck trocknen lassen, aber zwischendrin höre ich laute Schreie und noch viel mehr Geräusche, die mich wundern – ist hier ein Überfall gestartet worden trotz der hohen Sicherheit? Wer so bescheuert ist, muss verzweifelt sein, anders könnte ich mir solch eine Dummheit keineswegs erklären. Die Schreie verstummen nach und nach und ich wundere mich weswegen es plötzlich geschehen ist. Entweder ist der Tumult – der Auslöser von diesem – gebändigt worden oder ich höre schlechter, als ich angenommen habe. Bekommt man überhaupt ein schlechtes Gehör, wenn man nicht gut und ausreichend schläft? Diesen Gedanken sollte ich auf später verschieben, denn ich möchte gerne zu Vater zurück – falls er denn auf meiner Seite ist. Das gilt es zu überprüfen. Den Gang von den Toiletten verlasse ich und muss einem fliegenden Teller ausweichen. Seit wann können Teller denn fliegen? Alle Gäste und sogar die Bodyguards und Kellner sitzen an den Tischen und werden mit Essen vollgestopft – als ob das Besteck mit dem Geschirr lebendig geworden wäre. Ist das eine Illusion der höheren Schicht hier in Paris? Ich kapiere dieses Schauspiel kein Stück. „Ah, Mademoiselle Fleur, es freut mich, dass Sie zurückgekehrt sind.“ Der Mann, der mich anspricht, sieht einem Kellner recht ähnlich, aber er wirkt etwas unheilvoller. „Selbstverständlich der Herr. Können Sie mir bitte erklären, wieso das Essen in die Gäste reingeschaufelt wird?“ „Gewiss doch. Damit keine Unfälle mehr passieren können, habe ich dafür gesorgt, dass unsere Gäste direkt mit dem Essen versorgt werden, ohne aufstehen zu müssen. Alles funktioniert automatisch und ich höre keine Beschwerden.“ Okay? Ein bisschen gruselig klingt er dabei schon und beschweren können sich die Gäste kein Stück, denn deren Münder werden sofort gestopft, sollten sie ihren Mund aufmachen. „Dürfte ich Sie nun zu Ihrem Tisch begleiten? Sie werden von mir persönlich bedient und zwar auf dem Dach dieses noblen Etablissements.“ An sich würde ich lieber bei Vater bleiben, aber ich glaube, dass es besser wäre, wenn ich mitgehe. Wer weiß, was sonst passieren könnte? Vollgestopft werden mit Schnecken und Froschschenkeln möchte ich keineswegs – viel zu ekelhaft. Kaum möchte er mich nach oben führen, stellen sich zwei Personen uns entgegen, die ich von dem Video her kenne, welches Alya gezeigt hat. „Madame Ladybug und …ähm… Monsieur Cat Noir, nicht wahr?” „Meine Ehrengäste sind soeben eingetroffen.“ „Lass‘ die Leute frei, Fieser Kellner!“ Sie hat einen gut fordernden Ton auf Lager. Wieso soll er diese überhaupt freilassen, wenn es zu einer recht merkwürdigen Show gehört? „Sobald sie meine Arbeit zu schätzen wissen, werden sie frei sein. In der Zwischenzeit werde ich Mademoiselle Fleur bedienen, während ihr beiden genug zu tun haben werdet.“ Er schnippt einmal und das übrige Geschirr und Besteck schweben so zusammen, dass daraus komisch aussehende Männchen entstehen. Ohne Mühen führt er mich weiter, während die beiden mit den Männchen beschäftigt sind. „Bleib‘ gefälligst hier!“ So ganz verstehe ich das alles nicht, aber der Fahrstuhl nach oben fährt fehlerfrei, weshalb das Stück für mich speziell auf dem Dach weitergeführt wird, denke ich zumindest. Davon wurde ich nämlich nicht in Kenntnis gesetzt. Ganz klar ein Verstoß gegen vorgegebene Formrichtlinien, wie es sich in dem Business schickt. Gefällt mir allerdings gut, nicht zu wissen, was geschehen wird – Überraschungen mag ich sehr. Na ja, kommt darauf an WAS es für eine ist. Auf dem Dach angekommen sehe ich einen schön gedeckten Tisch, der simpel, aber elegant aussieht. Das Beste ist, dass ich schon das Sushi erkennen kann. Endlich mal ein Gericht, was mir gefällt. Der Kellner schiebt mir den Stuhl zurecht, sodass ich angenehm sitzen kann, bevor er mir Wasser einschenkt und mir die einzelnen Arten des Angebotes erklärt. Ich hätte nicht gedacht, dass es Experten außerhalb Japans gibt, die viele verschiedene Arten benennen sowie erklären können. Wahrlich ein Ohren- sowie Gaumenschmaus. Auf Wasabi, eingelegtem Ingwer und Sojasauce verzichte ich, weil ich den natürlichen Geschmack verehre. Kaum möchte ich die nächste Sorte mir schmecken lassen platzen die beiden von vorhin durch die Tür vom Treppenhaus. Sportlich müssen beide recht aktiv sein mal eben neun Stockwerke hoch zu rennen. „Dein Spiel ist aus!“ „Die Vorspeise ist noch nicht ganz auf und ihr stört schon wieder. Nehmt doch Platz und genießt das Essen mit Mademoiselle Fleur gemeinsam.“ Wo diese Stühle herkommen, sind mir ein Rätsel und dass sie schweben können ein noch größeres, aber Ladybug und Cat Noir zerstören einen nach dem anderen. Nun hat der Kellner einen Haufen Servierplatten in einer Hand und wirft sie blitzschnell mit der anderen in deren Richtung, sodass sie ausweichen müssen. Diese Show muss regelrecht hohen Kostenaufwand haben und das nur für mich. Geschmeichelt fühle ich mich schon. Diese komischen Männchen tauchen wieder auf und diese Kombination scheint die zwei Jugendlichen müde zu machen. „Hör‘ auf den Kellner zu spielen und schnappe dir ihre Miraculous!!“ Was war das denn für eine Stimme, die ich zu hören bekomme? Sie klingt hart und fordernder, als die von Ladybug vorhin. Mir gefällt die Tonlage kein Stück. „Aber ich habe Mademoiselle Fleur noch nicht komplett bedient, wie sie es verdient.“ „Sie kannst du bedienen, wenn Ladybug und Cat Noir nicht mehr stören!“ Anscheinend hat es bei ihm Klick gemacht, denn er wirkt angriffslustiger als vorher. Dieser Kellner schmeichelt mir zwar, jedoch finde ich, dass dieses Theaterstück ein wenig zu weit geht, als die zwei ernsthaft verletzt werden. „Glücksbringer!“ Diese Ladybug hat ein interessantes Jo-Jo, denn es verwandelt sich in zwei Fotos – es sieht zumindest für mich so aus, obwohl sie ihr Jo-Jo noch bei sich hat. Sie hat aber keine Ahnung, was sie damit anfangen soll, wie es mir scheint, bis sie wohl doch noch eine Idee erhält. „Kannst du ihn ablenken, Cat Noir? Ich muss zur Mademoiselle.“ „Geht klar, Ladybug. Kataklysmus!“ Uh, die Showeinlage von Cat Noir ist erstaunlich – er lässt mit seiner Kraft, die dunkel wabernd um seine Klauen wandert, alles, was er berührt, verrosten oder zu Staub zerfallen – recht effektiv. Inzwischen hat sich Ladybug zu mir gesellt und überreicht mir ein Foto, aber bis auf die Frage, ob ich die Person kenne, kann sie nicht stellen, da sie ausweichen muss. Mein Blick fällt auf die Person im Bild und ich habe keine Ahnung, was ich mit dieser anfangen soll, bis mir einfällt, dass es der Kellner ist, der von Chloé ordentlich erniedrigt wurde. Was bringt mir diese Erkenntnis? Soll ich diesen etwa rufen? „Ähm…, Monsieur Kellner?“ Geschwind steht er bei mir und ich frage ihn nach dieser Person auf dem Bild und wo sie gerade steckt. Seine Antwort darauf überrascht mich, denn er ist es persönlich. „Wieso kämpfen Sie dann gegen die beiden Jugendlichen, obwohl dies nur ein Theaterstück ist – auch wenn mich Ihr Einsatz schmeichelt?“ „Man hat mir diese Kräfte gegeben, damit ich der beste Kellner von Pairs werden kann – wenn ich es schaffe Ladybug und Cat Noir zu besiegen.“ Einleuchtend klingt das schon, wenn man so sehr in den Dreck gedrückt wurde wie er. Ich nehme eine Hand von ihm und sehe ihn freundlich an. „Sollten Sie der beste Kellner von Paris sein, hätten Sie keine Konkurrenz mehr, um sich zu verbessern oder von älteren Kellnern zu lernen. Was bringt es Ihnen? Außerdem mag ich menschliche Personen lieber, die auch mal Fehler machen. Mir hat es, wie schon erwähnt, nichts ausgemacht, dass ich ein paar Tropfen Suppe auf meinen Kimono bekommen habe. In meinen Augen war dies sogar der beste Teil des Abends, da ich endlich mal Abwechslung erhalten habe. Können Sie nicht wieder der Kellner werden, der Sie vorher waren. Von diesem möchte ich nämlich sehr gerne bedient werden.“ „Ehrlich?“ „Höre nicht auf sie! Besiege Ladybug und Cat Noir, damit ich ihre Miraculous bekomme!“ „Natürlich, ich bin eine ehrliche Person.“ Er überreicht mir eine Menükarte, die ich hier herzlich vermisst habe und die hat er wohl für einen besonderen Anlass verfasst. Fragend sehe ich ihn an, denn ich verstehe nicht ganz, bis er mir zeigt, dass ich sie mehrfach zerreißen soll, was ich verwirrt auch mache. Aus diesem Haufen fliegt ein schwarzer Schmetterling, den ich bei mir halte, weil er nicht wegfliegt. „Du armer Schmetterling hast sicherlich Angst gehabt. Die brauchst du nicht mehr zu haben. Fliege zu deiner Familie zurück.“ Lust hat er wohl keine dazu, aber der Körper von dem Kellner bewegt sich ruckartig und er schlägt hart auf den Boden ein, was mich wundert. Dieser bildet Risse und somit stürzt das Dach ein – gerade der Teil davon, auf dem ich bin – und ich falle. Was ist mit ihm denn plötzlich passiert? Ich dachte, er wäre wieder normal im Kopf, aber da habe ich mich wohl geirrt. Der Schmetterling ist auch nicht mehr bei mir – komische Wendung. Mein Fall wird abgebremst und ich finde mich in den Armen von Cat Noir wieder. „Gar nicht mal so übel für einen Nicht-Superhelden, den Akuma zu finden.“ Will er mich necken? Das kann er auch bekommen. „Keineswegs so übel mich zu fangen und gleichzeitig den Fall abzubremsen für einen, der keine richtige Muskelmasse besitzt.“ „Gut gekontert. Ich muss los. Und erzähle ruhig von deinem Helden in schwarzer Rüstung.“ Er zwinkert mir zu und verschwindet. Das Loch im Dach schließt sich als wäre es niemals da gewesen und ich weiß einfach nicht, was ich von dieser merkwürdigen Gesamtaktion halten soll. Beim Aufzug muss ich kurz warten, bis ich einen niedergeschlagenen Kellner erblicke, von dem ich noch das Foto habe, was irgendwie nicht verschwunden ist, wie das zerstörte Dach. Gemeinsam fahren wir nun wieder ins Erdgeschoss. „Monsieur, wären Sie so gütig Ihren Namen unter dieses Bild zu schreiben?“ „Weshalb denn, Mademoiselle Fleur? Ich bin gefeuert worden und werde sicherlich keinen Beruf als Kellner mehr ausüben können.“ Seine Stimmung ist ja fast depressiv. Vielleicht heitere ich ihn mit meiner Idee auf. „Dann werden Sie halt für mich arbeiten. Ich möchte nur Ihre Unterschrift unter dem Foto haben und hinten können Sie Ihre Anschrift notieren. Meinen Vater werde ich schon überzeugen. Sie sind ein guter Kellner, der noch jung ist, aber kein Meister ist vom Himmel gefallen, weshalb Fehler – selbst als Meister – vollkommen in Ordnung sind.“ Kommen ihm etwa die Tränen? Mit solch einer Wendung habe sogar ich nicht gerechnet. Ganz häufig verbeugt er sich und dankt mir, sodass ich mir ein bisschen verlegen die Haare streichen muss. Mit ihm gehe ich also zu unserem Tisch zurück und von Vater werde ich sehr doll in die Arme geschlossen, weil er sich Sorgen gemacht und die Bodyguards dementsprechend aufgescheucht hat. „Alles ist gut, Vater. Ich möchte diesen Kellner gerne anstellen. Ich habe alles, was man für eine Bewerbung braucht – ein Bild, seinen Namen und seine Anschrift.“ Der ganze Rest ist unnötig, wie ich gelesen habe – besonders das Anschreiben. „Ist das nicht der Herr hinter dir, der dir Suppe auf den Kimono geschmissen hat?“ Lässt er sich etwa auch von ihr hereinlegen? Ehrlich mal, wie schafft sie das überhaupt so effektiv? „Es waren vier Tropfen und ich möchte ihn gerne als persönlichen Kellner einstellen, bis ich meine Idee umsetzen kann. Darf ich ihn einstellen?“ „Ich weiß von deiner Menschenkenntnis und er ist ein junger Mann.“ Ihn stoppe ich stumpf. Schon wieder diese Sache mit dem Schutz. „Du hast mir einen persönlichen Bodyguard gegeben und nun würde ich gerne einen persönlichen Kellner haben. Er repräsentiert das, was ich an einem Angestellten schätze – ein Mensch mit Moral und Schwächen zu sein. Du hast mir oft gepredigt, dass dies wichtige Kriterien sind.“ Er kämpft innerlich mit sich, aber gibt nach und erwartet den jungen Mann am Donnerstag bei sich im Büro, um alle Unterlagen sowie andere Themen zu besprechen. Mein baldiger Kellner bedankt sich erneut überschwänglich und geht hinaus, nachdem die Polizei ihn vernommen hat, die hier aufgekreuzt ist. Der Abend zieht sich somit länger, aber da alle soweit in Ordnung sind, gibt es keine weiteren Komplikationen. Größtenteils musste ich einige Details verschweigen, weil der Kellner sonst wohl ins Gefängnis gekommen wäre, aber damit kann ich leben, weil er wieder Arbeit gefunden hat – Vater wird ihn hundertprozentig einstellen. Durch den Vorfall konnten wir zum Glück das fadenscheinige Essen mit den Bourgeois abbrechen. Der Trubel war gut, auch wenn es mir komisch vorgekommen ist, dass ein schwarzer Schmetterling in einer selbstgemachten Menükarte war, die ich merkwürdigerweise in meinem Obi vollkommen heile gefunden habe. Vielleicht habe ich mir nur den Kopf angeschlagen und träume das. Wäre eine Möglichkeit. Am nächsten Morgen erwache ich und finde auf meinem Schreibtisch die Menükarte wieder, weshalb das alles einfach kein Traum gewesen sein kann. Dann werde ich wohl verrückt oder es ist normal in Paris. Am Frühstückstisch mit Vater beredet er mit mir den gestrigen Abend und dass ich mich bitte bei Chloé entschuldigen soll, weil ich solch eine Szene im Nobelrestaurant aufgeführt habe. „Vater, ich werde mich nicht für meine Worte der Wahrheit entschuldigen. Mir egal, was der Bürgermeister in Form eines Amtsmissbrauchs machen würde, weil seine verzogene Tochter dieses und jenes will. Allerdings werde ich mich für meine Lautstärke entschuldigen, denn die war zu hoch, was ich einsehe.“ Er kennt mich soweit gut genug, dass er weiß, dass ich wahre Worte niemals zurücknehme, die spreche ich aus, weil es sich so gehört, auch wenn es eine andere Person verletzt. Er ist da keine Ausnahme, außer ich ziehe die Person damit noch tiefer in negative Gedanken. „Hach, na gut, mehr kann ich von dir in der Hinsicht nicht verlangen. Wie läuft es denn mit deinem Französisch?“ „Ich werde besser, aber ich habe bei dieser Zungenakrobatik wirklich Probleme. Wenigstens bekomme ich noch Nachhilfe von einem Mitschüler in Naturwissenschaften. Du weißt, wie sehr ich damit Probleme habe.“ „Leider ja und wie bist du an die Nachhilfe gekommen?“ „Die Lehrerin für diese Fächer hat ihn gefragt und er war damit einverstanden. Zwar hat er nicht so viel Zeit, aber er freut sich darauf mir helfen zu können.“ Wenigstens überlegt er anstatt sofort mir den Umgang mit anderen Jungen zu verbieten. Für seine Überlegungen braucht er jedoch recht lange. „Gut, ich erlaube diesen Jungen dich zu treffen, aber vorher muss er erst zu mir ins Büro kommen, sobald ihr einen Termin gefunden habt, damit ich mir einen eigenen Eindruck machen kann.“ Wow, mehr Zugeständnisse hat er mir noch nie gemacht und er scheint sogar keine Probleme im Endeffekt zu haben. Dieser Umstand stimmt mich glücklicher und wenn ein Tag gut anfängt, dann kann nichts schiefgehen. Heute brauche ich ein bisschen länger, weil Vater mehr reden möchte, weswegen ich keine Zeit habe zu Marinette zu gehen, was ich schade finde. Man kann nicht immer alles im Leben umsetzen. An der Schule angekommen wirkt Alya wieder aufgeregt und erzählt mir, was gestern in Paris los war – besonders der Teil mit Ladybug und Cat Noir. „Ich weiß, Alya, denn ich war mittendrin. Cat Noir hat mich sogar gerettet.“ „WAS?! Hat Ladybug auch mit dir gesprochen?“ Warum habe ich das bloß erzählt? Da komme ich nicht mehr so schnell wieder heraus. Zum Glück rettet mich die Schulglocke erstmal vor weiteren Fragen und kaum sitzen wir, schafft Marinette es zu uns zu kommen, ohne zu spät zu sein. Da hat sie noch Glück gehabt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)