Insanity Love von mairio (I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.) ================================================================================ ​Chapter 15: Drowning --------------------- Chapter 15: Drowning   „Ich…Ich muss das alles erstmal verdauen…“, war das erste was Miyako sagte, nachdem Maron zu Ende sprach, aufstand und auf dem Balkon rausging. Die Braunhaarige nickte nur und sah ihr verunsichert nach. Knapp eine Stunde war vergangen seit sie ihrer Freundin alles erzählt hatte. Angefangen von ihrer Begegnung mit Fin bis zu dem Treffen mit Chiaki heute Morgen. Sie hatte ihr alles gesagt. Alles. Die ganze Zeit über hatte Miyako geschwiegen und aufmerksam zugehört. Der Schock in ihren Zügen hatte sich mit der Zeit aufgelöst und sie bekam einen ernsten, undurchdringlichen Blick in den Augen. Maron konnte nicht einschätzen, was in ihrem Kopf vorging. Dennoch fiel ihr ein riesiger Stein vom Herzen, nachdem sie sich alles von der Seele geredet hatte. Nach fünfzehn Minuten kam Miyako wieder rein, ging aufs Sofa zu und setzte sich neben sie wieder hin. „Ehm-“, nervös biss Maron sich auf die Unterlippe, suchte den Blick ihrer Freundin, „Ich kann verstehen, wenn du schockiert und wütend auf mich bi-“ Zu Maron’s Überraschung nahm Miyako sie in ihre Arme und drückte sie innig. „Ich bin froh, dass du mir alles gesagt hast“, sagte die Kurzhaarige. „Ich verzeih dir deine Lügen“, fügte sie hinzu und sah Maron ehrlich lächelnd an, die mit halboffenen Mund zurückstarrte. „Hätte ich gewusst, dass du so ein krasses Leben führst, dann hätte ich dir irgendwie geholfen!“, stieß Miyako seufzend aus und ließ sich auf die Sofalehne fallen. „Ich wollte unter anderem nicht, dass du dich wegen mir in Gefahr begibst...“, gab Maron zu. „Ja… Dafür gefällt mir es allerdings nicht, dass das Schicksal der Welt auf deinen Schultern lastet.“ „Irgendjemand muss ja den Helden spielen.“ „Schätze schon…“ Miyako warf Maron einen ernsten Blick zu. „Von dem was du mir erzählt hast: Fassen wir die zwei wichtigsten Dinge zusammen. Erstens: Du hast mit Chiaki Schluss gemacht, weil ihr Feinde seid?“ Maron nickte betreten. „Und um gleichzeitig diesen unheimlichen Fluch zu umgehen, der auf eure verbotene Liebe lastet?“ Wieder ein Nicken sowie ein Seufzen. „Das war für mich die einzige Möglichkeit, um ihn vor noch mehr Unheil zu bewahren…“, brachte Maron leise entgegen, die Augen auf ihre Hände fixiert, „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was für Schmerzen er letztens erleiden musste…“ „Glaubst du, damit ist es wirklich vorbei?“, fragte Miyako unsicher sowie verängstigt. „Es muss.“ „Aber…Was ist mit deinen eigenen Gefühlen? Kannst du wirklich so tun, als wäre nie was gewesen? Du siehst Chiaki schließlich jeden Tag in der Uni-…“ „Ich werde schon damit klarkommen.“, erwiderte Maron ohne Emotionen.   „Okay. Verstehe…“ Seufzend strich Miyako sich durch die Haare, schlug die Beine übereinander und wurde wieder ernst. „Die zweite wichtige Sache wäre, dass du vorhast eure …Engel zu retten? Die in der Hölle gefangen sind?“ Maron nickte entschlossen. „Ich kann nicht glauben, dass ich mit dir über Gott, Engel und Dämonen rede…“, murmelte Miyako leise, fasste sich ungläubig die Stirn und fragte lauter: „Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie du zur Hölle kommen willst? Ich meine, ich habe von dem ganzen Zeug keine Ahnung! Gibt es sowas wie ein unsichtbares Tor, was dir den Zugang dorthin verschafft, oder was?“ Beschämt sah Maron zur Seite. „Um ehrlich zu sein… Ich habe keine Ahnung, wie ich dahin komme.“ Miyako machte ein verständnisloses Gesicht. „Dann bist du doch auf Chiaki’s Hilfe angewiesen!“ „Nein!“ Die Braunhaarige blickte ihre Freundin ernst an. „Ich habe doch klar und deutlich gesagt, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will und dass ich unsere Engel allein retten werde!“, beharrte sie in einer sturen Haltung und sah Richtung Fenster, „Ich warte einfach darauf, dass demnächst wieder ein Dämon auftaucht und dann werde ich von ihm verlangen, dass er mich dorthin bringt. Dort mache ich schnellen Prozess, befreie Fin und Access und verschwinde mit ihnen zusammen wieder.“ „Dein ernst??“, platzte es aus Miyako entsetzt heraus. „Selbst ich kann dir sagen, dass diese Idee sich leichtsinnig und dumm anhört!“ Wortlos biss Maron sich auf die Lippe, den Blick starr aufs Fenster gerichtet. Einige Augenblicke herrschte wieder eisiges Schweigen zwischen den beiden Freundinnen. Miyako nahm einige tiefe Atemzüge, um sich zu beruhigen und presste sich unschlüssig die Lippen zusammen, überlegte sich genau, was sie als nächsten sagen wollte. Maron wagte es nicht ihrer besten Freundin in die Augen zu blicken, wohlwissend dass Miyako sie mit Sorge und Angst gezeichneten Blicken ansah. Doch sie wollte ihr zeigen, dass sie stark war. Dass Miyako keine Angst um sie haben musste.     Ein Seufzen war zu vernehmen. „Ich mache mir Sorgen um dich. Und um ihn. Das ist alles“, hörte sie Miyako nach einer Weile sagen, „Ich weiß, dass du stark bist, Maron. Selbst bevor ich die Wahrheit über dich erfahren habe, weiß ich das. Du bist stärker, als jede andere Person, die ich kenne. Bloß gibt es eine Sache, die selbst die stärkste Person fertig macht und das ist Herzschmerz.“ Daraufhin wusste Maron nicht, was sie noch erwidern sollte. Verunsichert sah sie kurz zu Miyako rüber und blickte auf ihre Hände herab, die unruhig mit ihrem Saum ihres Shirts spielen. Dann spürte sie eine Hand auf ihren Rücken. „Keine Sorge, ich werde dir trotzdem zur Seite stehen und jede Unterstützung bieten, die ich kann. Ich wollte dir nur sagen, was ich denke“, sagte Miyako mit einem Lächeln. Maron erwiderte das Lächeln schwach und umarmte ihre Freundin innig. „Danke, Miyako… Ich hab dich lieb.“ Miyako strich ihr fürsorglich über den Rücken. „Ich dich auch, du Dummerchen.“   Am nächsten Tag gingen die Freundinnen ihren alten Ablauf wieder durch. Miyako holte Maron am frühen Morgen von zu Hause ab und beide fuhren zusammen zur Uni. Während der Fahrt unterhielten sie beide ausgelassen über Gott und die Welt, doch der Kurzhaarigen entging es nicht, wie angespannt Maron in Wahrheit war. Auf dem Parkplatz begegneten sie Yamato, der von Miyako kurz und knapp darüber aufgeklärt wurde, dass die Beziehung zwischen Maron und Chiaki vorbei war. Auf dem Campus trennten sich anschließend ihre Wege und die junge Diebin lief schwer seufzend in ihre Vorlesung. Kurz vor dem Vorlesungssaal traf sie auf Touya. „Hey, M!“ Maron setzte ein sorgloses Grinsen auf und ging auf ihn zu. „Hey! Wie geht’s dir so?“, begrüßte sie ihn zurück. „Ganz gut. Kann mich nicht beschweren“, grinste er. Gemeinsam gingen sie rein und setzten sich an den noch übrigen freien Plätzen hin. In dem Moment als Maron ihre Sachen auspackte und sich nebenbei mit ihrem Kommilitonen unterhielt, sah sie, wie Chiaki durch die Tür kam und direkt zu ihr rüber sah. Als ihre Blicke sich trafen, blieb augenblicklich alles stehen. Sie stoppte sich mitten in ihren Bewegungen. Jegliche Geräusche um sie herum wurden in den Hintergrund gedrängt. Ihr Herz klopfte lauter und schürte sich schmerzhaft zusammen. Schwer schluckend sah Maron so schnell wie möglich wieder weg. Wie als hätte sie den Blauhaarigen nicht gesehen, packte sie ihre Sachen weiter aus. Vage konnte sie vernehmen, dass Chiaki mit einer ausdruckslosen Miene an ihr und Touya vorbeilief und sich zu den hinteren Reihen begab. Wie als hätte sie die Luft angehalten, ließ Maron ihre angespannten Schultern sinken und atmete tief auf. „Uhm… Okayyy?“, hörte sie Touya verwundert sagen, die Augenbrauen skeptisch zusammengezogen. „Was?“, blickte sie ihn irritiert an.   „Hatten du und dein ach-so-toller Freund Streit gehabt? Die Luft zwischen euch war so eisig, man konnte schon die Eiszapfen wachsen sehen.“ „Ich habe mich von ihm getrennt“, gestand Maron mit tonloser Stimme. „WA-“ Touya stoppte sich, als sie ihm scharfen Blick zuschoss. „Wow…Ehm, das tut mir aufrichtig leid“, brachte er in einem leiseren, mitfühlenden Ton entgegen und räusperte sich beschämt. Plötzlich meldete sich eine hochnäsige Stimme hinter ihnen zu Wort: „Ha! Ich wusste dass das zwischen den beiden nicht lange halten wird“, sagte Yashiro an Makoto gerichtet und grinste falsch. Maron und Touya rollten ohne sich umzudrehen gleichzeitig mit den Augen. „Wahrscheinlich war sie ihm zu langweilig im Bett“, kommentierte Makoto gehässig. „Als ob die jemand wie Chiaki Nagoya verdient hat“, entgegnete Yashiro. Einfach ignorieren!, dachte Maron sich zähneknirschend. „Dumm und Dümmer schlagen mal wieder zu“, merkte Touya in einem sarkastischen Ton an. Kurz darauf kam der Professor, der die Vorlesung anfing. Nach einigen Minuten lehnte Touya sich etwas zu Maron rüber. „Uhm… Darf ich fragen wie es dazu kam?“, fragte er leicht neugierig. „Wie was kam?“ „Die Trennung. Vor drei Tagen war noch alles gut und jetzt? Hatte er dir irgendwas angetan? War er ein Arsch zu dir?“ Maron rollte seufzend mit den Augen. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er direkt davon ausging, dass Chiaki alleinige Schuld an der Trennung hätte. „Egal, was du jetzt denkst, dem ist nicht so“, antwortete sie ihm, „Und, Nein. Ich will nicht darüber reden… Sorry.“ Ihr Sitznachbar nahm das nickend zur Kenntnis und sah dann mit einem argwöhnischen Blick unauffällig nach hinten. Fünf Reihen entfernt traf er auf ein paar braune Augen, die auf Maron fixiert waren und ihn nicht beachteten. *** Sechs Tage vergingen. Sechs Tage, in der Chiaki ab und an versuchte mit Maron den Kontakt aufzubauen, wenn er sie für einen kurzen Moment allein erwischte, sie ihm allerdings weder Beachtung noch eines Blickes würdigte. So kalt Maron sich ihm gegenüber auch gab, so verspürte sie jedes Mal bei seinem Anblick diese Anspannung und diese Schmerzen in ihrem Inneren, die ihr das Gefühl gaben zu ertrinken. Doch sie erinnerte sich immer wieder daran, dass es so besser war. Für sie und für ihn. Um sich von ihren Gedanken an Chiaki abzulenken, trainierte Maron auch jeden Tag. Nicht nur um ihren Kopf frei zu bekommen, sondern auch um noch stärker zu werden, damit sie für den nächsten Dämoneneinsatz vorbereitet war.   Es war 13 Uhr und Maron hatte soeben ihre letzte Veranstaltung hinter sich. Während sie den Saal verließ, unterhielt sie sich freundlich mit einem Kommilitonen, der sie nach ihren Notizen gefragt hatte. Dabei spürte sie Chiaki’s Blicke auf ihrem Rücken, der sich wie immer ein paar Reihen hinter sie gesetzt hat. Frustriert biss sich Maron sich auf die Lippe und umklammerte krampfhaft die Träger ihrer Umhängetasche. Nicht umdrehen…!, mahnte sie sich in Gedanken, Bloß nicht umdrehen… „War das deine letzte Einheit?“, die Stimme ihres Mitstudenten riss sie ins Hier und Jetzt zurück. Überrascht sah Maron zu ihm auf. Shit…Wie hieß er noch gleich?, überlegte sie angestrengt. Sie wusste es einfach nicht mehr. „Ehm… Ja, das war heute für mich die letzte.“, antwortete die Medizinstudentin ihm knapp. Irritiert musste sie feststellen, dass er ihr bis zum Parkplatz gefolgt war. Dort angekommen, wurde die Braunhaarige direkt von Miyako empfangen, die für heute ebenfalls fertig mit der Uni war. „Hey! Wollen wir los? Ich habe schon Hunger!“, kam es von der Kurzhaarigen. Die Freundinnen hatten sich zum Mittagessen verabredet. „Klar!“, nickte Maron und verabschiedete sich mit einem kurzen Winken von ihrem Kommilitonen. „Bis zum nächsten Mal!“, sagte er leicht verlegen, worauf sie nur verhalten lächelte. Miyako hakte sich bei ihr ein und lief mit ihr zum Wagen. „Wer war das?“, fragte sie flüsternd, eine Braue skeptisch hochgezogen. Maron zuckte mit der Schulter. „Keine Ahnung…ganz ehrlich. Der hat mich in der Vorlesung angequatscht und nicht aufgehört zu reden“, flüsterte sie perplex zurück. „Der schien was von dir zu wollen.“ Desinteressiert zuckte Maron bei der Anmerkung ein weiteres Mal mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht mal seinen Namen.“ „Hm... Naja, egal!“ Miyako stieg vergnügt in ihr Auto ein. Maron begab sich auf die Beifahrerseite und schnallte sich an. „Bevor es losgeht, mach die Augen zu und streck deine Hände aus“, verlangte die Miyako plötzlich von ihrer Freundin, die verwundert tat wie ihr geheißen. Im nächsten Moment bekam Maron eine Schachtel in die Hände gedrückt. Verwundert machte sie die Augen auf. „Ich hatte vorhin etwas Zeit und beim Pâtissier was für dich geholt“, sagte Miyako mit einem Grinsen, als Maron die Schachtel öffnete und einen hübschen Erdbeerkuchen mit der Schoko-Aufschrift „Happy Birthday“ erblickte. „Oh mein Gott…“ Peinlich berührt musste die nun-zwanzigjährige auflachen und fasste sich den Kopf. „Danke, Miyako. Aber du hättest mir nicht holen müssen.“ „Papperlapapp! Das ist doch selbstverständlich!“, winkte Miyako ab und fuhr schließlich los, „Nach dem Essen machen wir uns am besten noch einen schönen Shopping-Tag!“ Maron nickte breit grinsend. „Okay!“, stimmte sie zu.   Der Nachmittag verging daraufhin wie im Flug und die Sonne ging allmählich unter. Es wurde viel gequatscht, getratscht und gelacht. Die beiden besten Freundinnen hatten sich in den Essensbereich ihres Lieblingseinkaufszentrums hingesetzt, zusammen den Kuchen gegessen und sich noch jeweils eine Sushi-Box geholt. Anschließend liefen sie durch die Läden und fanden sogar einige neue Outfits, die sie für den Sommer tragen konnten. Mit vollen Einkaufstaschen in den Händen spazierten die beiden jungen Frauen noch ein wenig am Strand entlang und steuerten anschließend zu Miyako’s Auto zu, welches in der Nähe geparkt war. Gerade als Maron ihre Sachen in den Kofferraum ablegen wollte, piepte ihr Amulett in ihrer Tasche. Ein Dämon!, ging es ihr schlagartig durch den Kopf. Sofort nahm sie es raus und schaute sich mit einem achtsamen Blick um. Viele Menschen liefen an ihnen vorbei, wodurch sie nicht ausmachen konnte, wer von ihnen besessen war. Miyako sah sie unterdessen ernst, verängstigt und besorgt zugleich an, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. „Du musst jetzt los, oder?“ Maron drehte sich zu ihr um und nickte zögerlich. „Ja….“ Sie fuhr sich seufzend durch die Haare. „Es ist schließlich mein Job“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. „Mach dir keine Sorgen, Miyako.“ Doch diese ließ von ihren Sorgen und Ängsten um ihre Freundin nicht los, was Maron nicht entging. „Es tut mir leid, okay… aber ich werde heil wieder nach Hause kommen. Versprochen.“, sagte sie, drückte ihre Freundin und lächelte stark. In dem Moment als Maron sich abwenden und gehen wollte, hielt Miyako sie noch am Handgelenk fest.   „Bitte sei vorsichtig, Maron... “, sagte Miyako, „Lass es mich nicht bereuen, dass ich dich jetzt gehen lasse.“ Maron sah sie mit großen Augen an, nickte ernst und rannte schließlich los. Einige Meter entfernt, versteckte sie sich in eine Seitengasse, zog ihr Kreuz hervor und verwandelte sich in Jeanne. Anschließend sprang sie auf die Gebäudedächer hoch, um nach dem Dämon Ausschau zu halten. *** Chiaki lief mies gelaunt durch das Universitätsgebäude. Er hatte seine letzte Abendvorlesung hinter sich gehabt und ging noch zu den Toiletten, bevor er nach Hause fuhr. Eigentlich hatte er an sich keine Lust zur Uni zu gehen. Für ihn war es reinste Zeitverschwendung. Allerdings musste er zum einen in gewissen Maßen das Bild eines gewöhnlichen Vorzeigestudenten aufrechterhalten und zum anderen war dies derzeit der einzige Ort auf der Welt, in der Chiaki Maron sehen konnte, ohne dass er vor verschlossenen Türen stehen würde, weshalb er sich täglich dahin zwang. Dennoch fehlte sie ihm. Es war eine innere Qual von ihr jeden Tag die kalte Schulter zu bekommen. Das sowie die Tatsache, dass Maron nun ständig von irgendwelchen Kerlen angequatscht wurde, wenn sie nicht mit ihren Freunden zusammensaß. Am liebsten hätte Chiaki sich jedes Mal aus Wut und Eifersucht dazwischen gedrängt und jeden einzelnen von ihnen klargemacht, dass keiner sich seinem Mädchen nähern durfte. Doch sie war nicht mehr sein Mädchen. Sie wollte nicht mehr sein Mädchen sein. Während er sich am Waschbecken die Hände wusch, gingen ihm unwillkürlich ihre Worte von vor paar Tagen durch den Kopf. Dass sie in ihn nicht mehr als nur ihren Rivalen Sindbad sehen würde. Dass sie ihn nicht liebte. Dass sie ihn hassen würde. Verbittert biss Chiaki sich die Zähne zusammen, stützte sich schwer atmend am Waschbecken ab, den Blick nachdenklich nach unten gesenkt. Was soll er nur machen? Abgesehen von seiner Beziehung mit Maron, musste er sich auch noch Gedanken, um Fin und Access machen. Es war mehr als offensichtlich, dass es für Maron unmöglich war, die beiden alleine zu retten. „Ugh… Du“, hörte Chiaki plötzlich jemand in einem angewiderten Ton sagen, was ihn aus seiner Gedankenwelt riss. Auch das noch…!, rollte der Blauhaarige innerlich mit den Augen, als er die Stimme erkannte und stöhnte entnervt auf. Von allen Menschen auf der Welt, ausgerechnet er… Chiaki blickte sich um und sah Touya, der aus einer Kabine rauskam und zwei Waschbecken weiter sich die Hände wusch. Bis auf die beiden, war niemand weiteres anwesend. Wortlos nahm Chiaki seine Tasche über die Schulter und wollte an Touya vorbeigehen, als dieser ihn im nächsten Augenblick jedoch mit einer Hand an der Schulter stoppte. „Was willst du, Kirishima?“, fragte Chiaki trocken. „Nur mit dir reden, Nagoya“, antwortete Touya und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kein Bedarf“ Chiaki wagte einen weiteren Versuch an seinen Kommilitonen vorbeizukommen, doch dieser stellte sich ihm immer wieder in den Weg. „Verschwende nicht meine Zeit“ Nun war er sichtlich genervt. „Ich will nur wissen, was zwischen dir und Maron vorgefallen ist“, sagte Touya ernst. Chiaki zog eine Augenbraue hoch. „Und wieso sollte dich das was angehen?“ „Ich hab Maron wie eine kleine Schwester gern. Daher habe ich ein gutes Recht mir Sorgen zu machen und von dir zu verlangen, was für eine Scheiße du ihr angetan hast.“ Daraufhin musste Chiaki kurz auflachen. „Und du gehst direkt davon aus, dass ich ihr irgendwas getan haben könnte?“, fragte er und deutete mit der Hand auf sich. „Wäre ja schließlich nichts neues“, zuckte Touya mit der Schulter, „Oder könntest du mich vom Gegenteil überzeugen?“ Schweigend sah der Medizinstudent zur Seite. „Ich hatte wirklich gehofft, dass in dir doch ein guter Kerl mit Gefühlen steckt, doch da habe ich mich geirrt“, sprach Touya weiter, „Du bist nach wie vor ein gefühlloses Arsch, der mit den Gefühlen anderer spielt.“ „Ich habe nicht mit ihren Gefühlen gespielt“, entgegnete Chiaki todernst, „Ich liebe sie, okay? Ich würde nie etwas tun, um sie zu verletzten.“ Touya zog bei der Liebeserklärung leicht erstaunt beide Augenbrauen hoch. „Wieso hat sie dann mit dir Schluss gemacht?“ „Meinungsverschiedenheiten.“ „Meinungsverschiedenheiten? Willst du mich verarschen?“ „Mehr sage ich dir nicht.“ Chiaki drängte sich an Touya vorbei, blieb allerdings nach drei Schritten abrupt stehen. Seine Tasche rutschte ihm die Schulter herunter und fiel ihm auf den Boden. Er hielt sich eine zitternde Hand vor die Brust, die andere umfasste krampfhaft das Waschbecken neben ihn. Seine Augen wurden erschrocken groß. Ihm stockte der Atem. In der nächsten Sekunde knickten seine Beine ein.   Es dauerte auch nicht lange bis Jeanne den Besessenen fand. Ein junger Mann mit Baseballkappe auf dem Kopf, der soeben in ein Pick-Up einstieg und losfuhr. Instinktiv sprang Jeanne runter, sodass sie auf die offene Ladefläche des Wagens landete. Der Besessene bemerkte dies natürlich, warf ihr durch den Rückspiegel einen kurzen Blick zu und trat anschließend aufs Gaspedal. Fast hätte Jeanne das Gleichgewicht verloren und wäre von der Ladefläche weggeschleudert worden, doch sie hielt sich mit aller Kraft am Rand fest. Der Dämon raste wie ein Geisterfahrer durch die Straßen und wechselte immer wieder die Spuren, unternahm einige Versuche sie von dem Wagen loszuwerden, jedoch ohne Erfolg. Irgendwann hielt Jeanne es allerdings nicht mehr aus, weshalb sie gezwungen war vom Wagen abzuspringen. Bei der Landung rollte sie sich ab und landete auf hartem, steinigem Boden mit etwas Gras. Gleichzeitig blieb der Pick-Up abrupt stehen und der Besessene stieg aus. Blitzschnell stand Jeanne auf und sah sich flüchtig um. Irritiert musste sie feststellen, dass der Dämon sie bis zu den Klippen hochgefahren hat. „Endlich bin ich meinen fremden Passagier losgeworden“, sprach eine dunkle, unmenschliche Stimme aus dem Mann. Dann fiel er zu Boden und die dunkle, groteske Gestalt des Dämons manifestierte sich aus der Kappe.   „MACH DICH AUF DEIN ENDE GEFASST, KAMIKAZE-DIEBIN!“ „Warte!!!“ Jeanne’s Aufforderung ließ den Dämon irritiert inne halten. „Ich schlage dir einen Deal vor! Wenn du tust, was ich von dir verlange, werde ich dich verschonen!“ Der Dämon verengte misstrauisch seine roten Augen und fing an zu lachen. „TUT MIR LEID KLEINE KAMIKAZE-DIEBIN! ABER DÄMONEN MACHEN KEINE DEALS!“ „Was?!“ Bevor Jeanne reagieren konnte, traf sie eine unsichtbare Macht. Kurz vor dem Klippenrand konnte sie sich noch aufrecht halten. Mit leichten Schwindelgefühlen sah sie herunter. Die Wellen waren heute stärker als sonst und schlugen mit enormer Kraft gegen die Felsbrandung. Im nächsten Moment merkte Jeanne, wie der Dämon einige Energiekugel auf sie schoss, die sie gekonnt auswich. „Gottverdammt, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?!“, fauchte sie ihn an, doch der Dämon ließ nicht mit sich reden. Miyako hatte Recht. Der Plan war leichtsinnig und dumm!, ging es Jeanne verärgert durch den Kopf. Sie nahm ihr Kreuz und ließ es zu ihrem Schwert transformieren. „Dann werde ich dich bannen, wenn du nicht hören willst!“, rief sie und setzte zum Angriff an. Der Dämon war allerdings ungewöhnlich stark und schnell, wodurch ihre Angriffe jedes Mal abgeblockt wurden. Verdammt! So wird mir kein Schachmatt gelingen!, dachte sie sich zähneknirschend. Eine weitere Energiekugel kam auf Jeanne zugeflogen und traf sie mit voller Wucht auf die Brust, sodass sie einige Meter zurückfiel. Und bevor sie einen Schrei rauslassen konnte, stürzte sie kopfüber in die Tiefen des Meeres.   Chiaki bekam keine Luft. Er fiel auf die Knie, schnaufte angestrengt. Seine Brust schmerzte und seine Lunge war unfähig Luft einzusaugen. Er fühlte sich wie, als würde er ersticken. „Alter, was ist los mit dir?“, hörte er Touya fragen, der nun mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck neben ihm stand. Chiaki hatte ihn für einen Moment fast vergessen und verfluchte sich dafür, dass der Rothaarige dies alles jetzt mit ansehen durfte. „Kann nicht atmen…“, flüsterte er. „…Im Sinne von Atemnot? Hast du vielleicht Asthma?“ Innerlich fluchend kehrte Chiaki ihm dem Rücken zu, stützte sich mit beiden Händen am Waschbecken ab und setzte sich mühselige wieder auf die Beine. Sein Gesicht war kreidebleich. Kalter Schweiß rann ihm über die Stirn. Er musste schwer schlucken, rang verzweifelt nach Luft. „Bitte. Geh.“, brachte er leise hervor, den Kopf nach unten gesenkt. „Eh, nein.“, entgegnete Touya, warf ihm einen verrückten Blick zu und gestikulierte in sein Richtung. „Ich werde nicht gehen. Und was zum Teufel passiert mit dir gerade?“ „Ich ertrinke, du unsensibles Arsch!“, zischte Chiaki und funkelte ihn durch Spiegel an, „Und ich hätte gern meine Ruhe!“ Touya wollte auf die Beleidigung etwas Schlagfertiges erwidern, als er sich stoppte. Konfus zog er die Brauen zusammen. „Was zur Hölle-... du ertrinkst?! Was zum Henker soll das heißen??“ Doch Chiaki konnte ihm nicht mehr antworten. Er spürte wie seine Augen und sein Hals brannte. Der Geschmack von Salz dominierte in seinem Mund und er musste kurz abhusten. Sein Körper verkrampfte sich, als er im nächsten Moment eine große Menge Salzwasser ausspuckte. „Ehm... Soll ich dir einen Arzt holen?“, fragte Touya völlig geschockt und teilweise sogar besorgt. „Nein!“, wendete Chiaki sofort ein, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, sein Herz raste. „Kein Arzt oder sonst irgendjemand!“ „Alter. Du hast dich gerade übergeben…“ „Ist nur Salzwasser…“ „Salzwasser?? Warst du heute schwimmen gewesen?“ Chiaki schüttelte verneinend den Kopf. Touya warf fassungslos die Hände in die Höhe. „Was für eine Freakshow geht hier dann ab?“ Chiaki ignorierte ihn und hielt sich den Kopf. Er war nicht mal ansatzweise in der Nähe vom Meer gewesen. Dennoch konnte er das Rauschen in seinen Ohren hören, wie als würde er einer Muschel lauschen. Kann es sein, dass-...? Er schloss seine Augen und sah das schwappende Meer vor sich, schwarz-blau und bodenlos. In dem Moment wusste er genau, was gerade vor sich ging. Sein Gesicht wurde noch bleicher als vorher. „Maron…!“, wisperte er kaum hörbar. Panik und Angst stieg in ihm hoch. Im Spiegel sah er, wie Touya verwirrt das Gesicht verzog. Ohne ihm weiter Beachtung zu schenken, rannte Chiaki los. *** Als Kind hatte Maron furchtbare Angst vor dem Ozean gehabt. Zum einen lag es an den tobenden Wellen des Meeres, die ihr immer ein beängstigendes Gefühl in der Brust verursacht haben. Dunkelblau mit weißen Spitzen, die von außen eine gewisse Ruhe und Schönheit ausstrahlten, gleichzeitig aber auch ungeheuren Kräfte aufwiesen, die alles mit sich reißen konnten. Einmal hatte sie am Strand eine Welle ungünstig erfasst und sie erinnerte sich an das fallende Gefühl, wie als würde sie einen Aufzugschacht herunterstürzen, und sie erinnerte sich daran, wie das Wasser sie auf den sandigen Boden drückte. Damals überkam Maron zum ersten Mal die Angst zu ertrinken und sie erinnerte sich daran, wie sie verzweifelt versuchte gegen die Kräfte des Meeres anzukämpfen, um wieder zur Oberfläche zu gelangen. Zum anderen war ihre Angst darin begründet, dass ihr die unendlichen Tiefen des Ozeans unheimlich vorkamen. Einst las sie einen Artikel über Menschen, die allein im offenen Meer zurückgelassen wurden und wie wahnsinnig sie vor Angst wurden, wenn sie daran dachten, was alles unter ihnen lauern könnte: hunderte von Meter tiefschwarzes Wasser und unheimliche Wesen, die darin lebten, wie zum Beispiel Haie.   Als Jeanne in den Ozean fiel, überkam sie direkt eine riesige Welle. Das Salzwasser verschluckte die Diebin förmlich, umhüllte sie vollständig in ihre Schwärze. Ihr Schwert hatte sich in ihr Kreuz zurückverwandelt, was ihr wieder an der Brust hing. Sie konnte das schwache Licht des Mondes auf der Wasseroberfläche sehen, versuchte darauf zuzuschwimmen, jedoch erfolglos. Zu stark war die Strömung. Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihr aus. Bis auf das kleine Licht an der Oberfläche sah sie nichts als Schwärze. Sie spürten einen schmerzenden Druck in ihren Ohren. Nur Gott wusste, wie tief sie sich gerade befand. Ihre Lungen fingen an zu schmerzen. Ebenso stieg auch die Angst in ihr hoch, breitete sich bis in ihre Knochen aus. Die Angst um das, was um sie herum lauern könnte. Eventuell spürte sie, wie etwas ihre Beine streifte. Ein stummer Schrei entkam ihr, Luftblasen stiegen dabei hoch. Von Panik ergriffen, versuchte sie ein weiteres Mal zur Oberfläche zuschwimmen. Ihre Lungen fühlten sich an, wie als würden sie jeden Augenblick kollabieren. Sie streckte einen Arm hoch, reichte nach Ende des Wassers. Ihre Hand brachen durch die Oberfläche durch und ihre Finger trafen auf kühle Luft. Plötzlich griff etwas nach ihrem Handgelenk und Jeanne spürte, wie sie an die Wasseroberfläche gezogen wurde. Viel zu voreilig schnappte sie nach Luft. Wasser sammelte sich in ihrer Lunge, die Dunkelheit erschlug sie schließlich mit voller Wucht und alles um sie herum wurde schwarz.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)