Insanity Love von mairio (I love you. Today. Tonight. Tomorrow. Forever.) ================================================================================ Chapter 14: Broken ------------------ Chapter 14: Broken   Maron wusste nicht, wie lange sie im Regen gestanden hatte. Irgendwann hatte sie es geschafft aufzustehen und zum Orléans zurückzukehren. Wie in Trance trugen ihre Beine sie von selbst. Im siebten Stock angekommen, war sie mehr als erleichtert zu sehen, dass Chiaki nicht vor ihrer Haustür wartete - wie sie zunächst befürchtet hatte. Der Gedanke an ihn verursachte ihr ein stechendes Gefühl in der Brust und sie musste schwer schlucken. Zu Hause steuerte Maron direkt aufs Bad zu, entledigte sich ihre pitschnassen Klamotten und stieg in die Duschkabine. Eine Weile stand sie unter dem heißen Wasserstrahl, die Augen leerblickend auf die Badezimmerfliesen gerichtet. Gedanklich ging sie die letzten Jahre, Monate, Wochen nochmal durch den Kopf durch. Sie dachte an ihre erste Begegnung mit Sindbad zurück. Der Tag, an dem sie auch zum ersten Mal Jeanne die Kamikaze-Diebin wurde. An dem Tag war das Ölgemälde eines berühmten Malers von einem Dämon befallen. Maron wusste nicht wie, doch mit Glück und Geschick schaffte sie es die Polizei abzuhängen und als erste im Atelier anzukommen. Auf einmal tauchte eine dunkle Gestalt aus den Schatten hervor und schleuderte die damals Sechzehnjährige an die nächstgelegene Wand. Im nächsten Moment spürte sie etwas Scharfes auf ihrem Hals ruhen. Ein Messer. Sie schnappte scharf nach Luft und sah zu ihrem Angreifer auf. Bisher hatte Maron von Sindbad über die Nachrichten oder Fin’s Erzählungen gehört. Damals hatte sie sich alles Mögliche vorgestellt, wenn sie an einem Diener des Teufels dachte. Allerdings hatte sie nicht erwartet, einen Jungen ihres Alters vor sich stehen zu sehen. Weiße Haare und Augen, so blau wie das Meer. Auch wenn sie es sich im Nachhinein nicht eingestehen würde, so ging ihr eines durch den Kopf, als sie ihm in die Augen sah: Wunderschön. Es war eine faszinierende Farbe, in der sie sich für einen Moment verlor. Schließlich bemerkte Jeanne, wie Sindbad sie eindringlich und zugleich neugierig musterte. „Wer bist du? Und was machst du hier?“, verlangte er von ihr zu wissen, die Stimme ein raues Wispern. Gerade als sie antworten wollte, vernahmen beide Stimmen und Schritte, die sich dem Atelier näherten. Abgelenkt von dem Tumult sah Sindbad zur Tür rüber, was Jeanne die Gelegenheit gab, ihm in die Brust zu treten und anschließend den Dämon im Namen des Herrn Schachmatt setzte. Sindbad beobachtete sie mit einem leicht überraschten Gesichtsausdruck. Kurz bevor sie aus dem Fenster flüchten wollte, drehte Jeanne sich zu ihm und blickte ihn herausfordernd an. „Ich bin Jeanne die Kamikaze-Diebin, die Gesandte des Herrn!“, sagte sie ihm in einer selbstbewussten Haltung, „Ich bin hier, um gegen dich anzutreten und die Dämonen im Gottes Namen zu bannen. Demnach werde ich ab sofort deine Rivalin sein. Unterschätz mich nicht, denn ich werde gewinnen!“ Erstaunt hob sich eine Augenbraue, gefolgt von einem amüsierten Grinsen. „Das gefällt mir! Endlich kommt mal Spannung ins Spiel rein!“, entgegnete Sindbad, sein Grinsen wurde noch breiter, „Gut…Ich nehme deine Herausforderung an, Kamikaze-Diebin Jeanne.“ Seitdem sind drei Jahre vergangen. Drei Jahre Rivalität, in der beide so gut wie jede Nacht skrupellos miteinander kämpften. Drei Jahre, in der sie ihn gehasst hat. Und jetzt? Wie standen ihre Gefühle jetzt zu ihm? Seufzend schloss Maron Augen und duschte sich die nächsten Minuten fertig. Dann verließ sie das Bad, zog sich ihren Pyjama an und holte sich aus der Küche etwas zu trinken. Mit einer Flasche Wasser lief sie trostlos durch die Wohnung. Ihr Handy lag noch immer auf dem Wohnzimmertisch, das Benachrichtigungslicht blinkte immer wieder hell auf. Widerwillig nahm sie das Gerät in die Hand und entsperrte es. Fünfzehn verpasste Anrufe sowie eine Sprachnachricht. Alle von Chiaki. Wieder spürte sie das schmerzhafte Stechen in ihrer Brust. Ihre Hand begann zu zittern. Zögernd presste Maron sich die Lippen zusammen. Mit dem Blick aufs Handy ging sie in ihr Schlafzimmer und setzte sich auf ihr Bett, den Rücken an die Wand angelehnt. Ein Teil von ihr wollte eigentlich ihre Ruhe haben und nichts von Chiaki hören. Doch ein anderer Teil von ihr wollte wissen, was er ihr in der Sprachnachricht sagen wollte. Nach einigen Minuten sprang sie schließlich über ihren Schatten und spielte sie ab. „Hey… Ich kann verstehen, wenn du Momentan nichts mit mir zu tun haben willst.“, hörte sie Chiaki sagen, seine Stimme klang erschöpft, „Aber ich würde gerne mit dir reden… Von daher-“ Ein Seufzen war zu hören. „Melde dich…Egal wann. Bitte, Maron...“ Damit war die Nachricht beendet. Mit einer ausdruckslosen Miene blickte Maron auf ihr Handy herab, welches ihr aus der Hand rutschte und auf die Matratze fiel. Was mache ich nur, verdammt…?!, ging es ihr wieder Mals durch den Kopf, zog ihre Beine an sich heran und schlang ihre Arme um sie. Entkräftet seufzte die Braunhaarige auf, ließ ihr Kinn auf die Knie sinken. Dann sah sie auf die Uhr. 2:39 Uhr. An Schlaf war für sie allerdings nicht zu denken. Wie Adrenalin hielt sie diese innere Unruhe in ihrem Kopf und in ihrem Herzen wach. Anschließend ließ sie ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Noch immer schüttete es wie aus Eimern und die Regentropfen prasselten lautstark gegen die Scheiben. Nach einer Weile hörte das Prasseln auf und die Morgensonne kam hinter den dunklen Wolken allmählich zum Vorschein. Die Uhr zeigte 5:13 an. Langsam nahm Maron ihr Handy in die Hand, öffnete Chiaki’s Nachrichtenfenster und tippte eine Antwort ein. Sofort kam von ihm eine Antwort zurück. Ob er auch die ganze Nacht wach war…?, fragte sie sich innerlich. Kurz tippte Maron etwas zurück, stand auf und zog sich um. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Es war nicht leicht, diese Entscheidung zu treffen, doch es war für alle womöglich das Beste. Eine kleine Träne entkam ihrem Auge, als sie sich einen dünnen Mantel holte und schließlich aus der Tür trat. *** Chiaki stand an der Klippe mit der Aussichtsplattform, welche er Maron zu ihrem ersten Date gezeigt hatte und lehnte sich wartend ans Geländer an. Still seufzend fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. Nach dem Vorfall im Park war er die ganze Nacht lang wach gewesen und hatte verzweifelt versucht Maron anzurufen. Schließlich hatte er ihr die Sprachnachricht hinterlassen und darauf gehofft, dass sie ihm so bald wie möglich antworten würde. Zu Hause fiel dem Zwanzigjährigen allerdings nach kurzer Zeit die Decke auf dem Kopf, weshalb er letztlich beschloss durch die Stadt herumzuwandern, trotz des Regens. Nach einer Weile hörte der Regen auf und er hatte die Klippe erreicht. In dem Moment vibrierte sein Handy. Mit Herzklopfen las und beantwortet er Maron’s Nachricht. Er wollte zu ihr kommen, doch sie bestand darauf zur Klippe zu kommen. Nun wartete der Blauhaarige geduldig auf sie. Einerseits war Chiaki froh, dass sie ihm geantwortet hat, andererseits war er nervös auf das Gespräch, was kommen wird.   Es dauerte zwanzig Minuten bis Maron ankam. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Emotionen an. Unter ihren Augen haben sich leichte Schatten gebildet und die Hände waren in den Manteltaschen vergraben. Wortlos ging sie auf Chiaki zu, der aufs offene Meer starrte. „Ich habe dich vermisst“, sagte er, ohne den Blick von der Ferne abzuwenden. Auch er wies leichte Augenringe unter seinen Augen auf. Maron wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, machte stumm den Mund auf und schloss ihn wieder. Ihr fiel eine Lederkette um seinen Hals auf, an der ein silberner Anhänger mit einem dunkelroten Edelstein und ein eingraviertes Pentagramm hing. Maron fragte sich, ob er das Artefakt schon immer getragen hat und ob es die ganze Zeit über unter sein Shirt versteckt gewesen war? Hätte sie es vorher an ihm entdeckt, dann wäre ihr früher bewusst geworden, dass mehr hinter der Person von Chiaki Nagoya steckte. Unbewusst umfasste sie ihr Kreuz in ihrer Manteltasche. Einige Minuten standen beide schweigen da. Das Rauschen des Meeres füllte die Stille zwischen ihnen. Ein frischer Wind wehte vorbei und spielte mit ihren Haaren. Alles hatte nahezu was Beruhigendes an sich. Wäre nicht diese bedrückende Atmosphäre zwischen ihnen. „An dem Tag als wir das erste Mal hier standen, habe ich dir von meiner Mutter erzählt…“ Leicht überrascht wandte Maron sich zu Chiaki um. Dieser erwiderte ihren Blick nicht, sah immer noch auf Meer herab. „Was ich dir damals erzählt habe, habe ich noch nie jemand erzählt… selbst Access weißt nichts über meine Vergangenheit.“, sprach er monoton weiter, „Ich habe gelogen, als ich sagte, ich erinnere mich kaum an meine Mutter. Die Wahrheit ist, ich erinnere mich an alles… Ich erinnere mich, dass sie eine gutherzige Person war, die von allen geliebt und geschätzt wurde. Ich erinnere mich, dass viele Leute auf ihrer Beerdigung anwesend waren und mir dauernd sagten, dass ich ihr Lächeln hätte.“ Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. „Ich erinnere mich, wie ich in den Sarg reinschaute und das… Ding darin betrachtete, was meine Mutter war… und gleichzeitig irgendwie auch nicht.“ Kurz hielt Chiaki inne, der Blick in seinen Augen verhärtete sich. Maron musste schwer schlucken. Sie konnte ihm ansehen, dass es nach so vielen Jahren immer noch ein schwieriges Thema für ihn war. „Ich erinnere mich, wie sie zu diesem Ding wurde. Sie hatte mich an dem Tag zum Einkaufen mitgenommen. Es war ziemlich überfüllt auf den Straßen.“, setzte er fort, „Ich erinnere mich, wie sie plötzlich nach Luft rang, als jemand sich an ihr vorbei drängte und sie sich leicht nach vorne beugte, bevor ihre Hand, die meine hielt sich lockerte. Ich erinnere mich, wie das Blut sich unter ihrer Jacke ausbreitete.“ Maron musste bei den Vorstellungen schockiert aufkeuchen. Chiaki senkte schwer seufzend seinen Kopf, fuhr sich mit einer Hand einige Male durch die Haare. „Woran ich mich nicht erinnern kann ist, wie das Gesicht des Täters aussah. Ich kann mich ehrlich gesagt, auch nicht daran erinnern, was alles danach geschah…“ „Wie furchtbar…“, brachte Maron leise hervor. „Mein Vater war zwar für mich dagewesen, aber für mich war nichts mehr so wie es vorher war. Ich fühlte mich seit dem Vorfall einfach nur leer, gebrochen und verloren.“ Wieder stoppte er sich und ein kleines, verlegenes Lachen entkam ihm. Zum ersten Mal sah er Maron an. Sie neigte etwas stutzig den Kopf. „Keine Ahnung, ob du mir das glauben würdest-“ Chiaki richtete sich etwas aufrecht, drehte sich auf dem Absatz um und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer an. Die Hände hatte er sich in die Hosentaschen gesteckt. „Irgendwann nach ihrem Tod habe ich einen sechsten Sinn für Übernatürliches bekommen – spricht, ich konnte Dämonen sehen und die dunklen Auren von ihnen spüren. Natürlich wusste ich nicht, dass das echte Dämonen waren. Meistens tauchten sie für einen Augenblick auf und verschwanden wieder, wie als wären sie nie dagewesen.“ „W-Wie kann das sein?“, fragte Maron ungläubig. „Ich meine-… Bevor ich Fin kennenlernte, hatte ich manchmal so ein vages Gespür für das Böse gehabt, aber richtig sehen konnte ich die Dämonen erst, als ich zur Diebin wurde.“ Chiaki zuckte ratlos mit den Schultern. „Auf jeden Fall hatte mein Vater mich zum Therapeuten geschickt und man ging davon aus, dass wären noch irgendwelche posttraumatischen Nachwirkungen.“ Er kickte einen kleinen Kieselstein weg. „Tja...Wie dem auch sei. Die Jahre vergingen und als ich sechzehn war, gab es schließlich erneut einen Vorfall, was mein Leben veränderte. Ich war mit der Schulklasse für den Geschichtsunterricht im Museum gewesen und wie immer konnte ich auch dort einen Dämon rumlungern sehen. Doch anstatt dass er einfach verschwindet, setzte er sich in einer ägyptischen Skulptur ab. Kurz darauf war der Security-Mann, der davor stand, besessen und saugte allen Besuchern die Lebensenergie ab. Ehe ich mich versah, lagen alle um mich herum auf den Boden und ich war der einzige, der noch aufrecht stand. Der Dämon bemerkte dies natürlich, zog seine Waffe und lief auf mich zu. Dies war für mich der Startschuss gewesen, um abzuhauen. Ich rannte um mein Leben und hoffte gleichzeitig, dass alle anderen Menschen, um mich herum, nicht tot waren. Irgendwie habe ich es auch geschafft den Alarm auszulösen und um mich für einen Moment zu verstecken. Dann tauchte er auf.“ „…Mit er ist der Teufel gemeint“, kam es von Maron ernst. Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. Chiaki nickte bestätigend. „Er sagte mir, dass die Polizei nichts ausrichten könnte und bot mir die Kraft an, mit der ich den Dämon bannen und alle retten kann. Im Austausch für meine Seele, natürlich.“ Er presste sich die Lippen und mied ihren kritischen Blick. „Ich bin diesen Teufelspakt damals eingegangen, mit dem Ziel, dass ich alle Dämonen aus dieser Welt loswerden wollte. Da war es mir egal, für wen ich arbeite.“ „Ist dir klar, dass dein verdammter Boss die Dämonen auf diese Welt losgesetzt hat?“ „…Das war mir bewusst. Früher war es mir egal, solange meine Familie und Freunde von den Dämonen verschont werden. Und Satan hat mir sein Wort darauf gegeben.“ „Du weißt, dass er eines Tages Gott vernichten und die Menschheit unterwerfen will.“ „Was mit Gott passiert, war mir damals egal und ist es heute immer noch.“, entgegnete Chiaki in einem kühlen, verbitterten Ton. Maron zuckte bei dem Satz merklich zusammen. „Jeden Tag sterben Menschen -wie meine Mutter- auf grausamer Weise, werden aus dem Leben gerissen, ohne dass sie es wollen… Und was macht Gott? Er schaut nur zu. Schenkt uns zwar das Leben, aber tut nichts dagegen, um es zu beschützen. Da macht es keinen Unterschied, ob die Menschen sich irgendwann gegenseitig auslöschen oder von den bösen Mächten persönlich.“ Fassungslos schüttelte Maron den Kopf, hielt sich Hand vor die Stirn. „Einfach unglaublich…“, murmelte sie verständnislos. „Ich erwarte von dir nicht, dass du nachvollziehen kannst, wieso ich Sindbad geworden bin. Aber da dir die Frage garantiert als erste auf der Zunge lag, habe ich dir jetzt erzählt, wie es dazu gekommen war.“ „Okay. Danke für die Einblicke in deine Vergangenheit. Ich kann zwar den Schmerz deines Verlustes verstehen… Aber direkt den Glauben an Gott, an das Gute abzulegen sowie alles andere-…ich weiß nicht, ob ich es nachvollziehen kann“ Bei der Härte in ihrer Stimme, musste Chiaki schwer schlucken. „Da fällt mir ein…Was hast du eigentlich angestellt, als der Typ aus dem Restaurant -Ren- und Hijiri dir in die Augen gesehen haben?“, fragte sie, die Augenbrauen skeptisch zusammengezogen, „Beide haben ziemlich…verängstigt gewirkt…“ „Wie immer eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe…“, murmelte er amüsiert lächelnd, wandte sich zu ihr und ließ seine braunen Augen für einen Moment blau aufblitzen. Dieselben blauen Augen, wie die von Sindbad. Maron blinzelte ihn erstaunt an. „Ein kleiner Trick den ich mir angeeignet habe, um Leute abzuschrecken, die mir auf die Nerven gehen. Manchmal passiert es automatisch, wenn ich wütend bin.“, gab er achselzuckend zu. Nickend nahm sie das zu Kenntnis. Ihr hübsches Gesicht war nun eine reglose Maske. „Wie lange wusstest du, dass ich Jeanne bin?“, verlangte sie schließlich zu wissen, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Lächeln verschwand wieder. „Seit vorgestern Nacht, als Yusuke besessen war. Ich war dir gefolgt und habe gesehen, wie du dich zurückverwandelt hast. Ich wusste vorher nicht, dass du Jeanne warst.“, gestand er wahrheitsgetreu. „Wirklich?“ „Ja.“ Unsicher biss Maron sich auf die Unterlippe, sah zum Meer hinaus und nickte einmal. „Verstehe.“ „Glaubst du mir?“ „Ja.“ „… Es gibt da noch zwei Sachen, die du wissen musst“, merkte Chiaki in einem ernsten Unterton an. „Zwei?“, fragte sie, ohne ihn anzusehen und zog irritiert die Brauen zusammen. Er nickte, presste sich zögerlich die Lippen zusammen. Für einige Sekunden war es wieder Still zwischen den beiden. Maron atmete tief ein und wieder aus. „Ich weiß von dem Fluch, wenn du darauf ansprechen willst“, sagte sie. Überrascht schnellte Chiaki seinen Kopf in ihre Richtung. „Fin hatte mir vor Jahren davon erzählt.“, erklärte sie knapp. „Verstehe… Ich war gestern in der Hölle und wollte deswegen aufhören.“, offenbarte er. Nun war sie es, die ihn überrascht und zugleich geschockt ansah. „Du wolltest aufhören Sindbad zu sein? Wegen dem Fluch?“ „…Indirekt. Der Gedanke, dass du wegen mir verletzt wirst, war mir zuwider.“ Bitternis sowie ein Hauch von Schmerz war in seiner Stimme zu vernehmen. Ihre braunen Augen wurden noch größer. Dass er wegen ihr -und ihrem Wohlergehen- aufhören wollte, um den Fluch zu umgehen, warf Maron sichtlich aus der Bahn. „Du warst gestern aber immer noch Sindbad“, brachte sie entgegen. „Ja… Hat man einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, gibt es kein Zurück mehr. Dieses Pentagramm-“ Chiaki hob seinen Anhänger kurz an, „-ist das Symbol unseres Vertrags.“ „Das heißt, du arbeitest für ihn weiter?“ Die Frage schwieg er aus und sagte stattdessen: „Die zweite Sache, die du wissen musst ist, dass Access und Fin bei Satan in Gefangenschaft sind.“ „Was?!“ Entsetzt sah Maron ihn an. Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. „Ich habe versucht ihnen zu helfen, aber versagt.“ Er schaute auf eine Hand herab und ballte sie wütend zur Faust. Daraufhin warf er ihr einen ernsten Blick zu. „Daher würde ich vorschlagen, dass wir beide zusammen es versuchen und sie retten.“ Maron stand wie gelähmt da, als sie den Vorschlag von ihm hörte. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. Verunsichert strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und senkte ihren Blick zur Seite. Erwartungsvoll und zugleich besorgte wartete Chiaki darauf, dass sie etwas sagte. Tief nahm Maron tief Luft und sagte letztlich: „Nein.“, die Stimme bestimmt und monoton. „Nicht zusammen. Überhaupt… Wir können nicht zusammen sein.“ Völlig perplex starrte er sie an. „…Was?“ Ihre Augen blickten ausdruckslos in seine. „Du bist nach wie vor ein Diener des Teufels. Demnach bist du nach wie vor auch mein Feind. Und Feinde können weder befreundet noch zusammen sein! Das ist gegen unsere Natur. Selbst das Universum macht uns das klar und deutlich. Wenn wir jetzt ein Schlussstrich ziehen, dann wird dieser Fluch auch nicht weiter fortschreiten.“ Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Gefasst atmete sie ein und aus. „Außerdem würdest du mit dem Vorschlag deinen Boss verraten und dein Leben gefährden. Ich werde mich persönlich um Fin und Access kümmern.“ Für einen Moment war Chiaki sichtlich sprachlos. „Das ist unmöglich!“, warf er bestürzt ein. „Nichts ist unmöglich! Besonders nicht für mich!“ „Alleine wirst du umkommen!“ „Werde ich nicht! Ich werde die beiden retten!“ Maron wollte sich abwenden und gehen, als er sie am Arm festhielt. „Maron, bitte…!“ Der flehende Ton in seiner Stimme schnürte ihre Kehle zu. „Lass mich bitte los…“, verlangte sie von ihm. „Ich kann nicht…!“, schüttelte Chiaki den Kopf, sah ihr eindringlich in die Augen, „Ich kann dich nicht gehen lassen. Ich will es auch nicht. Ich will auch nicht mehr gegen dich kämpfen. Überhaupt, will ich auch nicht mehr dein Feind sein. Ich will dein Verbündeter sein. Dein Freund. Ich will dich beschützen, Maron… Und mir ist egal, was das Universum sagt. Es wird nichts an dem Fakt ändern, dass ich dich liebe.“ Chiaki stoppte sich kurz, als er realisierte, was er soeben gesagt hatte. „Ich liebe dich, Maron…!“ Er hätte nicht gedacht, dass er diese drei Worte jemals zu jemanden sagen würde, doch bei Maron wusste er einfach, dass er sie liebte. Dass er sie brauchte. Dass er „Liebe“ für sie empfand. Mit großen Augen sah sie ihn sowohl schockiert als auch traurig an. „Ich liebe dich aber nicht“, erwiderte Maron leise. „Und ich will von jemand wie dir auch nicht beschützt werden, ist das klar?“ Chiaki stockte der Atem. Er sah nicht aus, als hätte sie ihn geschlagen. Er war schließlich ein Kämpfer, der einen Schlag locker einstecken und mit doppelter Härte zurückschlagen würde. Nein – er sah schlimmer aus als das. Er sah aus, als hätte sie ihm persönlich das Herz herausgerissen und darauf eingestochen. Maron musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen vor ihm auszubrechen. Sie senkte ihren Kopf. „Würdest du mich nun bitte loslassen?“, fragte sie so ruhig wie möglich. Doch Chiaki dachte nicht daran sie loszulassen. „Maron-“ Er wollte ein weiteres Mal auf sie einreden, doch die Braunhaarige fiel ihm ins Wort: „Ich will dich nicht mehr sehen, Sindbad!“, platzte es aus ihr heraus. Den Namen sprach sie bewusst in einem spitzen, giftigen Ton aus. „Sindbad?“ Dies ließ ihn erschrocken innehalten. „Du sprichst mich heute zum ersten Mal beim Namen an und du nennst mich ‚Sindbad‘? Obwohl ich als Chiaki vor dir stehe?“ Maron presste ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Seit gestern sehe ich in dir nur noch den Kerl, der mir bei unserem ersten Treffen ein Messer an den Hals gehalten hat. Der mich öfter, als ich zählen kann, schon gegen irgendwelche Wände geschmissen hat und arrogant dabei grinste.“ Schuldbewusst sowie reumütig sah Chiaki zu Boden und wieder zu ihr auf. Kalte Augen trafen auf seine. „Selbst jetzt, wie du vor mir stehst, sehe ich niemand anderes mehr als nur Sindbad, den Dieb. Den Mann, den ich seit über drei Jahren abgrundtief hasse. Und es immer noch tue“, sprach sie emotionslos weiter, „Die letzten Wochen, Monate, waren für mich nie dagewesen. Und Chiaki Nagoya ist für mich seit dem gestrigen Abend gestorben.“ Mit den Worten riss Maron sich von ihm los und lief so schnell wie möglich davon. So schnell, damit Chiaki ihre Tränen nicht sehen konnte. *** Es war fast acht Uhr morgens, als Maron ins Orléans zurückgekehrt war. Doch statt in ihrer Wohnung zu gehen, stand sie vor der Haustür der Toudaijis und hielt einen Finger zitternd über die Klingel. Bevor Maron die Klingel jedoch betätigen konnte, öffnete sich die Tür und Miyako, die sich in dem Moment von ihren Eltern verabschiedete, stieß mit ihr zusammen. „Gottverdammt, Maron! Was stehst du hier im Weg rum?? Und wieso bist du nicht mit Chia-“ Die Kurzhaarige stoppte ihren Redefluss, als sie entgeistert registrierte, in welchem Zustand ihre beste Freundin vor ihr stand. Von Kopf bis Fuß war die Braunhaarige am Zittern. Ihr Gesicht war blass wie die Wand und ihre braunen Augen waren vom Weinen gerötet. „Oh mein Gott…!“ Besorgt ging sie auf Maron zu und nahm sie in die Arme. „Süße…Was ist passiert?“ „I-Ich…ehm- Können wir reden…?“, fragte Maron mit tränenerstickter Stimme. Ohne zu zögern ging Miyako nickend darauf ein und umarmte ihre Freundin fürsorglich, die in Tränen ausbrach. An Uni oder sonstige Verpflichtungen waren für beide gar nicht mehr zu denken. Wenige Minuten später saßen die Freundinnen in Maron’s Wohnung mit jeweils einer Tasse Tee in der Hand. Geduldig wartete Miyako darauf, dass Maron ihr erzählte, was los war. Während die Minuten verstrichen, kämpfte die Braunhaarige sichtlich mit sich selbst. Sie wusste, dass sie Miyako blind vertrauen konnte. Und sie brauchte auch dringend eine Vertrauensperson -eine Freundin-, mit der sie reden konnte. Allerdings wusste Maron nicht, wo sie anfangen sollte. Was genau sie ihrer besten Freundin sagen sollte. Angst stieg in ihr hoch. Angst davor, wie Miyako reagieren würde. Angst davor, dass Miyako sie abweisen und hassen könnte. Schließlich hatte sie ihr jahrelang ein großes Geheimnis vorenthalten, was Maron aus tiefstem Herzen auch Leid tat. „Maron.“ Miyako’s ruhige Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Was geht hier vor? Gestern ließ Chiaki sich den ganzen Tag nicht blicken, dann stand er abends plötzlich vor deiner Haustür, völlig gestresst und angespannt, fragt nach dir… Und jetzt stehst du völlig aufgelöst vor mir und ich kann dir ansehen, dass du viel geweint hast.“ Sanft blickte sie Maron an. „Was ist gestern zwischen euch passiert?“ Zögerlich biss Maron sich auf die Lippe, sah auf ihre Tasse in der Hand herab. „Ich habe mit ihm Schluss gemacht...“, sagte sie, die Stimme heiseres Wispern. Noch immer sah sie Chiaki’s Gesicht vor ihrem inneren Auge, wie sie sich von ihm abwandte. Der Schmerz in seinem Blick brach ihr das Herz. Miyako’s Augen wurden überraschend groß, die Kinnlade fiel ihr runter. „W-Wieso? Ihr wart doch so glücklich miteinander!“ „Es musste aufhören.“ Maron’s Stimme klang weit weg. „Die Beziehung hätte uns ins Unglück gestürzt…“ Verwirrung spiegelte sich in Miyako’s Gesichtszügen wider. „Maron, ich verstehe nicht, wovon du redest…“, sagte sie, rutschte etwas an ihre Freundin heran, die krampfhaft ihre Tasse umklammerte. „Er hatte gesagt, dass er mich liebt…“ „U-Und was ist falsch daran? Ich sehe dir doch an, dass du auch Gefühle für ihn hast-“ „Ich darf ihn nicht lieben…!“ Abrupt hob Maron ihren Kopf und sah Miyako verzweifelt an. Daraufhin wusste die Kurzhaarige für einige Momente nicht, was sie erwidern soll. Zehn, zwanzig lange Sekunden vergingen bis Miyako ihre Sprache wiederfand. „Wieso darfst du ihn nicht lieben?“, fragte sie vorsichtig. Beschämt wandte Maron sich ab, den Blick zu Boden gesenkt. „Du, Miyako… Würdest du mich jemals hassen?“, kam es von ihr als Gegenfrage. Miyako blickte noch verwirrter drein, doch sie legte ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter. „Egal was ist, ich könnte dich niemals hassen. Du bist meine beste Freundin, Maron“, versicherte sie ihr mit einem Lächeln. „I-Ich bin aber eine furchtbare Freundin…“ „Maron. Ich bitte dich…Sag mir endlich, was los ist.“ Maron nahm ein letztes Mal tief Luft. „I-Ich darf ihn nicht lieben, weil-…“ Sie reichte nach ihrem Mantel, welches neben ihr auf dem Sofa lag, holte aus der Tasche ihr Kreuz heraus und legte es zwischen ihnen hin. „Weil ich Jeanne bin.“ Schock und Unglauben breitete sich in Miyako’s großen Augen aus. Ihr Gesicht verlor merklich an Farbe. „Es tut mir so leid, Miyako…“, schluchzte Maron leise, Tränen rannten ihr die Wangen herunter. Anschließend erzählte sie Miyako die gesamte Wahrheit.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)