Schwarzweiß von abgemeldet (P.S. Fuck You! [Rewritten]) ================================================================================ Kapitel 1: Konfrontationen. --------------------------- Tick. Tick. Tick. Es war keine Uhr an der Wand, dennoch schien eine permanent in ihrem Kopf zu ticken. War dies das erste Anzeichen dafür, dass sie drohte, wahnsinnig zu werden? Sakuras Gesichtsausdruck sieht gequält aus, als sie in dem Wartebereich des Direktorats darauf wartete, dass ihre Mutter heraus kam, doch jene unterhielt sich mit ihrer alten Freundin Tsunade, so könnte dieses Unterfangen noch eine ganze Weile länger dauern. Ihr eigentlicher Plan war es gewesen, sich alleine häuslich in ihrem Zimmer einzurichten, doch angesichts der zwei Menschen, mit welchen sie sich dieses teilen musste, war sie nicht gar so erpicht darauf, dort aufzutauchen. Das dumpfe Pochen, welches heute morgen noch kaum mehr war, als ein Hintergrundgefühl, war zu einer ausgewachsenen Migräne geworden, welche direkt hinter ihrer Stirn hämmerte und sie hie und da aufstöhnen ließ. Sie spürte den besorgten Blick der freundlich aussehenden Sekretärin durchaus auf sich ruhen, doch fühlte sie sich nicht im Stande dazu, ihren Blick zu heben und sie damit zu animieren, sie anzusprechen, ob alles okay war. Denn das war es ganz und gar nichts, doch mochte Sakura sich nichts anmerken lassen – weder jetzt noch später, wenn sie der unweigerlich folgenden Konfrontation ins Auge blicken musste. Naruto. Bei dem Gedanken an den blondhaarigen Chaoten wurde ihr ganz anders. Eigentlich hätte er letztes Jahr mit der Schule fertig sein müssen, doch schien es, als hätte er sich für eine Ehrenrunde entschieden. Das kam ihr nicht einmal verdächtig vor, der junge Mann war derart verwirrt im Kopf, dass sie sich nicht selten gefragt hatte, wie er es tagtäglich schaffte, sich die Hose alleine – und vor allem richtig – anzuziehen. Es war zwei Jahre her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen und das letzte Mal von ihm gehört hatte, nachdem sie sang- und klanglos aus seinem Leben verschwunden war und alles nur menschenmögliche daran gesetzt hatte, dass niemand aus ihrem alten Leben jemals wieder auf den Gedanken kommen könnte, mit ihr in Kontakt zu treten. Und nun saß sie hier, im Vorzimmer zur Hölle und wartete beschämt darauf, dass ihre Mutter mit ihrem Gespräch zu Ende war, damit sie sie zu ihrem Zimmer begleiten konnte, wie ein junges Ding, welches zum ersten Mal überhaupt die Pforten einer Schule betreten hatte. Sakura versuchte sich eine legitime Ausrede für ihr sonderbares Verhalten auszudenken, doch auch ihre Mutter würde wissen, was los war, sobald sie Naruto ins Auge fassen würde. Inständig betete Sakura dafür, dass sie das Ganze einfach wortlos hinnahm und ihr dabei half, sich einzurichten, damit keiner ihrer beiden Zimmergenossen auf die Idee kam, sie anzusprechen. Es war albern, das wusste sie durchaus, immerhin würde sie ein ganzes Jahr an ihrer Seite verbringen, Tag und Nacht und sie konnte den beiden wohl kaum für immer aus dem Weg gehen, doch fühlte sie sich der Sache, direkt am ersten Tag vollkommen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden, nicht gewachsen. Es war einfach nicht fair. „Möchtest du etwas trinken?“ Sie konnte das freundliche Lächeln in der Stimme der Sekretärin buchstäblich hören, doch auch ihre leichte Verwirrung angesichts des schweigsamen, rosahaarigen Mädchens, welches nun seit einer geschlagenen halben Stunde in ihrem Zimmer saß und außer einem tiefen Seufzer hie und da nichts von sich verlauten ließ. „Ein Wasser wäre nicht schlecht“, antwortete sie beinahe zaghaft, den Blick immer noch stur von den Augen der Dame gegenüber entfernt gerichtet, „still, bitte.“ Sie hörte das sanfte Rascheln der Kleidung der jungen Dame, als diese sich anschickte, ihr ein Glas zu bringen und für einen kurzen Moment blickte sie verdutzt auf, als sie ihr das Glas reichte, zusammen mit einer kleinen, runden Tablette. „Du siehst aus, als hättest du gewaltige Kopfschmerzen“, bemerkte sie augenzwinkernd, „eigentlich darf ich das nicht, deswegen erzähl' es bitte nicht meiner Vorgesetzten“, fügte sie mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. Sakura nickte nur, dankbar für die kleine Aufmerksamkeit der jungen Frau, die, wie sie bemerkte, viel zu ruhig und gesetzt wirkte, um für eine aufbrausende, nicht selten laut werdende Frau wie Tsunade zu arbeiten. Ihr Haar war kinnlang gehalten, in einem schlichten braun und einzelne Strähnen hielt sie mit Spangen an der Seite befestigt. Ihr Lächeln war freundlich und aufrichtig und Sakura kam nicht umhin, sie sympathisch zu finden. Das lag vermutlich vor allem daran, dass ihre Gegenüber kaum älter als sie selbst wirkte. In diesem Moment flog die Tür zum Direktorat auf und ihre Mutter Mebuki kam mit strahlendem Lächeln heraus – es war offensichtlich, wie sehr sie sich über das Pläuschchen mit ihrer alten Freundin freute. Als sie jedoch ihre Tochter mitsamt ihres ganzen Gepäcks im Vorraum sitzen sah, zog sie verwundert die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, du wolltest dich schon einmal häuslich einrichten, meine Liebe?“ „Mir ist da etwas... dazwischen gekommen, jaa“, schloss sie lahm, achselzuckend. Unangenehm berührt ließ sie die genaue Musterung ihrer Mutter über sich ergehen, doch weiter sagte diese zu dem Thema nichts, nur: „Ich helf' dir dann jetzt, okay?“ Es war mehr eine Aussage, denn eine Frage, dennoch nickte Sakura beipflichtend – und erleichtert – mit dem Kopf. Beim Verlassen des Büros wandte das rosahaarige Mädchen sich noch einmal um, um sich bei der Sekretärin zu bedanken und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie jene gar nicht nach ihrem Namen gefragt hatte. Den Weg zu ihrem Zimmer verbrachten die beiden ungleichen Frauen schweigend und Sakura rechnete es ihrer Mutter unendlich hoch an, dass sie sie nicht mit peinlichen Fragen zu ihrem doch sehr seltsamen Verhalten löcherte. Sie wusste, wie gespannt das Verhältnis zwischen den beiden eigentlich wirklich war und dennoch drängte Mebuki sie nie zu etwas, ließ Sakura von sich aus agieren und das ist etwas, was sie durchaus zu schätzen wusste, auch wenn sie dies natürlich nie gezeigt hatte. „Naruto wohnt mit mir in einem Zimmer“, platzte es ihr deshalb nach einigen weiteren, von Schweigen erfüllten Minuten heraus. Sie konnte weiteren Stress bei einem möglichen Aufeinandertreffen vermeiden, indem sie ihre Mutter direkt einweihte und auch, wenn es ihr ganz und gar nicht behagte, darüber zu reden, so war dies doch um Längen besser, als am Ende im Zimmer zwischen zwei Fronten zu stehen, zwischen denen sie partout nicht stehen wollte. „Oh“, kam es nur von ihrer Mutter, ein erstauntes Gesicht machend. „Ich dachte, Naruto hätte letztes Jahr mit der Schule fertig sein müssen?“ „Das dachtest nicht nur du...“ „Deswegen bist du also nicht alleine vor, um deine Sachen auszupacken, nicht wahr?“ Sie hörte ein tiefes Seufzen seitens ihrer Mutter. „Das kann ich verstehen. Es muss dir unfassbar unangenehm sein.“ Sakura nickte als Antwort nur zustimmend. „Und was machst du jetzt? Ich meine, wir können Tsunade bestimmt fragen, ob sie dich nicht eventuell in ein anderes Zimmer packen kann. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich nicht einmal, wieso sie das getan hat...“, grübelte sie weiter, „Ich meine, sie hat... das Ganze doch auch mitbekommen.“ „Vermutlich hat sie das schon mit Absicht gemacht“, erwiderte Sakura missgelaunt. Zuzutrauen war es ihr allemal. „Zuzutrauen wäre es ihr“, sprach Mebuki ihren Gedanken laut aus und schmunzelte gequält. „Ich schaff' das schon... denke ich“, fügte sie beinahe flüsternd hinzu, „Ich meine, wir sind in einem Jahrgang, großartig kann ich ihm da eh nicht aus dem Weg gehen, befürchte ich...“ „Das ist eine sehr erwachsene Einstellung, Sakura, wirklich“, lobte ihre Mutter sie aufmunternd, doch half dies allerhöchstens bedingt. „Ja, ich bin so unfassbar erwachsen“, frotzelte sie ironisch und zog eine Grimasse wie sieben Tagen Regenwetter. Ihre Gegenüber überging das Kommentar geflissentlich und wieder kam Sakura nicht herum, Bewunderung für sie zu empfinden. Nicht viele Mütter könnten so gelassen mit so einer Tochter wie ihr umgehen. Das wusste sie. Sie hörte nicht auf, sich für ihr eigenes Verhalten zu schämen, biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. „Wir sind da“, stellte Mebuki nach einiger Zeit überflüssigerweise fest und prompt klopfte Sakuras Herz bis zum Hals. Sie fühlte, wie Schwindel ihren Kreislauf in Beschlag nahm und auch die Übelkeit von vorhin kehrte zurück. Wieder war sie dankbar dafür, nichts gegessen zu haben, auch wenn dies zumindest den Schwindel vermutlich etwas eingedämmt hätte. „Bringen wir's hinter mich“, murmelte Sakura und öffnete die Tür. Drei Sekunden später, welche sich anfühlten wie Stunden, realisierte sie, dass noch keiner von den beiden da war. Der Seufzer, der daraufhin ihren Lungen entwich, war so dermaßen laut, dass ihre Mutter glatt das Lachen anfing. Sakura musterte sie mit einem Blick, den man nur als böse bezeichnen konnte, ehe sie eintrat und nach dem besten der drei kleinen Zimmer umschaute. Schlussendlich entschied sie sich für jenes, welches nach einem weiteren Zimmer lag. Zwar müsste sie so immer durch das Zimmer eines der Jungs laufen, doch wenigstens würde keiner von beiden durch ihres stapfen und so war es ihr definitiv lieber. „Hilfst du mir trotzdem beim Auspacken oder gehst du jetzt?“, fragte Sakura an ihre Mutter gewandt. „Natürlich helfe ich dir, als ob ich jetzt einfach gehe und dich hier alleine lasse.“ Dank Mebuki verlief das Ganze deutlich schneller, als eigentlich und viel zu schnell war der Moment gekommen, in dem sie ihre Tochter wieder alleine lassen würde. Sakura fühlte sich mehr als unbehaglich und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie das Gefühl, wegen all der inneren Spannung weinen zu müssen. Weinen. Bei dem Gedanken alleine fuhr ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Wie peinlich. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass gerade die nächsten Tage alles von ihrer Psyche abverlangen würden. „Also dann...“, druckste sie nervös herum, mit den Fingern irgendetwas suchend, womit sie sich ablenken konnte. „Du schaffst das schon, Süße“, versuchte ihre Mutter sie zu beruhigen und nahm ihre Tochter zögerlich in den Arm. Sakura wusste nicht so recht, wie sie damit umgehen sollte, doch fühlte sie, dass sie es ihrer Mutter schuldig war, sodass sie die Umarmung beinahe zaghaft erwiderte. „Danke, Ma“, stammelte sie nur und ließ sich auf das Bett fallen. „Wenn etwas ist, schreib' mir sofort, okay?“ „Mach ich.“ „Versprochen?“ „Versprochen, Ma“, stöhnte Sakura, kam aber nicht umhin, ein wenig zu lachen. Ihre Mutter wirkte beruhigt und so verschwand sie leise aus ihrem Zimmer. Als Sakura das Klicken der Tür vernahm, ließ sie sich seufzend komplett auf das Bett fallen. Der Tag hatte erst begonnen und doch fühlte sie, wie die Müdigkeit ihre Gelenke empor kletterte. Und obwohl ihre Gedanken stärker um alles kreisten, was sie jemals meiden wollte, fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf, welcher längst überfällig gewesen war. Vier Stunden später, Sakuras Zimmer Der halbe Tag verstrich und Sakura fühlte sich mehr als gerädert, als sie von ihrem Schläfchen aufwachte. Es war ironisch, wie falsch sich erholsamer Schlaf für ihren Körper mittlerweile anfühlte. Doch dann hörte sie Geräusche aus den Nebenräumen und Geschnatter und sofort war ihr nervöses Herzklopfen wieder zurück. Es war absolut ausgeschlossen, dass Naruto, so dämlich er auch sein mochte, ihren Namen überlesen hatte, als er angekommen war. Umso verwunderter war sie, dass niemand ihren Schlaf gestört hatte. Es kostete sie alle Überwindung, doch schlussendlich öffnete sie die Tür zu ihrem Nebenzimmer. Das Gerede nahm ein schlagartiges Ende, als sie Angesicht zu Angesicht mit Naruto da stand. Das fremde Gesicht zu ihrer Rechten blendete sie völlig aus. In ihrem Kopf summte es. Das alles war nicht real, dessen war sie sich fast sicher. „Hi, Naruto“, brach es nach einiger Zeit des Schweigens aus ihr heraus. Ihr gegenüber wirkte fassungslos, als hätte er ihren Namen auf der Liste wirklich komplett überlesen oder ignoriert. Als hätte sein Unterbewusstsein ihn davor geschützt. Seine blauen Augen durchlöcherten sie ungnädig, sein sonst so strahlendes Lächeln wie verschluckt. „Ich dachte, sie hätten sich verdruckt“, sprach er irgendwann in die unangenehme Stille hinein, schluckend. Er wandte den Blick ab, doch sah sie den Schmerz in seinen Augen. „Scheint wohl nicht so zu sein“, bemerkte sie lahm und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Wie trat man einem Menschen gegenüber, dessen Gefühle man auf die vermutlich schlimmstmögliche Art und Weise verletzt hatte? Der andere junge Mann, dessen rabenschwarzes Haar wie in Zacken von seinem Kopf abzustehen schien, blickte zwischen den beiden hin und her, doch seine Miene verriet keine Gefühlsregung. Er war der perfekte Zuschauer, stimm- und reglos. Sakura wollte ihm keine Beachtung schenke. Sie kannte seinen Namen bereits, sie wusste wer er war. „Wieso bist du wieder hier?“, fragte der Blondhaarige irgendwann in die Stille herein. Sakura fühlte sich wie in einem falschen Film. Sie wollte hier weg. Jetzt. „Ich muss meinen Abschluss machen, Naruto“, stellte sie mit äußerst ironischer Stimme fest und für einen Moment fühlte sie sich wieder sicher. Sie hatte ihre Fassung erstaunlich schnell wieder gewonnen. „Aber was machst du noch hier? Solltest du nicht schon längst fertig sein?“ Sie gewann die Oberhand, ihre absolut unangebrachte Arroganz war wieder zurück, doch sie half ihr, half ihr, ihr Schild aufrecht zu erhalten. Sie hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Naruto indes schien mit der Situation völlig überfordert, als hätte er fürwahr nicht damit gerechnet, dass sie leibhaftig vor ihm auftreten würde, hatte es für einen derben Scherz der Rektorin gehalten. „Was zur Hölle ist hier los?“, warf der unbeteiligte Schwarzhaarige nun ein, in dessen Zimmer sie wohl getreten war. Seine Sachen lagen verstreut über dem Boden, ohne jede Sortierung, als hätte er soeben erst damit angefangen, sich einzurichten. Sakura warf ihm einen verächtlichen Blick zu, um ihm direkt zu signalisieren, was sie von seiner Präsenz hielt – nämlich herzlich wenig. Er sah ihm so ähnlich, dass es ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz versetzte, doch sie beherrschte sich, versuchte, ihre Haltung weiterhin zu bewahren. „Niemand mag Menschen, die sich in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts, absolut gar nichts angehen“, sprach sie kühl und richtete sich zur vollen Größe auf, doch dennoch überragte ihr Gegenüber sie um wenige Zentimeter. „Sakura, was zur Hölle...“ Naruto schien wie von der Rolle, seine Gesichtszüge waren ihm vollkommen entgleist. So etwas hatte sie bei ihm noch nie zuvor bemerkt. „Wer ist das jetzt?“, fragte der Schwarzhaarige direkt an Naruto gerichtet. Er würdigte sie keines weiteren Blickes, doch sie war ihm dankbar dafür. Naruto atmete hörbar ein. „Sakura Haruno. Meine... nunja... Ex“, murmelte er betreten und heftete sein Augenmerk auf seine Füße. Der andere zog offenkundig verwirrt beide Augenbrauen nach oben, vermutlich war dies die letzte Antwort gewesen, mit welcher er gerechnet hätte. Wieder starrte er die Haruno an, fragend, doch seine Lippen blieben versiegelt. „Mehr muss man zu diesem Thema eigentlich auch wirklich nicht wissen“, zischte sie wütend und verschränkte die Arme vor der Brust. Es genügte ihr, Naruto so fix und fertig zu sehen, um ihr ein vollkommenes, schlechtes Gewissen zu machen, sie mussten das Thema nicht auch noch komplett ausbreiten. Offenbar schien das auch der Schwarzhaarige zu spüren, denn er schwieg wieder beharrlich und fing an, einzelne Sachen von seinem Boden aufzulesen. „Hn“, kam es nur von ihm, ehe er ihr den Rücken kehrte. Sakura seufzte schwer, sie rechnete kaum damit, auf eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu kommen, zumindest nicht jetzt. Aus diesem Grund lief sie langsam, zögerlich an Naruto vorbei, welcher weiterhin stur auf seine Füße stierte und verschwand aus dem Zimmer. Die Atmosphäre gerade war mehr als unangenehm gewesen und sie war froh, dass sie zumindest die initiale Konfrontation hinter sich hatte. Schlimmer konnte es jetzt kaum mehr werden... oder? Kopfschüttelnd versuchte sie, weitere Gedanken diesbezüglich aus ihrem Kopf zu vertreiben. Es war Zeit, sich hier einmal umzusehen. Ob hier immer noch alles exakt wie vor zwei Jahren war? Das heraus zu finden ernannte sie zu ihrer nächsten Aufgabe und sie hoffte inständig, dass es sie auf andere Gedanken brachte. Klar, das Risiko war hoch, dass sie auf den Fluren von Fremden angesprochen werden konnte und darauf hatte sie keine große Lust, dennoch war alles besser, als just in diesem Moment in ihrem Zimmer zu bleiben. Als Erstes wollte sie sich den alten Gemeinschaftsraum der Dritten Stufe anschauen. In ihrer Erinnerung war er riesengroß, so groß wie einer jener Ballsäle aus den ganzen alten Filmen, gefüllt mit Sesseln zum Zurückziehen, Tische und Stühle zum Lernen, allerlei Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, wie unter anderem einer Tischtennisplatte und und und. Als sie das letzte Mal hier gelebt hatte, war sie immer auf den Sesseln zu finden gewesen, mit einem guten Buch in der Hand und einem dampfenden Tee zu ihrer Seite – zumindest in den kalten Monaten des Jahres. Für Sport war sie nie so recht begeistert gewesen und ja, selbstverständlich machten sich Aktivitäten außerhalb der gestellten Anforderungen gut im Zeugnis, doch Sakura war hier eher zurückhaltend gewesen. Wenn es einen Buchclub gegeben hätte, in diesen hätte sie sich sofort eingeschrieben. Vielleicht sogar heute noch. Doch draußen bei Wind und – im schlimmsten Falle – Wetter herumturnen und zu schwitzen? Das hatte nie einen besonderen Reiz für sie dargestellt – abgesehen von ihrer morgendlichen Jogging Routine. Dies war jedoch etwas ganz anderes, sie war dabei alleine und niemand trieb sie schreiend dazu an, noch mehr aus sich heraus zu holen. Ob sie diese jedoch nun aufrecht erhalten würde, war noch ungewiss, darüber hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht. Herumturnen und schwitzen schien jedoch auch das Motto des Mittags zu sein, die Flure waren mittlerweile gut gefüllt, man sah Eltern und deren Kinder gleichermaßen herumlaufen, redend und lachend. Sie unterdrückte den Impuls, mit den Augen zu rollen und lief so großräumig um sie herum, wie es ihr die Wege gestatteten, die Gesprächsthemen dabei so gut es ging ignorierend. Sie war milde überrascht, wie auswendig sie die Flure und Gänge des Gebäudes noch kannte, denn den Weg zum Gemeinschaftsraum fand sie mühelos und so stand sie nur wenig später bereits in dem riesigen Raum. Er hatte sich wirklich kaum verändert, wenngleich er etwas hübscher dekoriert war, als früher und nicht mehr so trist und grau eingerichtet war. Sogar die ein oder andere Topfpflanze war zu sehen, die Wände nun nicht mehr leer, sondern mit mehr und weniger schönen Bildern behangen, ja, sogar die alten, verblichenen Vorhänge waren neueren, bunteren gewichen. Was ein paar Akzente alles ausmachen konnten. „Na das nenn' ich mal auffälliges Haar!“ Sakuras Laune versank direkt vom Keller heraus in das nächst tiefer gelegene, was auch immer dies dann war. Einerseits war sie überrascht, dass sie erst „so spät“ auf ihre Haare angesprochen worden war, andererseits hätte es sie auch nicht im Mindesten gestört, wenn keiner sie darauf aufmerksam gemacht hätte, dass sie mit einer seltsamen Haarfarbe gesegnet war. Ab-so-lut nicht. Missmutig wandte sie sich um, um dem Mädel, welches sie angesprochen hatte, ordentlich die Meinung zu geigen. Es war ein platinblondes Mädchen, welches exakt so aussah, wie jene Sorte Mensch, vor der sie selbst sich sonst lieber ganz fern hielt. Sie war in Begleitung eines schüchtern wirkenden Mädchens mit langen, schwarzblauen Haaren – sie blickte mit geröteten Wangen zur Seite und Sakura wünschte, dass ihre scheinbar zurückhaltende Art ansteckend gewesen wäre. Das andere Mädchen hinter den beiden sah genervt in eine andere Richtung, die Arme vor der Brust verschränkt und anscheinend nicht ganz so begeistert von dem Verhalten ihrer aufdringlichen Freundin – verständlich. „Ich bin damit geboren, Madame und habe wirklich keine Lust darauf, dass irgendwelche dahergelaufenen Menschen, wie du“, sie legte eine starke Betonung auf die letzten beiden Worte, „mich deshalb ansprechen, diesbezüglich nerven oder sie – und das wäre sogar die Schlimmste von allen Möglichkeiten – als Einleitung zu einem elendig langweiligen Gesprächs zu missbrauchen.“ Erstaunt wanderten die Augenbrauen ihrer Gegenüber nach oben und es schien, als hätte sie ihre Zunge verschluckt, was vermutlich nicht oft der Fall war. „Da ist aber eine mit dem falschen Fuß aufgestanden“, antwortete sie mit spitzer Stimme, scheinbar war sie es nicht gewohnt, dass man ihr die Meinung derart ins Gesicht donnerte. „Nein, eigentlich gar nicht, nur wenn man zum 99sten Male auf die Haare angesprochen wird, wird es beim 100sten nicht weniger nervig, glaub mir“, erklärte Sakura gelangweilt, „Sind wir dann jetzt fertig?“ Sie versuchte, all ihren Unmut in ihre Augen zu legen, um deutlich zu signalisieren, dass sie ganz und gar nicht an einer Unterhaltung interessiert war. „Ich denke schon...“ Das blondhaarige Mädchen schien immer noch überrumpelt zu sein und Sakura hätte schwören können, dass sie das vorhin noch genervt dreinblickende Mädchen im Hintergrund kichern hörte. Sakura lächelte künstlich und verschwand wieder aus dem Gemeinschaftsraum. So viel zum Thema in Ruhe die Nostalgie genießen, wenn sie schon wieder hier gefangen war. Zurück zu ihrem Zimmer zu gehen stand außer Frage und da ihr sonst nichts Cleveres mehr einfiel, beschloss sie, sich einfach auf das weitläufige Gelände jenseits des Gebäudes zu verkrümeln und sich irgendwo in das Gras zu fläzen. Sie fühlte sich müde. Als hätte sie das ganze Jahr bereits hinter sich und nicht erst noch vor sich. Genauso gut hätte sie heute schon ihre Sachen packen und wieder gehen können, doch gab es wohl kein Zurück mehr. Ihre Mutter würde sie höchstpersönlich köpfen. Obwohl es der Anfang des Frühlings war, war der Wind noch recht böig und kühl, sodass es Sakura ein wenig fröstelte, doch kühler, als die Stimmung in ihren Gemächern konnte es kaum sein, weswegen sie die Zähne zusammen biss und es sich verkniff, geradewegs auf dem Absatz kehrt zu machen und wieder rein zu gehen. “Womit hab' ich das nur verdient“, dachte sie und genoss es für einen Augenblick, sich in herrlichem Selbstmitleid zu baden. Sie wusste, dass sie dazu kein Anrecht hatte, für diese ganze Misere konnte sie einfach nur sich selbst die Schuld geben und dennoch fühlte es sich um so vieles Einfacher an, alles von sich zu weisen. Ein gutes Stück entfernt vom Hauptgebäude ließ sie sich auf einem kleinen Hügel bei einer Reihe von Bäumen nieder, deren Äste grün sprießten. Es war schön hier und wenn die Gesamtsituation nicht so unfassbar unbefriedigend wäre, könnte der Moment wirklich schön sein, fast schon idyllisch. Sie musste etwas unternehmen, das wusste sie, sie konnte unmöglich ein ganzes Jahr so existieren. Irgendwie musste sie die Sache zwischen sich und Naruto bereinigen, doch die Frage „wie“ war eine verdammt Gute. Das Naheliegendste war natürlich eine Entschuldigen, aber mal im Ernst – für das, was sie vor zwei Jahren getan hatte, gab es keine Entschuldigung. Kein Wort dieser Welt wäre genug, um wieder gut zu machen, was sie vergeigt hatte, keines, in keiner Sprache. Die Haruno kam sich albern vor, doch wünschte sie sich die harmlose Zeit zurück, als ihr größtes Problem noch ihr Notendurchschnitt gewesen war. Sie war immer eine Spitzenschülerin gewesen, umso lächerlicher war dieses Problem gewesen und genau deshalb wollte sie es wieder zurück haben. Sich über all diesen Mist den Kopf andauernd zerbrechen zu müssen war etwas, wofür sie sich nicht bereit fühlte, wofür sie sich nie bereit fühlen würde. Ihr Handy vibrierte und rief sie aus ihrer Trance zurück in die reale Welt, abrupt und vor allem unerwartet. Es war Naruto. Er hatte ihre Nummer nicht gelöscht? Sie hatte keine Notwendigkeit darin gesehen, sich eine neue Nummer zuzulegen, denn sie hatte fest damit gerechnet, dass von früher ohnehin niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben wollte – was definitiv nachvollziehbar gewesen wäre. Wo bist du? Ein weiteres Summen in ihrer Hand. Wir müssen reden. “Bitte nicht...“, dachte sie. Nicht jetzt. Konnte sie ihm nicht noch wenigstens ein paar weitere Tage komplett aus dem Weg gehen, um sich zumindest etwas darauf vorzubereiten? Seufzend stand sie auf und schrieb kurz und bündig Ich komme zurück aufs Zimmer zurück. Ok war die simple Antwort. Na dann mal los. Wenig später, Sakuras Zimmer „Er muss weg“, verlangte sie wehement, die Arme wütend vor dem Körper verschränkt, „Er hat damit absolut nichts zu tun und ich habe wirklich keine Lust, das vor ihm auszudiskutieren.“ Alles an dem Uchiha schien sie abzustoßen und sie musste nicht darüber nachdenken, woran das liegen könnte – sie wusste es. „Wieso?“, war die simple Frage des Schwarzhaarigen, seine ruhigen, gelangweilt dreinblickenden Augen auf sie gerichtet. „Wieso? Wieso? Naruto, willst du ihm erklären, wieso ich keine Lust darauf habe, mich vor ihm mit dir über dieses... Thema zu unterhalten?“, zischte sie, die Wut wucherte nun wie ein Geschwür in ihr, brachte ihr Blut pulsierend zum Kochen. Das war eine überflüssige Frage, Naruto wusste selbstverständlich genau, wieso sie das nicht wollte, doch schien er selten unnachgiebig zu sein und Sakura fühlte, wie Tränen der Wut in ihren Augen zu quellen begannen. „Ich finde, du bist die letzte Person, die irgendwelche Forderungen stellen darf“, stellte er fest, was Sakura fast zur Weißglut brachte. Womit hatte sie das verdient? Ja, sie hatte Mist gebaut, einen verflucht großen Haufen Mist, doch konnte er sie gar nicht verstehen? Was ihre Motivatoren damals waren? Wie es ihr dabei ergangen war? Schwer atmend versuchte sie, sich zu beruhigen, doch das Unterfangen war von wenig Erfolg gekrönt, doch immerhin klärte ihr Blick sich wieder. „Ich verstehe, dass du immer noch wütend bist, Naruto, doch das Ganze ist jetzt zwei Jahre her und falls es dich beruhigt – es geht mir nicht weniger beschissen, deswegen. Zu keinem verfluchten Zeitpunkt ging es mir besser damit“, versuchte sie, sich zu rechtfertigen, doch Narutos Miene blieb unverändert. „Eigentlich will ich mich gar nicht mit dir streiten, Sakura. Dafür habe ich dich nicht hierher gebeten, echt jetzt“, murmelte und kratzte sich am Hinterkopf, „aber ich glaube nicht, dass das hier zwischen uns gut gehen würde, wenn wir nicht zumindest einmal über die ganze Sache reden.“ Das Mädchen fühlte sich hilflos in ihrer Haut, alle Wut verpuffte in einem Augenblick und die Leere, die zurück blieb, hatte einen seltsamen Beigeschmack. „Was willst du dann? Ich kann die Zeit nicht zurück drehen, ich kann es nicht ungeschehen machen, glaub mir, wenn ich es könnte würde ich es tun.“ „Weißt du, dass ich fast wahnsinnig geworden bin, wegen dir? Als du einfach verschwunden bist? Nachdem du mir davor das Herz gebrochen hast? Es hat sich angefühlt wie ein verdammt mieser Albtraum und jetzt kommst du wieder her, nach zwei Jahren und das Erste, was dir zu dem Thema einfällt ist, dass du dich darüber lustig machst, dass ich noch hier bin? Bist du nur für eine Sekunde mal darauf gekommen, dich wenigstens dafür zu entschuldigen, was du getan hast?“ So vorwurfsvoll hatte sie den blonden Chaoten noch nie erlebt und dementsprechend erwischte es sie auf kaltem Fuße. Sie wusste nichts entgegen zu setzen. „Es gibt keine Entschuldigung dafür und das weißt du selber auch“, hauchte sie. „Das ist richtig, aber alleine das hätte mir schon genügt. Zumindest ein wenig. Die Erkenntnis, dass du es dir richtig ordentlich verbockt hast“, entgegnete er und sein typisches, schiefes Grinsen huschte zumindest für einen flüchtigen Augenblick über seine Lippen. Doch dann seufzte er. „Ich bin dir eigentlich nicht einmal richtig böse, war es nie. Ich war einfach nur unfassbar verletzt. Aber ich will hier jetzt nicht mein letztes Jahr direkt neben dir verbringen und dich die ganze Zeit lang anschweigen. Wir waren immerhin mal beste Freunde, kannst du dich daran noch erinnern?“ „Naruto, du machst es nicht besser, wirklich nicht.“ Sakuras Gesichtsausdruck war gequält, er war verdammt gut darin geworden, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Noch vor zwei Jahren war das nicht derart der Fall gewesen. Naruto seufzte, das Grinsen war verschwunden. Der Uchiha stand sichtlich gelangweilt daneben und diese Tatsache genügte fast, um sie wieder wütend zu machen. „Es tut mir Leid“, brachte sie irgendwann hervor und obwohl es nicht so klang, war es wirklich ehrlich gemeint. Naruto schien das du wissen, denn er zuckte mit den Schultern und zeigte sein erstes, breites Grinsen, welches seine weißen Zähne entblößte. Es war sein Lachen, niemand sonst konnte so entwaffnend lächeln, wie er. „Wow, hätte nicht gedacht, dass ich das wirklich schaffe“, grinste er und boxte seinem Kumpel mit dem Arm in die Seite. „Spaß beiseite, danke, Sakura, wirklich, mehr wollte ich an diesem Punkt eigentlich gar nicht.“ „Heißt das, kein böses Blut zwischen uns beiden?“, fragte sie hoffnungsvoll nach, während sie fühlte, wie ein unfassbar wuchtiger Stein von ihrem Herzen wegrollte, ganz langsam, aber stetig. „Ich konnte dir noch nie lange böse sein, das müsstest du eigentlich wissen“, antwortete er lachend und kratzte sich erneut am Hinterkopf. „Das war bewegend“, warf der Schwarzhaarige sarkastisch ein, „sind wir jetzt fertig?“ Die Haruno hatte gute Lust, ihm ihre Meinung so richtig ordentlich zu geigen, doch sie schluckte ihre offene Abneigung zumindest verbal herunter. Ihr Blick jedoch blieb waffenfähig. „Sei nicht so“, mahnte Naruto ihn und warf einen mehr als besorgten Blick zwischen den beiden hin und her. Er war nicht so dämlich, als dass er nicht exakt wüsste, was in seiner ehemals beste Freundin vor sich ging. Doch das war eine ganz andere Geschichte. Fürs Erste war er froh, die Sache mit dem rosahaarigen Mädchen bereinigt zu haben. Vergessen würde er das Ganze niemals, doch es fühlte sich richtig an, wieder mit ihr zu reden. Auch wenn er durchaus bemerkt hatte, wie sehr sie sich verändert hatte. Aus dem einst so fröhlichen, herzlichen Mädchen war etwas Anderes geworden, mit einer Bitterkeit in der Stimme, die er niemals in ihr hatte hören wollen, doch auch darüber wollte er just in diesem Moment nicht nachdenken. Alles zu seiner Zeit. „Und, schon neue Freunde gefunden?“, lenkte er deshalb vom Thema ab, was dem Uchiha ein mehr als entnervtes Geräusch entlockte und ihn zurück in sein privates Reich trieb. Sie machte eine rüde Geste in seine Richtung, doch mit dem Rücken zu ihr gewandt sah er das nicht. „Machst du Witze?“ Sakura ließ ein nasales, verächtliches Schnauben verlauten und erneut musste Naruto lachen. „Wie viele haben dich schon auf deine Haare angesprochen?“, frotzelte er weiter, er konnte es einfach immer noch nicht lassen. Zwei gottverfluchte Jahre waren vergangen und noch immer wusste er genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste. Es war ein Witz. „Ich hasse dich“, sagte sie, doch zum ersten Mal seit Monaten erschien so etwas wie ein Lächeln auf ihren Lippen, „Echt jetzt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)