Die Seele des Windes von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Seit mehr als einer Stunde waren beide nun schon unterwegs. Die sanften weiten Wiesen und die bepflanzten Felder lagen hinter ihnen. Jetzt war das meiste nur noch verwildertes Gebiet. Hier summte und brummte es jedoch genau so wie in der nähe von ihrem Haus. Selbst der sanfte Wind wehte hier noch wie dort. Doch er roch hier anders. Teilweise fremde Gerüche von Gräsern, Blüten und dergleichen flogen durch die Lüfte. Selene sehnte sich immer mehr da nach fliegen zu lernen. Sehnsüchtig sah sie nach oben. Andererseits hatte sie auch Angst davor. Angst zu stürzen. Sie fühlte sich noch nie so nah und doch so fern vom Himmel. Erneut wehte eine sanfte Brise von lauwarmen Wind durch die großen Flügel der beiden. „Warte Selene.“ Mehr außer ein leises rascheln hörte sie nicht hinter sich. Denn als sie sich zu ihrer Mutter umdrehte, hatte diese schon ihre Flügel ausgebreitet und sich in die Höhe geschwungen. „Maaam...“ knurrte sie ihr nur entgegen. Als Antwort erhielt die junge Frau nur ein lachen. „Arme hoch und Flügel ausbreiten! Ich trage dich eine weile!“ rief sie ihr entgegen. Sie zögerte. Schlussendlich gab sie jedoch nach und tat genau das. Warme Hände umschlossen die ihren. Unter ihr verschwand der halt zum vertrauten Boden. Nervös zuckte sie leicht zusammen. Sie schwebten momentan noch leicht über dem Boden. Nicht viel mehr wie ein oder zwei Meter darüber war es. Schließlich hatte ihre Mam das doppelte Gewicht mit ihren großen Schwingen zu tragen. Mehr als sonst eben. Es schien dennoch irgendwie zu klappen. Erneut wehte ein schwacher warmer Wind unter den Federn hindurch. So flogen sie zusammen einige Minuten über die grüne verwilderte Wiese. Wobei sie mehr an ihrer Mam hing, als selbst zu fliegen. Doch das störte sie beide kaum. Ein paar Vögel flogen erschrocken von ihnen davon. Diese waren es nicht gewöhnt das es noch größere Flieger wie sie gab. Anders als jene bei der Himmelsstadt, dort waren es alle gewöhnt. Nur das dort kaum jemand weit weg ging. Sie waren einfach zu sesshaft. Fast jeder kannte jeden. Und das fremde blieb meist ein Tabu. Selene war froh, das sie dieses Tabu hiermit umgehen konnte. Die für sie so große Welt konnte eben noch so viel mehr bieten, als das was sie kannte. Darüber war sie auch glücklich. Sie glitten weiter durch die Luft, knapp über all den Blumen, bis sie keine Hände, die sie zuvor hielten mehr spürte. Zuerst war ihr das gar nicht aufgefallen. Jetzt, nachdem sie es gemerkt hatte, verunsicherte sie das aber. Unsicher und verwackelt vom Gleichgewicht her, verlor sie langsam an Höhe. Bis sie wieder das Gras unter den Zehenspitzen spürte. Kurz darauf war das Gleichgewicht ganz weg und sie überschlug sich einmal unglücklich, beim versuch irgendwie zu landen. „Autsch!“ schimpfte sie leise vor sich her. „Manno... Mama? Warum kannst du mich nicht warnen!“ rief sie nach oben. Über ihr zog sogleich ein dunkler Schatten vorbei, der neben ihr landete. „Selene? Alles Okay bei dir?“ fragte diese und sah sie besorgt an. „Ja... aber mir tut trotzdem alles weh....“ gibt sie beschämt zurück. Es ging eben immer noch nicht. Verletzt in ihrem Stolz sieht sie erst gar nicht zu ihrer Mutter hoch. Stattdessen blieb sie mit gemischten Gefühlen so sitzen wie sie gerade war. Beide Beine zum Körper hochgezogen und die Arme herum geschlungen. Den Blick hatte sie abgewendet. „Hey, das wird schon noch. Kopf hoch. Wenn du aufgibst wird das nie etwas. Aber wie ich dich kenne willst du es doch oder? Sonst wärst du doch nie mitgekommen!“ versuchte sie ihre Mam wieder aufzumuntern. Selene seufzte. Sie fühlte sich schwach. Mit noch immer wenig vorhandener Motivation stand sie aber wieder auf. Die Schwingen hingen müde nach unten. Wie sollte sie es lernen? Ihre Flügel waren immer noch so schwach. „Es sind deine Flugmuskeln oder?“ folgte eine weitere Frage. Stumm nickte sie als Antwort. „Kopf hoch. Wenn die normalen Hilfestellungen nichts bringen, dann sollten wir uns etwas anderes einfallen lassen.“ meinte sie zu ihrer schweigsamen Tochter. „Komm, wir gehen weiter.“ sagte sie zu ihr und hielt ihr die Hand entgegen. „Okay“ kam leise von Selenes Seite zurück. Somit liefen beide einige Zeit lang, Hand in Hand, schweigend neben einander her. Die schöne grüne Welt um ihnen herum, kam ihr selber gar nicht mehr so grün vor. Gerade wirkte sie mehr grau-grün. So als ob irgend etwas langsam die Farbe aus den Pflanzen saugen würde. Nur die Sonnenwärme blieb die selbe. Nicht ein mal mehr der Wind wehte. Wie wenn er schweigen würde. Wartend auf die Antwort, ob sie es erneut versuchen würde oder nicht. „Was hast du vor Mam?“ fing sie daher an zu fragen. Skeptisch sah sie diese an. „Hmm... Wenn es an den Muskeln liegt, dann sollten wir am Boden anfangen. Oh, sieh mal...“ und schon hatte ihre Mam sie los gelassen und ging geradewegs auf zwei fast gleichgroße Steine zu. Selene folgte ihr. „Wir könnten die beide da in ein Netz hängen und an deinen Flügeln fest machen. Vermutlich werden beide erst einmal anstrengend oben zu halten sein. Aber bald wirst du genug Kraft haben, ohne das deine Flügel nach unten gezogen werden. Was hältst du davon?“ Sie überlegte. Doch so ganz verstand sie ihre Mam nicht. „Wo?“ kam von ihr mit einem fragenden Gesichtsausdruck. „Na hier.“ gab ihre Mutter zurück und deutete bei ihren eigenen Schwingen auf die obere Beuge. Nachdem sie das gezeigt hatte, befestigte sie bei sich selbst solch ein hängendes Netz mit Seil und polsterte dieses mit einem Stoffstück, sodass es die Federn nicht kaputt machen konnte. Das Netz mitsamt Sein hing jetzt neben ihr auf der vorderen Seite ihrer Flügel hinunter. Es zog sie sogar leicht nach unten, wie sie erkennen konnte. Trotz der Idee, sah sie ihre Mutter weiterhin skeptisch an. „Ich weis, es sieht seltsam aus. Aber es kann dir zumindest was die Kraft betrifft helfen.“ Beide mussten seufzen. „Na gut. Ich werds versuchen...“ kam nur zurück. Unsicher war sie sich immer noch. Besser jedoch das, als gar nichts zu tun. Damit machten sie sich daran, auch ein zweites Netz mit solch einen Stein zu füllen und das Seil daran zu befestigen. War dies getan, lösten sie bei ihrer Mam jenes andere Seil ab und fingen an, beide an ihren Flügeln fest zu machen. Allerdings so, das nichts verletzt werden konnte. Zuerst war es für Selene richtig unangenehm. Es war schwer und zog beide ihrer Schwingen an dauernd nach unten. Einfach ungewohnt und anstrengend. „Es fühlt sich echt seltsam an.“ Und sie kam sich so richtig komisch vor. Nie wäre sie selbst auf eine solche Idee gekommen. Die junge Frau war aber mehr als froh, das niemand außer ihnen beiden hier war. Vor allem nicht ihre alten Freundinnen. Denn die hätten sie nur ausgelacht oder ähnliches. Darauf hatte Selene nun wirklich keine Lust oder Nerven dazu. Gemeinsam gingen sie wieder weiter. Etwas langsamer als zuvor, aber dennoch war es möglich vorwärts zu kommen. Es waren sowieso noch viele Stunden, bis es dunkel wurde. Also noch genug Zeit um eine Höhle zu finden, von denen es sehr viele gab, um über Nacht zumindest einen trockenen Schlafplatz zu haben. Und wie sie ihre Mutter kannte, würde sie eine erhöhte Höhle wählen. Zur Sicherheit vor ein paar wilden Tieren. Denn im Vergleich zu den recht harmlosen Bären, gab es auch noch die großen Riesenbergkatzen. Diese jagten alles was sie erwischen konnten. Ob es nun Himmelsgeborene wie sie waren oder andere Tiere. Sie blieben immer gefährlich. Zähmbar waren jene Katzen nicht. Dazu waren sie einfach zu wild. Aber auch wenn sie schnell waren und hoch springen konnten, so waren diese unfähig auf Grund ihrer Größe und ihres Gewichts zu klettern. Selene würde daher von ihrer Mam zu solch einer höheren Höhle getragen werden müssen. Oder zumindest halb nach oben gezogen. Nach einer weile lichtete sich dann das hohe Gras rings um ihnen. Es wurde flacher. Die Umgebung übersichtlicher. Nur die Steintaschen an ihren Flügeln blieben nach wie vor unangenehm. „Nimm sie ab. Das reicht erst mal. Nachher kann ich die dir wieder fest machen.“ bot ihre Mutter ihr an. Selene nickte zur Bestätigung. Dann waren beide die nächsten Minuten damit beschäftigt, die Steintaschen ab zu nehmen. „Später werden wir wieder andere finden. Sollte zum üben ganz gut sein!“ fand sie dazu. „Hmm... du hast recht,“ überlegte sie und stimmte ihrer Mam zu. Eine weile frimelten sie noch an den Seilen herum. Endlich als alles ab war, konnte sie ihre Schwingen wieder frei bewegen. Es schmerzte ein wenig an den beiden Stellen. Dennoch war es auszuhalten. Zaghaft öffnete sie beide Flügel. Sie waren etwas verspannt und zwickten. „Irgendwie scheint das nicht so gut zu sein. Alles tut mir bei beiden Flügeln weh...“ seufzte sie mit belegter Stimme. „Du hast dort auch zu wenig Kraft. Darum wird es noch eine weile dauern, bis es nicht mehr weh tut. Und wenn es zu sehr schmerzt, können wir die Pause ja auch verlängern. Was hältst du davon?“ fragte sie. Ein „Ok“ war alles was sie ihrer Mam zurück gab. Damit gingen beide nebeneinander wieder weiter. So viel angenehmer war es, ohne diesen baumelnden Steinen zu laufen. Allerdings hatte sie zuerst immer noch das Gefühl, das diese neben ihr hin und her pendelten. Nur waren diese eben schon längst weg. Einige Zeit würde es aber noch in Anspruch nehmen, bis sie in der Warmwind-Schlucht ankommen würden. Wortlos beobachtete Selene weiter ihre Umgebung. Hohes Gras war dem niedrigeren gewichen. Aber hier war dafür noch mehr an fremden Blumen zu sehen, als dort im hohen. Ab und an huschten auch an ihnen fremde Falter vorbei. Schillernde im feuerroten tönen und auch einer in Pech schwarz. Den roten kannten beide nicht. Der schwarze war ihnen jedoch bekannt und normal auch kein gutes Zeichen. Ein schwarzer Leichenfalter war es. Einer der sich von den toten ernährte, also nur vom Blut. Manchmal wurde dieser auch schwarzer Bluttrinker Falter genannt. Als Gast nur ungern gesehen. Allerdings jedoch verständlich. Wer möchte schon einen Falter im Zimmer oder in der Nähe der einen so gesehen den Tod vorher sagte? Normal niemand. Somit gingen beide einen großen Bogen um den einen herum. Stattdessen folgten beide den feuerroten Faltern. Nach einer weile waren diese Falter aber verschwunden. Ihnen blieb also nichts anderes Übrig als weiter zu gehen. Weiter über die endlose Weite des grünen Grases und blühender Blumen. Noch war die Sonne hell und warm. Aber der Tag neigte sich dennoch schrittweise der Nachmittagszeit zu. „Laut den alten Karten werden wir in ungefähr einer Stunde an einer Höhle ankommen, die uns über die Nacht hinweg schützen wird“ erklärte ihre Mam. „Ich hoffe nur das die noch Stimmen. Leider hatte die nämlich niemand mehr in den letzten zehn Jahren überprüft, da es keiner für notwendig gehalten hatte...“ fügte sie noch besorgt hinzu. Selene nickte. Fast Zeitgleich lief ihr aber auch ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Leichenfalter.... Wie ich die verabscheue“ meinte sie zu ihrer Mutter. „Zum Glück war es nur.... einer....“ wollte sie den Satz noch beenden. Nur ganz zum Ende kam sie nicht. Wenige Meter vor ihnen waren nämlich auf einmal mehrere. Fast zehn davon auf einem Haufen. Die beiden Engel wurden von jenen Faltern ganz ignoriert. Zielstrebig flogen sie in jene Richtung, die beide eben auch brauchten. „Was zum..? Warum sind da so viele?“ fragte sie kleinlaut. „Ich weis es nicht. Wir sollten besser in eine andere Richtung gehen,“ entschied die ältere und packte wieder die Landkarte aus. „Hier, etwas weiter in Richtung der Dämonengegend gibt es noch weitere Höhlen. Wir werden dafür dann zwar einen halben Tag länger brauchen, aber das ist wohl besser so.“ Also gingen sie zusammen eine andere Strecke, umringt von fremden Gerüchen und anderen kleinen Tieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)