Stand by me von Puppenspieler ================================================================================ IV -- „Link.“   Zeldas Stimme brachte ihn dazu, stehen zu bleiben, bevor er die große Brücke am Eingang zum Dorf der Zora überqueren konnte. Er straffte die Schultern, dann wandte er sich zu seiner Freundin um, die mit besorgtem Blick und traurigem Lächeln hinter ihm stand. „Wolltest du wirklich ohne Abschied gehen?“ Er hob kaum merklich die Schultern. Es ist leichter so. Zelda schien zu erraten, was er dachte. Vielleicht war es auch etwas anderes, das sie dazu bewog, den Kopf zu schütteln, doch Link hatte den Eindruck, dass die junge Frau verstand, was in ihm vorging. Sie war gut darin geworden, ihn zu lesen. Sie trat näher, griff nach seinen Händen. Link ließ die Berührung zu, ließ zu, dass Zelda ihm so nahe kam, dass sie ihren Kopf an seine Schulter lehnen konnte. „Du wirst nicht wiederkommen.“ Keine Frage, eine Feststellung. Link hatte trotzdem das Gefühl, es wäre falsch, es kommentarlos stehen zu lassen, also nickte er schweren Herzens, würgte eine Antwort hervor: „Ja.“   Auf das eine Wort folgte Stille. Unter ihnen rauschte Wasser, über ihnen flüsterte der Wind, und um sie herum drehte die Welt sich weiter, während für den Augenblick in ihrer kleinen Welt weder Zeit noch Raum existierte. Er hörte, wie Zelda bebend einatmete, damit die Stille durchbrach und den Zauber verfliegen ließ. „Weißt du, so sehr ich dich am Anfang gehasst habe. Ich bin so froh, dass ich dich zum Begleiter und zum Freund hatte, Link.“ Sie seufzte, lachte, und im Grunde klang es vielmehr so, als würde sie nur ein Weinen kaschieren wollen. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte. All die Zeit, die ich gewartet habe… Ohne dich hätte es keinen Helden gegeben, der Hyrule retten kann. Ohne dich hätte ich so viele wichtige Lektionen des Lebens vielleicht nie gelernt. Danke, dass du da warst.“ Noch ein tiefes Luftholen später löste Zelda sich wieder. Ihre Augen waren nass von ungeweinten Tränen, doch sie lächelte so strahlend, wie Link es selten an ihr sah, seit Urbosa nicht mehr da war. Ihre Stimme bebte, als sie sprach, und ihre Hände klammerten um Links, als würde sie ihr Leben verlieren, wenn sie losließe.   „Es ist in Ordnung! Ab jetzt übernehme ich. Hyrule wird noch viel schöner werden, als es je gewesen ist. Jetzt beschütze ich das Land. Geh ruhig.“   Trotz ihrer Worte dauerte es noch viel zu lange, bis sie ihren Klammergriff endlich löste, und als sie es tat, kam es Link so vor, als hätte sie ihn viel zu schnell losgelassen.     ***       Die Kälte kam, noch bevor Link den Drachen sehen konnte. Er stand am Fuß der Ranelle-Spitze, die Arme um den Oberkörper geschlungen, obgleich er längst wusste, dass es ihn nicht gegen die frostigen Temperaturen schützen würde, die Naydra mit sich brachte. Nur langsam kam das riesige Geschöpf in seinen Blickwinkel. Umgeben von einem eisigen Hauch schwebte Naydra durch die Lüfte, glühende Augen unter einer Krone wie aus Eiskristall, der geschuppte Körper durchzogen von eisig glühenden Malen. Link schlug das Herz bis zum Hals. „Mipha. Ich habe ihn gefunden.“   Er wusste selbst nicht, was er sich von diesem Treffen erhofft hatte. Eine Erkenntnis, vielleicht. Was aus seinem Leben werden sollte. Was er tun sollte mit dieser Liebe, die nicht mehr auf fruchtbaren Boden stoßen konnte. Welchen Weg er gehen sollte. Naydra gab ihm jedoch keine Antworten. Naydra sah ihn an, kalt und unbeweglich, schien sein ganzes Leben zu verurteilen mit einem einzigen Blick. Das riesige Geschöpf kam näher, der eisige Hauch, den es mit sich brachte, wurde zu einem beißenden Frost, der Link trotz warmer Kleidung tief in die Glieder fuhr und selbst seine Knochen zu berühren schien. Trotzdem floh er nicht. Sein ganzer Körper schrie danach, dass er sich zurückzog, fort von der eisigen Kälte, fort von dem riesigen Geschöpf, das ihn mit einer einzigen Bewegung töten könnte. Er blieb. Da lag etwas in der Luft, das ihn an seinem Platz behielt, ein Gefühl, das er nicht einmal näher benennen konnte. Naydra war ihm nicht feindlich gesinnt. Erkannte der Drache, dass er es gewesen war, der ihn vom Schlamm des Hasses befreit hatte?   Die Kälte hörte nicht auf, doch sie wurde auch nicht mehr schlimmer. Links Glieder zitterten, und seine Finger fühlten sich taub an, als er sie ausstreckte, Naydra entgegen. Der Drache war inzwischen so nah, dass Link ihn tatsächlich berühren konnte. Er sah mehr, dass er die geschuppte Schnauze des Wesens berührte, als dass er es spürte. Als er den Mund öffnen wollte, um zu sprechen, merkte er, wie trocken und rissig vor Kälte seine Lippen waren. Sie platzten bei der kleinsten Bewegung auf, ließen ihn Blut schmecken.   An seinen Fingerspitzen, die auf Naydras Schnauze lagen, formten sich kleine Eiskristalle.   Vielleicht würde ich es auch tun, wenn ein Leben ohne dich zu einsam wird.   Naydra zog sich abrupt zurück und brüllte. Es war ein ohrenbetäubender, fremdartiger Laut, der Link bis ins Mark erschütterte. Kälte wirbelte in Form von Eiskristallen und Schneeflocken um den Drachen herum, umfing Link und verwandelte die ganze Welt in einen Wirbel aus weißen Schlieren, in dem er seine Umgebung gar nicht mehr erkannte. Sein einziger Gedanke – es war zu spät.   Er würde diesen Ort nicht mehr lebend verlassen.   Etwas berührte sein Gesicht. Die Berührung war so kalt wie seine Haut, ein Luftzug, der sich anfühlte wie das Streicheln einer Geliebten. Es war ein schwacher Trost, doch ein Trost nichtsdestotrotz, und Link lehnte sich der Berührung entgegen, dachte sich gar nichts mehr dabei, als sein Kopf mit etwas kollidierte, als er ihn nach vorn sacken ließ. Eis und Kälte trübten seine Sinne, machten seine Glieder schwer und seine Gedanken lahm. Er fühlte keine Kälte mehr, keinen Schmerz, fühlte nur die surreale Fantasie einer Umarmung. Mit letzter Kraft schlang er die Arme um den eisigen Windhauch. Seine Lippen sprangen noch mehr auf, als er sie erneut öffnete, und die Worte, die er formte, hörte er nicht einmal mehr wirklich. Seine Stimme vermischte sich mit seinem Wunschdenken, und plötzlich waren seine Gedanken erfüllt von dem sanften Rauschen des Wassers, das wunderbare Untermalung für eine ähnlich sanfte Stimme bot:   „Ich liebe dich.“       ***       Am Fuße der Ranell-Spitze stand eine Eisfigur. Ein junger Mann, ein Hylianer, der die Arme um ein junges Zora-Mädchen gelegt hatte. Beide lachten, ihr Liebesglück eingefangen in dem ewigen Eis des großen Geists Naydra. Seit fünf Sommern überdauerte die Figur bereits, ohne, dass die Sommerhitze ihr etwas anhaben konnte. Es würde ewig so bleiben, womöglich. Seit fünf Sommern kam Zelda hierher, brachte Blumen, um ihrer beiden Freunde zu gedenken – so, wie sie es heute tat. In einem unerwartet heftigen Sommerwind stand sie vor den Liebenden, wie das Volk das Denkmal inzwischen getauft hatte, und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Weißt du, Link.“ Es war das erste Mal in fünf Jahren, dass sie die Kraft fand, mit ihrem Freund zu sprechen. Der Anblick des auf ewig im Eis erstarrten Mannes hatte ihr zuerst das Herz gebrochen, doch mit jedem Jahr war der Schmerz ein bisschen stiller geworden, und die Erkenntnis mehr gewachsen, dass das der Weg war, den ihr treuer Begleiter für sich gewählt hatte. „Das hatte ich eigentlich nicht gemeint, als ich dich ermutigte, deinen Weg zu finden. Aber ich bin froh, dass du glücklich bist.“   Sie lächelte. Es schmerzte immer noch spürbar, und vollkommen würde der Schmerz wohl nie verschwinden, aber das Glück, das sie bei dem Anblick der lachenden Figuren empfand, überwog inzwischen deutlich. Link sah so viel glücklicher aus, als sie ihn je gesehen hatte. Zelda atmete tief durch, dann wandte sie sich langsam von ihren alten Freunden ab. Es wurde Zeit für sie, zurückzukehren in ihr Leben, zu ihren Pflichten.   „Irgendwann“, murmelte sie, den Blick hinauf in den Himmel gerichtet, „werde ich auch so glücklich sein, Urbosa.“ Der Wind frischte noch mehr auf, brachte mit sich die Erinnerung an heiße Wüstennächte und das barsche Lachen einer viel zu hübschen, starken Kriegerin.   „Ich freue mich auf diesen Tag, mein kleines Mädchen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)