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Genauso wie du bist...

von

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Keine wahre Liebe

„Chris!“

Der junge Mann sah auf, als er Patricia rufen hörte. Ellis Freundin umrundete gerade die Krankenpflegerin, die sie zu dem Untersuchungsraum geführt hatte und überwand die letzten Meter zu ihm joggend.

Gleich darauf drückte sie ihn fest, doch er konnte es nicht erwidern, klopfte ihr nur die Schultern.

„Ist sie da drin?“

„Ja… Ich sollte erstmal draußen warten…“, murmelte er und sah zu der noch immer geschlossenen Tür.

„Weißt du inzwischen was Neues? Ist sie wieder wach?“

Er schüttelte den Kopf, dann zuckte er mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Als wir hier ankamen war sie immer noch bewusstlos. Und seit dem kümmert sich ein Arzt um sie… Ich weiß wirklich gar nichts…“

Er strich sich durch die Haare.

„Verdammt, Patri, wie ist das passiert? Ich habe ihr Training doch ganz genau an ihre persönliche Kondition angepasst. Ich finde einfach nicht den Fehler, den ich gemacht habe.“, jammerte er verzweifelt, doch sie schüttelte den Kopf und legte ihm eine Hand auf den Unterarm.

„Ich glaube nicht, dass du was dafür kannst. Vielleicht hat sie sich einfach nur überschätzt… Zwei Stunden Training nach über acht Stunden Arbeit, wer hält das schon aus?“

Abgesehen davon hatte sie seit mehr als 48 Stunden nichts mehr gegessen, aber Patricia konnte sich nicht vorstellen, dass es daran lag. Immerhin wurde diese Diät damit angepriesen, dass sie alle wichtigen Nährstoffe für den Tag lieferte, die der Körper brauchte.

Nicht mehr und nicht weniger.

Es konnte einfach nicht daran liegen…

„Wenn ich sie nun getötet habe…“, murmelte er und raufte sich die Haare.

„Was? Du spinnst doch! Elli ist hart im Nehmen, die wird uns alle überleben! Glaub mir das! Die ist nie krank, auch wenn jeder um sie herum auf dem Zahnfleisch daher kommt.“

„Warum ist sie dann vom Crosstrainer gekippt?“, fragte er nur noch einmal und strich sich durch das Gesicht. Patricia schwieg. Das war tatsächlich eine sehr gute Frage.

„Hast du ihre Eltern schon angerufen?“, wollte sie schließlich wissen, doch er schüttelte den Kopf. „Elli hat mir erzählt, dass die beiden heute einen Elternabend in Bens Schule haben. Und ihr Bruder ist bei einem Freund über Nacht…“

„Na ich hätte auch nicht geglaubt, dass du ihm sagst, dass seine Schwester im Krankenhaus liegt.“, verkündete sie und wollte gerade wieder hinaus gehen um Ellis Mutter anzurufen, als sich die Tür zum Behandlungsraum öffnete.

Sofort sahen die beiden auf und machten einen Schritt auf den Arzt zu, der heraus trat.

„Wie geht es ihr?“, fragte Patricia. Christopher wagte sich nicht etwas zu sagen, immerhin glaubte er noch immer, dass es seine Schuld war, dass Elli zusammengebrochen war.

„Sie ist noch etwas benommen, kommt aber wieder zu sich. Soweit kein Grund zur Beunruhigung, sie wird heute Abend wieder in ihrem eigenen Bett schlafen können.“

Christopher stieß erleichtert die Luft aus.

„Das heißt sie tatsächlich einfach „nur“ etwas überarbeitet?“, fragte er hoffnungsvoll nach, doch der Arzt schüttelte den Kopf.

„Ganz so einfach ist es nicht.“, gestand er und zückte sein Tablet. „Frau Schneider ist stark unterzuckert.“

Patricia riss die Augen auf. Die Kinnlade fiel ihr fast zu Boden. Unterzuckert hieß doch, dass sie nichts gegessen hatte… War der Auslöser des ganzen etwa doch die Diät?

Christopher schüttelte verwirrt den Kopf.

„Das verstehe ich nicht.“, entschied er. „Soweit ich weiß hat sie kein Diabetes und Elli liebt es zu essen. Wieso soll sie unterzuckert sein?“

„Wenn ich mir unsere Ultraschallbilder von Magen und Darm ansehe, dann hat sie definitiv seit einigen Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen.“, erklärte der Arzt und sah ihn eindringlich an. „Ist Ihnen nichts Ungewöhnliches an ihrer Freundin aufgefallen?“

Christopher schüttelte energisch den Kopf.

„Nein… aber eigentlich sind wir auch nicht wirklich zusammen… Wir stehen sozusagen noch am Anfang…“, er dachte nach. „Nein, warten Sie… Gestern nach dem Training wollte ich mit ihr etwas essen. Ihr Magen hat furchtbar geknurrt und ich wollte sie einladen, aber sie hat abgelehnt mit der Ausrede, dass sie einfach nur Müde wäre.“

„Und sonst? Irgendwelche Veränderungen?“

Christopher machte ein unschlüssiges Geräusch.

„Nur, dass ihre Herzfrequenz jedes Mal innerhalb von Sekunden übermäßig in die Höhe schoss. Ich musste sie immer bremsen, damit es nicht überhandnimmt.“

Der Arzt nickte und wollte gerade fortfahren, als sein Blick auf Patricia fiel, die eine Hand an den Mund geführt hatte und angestrengt zu Boden blickte.

„Fällt Ihnen zu diesem Thema noch was ein?“, fragte er nach. Er war sich sicher, dass sie das Rätsel aufklären konnte – spätestens in dem Moment, wo sie ertappt zu ihm aufsah.

Patricia druckste einen Moment rum, klemmte die Unterlippe unschicklich zwischen Daumen und Zeigefinger ein und nickte dann.

„Also zumindest glaube ich es…“, murmelte sie und seufzte dann schwer. „Elli hat sich am Mittwoch so einen Diätshake gekauft.“

Christopher ließ die Schultern hängen und sah sie enttäuscht an.

„Ist das dein Ernst?“

Patricia nickte.

„Ja… Sie hat davon wohl Dienstagabend gelesen“ – die Grillfeier, erkannte Christopher – „und sich Mittwoch vor der Arbeit in der 24-h-Apotheke am Bahnhof so eine Dose gekauft… Ich habe den Namen blöder Weise schon wieder vergessen, aber ich denke sie wird sie im Auto haben, da sie während der Arbeitszeit auch was davon trinkt…“

Der Arzt stieß die Luft aus.

„Sie würden mir nicht glauben wie viele junge Frauen auf dieses Gift zurückgreifen und es übertreiben.“

„Ich habe täglich mit diesen Mädchen zu tun, ich kann es mir vorstellen… Eine Ernährungsumstellung kostet halt Zeit und dieser Müll verspricht Wunder in nur einer Woche.“, murmelte Christopher und sah dann Patricia wieder an. „Warum macht sie solch einen Mist?“

Die Frau hob ratlos die Arme – natürlich log sie in diesem Zusammenhang, aber wie sollte sie auch Christopher erklären, dass Elli sich selbst schadete, weil sie der Meinung war nicht gut genug für ihn zu sein?

Immerhin schien das ja nicht der Fall zu sein, nach seinem Umgang mit ihr zu urteilen.

„Ich stelle eine Überweisung zu einem Psychologen aus.“, entschied der Arzt dann schließlich und tippte auf sein Tablet ein. „Sie bekommt gerade eine Infusion und die Schwestern überwachen ihren Puls und Blutdruck und dann können Sie sie wieder mit nach Hause nehmen. Sie muss die Nacht nicht hier im Krankenhaus verbringen.“ – er hatte weiß Gott Schlimmeres zu behandeln, als hirnverbrannte Schnapsideen und dies zeigte er den beiden nur zu deutlich – „Sorgen Sie aber bitte dafür, dass Frau Schneider heute Abend noch etwas isst. Etwas mildes, um den Magen zu schonen. Keine zu kräftigen Gewürze.“

„Natürlich, vielen Dank, Doktor. Ich werde darauf achten.“, versprach Christopher und nickte dem Mann zu. Der reflektierte die Geste, richtete auch einen kurzen Abschied an Patricia, dann sahen die beiden ihm nach.

Als er um die Ecke bog schüttelte Christopher den Kopf.

„Ich hasse Krankenhäuser… Wenn du nicht mindestens im Sterben liegst interessiert sich keiner für dich.“, entschied er.

„Scheint wohl so… Ich hätte Elli nicht gehen lassen.“

Christopher nickte zustimmend und wandte sich dann der Tür zu.
 

Totenstille herrschte in Ellis Wagen, als Christopher den Blinker setzte und auf die Straße bog, in der Patricia wohnte.

Es war bereits finsterste Nacht und alle drei waren erschöpft… Lediglich Christophers schlechte Laune wurde mit jeder Sekunde stärker und inzwischen hätte man die angespannte Atmosphäre greifen können.

Während Elli im Krankenhaus zu Kräften gekommen war und kein Kommentar darüber abgeben wollte warum sie sich selbst so geschadet hatte, wurde Christopher immer bewusster, was sie auch ihm damit angetan hatte.

Zum einem hatte sie ihm als ihren Fitnesstrainer geschadet. Was sollten die Kunden von ihm denken, weil er eine übergewichtige Frau, deren Körper eindeutig nicht an hohe Belastung gewohnt war, so an die Grenzen getrieben hatte, dass diese einfach bewusstlos im Studio zusammenbrach? Auch konnte er sich schlecht hinstellen und sagen: Es war ihre eigene Schuld. Das würde seinen Ruf und seine Vertrauenswürdigkeit noch weiter untergraben…

Und als Zweites hatte sie ihn auch auf persönlicher Ebene getroffen.

Er hatte sich solche Vorwürfe gemacht, dass er ihr geschadet hatte – obwohl er doch gar nichts falsch gemacht hatte, wie sich schließlich herausgestellt hatte.

Er setzte den Blinker und parkte spürbar geladen in eine Parkbucht ein. Die Zahnräder der Handbremse ratterten gequält, als er den Hebel aggressiv anzog und dann über seine Schulter sah.

Vorsichtig alarmiert erwiderte Patricia den Blick, als sie sich abschnallte und über den Beifahrersitz zu Elli vorlehnte.

„Ich komme dich morgen besuchen.“, versprach sie. „Und wir kochen zusammen. Oder vielleicht machen wir mal wieder Raclette? Mit Bacon und Putenstreifen und Paprika und Käse…“

„Das ist wirklich nicht nötig, Patri.“, versuchte Elli ihr zu versichern. Das Schweigen im Auto, nachdem sie plötzlich im Krankenhaus aufgewacht war, erdrückte sie beinahe. Es gefiel ihr gar nicht, dass Patricia sie wie ein rohes Ei behandelte und wollte auch nicht wissen, wie ihre Eltern wohl bei ihrer Heimkehr reagieren würden. Aber fast noch schlimmer war die schlechte Laune von Christopher, die auch jetzt wieder zuschlug: „Und wie sie morgen kommen wird!“, beharrte er streng. „Und es wird gegessen.“

Elli sah ihn erschrocken an und zog dann den Kopf ein.

Am liebsten wäre sie mit ihrer Freundin zusammen ausgestiegen. Die griff gerade ihre Tasche fester und sah noch einmal zu Christopher.

„Gute Nacht und bis Morgen.“, so etwas zu sagen wie „Komm mal wieder runter“ traute sie sich einfach nicht.

Irgendwie konnte sie ihn ja verstehen.

Nie hatte sie einen Mann so verzweifelt heulen sehen, wie ihn im Schockzustand, als Elli zusammengebrochen war.

Und trotzdem: Diese Verzweiflung nun in Aggressionen umschlagen zu lassen war doch auch falsch, oder nicht?

Er nickte ihr zum Abschied knapp zu und sah dann weiter Elli an, während Patricia ausstieg, vom Auto wegtrat und winkend dem Wagen nachsah, wie er in die Nacht hinaus fuhr.

Nun war Elli mit ihm alleine.

Normalerweise ein wunderbares Gefühl, doch nicht in diesem Moment.

Sie knetete ihre Finger und sah aus dem Fenster, während Christopher der Hauptstraße zurück zur Schnellstraße folgte und schließlich auf dieser beschleunigte.

„Was um alles in der Welt hast du dir nur dabei gedacht?“, fragte er schließlich hörbar aufgebracht und zog auf die linke Spur, um die nächtlichen Schleicher zu überholen.

Elli sah vorsichtig zu ihm, aber schnell wieder weg. Im Schein der vorbeisausenden Straßenlaternen sah sein Gesicht zum Fürchten aus, so zornig wie er war.

„Ist dir klar, was du dir damit antun kannst? Stell dir vor du hättest einen unentdeckten Diabetes, du könntest tot sein!“

Elli schluckte nur und schwieg sich weiter aus.

„Aber nicht nur das, bist du wirklich so dämlich zu glauben, dass dieses Zeug hilft?“

Erschrocken sah sie zu ihm rüber.

Dämlich?

„Ich habe fast vier Kilo abgenommen! In nur drei Tagen!“, versuchte sie sich verzweifelt zu rechtfertigen.

„Einen Scheiß hast du!“, fuhr er sie an. „Du hast nichts als Wasser verloren. Und zwar jede Menge Wasser. Aber viel wichtiger: Du reduzierst die Nährstoffe für deinen Körper so radikal, dass er nicht nur auf deine Fettreserven zurückgreifen muss, sondern auch alles potenziell überflüssige Abbaut, was Energiereserven braucht – denn eigentlich will er nicht die Reserven loswerden, sondern sich selbst an das anpassen, was du ihm bietest. Das heißt: Du hast höchstwahrscheinlich eher Muskelmasse abgebaut. Verdammt noch mal, ich dachte, dass es dir ernst wäre mit dem abnehmen.“

„Aber das war es doch… IST es doch!“, protestierte sie lautstark.

„Nein, ist es nicht. Du hättest nicht zu diesem Zeug gegriffen, wenn es dir ernst wäre!“

„Ich habe mich vorher informiert! Mit dieser Diät haben schon viele in kurzer Zeit sehr viel abgenommen.“

„Meine Güte, Elli, im Internet kann jeder Idiot schreiben was er will!“

„Aber man bekommt es in einer Apotheke!“

„Man bekommt auch Schlaftabletten in einer Apotheke und die können als Überdosis tödlich sein.“

„Ich habe aber keine Überdosis genommen.“

„VERDAMMT NOCH MAL!“, ein Ruck ging durch das Auto, als Christopher plötzlich auf die Bremse stieg. Zum Glück waren sie inzwischen von der Schnellstraße runter und nur noch wenige Meter von ihrem Zuhause entfernt. „Nun schallte doch mal endlich deinen Kopf ein! Natürlich hättest du dich fast umgebracht!“ – übertrieb er wirklich noch? – „Oder glaubst du, dass dein Körper aus Spaß mal eben das Arbeiten einstellt und du abklappst? Du warst beinahe eine Stunde lang bewusstlos und kamst erst im Krankenhaus wieder zu dir. Angeschlossen an eine Sauerstoffflasche, einem Elektrokardiogramm und einem Tropf. Warum willst du das eigentlich nicht verstehen?“

„Wenn es so schlimm gewesen wäre, dann hätten sie mich dort behalten.“

Christopher pumpte ungehalten.

„Gut, fein, wenn du das so sehen willst.“, er fuhr weiter. „Nehmen wir an du hättest abgenommen, was hättest du getan?“

Elli schwieg einen Moment, was wollte er nun hören?

„Mich gefreut, weil ich endlich schlank bin?“, fragte sie leise und er machte ein lautes Störgeräusch.

„Falsch. Du hättest dich geärgert, weil du noch fetter bist.“

Elli zog den Kopf ein.

Noch fetter…

Sie wusste ja, dass sie dick war, aber dass er sie fett nannte und damit wohl auch als so empfand, das war ein Schlag ins Gesicht.

Da sie nichts mehr zu sagen schien redete er einfach weiter: „Im ersten Moment hättest du schnell abgenommen, ja. Ist klar, was sollst du auch anderes tun, wenn du dich zu Tode hungerst? Aber sobald du aufhörst mit dieser Diät und wieder gegessen hättest, hätte dein Körper einfach alles angesetzt, was er bekommt und viel schneller als du abgenommen hättest, hättest du wieder zugenommen. Und dann wiegst du nicht 130 Kilo, sondern vielleicht 150 und mehr. Und weil es beim ersten Mal so gut geklappt hat, würdest du wieder diese Diät machen und immer mehr Geld ausgeben für dieses Gift und diese ungesunde Lebensweise. Genau darauf zielen doch die Hersteller ab. Du glaubst, dass du ihre Diät zum Abzunehmen brauchst und wenn du ihnen untreu wirst, dann wird einfach alles nur noch schlimmer. Dabei brauchst du nur deine Ernährung anpassen und musst nicht einmal auf irgendwas verzichten! Achte nur darauf anstatt einer ganzen Packung Schokoriegel nur einen Einzigen zu essen.“

„Das ist nicht wahr.“, entschied Elli kleinlaut.

Christopher schnaubte, als er auf die Auffahrt von ihrem Elternhaus fuhr und vor der Garage stehen blieb.

„Dann mach endlich deine Augen auf! Hör auf so naiv und dumm zu sein! Du wirst niemals abnehmen und immer so fett bleiben, wenn du nicht dein bisschen Verstand einschaltest!“

Erschrocken sah sie ihn mit großen Augen an und gefror auf ihrem Sitz zu Eis.

Christopher schaltete den Motor aus, schlug mit der Hand frustriert gegen das Lenkrad und strich sich durch die Haare.

Das hatte gut getan.

Ihr endlich mal die Meinung geigen.

Wie konnte sie ihm sowas auch nur antun?

Er atmete ein paar Mal tief durch.

So, nun aber genug gemeckert. Jetzt war es an der Zeit sie in ihre Wohnung zu bringen, ihr etwas zu Essen zu machen und sie zu pflegen. An den kommenden zwei Tagen würde er sie rund um verwöhnen, damit sie sich erholen konnte und am Montag wieder voll durchstarten.

In diesem Moment hörte er ein leises Schluchzen.

Erschrocken sah er neben sich.

Ellis Kopf wandte sich gerade ab. Ihr Gesicht war zum Heulen verzerrt.

Er verstand gar nichts mehr. Was hatte sie denn jetzt?

Die Brünette musste gestehen, dass sie all das wusste, was er gesagt hatte… Nur sie hatte es nicht wahrhaben wollen.

Sie wollte nur schnell abnehmen.

Für ihn.

Nur um ihm zu gefallen.

„Fett“, hallte es in ihrem Kopf wieder.

„Mastschwein“, waberte es durch ihre Gedanken.

Sie würde für ihn wohl nie mehr sein, als es fettes Mastschwein…

Wie hatte sie so naiv sein können?

Er hatte recht, dumm und naiv…

Sie griff nach der Autotür und riss sie hektisch auf.

„Elli?“, verwirrt über ihre plötzliche Flucht rüttelte er an dem Sicherheitsgurt um ihn zu öffnen, da umrundete sie bereits die Motorhaube. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, aber die Tränen konnte sie ohnehin nicht zurückhalten.

Mastschwein…

Fett…

Christopher pellte sich endlich vom Fahrersitz, da ging die Haustür auf und Ellis Eltern stürmten ihrer Tochter entgegen, doch sie bekamen sie nicht zu fassen.

Elli riss sich einfach verzweifelt von ihnen frei und flüchtete ins Haus.

Fett…

Mastschwein…

Sie war es einfach nicht wert, dass sich jemand um sie kümmerte. Sie wollte auch nicht, dass sie jemand so sah, wie sie war…

Sie wollte ihr Schlafzimmer nie wieder verlassen.

Fett.

Mastschwein.

Fett.

Fett…

Kaum hatte sie alle Türen hinter sich geschlossen und ihre Familie und Christopher ausgesperrt, brach sie in sich zusammen und heulte sich verzweifelt die Augen aus dem Kopf.
 

„Läuft der Wassergymnastikkurs schon?“, fragte Christopher Clara ohne Umschweife, als er seinen Kunden verabschiedet und in den Umkleideraum geschickt hatte.

Clara hatte gerade erst den Empfang von einer anderen Kollegin übernommen und sah nun für einen Moment verwirrt auf.

„Ja, wieso?“

„Ist Elli gekommen?“, fragte er hoffnungsvoll. Seine Schwester sah auf den Bildschirm des PCs an der Anmeldung und schüttelte dann den Kopf.

„Sorry, sie hat sich nicht eingetragen. Aber warum sollte sie auch? Es ging ihr doch nicht gut gestern. Sicher macht sie einen Tag Pause.“

Christopher atmete tief durch.

Hoffentlich war es wirklich nur das…

„Was war denn nun eigentlich? Was hat der Arzt gesagt?“

Chrstopher zog einmal an seinem Strohhalm im 1-Liter-Becher.

„Sie war unterzuckert.“

„Unterzuckert?“, fragte Clara ungläubig nach und er nickte zur Bestätigung.

„Sie hat wohl den Ernährungskurs über Bord geschmissen und sich einen Diätshake gekauft. Ich habe den Mist gegoogelt… Man ej…“, er rieb sich die Augen. „Vier Tage darfst du nichts Essen und musst drei Mal dieses Zeug trinken, danach ein paar Wochen lang eine Mahlzeit pro Tag und zweimal den Shake.“

„Oh…“, machte Clara verstehend. Dass sie wenig überrascht schien ließ Christopher aufhorchen.

„Wusstest du was davon?“, fragte er entsetzt.

„Na ja… Sie… kam Mittwoch mit der Dose in der Tasche zum Training…“

„Und du hast es ihr nicht ausgeredet?“, blaffte er barsch.

„Warum hätte ich das tun sollen? Selina macht diese Diät auch gerade und kommt super damit klar!“

„Selina ist aber nicht stark adipös! Wie viel wiegt sie? Vielleicht 55 oder 60 Kilo? Und sie macht auch nicht exzessiv Sport, an den ihr Körper nicht gewohnt ist.“

Clara zog schuldbewusst den Kopf ein.

„Verdammt Clara, eine Kundin kommt mit diesem Mist hier an und du redest es ihr nicht aus? Du hättest sie warnen müssen!“, er ließ diese Anklage kurz auf sich wirken, dann fügte er hinterher: „Du bist Schuld daran, dass sie sich so übernommen hat und zusammengebrochen ist. Du hast sie ermutigt.“

„Hey, nun mach aber mal halblang!“, bellte sie zurück. „Ja, ok, ich hätte es ihr vielleicht ausreden sollen, aber nur weil du dich schuldig fühlst musst du mich nicht für das alles verantwortlich machen!“

„Ich habe keine Schuld!“, entschied Christopher. „Ich habe einen Trainingsplan für Elli erstellt, der genau auf sie abgestimmt war. Ich wusste nichts von dem Zeug. Im Gegensatz zu dir! Und warst du es nicht auch, die ihr gesagt hat, dass sie jeden Tag trainieren könnte?“

„Ja und bist du es nicht gewesen, der ihr zu verstehen gegeben hat, dass sie abnehmen MUSS?“

„Das habe ich nie gesagt.“

„Nein, vielleicht nicht, aber du redest doch von nichts anderem als Sport und Fitness und gesunder Ernährung. Ich weiß ja nicht, was du diesmal wieder von dir gelassen hast, aber Mittwoch stand sie hier vor mir und meinte, dass sie sich für dich runterhungern will. Und in diesem Moment habe ich durchaus zu ihr gesagt, dass das kein Mann wert ist – abnehmen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, allgemein sich verbiegen zu müssen.“

Christopher runzelte die Stirn.

„Sowas habe ich nie gesagt.“, entschied er. „Wegen mir muss sie gar nicht abnehmen.“

„Hast du ihr das mal gesagt?“, fragte sie pampig.

„Warum hätte ich das tun sollen? Ich dachte, dass ihr das klar ist.“

„Tja, falsch gedacht, Superhirn.“

Christopher schüttelte den Kopf und schwenkte eine Weile seinen Becher.

„Also, was ist nun? Seid ihr zerstritten?“

„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Sie redet nicht mit mir. Hat mich gestern einfach sitzenlassen.“

Clara warf einen Blick auf den Terminkalender.

„Du hast keine Kunden mehr heute. Pack deine Sache und fahr hin. Kläre das endlich mit ihr. So wie ich das sehe, seid ihr beide vollkommen verschossen ineinander, nur irgendwie zu blöd die Kurve zu bekommen.“

Christopher stieß die Luft aus.

Verschossen…

Er?

Quatsch. Niemals!

Er begriff doch gar nicht, was Liebe war. Irgendwann hatte er es mal gewusst.

Vor Jahren, als er mit Marie zusammen gewesen war.

Seine erste große Liebe und erste feste Freundin.

Sie hatte er geliebt. In sie war er verschossen gewesen und zwar über beide Ohren.

Aber Elli?

Er mochte sie.

Sehr.

Viel zu sehr…

Aber wie konnte man so dumm sein sich wegen eines anderen Menschen selbst so zu schaden?

Ihre Unsicherheit raubte ihm den letzten Nerv.

Anstatt sie einfach zu ihm kam und ihm sagte was sie fühlte und sie gemeinsam sahen wohin all das führte, griff sie zu einer Diät und wollte sich abmagern.

Das hatte sie doch gar nicht nötig.

Sie war perfekt so wie sie war… Ein kleiner, flauschiger Engel, den er einfach über alles…

Nie war eine Frau für ihn so kompliziert und umständlich gewesen.

Er war bedient.

Es reichte ihm.

Er hatte keine Lust mehr…

Verschossen? Er? Auf keinen Fall!

Er wusste doch gar nicht was das war.

Er kannte dieses Gefühl doch gar nicht.

Irgendwann kam eine Hexe und hatte es aus seinem Herzen verbannt…

Ein Lachen ertönte und als die beiden zur Eingangstür des Studios sahen, betrat Marie die Szenerie.

Sie warf die Haare zurück und schenkte Christopher ein verführerisches Lächeln.

Clara ließ die Schultern hängen.

Sie ahnte was nun kam…

„Du irrst dich, Clara, was mich und Elli angeht.“, sagte ihr Bruder mit fester Stimme und richtete sich vollends auf, während er seiner einstigen Liebe entgegen sah. „Was soll ich mit so einer unsicheren und dummen Person wie Elli? Das ist mir echt zu anstrengend.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yamasha
2018-08-24T09:11:43+00:00 24.08.2018 11:11
Och man! So was kann Chris doch nicht sagen! Klar, Elli hat es nicht gehört, aber trotzdem. Er hat es ausgesprochen und nun wird es sich in seinem Kopf festsetzen... Was ein Arsch!
Wobei, ich verstehe seine Reaktion auf Ellis Diät. Er war einfach zu angespannt und als die von ihm abfiel musste es dem ganzen irgendwie Luft machen. Aber dass er nicht verstanden hat, was er mit seinen Begriffen Elli antut... Ich bin grad ein bisschen deprimiert... Letztes Kapitel sah alles noch so gut aus zwischen den beiden und jetzt... Jetzt fiebere ich noch mehr dem nächsten Kapitel entgegen...
Antwort von:  XdramaX
24.08.2018 14:49
Armes kleines tufftuff hahahaha

Nä hat es ist ja eigentlich das letzte... Aber irgendwie bin ich am überlegen das doch nochmal zu überarbeiten... Bin mit dem Schluss einfach unzufrieden... Nur auch wenn ich ab Montag zwei Wochen Urlaub habe weiß ich nicht, ob ich das bis Donnerstag schaffe... Ich hoffe das nächste kommt pünktlich 😎


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