Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 1: Tsorn ---------------- "Muss ich wirklich mit?", wollte der niedere General wissen. Luzifer verdrehte die Augen für einen Moment und wandte sich von seinem Diener ab. "Kümmer du dich um die Verletzten, sofern du damit nicht schon überfordert bist. Ich nehme mir wen Kompetenten mit." Luzifer wandte sich ab, noch ehe er eine Rechtfertigung zu hören bekam. Ihn interessierten die Ausreden seiner Gefolgschaft nicht, sie hörten oder sie liessen es bleiben. Die Konsequenzen würden sie irgendwann zu spüren bekommen. Jetzt allerdings hatte er absolut keine Zeit und keine Lust, sich damit zu beschäftigen. Auf dem Weg in den Kerker lief er Tsorn über den Weg. Einer seiner hohen Generäle, eine der Todsünden. "Mitkommen!" Tsorn, liess den kleinen Dämonen, welchen er gerade in der Mangel hatte, einfach fallen und folgte seinem Boss. "Ich hoffe, du hast einen guten Grund, wieso ich mitkommen sollte, ich war gerade beschäftigt." Luzifer grinste lediglich und musterte Tsorn kurz. "Hm, du schreist den ganzen Tag nur kleine Dämonen an und zwingst sie irgendwas zu tun, worauf sie keine Lust haben, das nenne ich jetzt nicht unbedingt beschäftigt sein." Tsorn murrte kaum hörbar und schloss zu Luzifer auf. Sie waren zwar nicht direkt auf Augenhöhe, jedoch wusste er, dass dieser grosse Stücke auf seine Todsünden hielt und wenn er ihn dafür auserwählte, musste es schon wichtig sein. "Wer hat mir denn ausgerechnet diese der sieben Sünden gegeben? Ich hab sie mir nicht ausgesucht! Also, lebe damit, dass ich kleine Dämonen anschreie." Luzifer schüttelte lediglich den Kopf. Jetzt mit Tsorn zu diskutieren, war eindeutig noch weniger in seinem Interesse, als es mit einem anderen zu tun. Es würde eh nur damit enden, dass sie sich beide anschrien und er am Ende die Bosskarte ausspielen würde und die Diskussion im Keim erstickte. Daher konnten sie es sich direkt sparen. "Wohin gehen wir eigentlich?", wollte die Wut nach ein paar weiteren Schritten wissen. "In den Kerker. Wobei ich kaum glaube, dass du mir bei Metatron tatsächlich eine Hilfe sein wirst, aber dann muss wenigstens nicht ich rumschreien." Tsorn knurrte einmal mehr kaum hörbar. Manchmal würde er Luzifer gerne gegen eine Wand klatschen und ihm so richtig die Meinung geigen. Er konnte doch nichts dafür, dass er dauernd wütend war. Er hatte sich diese Sünde nun wirklich nicht ausgesucht und es nervte ihn wirklich, dass Luzifer ihn dauernd damit aufzog. Dabei war er doch schuld. "Ich hör das", stellte Luzifer weiterhin schmunzelnd fest und begab sich gemeinsam mit Tsorn eine Etage tiefer und somit in den Kerkerbereich des Palastes. "Wieso haben Engel eigentlich ein Gefängnis?" Luzifer blieb einen Moment überrascht stehen und schaute sein Gegenüber ebenso an. Die Frage hatte er sich selbst nie gestellt. Er selbst hatte den Kerker nie zu Gesicht bekommen, nicht einmal als er selbst sein Verfahren bekommen hatte. "Vermutlich soll es gar nicht als Gefängnis dienen, sondern ist insgeheim die persönliche Lustkammer Gottes. Sollte es dich interessieren, kannst du Raziel ja fragen, er kennt so ziemlich jedes Geheimnis Gottes." Luzifer zuckte mit den Schultern. Es war ihm eigentlich egal, wieso die Engel einen Kerker hatten oder seit wann sie ihn besassen. Er war nur froh, damals nicht selbst in diesem gewesen zu sein. "Erinnert es dich an früher?", wollte Tsorn nach einem Moment der Stille wissen. "Ich war nie im Kerker, also, nein." Luzifer wollte nicht über die Vergangenheit sprechen. Er hatte schon ein komisches Gefühl, seit er den Himmel wieder betreten hatte, als würden ihn Erinnerungen heim suchen, die er vergessen oder gar verdrängt hatte. Bisher konnte er sie ausblenden und ignorieren und er hoffte sehr, dass er dies auch weiterhin tun konnte. "Ich wäre dir auch sehr verbunden, nicht in meiner Vergangenheit als Erzengel rumzustochern, sie interessiert mich nicht mehr und ich bin lediglich hier, um meine Rache zu üben, nicht um hier wieder heimisch zu werden. Damit wir uns verstanden haben, Tsorn." Der General erwiderte auf die Worte nichts. Er war nicht gerade sehr einfühlsam, aber dumm war er definitiv auch nicht und er spürte sehr wohl, dass es Luzifer nicht komplett egal war. "Dann sollten wir vielleicht endlich zu Metatron, auch wenn ich mich frage, wieso ausgerechnet zu ihm und nicht zu Raziel, wenn er doch jedes Geheimnis Gottes kennt ..." Luzifer schnaubte lautstark auf und ehe es Tsorn voraussehen konnte, hatte er sich eine heftige Ohrfeige eingefangen. "Man muss den Stärksten schwächen, um an den Rest ran zu kommen, habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Metatron ist ihr Anführer, zu ihm schauen sie auf und gehorchen ihm, jeder Befehl, jede Aktion geht über ihn, deswegen reden wir zuerst mit ihm. Raziel ist nicht unwichtig, aber er würde eher sterben, als Geheimnisse preis zu geben, die ihm anvertraut wurden." Tsorn rieb sich ein wenig genervt die Wange und liess den Vortrag über sich ergehen. "Es wäre vermutlich einfacher, Raziels Schwachstelle zu finden und alles abzukürzen ..." In Luzifer begann es vor Wut zu brodeln. Mit einem weiteren gezielten Schlag schleuderte er Tsorn gegen eine der Zellentüren und kam ihm bedrohlich nahe. "Wenn du ein so grosses Interesse an Raziel hast, kannst du dich später gerne um ihn kümmern, aber wage es dich nicht, noch einmal meine Pläne oder mein Vorgehen anzuzweifeln, ansonsten findest du dich sehr schnell hier und in bester Gesellschaft wieder, haben wir uns verstanden?" Tsorn blickte direkt in Luzifers Augen, er liess sich von seinem Boss bestimmt nicht einschüchtern, schon gar nicht drohen und somit schob er ihn so gut es ging einfach von sich. "Ist dies ein offizieller Auftrag und somit Befehl? Ich darf mich um Raziel kümmern?", wollte er mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen wissen. "Von mir aus, dann muss ich mich um einen weniger kümmern ..." Luzifer liess von Tsorn ab. Sein Interesse galt nicht seinem General, sondern Metatron, um diesen musste er sich jetzt kümmern und wenn Tsorn sich später mit Raziel befassen wollte, umso besser. Eigentlich war es gar keine schlechte Idee. Er würde einfach jedem der Erzengel einen seiner Generäle zuweisen und sich somit ziemlich viel Arbeit ersparen. "Ich werde dich nicht enttäuschen, Luzifer:" In Tsorns Augen blitzte es auf und Luzifer kam kurz der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, aber Tsorn würde sich an seine Anweisungen halten, er vertraute ihm. "Nun, du solltest mich jetzt erst einmal bei Metatron unterstützen, sofern du dich noch auf diese Aufgabe konzentrieren kannst ..." Tsorn grinste einmal mehr und ging mit grossen Schritten voran. Wohlwissend, dass er keinerlei Ahnung hatte, wo sich die Zelle des obersten Generals der Engel befand. Luzifer schüttelte nur seinen Kopf und folgte Tsorn gemächlich, zumindest solange, bis er aus einer der Zellen ein leises Ächzen hörte. Für einen Moment blieb er stehen und wollte sich an dem Leiden des Engels erfreuen, allerdings öffnete sich die Zellentür und einer seiner Dämonen kam ihm entgegen. "Luzifer, wir sollten doch schauen, dass die Erzengel alle überleben, ich fürchte nur, dass es bei ihm nicht unbedingt möglich ist." Mit einer kurzen Handbewegung deutete er auf die Zelle, aus welcher er eben kam und wurde sogleich von Luzifer zur Seite geschoben. "Ihr solltet jedes Mittel einsetzen, um sie am Leben zu erhalten, JEDES", donnerte Luzifer und betrat die Zelle. Der Anblick, welcher sich ihm bot, liess ihn kurz schlucken. Eigentlich sollte er sich darüber freuen, einen seiner ehemaligen Weggefährten so zu sehen, angekettet und körperlich geschwächt. Doch aus irgendeinem Grund erfüllte ihn dieser Anblick mit einem leichten Schmerz. "Luzifer? Vielleicht solltest du dich ihm annehmen, deine Kräfte sind bei weitem stärker als unsere ..." Luzifer drehte sich zu dem Dämonen um und wies ihn an, die Zelle zu verlassen. "Sag Tsorn, ich komme gleich, ich muss mich eben um ihn hier kümmern und ich will die nächsten paar Minuten nicht gestört werden, verstanden?" Der Dämon nickte kurz und tat wie ihm aufgetragen. Luzifer hingegen ging auf den Erzengel zu und liess seinen Blick über den geschändeten Körper gleiten. "Wie konntest du es soweit kommen lassen, Raphael? Gerade du? Du hast die stärksten Selbstheilungskräfte von allen und ausgerechnet du bist derjenige, der kurz vor dem Tode steht?" Vorsichtig, schon beinahe bedächtig, strich er ihm über die Wange und stellte für sich fest, dass er sich überhaupt nicht verändert hatte. Raphael war immer noch wunderschön, wenn nicht noch viel schöner als damals, als er ihn das letzte mal gesehen hatte. "Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst, wir beide haben noch was zu klären." Abrupt zog er seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Er wollte nichts mehr mit der Vergangenheit zu tun haben, es konnte ihm doch eigentlich egal sein, ob Raphael starb, dann müsste er einen weniger beseitigen, und doch? "Hm." Er kam ihm wieder ein wenig näher. "Du solltest anfangen, dich selbst zu heilen, Raphael, die Alternative würde dir nicht gefallen. Auch wenn ich dir liebend gerne mein Blut einflössen würde, um dich zu meinem Sklaven zu machen, aber wo bliebe dann mein Spass?" Erneut liess er seine Hand über Raphaels Wange gleiten, langsam aber sicher auch ein wenig tiefer und somit über den verwundeten Körper. "Ein Tag, Raphael, du hast es selbst in deiner Hand, ob du leben willst oder meine Marionette sein magst." Er spürte, dass Raphael präsent war und ihm zuhörte und ihm war genauso klar, dass er sich niemals zu einem Sklaven machen lassen würde. Nicht von ihm. Mit einem zufriedenen Grinsen wandte er sich von Raphael ab und verliess die Zelle. Er wollte endlich mit Metatron sprechen. Um die restlichen Erzengel würde er sich eindeutig später kümmern. Vor der Zelle wartete Tsorn auf ihn, ebenso der kleine Dämon, welcher ihn eben über den Zustand Raphaels informiert hatte. "Wenn er morgen noch immer bewusstlos ist, ruf mich, aber ich bin guter Dinge, dass bald schon wieder Leben in ihn kehrt." Mit den Worten wandte er sich Tsorn zu und deutete diesem an, ihm zu folgen. "Welcher Erzengel ist in dieser Zelle?", wollte er neugierig wissen und erhielt keinerlei Antwort. "Luzifer! Welcher Engel ist in der Zelle, ich kann auch zurückgehen und es selbst herausfinden!" Luzifer sagte noch immer nichts, es ging Tsorn in diesem Moment nichts an. Was dieser allerdings komplett anders sah. "Na dann." Gerade als Tsorn sich umdrehen wollte, um wieder zurück zu gehen, wurde er von Luzifer festgehalten und erneut gegen eine der Wände gedrängt. "Deine Neugierde wird dich irgendwann umbringen, Tsorn. Deine Aufgabe ist es jetzt, mit mir zu Metatron zu kommen und dich dann um Raziel zu kümmern, haben wir uns verstanden? Jeder andere Erzengel geht dich nichts an, ausser ich sage es dir." Tsorn schluckte bei Luzifers Worten und nickte lediglich. Es war nicht gut, diesen wütend zu machen. Luzifer liess einmal mehr von Tsorn ab und machte sich erneut auf den Weg. "Raphael, hm?" Er konnte es einfach nicht lassen. Allerdings ignorierte Luzifer die Frage und öffnete eine Zelle am Ende des Ganges. Metatron sah um einiges besser aus als Raphael zuvor. Kurz schüttelte er den Kopf, er musste dieses Bild jetzt los werden und sich auf Metatron konzentrieren, welcher in einer Ecke sass, an der Wand angekettet und sich augenscheinlich nicht für ihn interessierte. "Du bist zwar erst der Zweite, den ich von euch hier sehe, aber im Gegensatz zu dem Anderen, bist du verdammt alt geworden, Metatron." Luzifer liess sich lässig neben ihn auf die Pritsche fallen und musterte ihn noch einmal eindringlich. "Ich werde auch nicht jünger, Luzifer, irgendwann wirst auch du dein Alter spüren, egal ob du nun Dämonenblut in dir hast oder nicht. Nur weil wir unsterblich sind, in der Mythologie der Menschen, bedeutet dies nicht, dass wir nicht altern und ja, sollte unsere Zeit abgelaufen sein, auch sterben können." Luzifer versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass Metatrons Worte ihn ein wenig zum Nachdenken anregten. "Wie viele sind gefallen?", wollte dieser nach einem Moment der Stille wissen und riss Luzifer aus seinen Gedanken. "Genug, aber ich bin nicht hier, um mit dir zu plaudern, Metatron." Tsorn murrte kurz an der Tür, er verstand Luzifer gerade nicht, sollte das hier nicht ein Verhör werden? Klang gerade eher wie ein Kaffeeklatsch unter Freunden. "Mir ist durchaus bewusst, dass du hier bist, weil du wissen willst, wo Gott sich aufhält, aber selbst wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen." Luzifer war für einen Moment überrascht und liess sich dies viel zu deutlich anmerken. "Richtig gehört, ich weiss nicht, wo Gott ist. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass er bald zurück kommt und dich einmal mehr zurecht weist." Luzifer versuchte sich zurückzuhalten. Metatron redete gerade freiwillig mit ihm, da brauchte er keinen Druck ausüben, nur hatte er das Gefühl, dass dieser ihm etwas sehr Entscheidendes verschwieg. "Du weisst nicht, wo Gott ist, richtig? Aber einer der anderen weiss es ...", stellte er dann grinsend fest und beugte sich ein wenig zu diesem hinunter. "Du hast die Wahl, Metatron, du alleine. Sag mir, wer es weiss und ich kümmer mich nur um ihn, ansonsten wirst du leiden und jeder einzelne deiner Generäle und vermutlich fange ich dann mit Raphael an, er ist dem Tode näher als dem Leben, es wäre mir eine Freude~" Metatron schien über die Information nicht überrascht zu sein. "Dieser Idiot ..." Sein Blick glitt zu Luzifer und fing dessen Blick ein. "Ich werde dir nichts sagen, bevor ich einen meiner Jungs verrate, nehme ich die Qualen selbst auf mich." Tsorn schlug bei den Worten einmal gegen die Wand und verschaffte sich somit die Aufmerksamkeit, die er wollte. "Darf ich?", wollte er böse grinsend wissen. "Nein, wir gehen und kümmern uns später um ihn. Ich muss mit euch allen reden, trommel die Restlichen zusammen, wir treffen uns im Thronsaal." Luzifer schob sich an Tsorn vorbei und dieser überlegte es sich, seinem Boss zu folgen. Der Drang Metatron zu quälen war ziemlich gross, aber wollte er Luzifers Zorn nicht auf sich ziehen und tat, wie ihm geheissen wurde. 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