Ein unverhofftes Familientreffen von Himikko ================================================================================ Kapitel 34: Grausamkeit ----------------------- „Was soll das heißen, Leviathan ist verschwunden?!”, entrüstete sich Egyn und warf seine Hände in die Luft. „Genau was ich gesagt habe. Er ist einfach nicht aufzuspüren!”, antworte Kyrene frustriert. „Wie kann man denn bitte ein riesiges Seemonster übersehen?! Setzt er sich Algen auf den Kopf und gibt vor ein treibender Baumstumpf zu sein?!” „Hey, kein Grund für Sarkasmus! Wir tun, was wir können!” „Sie hat Recht, Egyn. Leviathan ist nicht leicht zu fangen. Es ist genauso hinterlistig wie seine Meisterin.”, versuchte Agares den Wasserkönig zu beruhigen. Rin stand währenddessen im Türrahmen und schaute ihnen verwundert beim diskutieren zu. Egyn hatte sich bereit erklärt, ihm Telepathie beizubringen und zu zeigen, wie er seinen Geist abschirmte. Der Nephilim sollte heute pünktlich zu ihm kommen und hatte natürlich nicht damit gerechnet auf zwei streitende Wasserdämonen und eine Sirene zu treffen. Noch hatte man ihn nicht bemerkt, also beschloss der Halbdämon lieber still zu sein und sich umzusehen. Egyns Zimmer sah genauso aus wie immer. Der Boden, die Wand und die Möbel waren in verschiedenen Blautönen gehalten. Die wellenförmigen Wandmuster, die Korallen, Muscheln und weitere Meerespflanzen, die aus dem Boden zu wachsen schienen oder auch von den Wänden hingen, verliehen den Eindruck als befände man sich tatsächlich unter Wasser. Von der Decke hingen leuchtende Perlen und Steine. Natürlich hatte er mehrere Aquarien, eins zog sich an einer ganzen Wand entlang. Darin schwammen verschiedenste Fische und anderes Wassergetier. Man könnte locker Stunden davor verbringen und es einfach nur anstarren können. „Rin, wie lange stehst du schon da?”, wurde er plötzlich von Egyn aus seinen Gedanken gerissen. Offensichtlich hatte man ihn endlich bemerkt. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. „Schon eine Weile. Ich wollte euch nicht unterbrechen.” „Was-” Der Wasserkönig stockte und fasste sich seufzend an die Stirn. „Mist, wir wollten zusammen üben, nicht wahr? Tut mir leid, ich habe komplett die Zeit vergessen.” Rin versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Schon in Ordnung, du hast viel zu tun. Wir können es verschieben.” Egyn schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich habe es versprochen. Ich muss nochmal kurz weg, danach geht es sofort los. Kyrie, bleibst du solange bei ihm?” Kyrene nickte. „Klar, kein Problem.” Damit verließen Agares und Egyn, erneut in eine Diskussion versunken, den Raum. Die Sirene wandte sich an den Nephilim. „Schön dich wieder zu sehen. Nach dem Angriff auf den Palast habe ich schlimmes befürchtet.” „Schätze, wir sind mit dem Schrecken davon gekommen.”, antwortete Rin. Unangenehme Stille folgte. Schließlich wurde sie von Kyrene durchbrochen. „Hey, Rin. Es war nicht deine Schuld, dass Lilith entkommen ist, weißt du?” Er zuckte zusammen und sah sie überrascht an. „Wie kommst jetzt darauf?” Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nach allem, was dir passiert ist, kann man dir das gar nicht oft genug sagen. Es war feige von Jahi und verachtenswert.” „Ich möchte nicht drüber reden.”, kam die knappe Antwort. Zu seiner Überraschung nickte sie. „Möchtest du über etwas anderes reden? Ich finde Stille so bedrückend.” Der Nephilim nickte. Etwas Ablenkung klang gut. „Falls es dir nicht zu persönlich ist...warum haben Egyn und du euch getrennt? Ihr scheint gut miteinander klar zu kommen.” Kyrene seufzte. „Das hatte eigentlich mehrere Gründe. Als Lilith damals Gehenna terrorisiert hat, wusste keiner, was die Zukunft bringen würde. Ich hatte Sorge, dass ich Egyn zu sehr von seinen Pflichten als Dämonenkönig abhalte und er befürchtete, dass ich irgendwann in das Kreuzfeuer geraten würde. Außerdem musste ich mich noch um meine kranke Mutter kümmern, sie hatte sich die rote Seuche eingefangen. Mein Vater war auch sehr im Stress, also habe ich mich zusammen mit meinen zwei älteren Schwestern um meine jüngeren Geschwister gekümmert. Irgendwann beschlossen wir, es zu beenden. Kurz danach brach die Rebellion aus und die dauerte mehrere Jahrhunderte. Am Ende war Gehenna größtenteils ein Trümmerfeld, alle waren mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Dann kam noch Salacias Tod und einiges mehr dazu, aber das ist jetzt egal. Ich hatte Egyn besucht als er von dieser Naga verletzt und von Agares gerettet wurde. Da ist mir sofort aufgefallen, dass sie ihn mag. Ich mochte Egyn noch als Freund, aber romantische Gefühle hatte ich nicht mehr. Also sind wir einfach sehr gute Freunde geblieben.” Plötzlich schlug sie sich die Hand vor den Mund. „Oh, nein...ich und mein loses Mundwerk. Ich hatte ihr versprochen, es niemanden zu sagen...” „Dass sie Egyn mag? Das habe ich ziemlich schnell erkannt.”, erwiderte Rin schulterzuckend. Sichtlich erleichtert, lachte die Sirene. „Es ist ziemlich offensichtlich, oder?” „Irgendwie schon.” Sie redeten noch eine Weile weiter, dann ging die Tür auf und Egyn kam herein. „Entschuldige, es hat länger gedauert als erwartet.” „Kein Problem, wir haben uns die Zeit schön vertrieben.”, antwortete Kyrene und stand auf. Als sie sich verabschiedete, zog sie Egyn in eine Umarmung. Rin wollte ihr die Hand geben, doch zu seiner Verblüffung umarmte sie auch ihn. „Viel Erfolg beim üben. Und höre gut zu, das kann dir den Hintern retten.” Etwas überrumpelt nickte der Nephilim. „Es ist schön, dass ihr beiden euch vertragt.”, kommentierte Egyn. „Wollen wir anfangen?” „Ähm, klar.” Ganz wohl war ihm nicht dabei. Der Gedanke, dass sich jemand in seinem Kopf rumtrieb, bereitete ihm eine Menge Unbehagen, auch wenn es Egyn war. „Keine Sorge, das ist alles gar nicht so schwer, wie es klingt. Telepathie ist so einfach wie telefonieren und ich werde mich auch aus deinen tieferen Gedanken und Erinnerungen raushalten. Ich kratze nur ein paar oberflächliche Gedanken und Gefühle an. Wenn du das dann abschirmen kannst, arbeiten wir uns weiter vor. Sobald du es einmal gelernt hast, musst du dir keine Sorgen mehr darum machen, dass jemand deine Gedanken liest.” Stumm nickte der Nephilim, allerdings musste er im Hinterkopf noch immer an sein Erlebnis mit Lilith denken. Als sie versucht hatte in seinen Körper einzudringen, hatte er Schmerzen erlebt, die er nicht für möglich gehalten hätte. Er wusste, dass Egyn ihm nie absichtlich wehtun würde, dennoch war er angespannt. „Gut, dann setze dich irgendwo hin und schließe deine Augen.”, fuhr Egyn fort. Rin tat wie ihm geheißen wurde. Sein Herz klopfte wie wild, sodass er sich fragte, ob der ältere Dämon es wohl hörte. „Und Rin? Das was Lilith getan hat und ich tun werde, ist nicht zu vergleichen. Ich würde dir nie schaden und wenn es dir zu viel wird, sage es einfach und ich höre sofort auf. In Ordnung?” „Okay.”, murmelte der Nephilim. Tatsächlich halfen die Worte des Wasserkönigs ihm dabei sich zu entspannen. „Alles klar. Bevor wir richtig loslegen, fangen wir mit einfachen Übungen an. Versuche all deine Gedanken loszulassen und an nichts zu denken. Du kannst dir einfach eine weiße Fläche vorstellen, wenn dir das dabei hilft...” ......................................................................................... „Makara, Stopp! Lass das sofort fallen!”, befahl Iblis in einem strengen Tonfall. Er war in den Gemächern seines Palastes und wollte eigentlich einige Berichte lesen, doch seine fünf Quälgeister ließen es einfach nicht zu. Makara  war das einzige Weibchen von den fünf Geschwistern, aber hatte wie sie nur Blödsinn im Kopf. „Makara, lass das fallen! Jetzt!”, wiederholte er nachdrücklich. Das Drachenweibchen sah ihn mit unschuldigen, blauen Augen an, doch der Feuerkönig ließ sich nicht erweichen. Endlich ließ sie die Papierrolle fallen. Iblis hob diese schnell auf. „Super, jetzt ist die auch noch durchgesabbert.”, schimpfte er. Makara schmiegte sich um seine Beine um begann damit ihren Kopf an seinem Oberschenkel zu reiben. Seufzend kraulte er sie zwischen ihren Hörnern. „Ja, ja. Ich verstehe schon, du meinst es nicht böse.” Nun kamen auch Fafnir, Ladon, Tannin und Zilant an. Offensichtlich waren sie nicht einverstanden damit, dass nur ihre Schwester Aufmerksamkeit bekam. Bevor sich der Feuerkönig versah, lag er auch schon am Boden, unter fünf Drachen begraben. An Tagen wie diesen vermisste er die Zeit in der einer auf seine Schulter passte. Schimpfend scheuchte er die anhänglichen Geschwister weg und rappelte sich auf. Sie alle sahen ihn mit ihren besten Unschuldsmienen an. „Ich habe jetzt keine Zeit zum spielen. Vater macht mich einen Kopf kürzer, wenn ich das bis heute Abend nicht fertig habe!”, erklärte er erschöpft. Sofort ließen sie die Köpfe und Schweife hängen, doch Iblis blieb hart. Er ging zu einem abgedeckten Teller, welcher auf einem Beistelltisch stand und hob den Deckel an. Darunter lagen mehrere große Brocken Rohfleisch. Er griff fünf davon und warf sie nacheinander in die Luft. Wie geölte Blitze schossen die Drachen nach oben und schnappten sich ein Stück. Zufrieden grillten sie ihre Portion und vertilgten sie mit einem lauten Schmatzen. „Fafnir! Denke gar nicht daran Zilant sein Stück zu klauen!”, ermahnte Iblis den ältesten der Geschwister. Da Zilant der jüngste war, stahlen ihm seine älteren Geschwister gerne Teile seines Futters. Ein Laie hätte allerdings nie erkannt, dass sie ein Gelege waren. Fafnir war knallrot mit einem goldenen Rückenkamm, Ladon war grün-braun, Makara weiß, Tannin blau und Zilant schwarz-violett. Dafür hatten sie denselben Körperbau, dieselbe Schuppenform und ähnliche Maserungen. Makara hatte wie die meisten Weibchen Stacheln an ihrem Schweif, welche sie nach Belieben verschießen konnte. Nach kurzem Überlegen beschloss Iblis ihnen den Teller mit dem übrigen Fleisch hinzustellen. Vielleicht hätte er dann endlich seine Ruhe. Tatsächlich konzentrierten sie sich vollkommen auf das Futter, sodass er endlich mit den Berichten beginnen konnte. Osiris saß derweil  brav auf seiner Stange und putzte sich das Gefieder. Wenigstens einer, der sich benahm. Leider war die Ruhe nur von kurzer Dauer. Es klopfte an der Tür, als er gerade mit dem ersten Bericht fertig war. ‚Ernsthaft?‘ „Herein.” Die Tür folg auf und ein Bote kam hereingestürmt. Er war ziemlich außer Atem. „Bitte vergebt die Störung, Eure Hoheit. Ich habe eine dringende Nachricht!” Als er näher heran trat, sprangen die Drachen auf, spreizten die Flügel und fauchten laut, zusätzlich noch die Zähne bleckend. Der Dämon sprang erschrocken zurück, Iblis seufzte. Drachen hatten einen starken Beschützerinstinkt und wurden schnell eifersüchtig. Sobald sich ein Fremder dem Feuerkönig näherte oder dieser jemanden mehr Beachtung schenkte als ihnen, reagierten sie äußert ungnädig. Bisher konnte er ihnen das leider noch nicht ganz abgewöhnen. „Schon gut.”, beruhigte er den verschreckten Dämonen. „Sie sind sehr misstrauisch gegenüber Fremden.” Er stand auf und nahm die Nachricht entgegen. Es überraschte ihn nicht, dass er auf diesen Weg einen Brief erhielt. Normalerweise wurden Siegel benutzt, um Nachrichten zu verschicken, jedoch waren solche Nachrichten leichter abzufangen und momentan konnten sie sich das nicht leisten. Er selbst benutzt gerne Osiris, um Nachrichten zu verschicken. Nachdem er den Boten entlassen hatte, öffnete er den Umschlag und las sich den Text durch. Die Schrift war relativ kraklig, es wurde scheinbar in Eile geschrieben. Mit jeder Zeile weiteten sich seine Augen. Mehrere der Grenzposten hatten jeglichen Kontakt mit anderen Posten und mit mehreren Dörfern verloren. Normalerweise hätte man sofort jemanden geschickt, der sich der Sache annahm, doch im Anbetracht der momentan Lage sollte Iblis das Vorgehen entscheiden. „Kann man nicht einmal Ruhe haben?!”, knurrte er frustriert. Nach einigen hin und her beschloss er, sich die Sache persönlich anzusehen. Sicherlich würde es sein Vater verstehen, wenn er deswegen die Berichte etwas schleifen ließ. Er wandte sich an Osiris. „Hey Osiris, ich habe eine Aufgabe für dich.” Sofort kam der Phönix angeflattert und ließ sich auf seinem Schreibtisch nieder. Iblis schrieb eine kurze Notiz an seinen Vater und band sie dem Vogel um das Bein. „Bringe das zu Vater, ja? Ich werde wahrscheinlich den ganzen Tag unterwegs sein.” Osiris stieß ein leises Fiepen auf, wie um ihn zu sagen, dass er sich keine Sorge machen muss. Dann verschwand er durch das offene Fenster. Iblis stand ebenfalls auf und wollte das Zimmer verlassen, um Halphas und einige Mitglieder seiner Eliteeinheiten zusammenzutrommeln, doch hielt inne. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete und seine Drachen würden sich hier nur langweilen und eventuell Blödsinn deswegen treiben. Da konnte er sie auch gleich mitnehmen. „Ok, kleine Planänderung. Ihr kommt mit.”, verkündete er. Natürlich waren sie ganz aus dem Häuschen. Iblis ließ sie zwar jeden Tag raus, allerdings durften sie nicht das Palastgelände verlassen. Der Feuerkönig ging zu seiner Balkontür und öffnete sie. Sofort schossen die Drachen in die Luft und durch die offene Tür ins Freie, wo sie begannen den Palast zu umkreisen. Nachdem er das Fenster und die Tür fest verschlossen hatte, verließ er das Zimmer, um seine Leute zusammenzurufen. .............................................................................. „Und du bist wirklich sicher, dass Haus Valac ein Attentat plant?”, fragte Satan scharf nach. Samael verdrehte die Augen. „Wie ich bereits zweimal betont habe: ja. Meine Leute im Inneren haben es bestätigt, ich hatte eine Vision und Astaroths Kohletierchen haben auch einiges aufgeschnappt.” Er hielt einen guten Sicherheitsabstand, denn er wusste, dass der Dämonengott kurz davor stand etwas anzuzünden und das wollte nicht er sein. Irgendwie schaffte Satan es sich halbwegs zusammenzureißen, auch wenn einige seiner Flammen langsam hervorkamen. Sie standen kurz vor einem Krieg und was machte der Adel? Sie planten munter Attentate. Hatten die keine anderen Probleme?! Das Schlimmste war jedoch, dass er sie nicht einmal abfackeln konnte. Nicht etwas wegen des Versprechens, dass er damals gemacht hatte. Das konnte man im Anbetracht der Umstände auch etwas ausdehnen. Niemand vergriff sich an seinen Kindern! Wenn er jedoch jetzt damit loslegte, widerspenstige Adlige in den Hades zu befördern, konnte er Lilith gleich die Vordertür öffnen und den roten Teppich ausrollen. Ein Pochen an der Fensterscheibe riss ihn aus seinen Gedanken. Amaimon, welcher bisher auf stumm auf dem Sofa gesessen hatte, stand auf und öffnete das Fenster. Hereingeflogen kam Osiris. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Innerlich seufzend nahm er die Nachricht entgegen. Sie war kurz, aber ein Schlag ins Gesicht. „Was gibt's ?”, erkundigte sich Amaimon als er die steinerne Miene seines Vaters bemerkte. „Es gibt Ärger an der Grenze. Zu mehreren Grenzposten und Dörfern ist der Kontakt abgebrochen.” Die beiden Dämonenkönige wechselten vielsagende Blicke. Genau so hatte es schon einmal angefangen. Von den Dörfern war nichts mehr zu retten. Sie erfuhren nie, wie die Überfälle genau abliefen, denn es gab nie Überlebende. Andererseits war es vielleicht besser so, denn der Zustand der Leichen und Gebäude sagte bereits genug über die Grausamkeit der Angreifer aus. „Und was nun?”, fragte Samael woraufhin Satan das Gesicht verzog. „Momentan können wir nur abwarten und versuchen die restlichen Dörfer zu schützen. Für den Rest ist es längst zu spät.” ...................................................................... Iblis und Halphas wussten, dass Lilith und viele ihrer Anhänger grausam waren. Sie hatten während des Krieges Dinge gesehen und erlebt, welche ihnen bis heute hin und wieder einen Schauer über den Rücken jagte. Albträume waren inzwischen selten, aber präsent. Da sollte man meinen, dass einen nichts mehr erschüttern würde. Natürlich lagen sie mit dieser Annahme komplett daneben. Von dem Dorf und seinen Bewohnern war nicht viel übrig geblieben. Die Gebäude waren nur noch brennende Ruinen und die Straßen waren von Leichen gepflastert. Männer, Frauen und Kinder, ohne Ausnahme. Manche schienen einen recht schnell Tod gehabt zu haben, andere waren verbrannt, langsam ausgeblutet oder beinahe zerstückelt. Mehrere der Leichen waren angefressen worden und hatten Biss- und Krallenspuren. Iblis fiel außerdem auf, dass einigen Opfern Teile der Haut abgezogen worden waren. Es stank nach verbranntem Fleisch, Blut, Rauch und Verwesung. „Sucht nach Überlebenden.”, befahl der Feuerkönig, obwohl er wusste, dass es zwecklos war. Es gab nie Überlebende, dafür waren die Überfälle bekannt. Falls doch, waren diese gerade dabei ihre letzten Atemzüge zu tun. Seine Leute schienen nicht allzu scharf darauf zu sein sich die Leichen näher anzusehen, aber beschwerten sich nicht. Einige schienen jedoch kurz davor zu stehen sich zu übergeben. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass es einige taten sobald er außer Sichtweite war. Er machte niemanden einen Vorwurf. Der Großteil war gerade von der Militärakademie gekommen und hatten noch nie auf einem Schlachtfeld gestanden. „Man sollte meinen, dass einen nichts mehr überrascht, nicht wahr?”, murmelte Halphas während er sich die Leiche eines kleinen Jungen näher ansah. „Verdammte Hurensöhne...unbewaffnete anzugreifen ist schon feige, aber dann auch noch Kinder...” Iblis brummte zustimmend und bückte sich, um die Verletzungen näher zu begutachten. „Scheint als wären neben Moroi auch Alukah hier gewesen. Hier sind viele komplett blutleer.” Halphas verzog das Gesicht. „Schätze, dann haben sie es immerhin nichts mehr mitbekommen.” Der Feuerkönig nickte nur. Wenn man von einem Alukah gebissen wurde, fühlte man sich nach dem ersten Schreck meist ziemlich benebelt, dann genoss man es eventuell sogar und entspannte sich. Das Positive war, dass man nicht mitbekam wie man stirbt, das Negative dagegen, dass man sich nicht mehr versuchte zu wehren. Er hatte es selbst erlebt, als ihn in einem Kampf eine Alukah namens Sitri gebissen hatte. Diese war die stellvertrende Anführerin der Alukah und dementsprechend mächtig. Am Anfang wehrte er sich vehement gegen sie, doch dann begann ein seltsames Gefühl seinen Körper zu durchströmen und er wurde immer schlaffer bis er schließlich ganz still hielt. Er war nicht sicher, ob sie ihn wirklich aussaugen oder nur ruhig stellen wollte, es war ohnehin egal. Zu seinem Glück kamen Egyn und Beelzebub vorbei. Sie wussten, dass sie die Alukah auf keinen Fall ruckartig wegziehen durften, denn sonst wäre durch ihre Zähne seine Halsschlagader aufgerissen worden. Stattdessen griffen sie die Blutsaugerin so an, dass sie gezwungen war, Iblis loszulassen. Er wusste nicht mehr, was danach geschah. Er war in einem Krankenzimmer aufgewacht, sehr geschwächt, unfassbar blass und mit schmerzendem Hals, aber am Leben. Fafnir umkreiste das Dorf und hielt Ausschau nach weiteren Angreifern, während seine Geschwister die Leichen beschnüffelten. Die beiden Feuerdämonen hatten gerade den Dorfplatz erreicht als Makara und Ladon angeflogen kamen, sichtlich aufgeregt. Iblis erkannte, dass er ihnen folgen sollte. Sie wurden zu einer Hausruine geführt. Er wechselte einen Blick mit Halphas. „Überlebende?” Der Feuerkönig zuckte mit den Schultern. „Unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Sagen zumindest die Sterblichen.” Langsam betrat er das Gebäude. Die Einrichtung war komplett zerstört, das Stockwerk darüber war dem Feuer zum Opfer gefallen. Ladon stand vor einem halbverkohlten Schrank und versuchte sie beiseite zu schieben. „Halphas, hilf mir mal.”, bat Iblis. Zu ihrer Überraschung befand sich hinter dem Schrank eine kleine Tür. ‚Ein Lagerraum?‘ Erneut wechselten sie Blicke, dann öffneten sie die Tür. Bevor sie reagieren konnten, schoss etwas daraus hervor. Es war ein kleines Mädchen. Sie rannte zur Tür, doch kam nicht weit. Ladon warf sie um, woraufhin sie einen spitzen Schrei ausstieß. Der Drache sah sie mit schiefgelegtem Kopf neugierig an. „Ladon, runter von ihr!”, befahl der Feuerkönig. Glücklicherweise kam dieser der Aufforderung sofort nach. Das Mädchen, noch immer am Boden kauernd, wich langsam zurück. Sie sah aus als wäre sie im Grundschulalter, vielleicht sieben nach der Zählweise der Sterblichen. Ihre langen braunen Haare waren dreckig und verfilzt. Sie hatte einige Kratzer, ihr rotes Kleid war an vielen Stellen zerrissen und verdreckt. Einiges war offensichtlich Blut. Ihre goldenen Augen waren weit aufgerissen und voller Panik. „B-bitte t-tötet mich nicht...bitte! I-ich habe nie etwas böses gemacht...”, wimmerte sie. „Ich möchte nur zu Mama und Papa!” Iblis hob beruhigend die Hände. „Schon gut, Kleine. Wir wollen dir nicht weh tun. Wir sind hier, weil der Kontakt zu diesem Dorf abgebrochen ist. Geht es dir gut?” Das Mädchen sah ihn misstrauisch an, dann Halphas und wieder ihn. „Woher weiß ich, dass ihr nicht schwindelt?” „Würden wir dir schaden wollen, hätten wir es längst tun können.”, warf Halphas ein. Sie zögerte, doch nickte dann langsam. Noch immer blieb sie still. Erneut wechselten die beiden Feuerdämonen Blicke. Iblis ging in die Hocke und hielt ihr langsam die Hand hin. „Ich heiße Iblis, das da drüben ist Halphas. Und du bist?” Die Dämonin biss sich auf die Lippe. „Adara.”, flüsterte sie. „Bist du Lord Satans Sohn?” Der Feuerdämon sah sie überrascht an. „Ja, das bin ich.” Er lächelte ihr möglichst freundlich zu. „Du bist clever für dein Alter.” „Mama hat gesagt, dass du Drachen hast.”, erklärte sie mit einem Hauch von Ehrfurcht in der Stimme, dann hielt sie inne. „Darf ich überhaupt "du" sagen?” „Klar. Du magst also Drachen?” Er war nicht besonders gut darin, andere zu beruhigen. Das war meist Egyns Aufgabe, aber wenn ihr normal mit ihr redete, würde sie ihm hoffentlich schnell vertrauen. Die Kleine nickte eifrig. „Ich möchte Drachentrainerin werden, wenn ich groß bin.” Sie wurde wieder ernst. „Wisst ihr, wo meine Mama und mein Papa sind?” Iblis schüttelte den Kopf und hielt er erneut die Hand hin. Diesmal ergriff sie diese und ließ sich auf die Beine ziehen. „Kannst du uns erzählen, was passiert ist? Wie bist du da rein gekommen?” Adara biss sich auf die Unterlippe. „Ich...ich war in meinem Zimmer und habe Hausaufgaben gemacht. Es war schon Abend. Dann habe ich Schreie von draußen gehört. Ich habe aus dem Fenster geschaut und da fremde Leute gesehen. Sie hatten Waffen und Nachtmahre. Eine Frau war glaube ich ihre Anführerin...” „Kannst du die Frau beschreiben?”, hakte Haphas nach. „Sie...sie hatte schwarz-rote Haare, die waren halb abrasiert, rote Augen und ganz viele Piercings. In ihrem Gesicht, auf ihren Armen und ihren Bauch waren rote Male. Vielleicht auch Tätowierungen. Oh, an ihrem Hals war eine Rune, aber ich konnte nicht erkennen, was für eine.” Ira. Iblis widerstand dem Drang ein Grollen auszustoßen, es hätte ihr nur Angst gemacht. „Was ist dann passiert?” „Unten ist unsere Tür aufgegangen und mein Papa ist rein gestürmt. Ich habe gehört, wie er nach meiner Mama gerufen hat. Er hat gesagt, dass "sie" hier sind und sie mich verstecken soll. Mama ist dann reingekommen und hat mich gegriffen. Wir sind dann runter, wo Papa Messer gesucht hat. Die Tür ist aufgegangen und wir wurden angegriffen. Ein Mann ist auf mich drauf gesprungen, aber Papa hat ihn weggetreten. Als sie dann tot waren, hat mich Mama in den Abstellraum geschickt und gesagt, dass ich ganz leise sein soll und meine Aura verstecken muss. Ich sollte warten bis sie wieder kommen. Wenn sie aber nicht bis zum nächsten Morgen kommen, sollte ich durch die Bodenluke raus.” „Bodenluke?” „Ja, die führt in einen Tunnel zum Keller meiner Großeltern. Gleich nebenan.” „Verstehe und weiter?” Sie begann zu zittern. „Draußen war es laut...überall waren Schreie und Lachen. I-ich hatte Angst. Es kamen Leute in das Haus gestürmt. Ich glaube, sie haben etwas gesucht. Irgendwann war es ruhig, aber ich habe mich nicht raus getraut. Ich habe gewartet und keiner kam.” Nervös sah sie den älteren Dämonen an. „Mama, Papa und alle anderen sind tot, oder?” Iblis wusste, dass es keinen Sinn machte, zu lügen. Allerspätestens wenn sie nach draußen gingen, würde es auffliegen. „Ich fürchte ja. Es tut mir leid.” Adara sank zusammen und begann zu schluchzen. Makara näherte sich langsam und schnupperte an ihr, dann stupste sie die Dämonin an. Sie sah das Drachenweibchen überrascht an. „Du kannst sie ruhig anfassen.” Sie begann sie vorsichtig zwischen den Hörnern zu kraulen und lächelte schwach. Als sie endlich beruhigt hatte, zog Iblis sie erneut auf die Füße. „Was passiert jetzt mit mir?” „Hast du noch irgendwelche Verwandten, die sich um dich kümmern können?” „Meine Tante wohnt in Hâlogir.” „Gut, dann schicken wir ihr eine Nachricht und erzählen was passiert ist. Bevor du zu ihr kannst, muss ich dich aber noch nach Pandemonium mitnehmen. Mein Vater hat sicher auch noch ein paar Fragen an dich.” Sie nickte etwas ängstlich. „Ich frag mal rum, damit sie was zu essen bekommt.”, bot Halphas an. Iblis nickte und zu dritt verließen sie die Ruine. Draußen hatte man inzwischen damit begonnen die Leichen auf Haufen zu stapeln. Nach einigem Suchen fanden sie eine Heilerin, welche sich um Adara kümmerte. Iblis war derweil in Gedanken versunken. Dies war das erste Dorf zu dem der Kontakt abgebrochen war, die anderen waren also höchstwahrscheinlich in einem ähnlichen Zustand. Es war ein kleines Wunder, dass sie tatsächlich eine Überlebende gefunden hatten. Scheinbar wurden Liliths Leute schlampig. ‚Ok, das klang grad falsch.‘ Er hob den Kopf als sich einer seiner Leute nährte. Dieser war noch recht jung, zweifellos war er erst aus der Akademie gekommen. Er wirkte äußert nervös als er sich verbeugte. „Lord Iblis, wir haben leider keine weiteren Überlebenden gefunden.”, berichtete er. „Allerdings waren alle Tiere und Vorräte verschwunden. Offensichtlich hatten sie es darauf abgesehen. Wir haben außerdem Benachrichtigungen von den Gruppen aus den anderen Dörfern bekommen. Genau das gleiche, nur dass es dort keiner überlebt hat.” „Tja...Scheiße.” „Das trifft es wohl gut.”, kam die zögerliche Antwort. Iblis seufzte und wandte sich an den jüngeren Feuerdämonen. Dieser starrte die Leichenhaufen an. „Erstes Mal?”, fragte er. Er nickte. „Ich hatte mich auf Schlimmes eingestellt, aber das...das ist erst der Anfang oder?” „Leider. Lilith ist egal über wie viele Leichen sie gehen muss. Sie hat sich ihren Beinamen "Die irre Königin" nicht umsonst verdient.” Der Soldat nickte stumm. „Was passiert jetzt?” „Wir schaffen die Kleine zuerst an nach Pandemonium, mein Vater wird Fragen haben. Ansonsten bergen wir die Toten und begraben sie. Vielleicht können wir sie sogar identifizieren. Ansonsten will ich wissen wie Liliths Leute die Grenze unbemerkt überwunden haben und ob sie bereits zurückgekehrt sind oder sich noch immer hier rumtreiben.” Nachdem er den Soldaten entlassen hatte, machte er sich auf den Weg zu Halphas. „Und wie sieht's mit Adara aus?” „Isst grade. Eins der Mädels hat ein Haus mit einem mehr oder weniger intakten Badezimmer gefunden, wo sie sich halbwegs waschen konnte und ein paar Klamotten haben sie auch gefunden. Sind etwas zu groß, aber was anders ist hier nicht.” „Im Palast kann sie sich richtig waschen und passende Sachen bekommen. Jetzt müssen wir sie erst mal wegbekommen. Möglichst ohne ihr noch mehr Leichen zu zeigen.” ....................................................................... Rin hatte mit einigem gerechnet als Iblis zu Satans Palast zurückgekehrte, aber nicht mit einem kleinen Mädchen. Sie schien nicht älter als sieben zu sein und versteckte sich halb hinter den Beinen des Feuerkönigs. Hin und wieder warf sie ihm, seinen Geschwistern und seinem Vater verstohlene Blicke zu. Er fragte sich, ob er auch so verloren aussah, als er damals das Esszimmer betreten hatte. Der Baal erzählte, dass sie keine weiteren Überlebenden gefunden hatte, die Vorräte gestohlen wurden und scheinbar Ira den Angriff angeführt hatte. Dann schob er vorsichtig das Mädchen nach vorne, welche mit weit aufgerissenen Augen die Königsfamilie anstarrte, offensichtlich sehr überfordert. Satan lächelte ihr aufmunternd zu. „Adara, nicht wahr?” „J-ja, eure Hoheit...ähm...ist das richtig so?” „Mach dir deswegen keine Sorgen. Du kannst ruhig näher kommen, wir werden dir nicht wehtun.” Sie bleib starr wie eine Salzsäule. Iblis seufzte leise, dann schob er sie etwas weiter vor. Daraufhin schüttelte der Dämonengott kaum merklich den Kopf, um ihm zu zeigen, dass er sie stehen lassen sollte, wenn sie nicht selbst näher kommen wollte. „Ich weiß, dass es nicht einfach ist.”, fuhr er fort. „Wir müssen allerdings wissen, was passiert ist. Kannst du uns von dem Angriff erzählen?” Adara spielte nervös mit dem Saum ihres Kleides, dann begann sie langsam und etwas stockend zu erzählen. Nach einer Weile wurde ihre Stimme etwas fester. Als sie jedoch erzählte, dass weder ihre Eltern noch ihre Großeltern wiederkamen, begann sie leise zu schniefen. Dennoch schaffte sie es die ganze Geschichte zu erzählen. Stille herrschte als sie ihre Erzählung beendete. „Es gab noch nie Überlebende und jetzt überlebt ausgerechnet ein kleines Mädchen? Da steckt doch sicher mehr dahinter.”, überlegte Samael und betrachtete das Mädchen prüfend. „Du denkst, dass sie lügt und für Lilith arbeitet.”, stellte Satan fest. „Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Kinder für ihre Zwecke missbraucht. Eventuell haben sie ihr Leben dafür verschont.” „Das ist nicht wahr!”, protestierte die Kleine empört. „Sie haben Mama und Papa umgebracht! Und meine Großeltern! Und alle meine Freunde und Klassenkameraden und Lehrer! Ich hasse sie! Warum bist du so gemein?!” „Ich bin nur realistisch.” „Was soll die Kleine denn bitte anstellen? Uns mit Bauklötzen bewerfen?”, hinterfragte Astaroth. „Manche Straßenkinder in ihrem Alter sind alles andere als harmlos...” „Azazel!”, empörte sich Egyn. Dieser zuckte mit den Schultern. „Was denn? Ich sage ja nicht, dass Samael recht hat, nur dass man Kinder nicht unterschätzen sollte.” „Genug jetzt.”, fuhr Satan dazwischen. „Ich spüre kein Lügen und haltlose Anschuldigungen bringen uns nicht weiter.” Erneut wandte er sich an Adara und stellte ihr weitere Fragen, dann entließ er sie. Sie durfte zu ihrer Tante und dort leben, sollte sich jedoch bereit halten falls ihnen neue Fragen einfielen. Kaum war sie draußen kam eine Botin hereingestürmt, die von Unruhen in Hâlogir berichtete. Unbekannte hatten verschiedene Gruppen angestachelt und es kam zu mehreren gewaltsamen Übergriffen. „Das war sowas von Invidia.”, murmelte Azazel als sie wieder alleine waren. „Japp.”, bestätigte Astaroth. „Warum greifen die mich bitte zuerst an?!”, knurrte Iblis. „Vielleicht bist du am nächsten dran?”, schlug Amaimon schulterzuckend vor. „Dann wäre Liliths Palast irgendwo im Süden.”, ergänzte Beelzebub. Astaroth verdrehte die Augen. „Na, das engt es ja ein.” „Wenn sie schon in der Hauptstadt sind, dann werden unsere Gebiete auch bald fällig sein.”, murmelte Egyn. Rin hörte stumm zu. Er kannte sich nicht mit Kriegen und Aufständen aus, doch selbst er erkannte, dass sie in einer Zwickmühle steckten. Satan schien ebenfalls in Gedanken versunken, dann seufzte er. „Es scheint als würde kein Weg dran vorbei führen.”, knurrte er grimmig. „An was?”, hakte Egyn nach. Samael verdrehte die Augen. „Sich mit den Exorzisten in Verbindung zu setzen natürlich.” Rin und die übrigen Baal, mit Ausnahme von Lucifer und Azazel, sahen den Dämonenherrscher überrascht an. Astaroth fand seine Stimme als erstes wieder. „Hilfe? Von den Exorzisten?!” „Das ist eine schlechte Idee.”, stimmte Amaimon zu. „Das wäre die ultimative Erniedrigung!”, fauchte Iblis. „Glaubst du wirklich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um auf Stolz zu beharren?!”, hielt Egyn dagegen. „Ach, komm. Nicht mal du kannst das für eine gute Idee halten!” „Es reicht!”, fuhr Satan scharf dazwischen. „Mir gefällt es genauso wenig, aber wir nähern uns einem kritischen Punkt. Mit jedem Tag wächst Liliths Gefolgschaft und immer mehr finden Schlupflöcher nach Assiah. Es wird nicht mehr lange dauern und der Großteil der Sterblichen wird Dämonen sehen können.” „Aber ist das nicht gut?”, fragte Rin vorsichtig. „Dann wüssten sie immerhin, was das Problem ist.” Samael seufzte theatralisch. „Rin, erst denken, dann fragen. Anfangs werden es die Menschen als Massenhalluzination abtun, aber nicht für lange. Irgendwann bricht Panik aus und Antworten werden verlangt.” „Und die finden sie bei der Heiligkreuz Ritterschaft. Alle werden glauben, dass die Angriffe von uns ausgehen. Dass auch noch eine dritte Partei mitmischt, ist ihnen vollkommen unbekannt.”, ergänzte Lucifer. „Damit spielen sie Lilith natürlich in die Hände. Je mehr Chaos herrscht, umso mehr gerät das Gleichgewicht zwischen den Welten ins Wanken. Irgendwann bricht dann die Grenze zwischen Assiah und Gehenna endgültig zusammen.” „Und Devachan.”, murmelte Azazel. „Dann kann nicht mal ich sie im Zaun halten. Ganz Assiah wird voll mit ruhelosen Seelen und Entitäten sein. Ich sag's nicht gerne, aber wenn wir das hier überstehen wollen, müssen wir uns an die Exorzisten wenden und denen klar machen, dass nicht wir das Problem sind. Danach können wir uns ja wieder die Köpfe einhauen.” Er erhielt ein abfälliges Schnauben von seinem älteren Bruder. „Glaubt ihr wirklich, dass sie uns zuhören werden?” „Du hast einige Exorzisten doch von unserer Sache überzeugen können. Ich habe noch die Illuminati.”, warf Lucifer ein. „Wohl wahr, aber viel zu wenig, um den ganzen Orden zu überzeugen. Und sie werden nicht mit den Illuminati zusammenarbeiten wollen.” „Wir wenden uns an die Hexenzirkel. Die in Tokio, Sapporo und Miyazaki sind inzwischen ziemlich mächtig und einflussreich geworden.”, schlug Egyn vor. „Ich bin schon dabei.” „Und wenn wir uns direkt an die Grigori wenden? Die Exorzisten müssen auf sie hören, richtig?”, warf Beelzebub ein. Iblis schoss die Idee sofort ab. „Dazu müssten wir erst mal in den Vatikan kommen und da sind so viele Siegel drum herum, sie werden uns den Krieg schon erklärt haben bevor wir auch nur die Eingangshalle erreichen. Wir könnten allerdings die Gehennapforte nehmen...” Satan schüttelte den Kopf. „Das würden sie erst recht als Angriff sehen. Samael, gibt es niemanden an den du dich wenden könntest und der auch zuhört?” Der Zeitkönig zögerte. „Eventuell wäre Shura bereit zuzuhören...wenn sie nicht vorher versucht mich zu enthaupten.” Rin wurde hellhörig, erst recht bei dem, was Azazel vorschlug. „Nimm doch Rin mit.” Satan und seine Geschwister starrten ihn an, woraufhin er mit den Schultern zuckte. „Auf ihn hört sie eher als auf einen von uns. Und wenn sie sieht, dass ihm gut geht, wird sie uns vielleicht glauben.” Astaroth schnaubte. „Du scheinst mal wieder das wichtige verpennt zu haben. Die Exorzisten wollen ihn umbringen.” „Das wollen sie schon seit dem Tag seiner Geburt. Wir sind auch ständig in Assiah unterwegs ohne dass sie es merken.” „Sie wissen aber auch nicht wie wir aussehen. Von Lucifer, Samael und Amaimon mal abgesehen.”, erinnerte Beelzebub ihn. „Sie sind viel zu beschäftigt mit Liliths Anhängern.” „Es ist zu gefährlich.” „Ich möchte aber helfen!”, mischte sich Rin ein. Alle Augen richteten sich auf ihn. „Ich habe es satt, immer nur unnütz herumzusitzen und mich beschützen zu lassen. Wenn ich helfen kann, dann tu ich es.” „Es ist zu riskant.”, seufzte Lucifer, doch der Nephilim ließ nicht locker. „Ihr seid doch dabei, was soll da passieren?” Astaroth schnaubte. „Berühmte letzte Worte.” Rin ignorierte ihn. „Shura wird mir glauben.” „Die Idee ist gar nicht dumm.”, kam überraschenderweise Samael zur Hilfe. Egyn funkelte ihn wütend an. „Du hast nur wieder irgendwelche bescheuerten Pläne! Hör auf ihn da ständig mit rein zu ziehen!” Bevor der zweitälteste Baal antworten konnte, mischte sich Satan ein. „Es ist gefährlich, aber vielleicht wäre es wirklich besser.” Dieses Mal erhielt er entsetzte Blicke. „Aber wir haben ihn grad erst wiederbekommen-”, setzte Egyn an. „Wir geben ihn doch nicht weg, Egyn. Es ist nur ein kurzer Trip nach Assiah.”, grummelte Azazel augenverdrehend. „Aber-” „Azazel hat recht. Rin könnte wirklich helfen.” ,unterbrach der Dämonengott ihn. Er wirkte nicht glücklich über diese Erkenntnis, doch wandte sich an Rin. „Wenn du wirklich bereit bist-” „Das bin ich.”, versicherte der Nephilim schnell woraufhin Satan seufzte. „Wenn du wirklich bereit dazu bist, dann in Ordnung. Eventuell wird es nichts bringen, aber es ist einen Versuch wert. Allerdings nicht mehr in diesem Jahr. Du bist noch immer zu unvorbereitet.” Rin wollte protestieren, doch überlegte es sich anders. Inzwischen hatte er erkannt, dass es nichts brachte mit seinem Vater zu diskutieren. Außerdem hatte er irgendwo recht. Im Moment würde er seinen Geschwistern eher zur Last fallen und genau das wollte er verhindern. Lucifer versuchte Satan ein letztes Mal umzustimmen, doch dieser ließ  ihn gar nicht richtig zu Wort kommen. „Ich habe entschieden, Ende der Diskussion.” „Das werden wir so bereuen...”, murmelte Egyn. Der Nephilim spürte die besorgten Blicke seiner älteren Brüder, doch er ignorierte sie. Endlich konnte er sich nützlich machen und obendrein vielleicht sogar seinen Freunde treffen. Selbst wenn nicht, so würde er immerhin Shura wiedersehen und konnte sie wissen lassen, dass es ihm gut ging. Er würde Gehenna beweisen, dass er es verdiente Satans Sohn zu sein und sich obendrein gegen Lilith wehren. Niemals wieder würde er seine Familie verlieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)