Ein unverhofftes Familientreffen von Himikko ================================================================================ Kapitel 22: Hinrichtung und Entschuldigung ------------------------------------------ Egyn hasste den Tartaros. Nicht nur weil es ein gewaltiges Labyrinth voller hungriger Biester war, sondern auch wegen der Temperaturen und der Luft. Es war verständlich, immerhin wurde so auch verhindert, dass hier gefangene Wasserdämonen einfach Wasser aus der Luft zogen. Ein paar waren bereits auf die Idee gekommen ihr Blut zu verwenden, doch das ging meist nach hinten los. Wie immer begegneten sie kaum Wachen, nur Alastor wartete mit verschränkten Armen am Ende des Ganges. Als er Azazel entdeckte, hob er eine Braue. "Hast du mal wieder in den Palast gereihert oder was ist los?" 'Sogar ihm fällt es auf.' Der Geisterkönig antwortete nicht, sondern starrte ihn nur emotionslos an. Satan ignorierte es ebenfalls. "Ist alles bereit?" "Klar. Beide wurden über den Ablauf aufgeklärt, sind festgekettet und der Bannkreis ist gezogen. Die gehen nirgends hin. Ihre Adoptivmutter weiß Bescheid und durfte ein letztes Mal mit ihnen reden. Sie wollte für die Hinrichtung bleiben. Ich hab' ihr gesagt, dass die im Tartaros grundsächlich nicht für Zivilisten zugängig sind." "Haben sie noch etwas gesagt?" "Wenn sie Schiss haben, zeigen sie es nicht. Sie haben die Wachen und mich wie immer munter beleidigt. Laut den Wachen haben sie auch ganz sorglos mit ihrer Mutter unterhalten, während sie selbst in Tränen ausgebrochen ist. Entweder sind sie verdammt gute Schauspieler, sie haben wirklich nichts dagegen zu sterben oder ihnen ist einfach nicht klar, was passieren wird. Wenn man bedenkt wie jung sie sind, würde ich fast auf Letzteres tippen. Wahrscheinlich mussten sie sich noch nie irgendwelchen Konsequenzen stellen." Er sah den Herrscher Gehennas an. "Sicher dass wir sie nicht weiter befragen sollen? Es ist lange her, dass wir Anhänger dieser Schlampe gefangen nehmen konnten." "Wir haben alles erdenkliche versucht und deine anderen "Ideen" würden sie erst recht umbringen." "Wir könnten noch versuchen ihnen Samaels Essen vorzusetzen.", schlug Astaroth vor. "Da zeigen die uns sogar die Hintertür ihres Zuhauses." Alastor verdrehte die Augen. "Und Leute sagen, ich wäre sadistisch." Satan ignorierte den Einwurf. "Kam etwas bei Araoich raus?" Der Vollstrecker zuckte mit den Schultern. "Er hat zugeben einer von Liliths Anhängern zu sein, aber seine Frau hatte scheinbar keine Ahnung von allem. Ich habe daraufhin versucht ihm mit den beiden Gören zu drohen, aber er meinte nur, dass sie alle bereit sind für die rechtmäßige Herrscherin Gehennas zu sterben." Er verdrehte erneut die Augen. "Schätze sie wusste schon immer, wie man andere um dein Finger wickelt." Der Dämonengott nickte. "Gut, du kannst gehen." Der Feuerdämon verneigte sich leicht und ging. Egyn warf einen flüchtigen Blick zu Iblis. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte, aber er konnte es sich zusammenreimen. Satan öffnete wortlos die Tür. "Ihr könnt gehen.", entließ er die Wächter knapp. Sie verneigten sich ebenfalls und gingen. Etwas zögerlich betraten die Geschwister den Raum. Egyn hatte nichts für die Exekutionen übrig, geschweige denn den Räumen in denen sie stattfanden. Seiner Meinung nach stank es dort immer nach Tod, egal was man tat. Hinrichtungen waren zwar normal hier, jedoch bereitete es ihm jedes Mal Unbehagen. Jemanden im Kampf zu töten war wesentlich einfacher. Da standen einem mehrere Gegner gegenüber und man machte sich gar nicht die Mühe das Gesicht näher anzuschauen, dafür war gar keine Zeit. Sie wurden getötet, dann wandte man sich an den nächsten und so weiter. Hier war man dagegen gezwungen das Opfer richtig anzusehen. Sie waren auch nicht irgendwelche namenlosen, gesichtslosen Gestalten. Man sah Angst, Wut, Nervosität, Spott, Reue, Trotz, Resignation...es war alles viel intensiver. Er erinnerte sich noch genau an seine erste Hinrichtung. Das erste Mal einen Gegner zu töten, konnte schwer genug sein, aber die erste Urteilsvollstreckung war für ihn wesentlich schlimmer gewesen. Es gehörte zu seinen Aufgaben, darum hatte er sich durchgerungen. Dennoch würde er den Gesichtsausdruck des Gefangenen nie vergessen können. Er zwang sich in die Gegenwart zurück. Auf dem Boden hockten die Blutjäger und wie Alastor bereits erwähnt hatte, zeigten sie keinerlei Nervosität. "Der ganze Haufen ist hier. Da fühlt man sich ja richtig geehrt.", schnaubte Stihi. "Also bringen wir's endlich hinter uns? In der Zeit hätte ich schon zehn Halbblüter umbringen können, inklusive euren beiden Bastarden." Astaroth machte einen Schritt nach vorne, wahrscheinlich um sie zu schlagen, doch Beelzebub zog ihn zurück. "Lass es. Sie sind es nicht wert.", raunte er dem Fäulniskönig zu. Widerwillig trat dieser zurück. Wortlos stellten sie sich dem Alter nach links und rechts von den Blutjägern auf, Satan blieb vor den beiden stehen. "Da wir alle wissen, warum wir hier sind, fasse ich es kurz.", sagte er ruhig. Egyn bewunderte ihn dafür, dass er es schaffte keinerlei Emotion in der Stimme zu zeigen. "Stihi und Aym, euch werden unter anderem folgende Verbrechen vorgeworfen: Hochverrat, Teilnahme an Blutjagden, unerlaubter Eintritt in Assiah, Mord, versuchter Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Meineid, Vorbereitung eines Krieges, Verschleppung, Geiselnahme, Freiheitsberaubung und so weiter. Ihr wisst ja, was ihr alles angestellt habt." Moment, was hatten sie denn bitte noch alles getan? Der Wasserkönig warf seinen Brüdern einen fragenden Blick zu, doch dies schien für sie ebenfalls neu zu sein. Scheinbar war bei der Untersuchung einiges herausgekommen. "Habt ihr dazu etwas zu sagen?". fragte der Dämonengott rhetorisch. "Was denn, keine Verhandlung?", erwiderte Aym spöttisch. "Die ist bei den ganzen Beweisen unnötig." "Wir bereuen nichts.", antwortete Stihi hochnäsig. "Wir haben Gehenna einen Gefallen getan. Halbblüter sollten gar nicht existieren-" "Ihr habt einige davon selbst gezeugt, also versucht nicht es so zu rechtfertigen.", sagte Satan gelangweilt. "Wie auch immer, ihr wurdet für schuldig befunden und habt eure Gelegenheit für Wiedergutmachung ignoriert. Daher verurteile ich zum Tode. Normalerweise würde Iblis das Urteil vollstrecken, doch in diesem Fall bestehe ich darauf, es selbst zu tun." Aym lachte auf und sah Iblis hämisch an. "Was ist denn jetzt los? Hattest du nicht gesagt, dass du uns töten würdest und jetzt bekommst du kalte Füße? Feigling. Kein Wunder, dass dich Mutter nicht behalten wollte." "Und kein Wunder, dass euer Vater euch rausgeschmissen hat. Ihr seid echt nervig.", fauchte Egyn zu seiner eigenen Überraschung. Sie knurrten ihn an. "Genug, Augen auf mich.", fuhr Satan dazwischen. "Habt ihr noch letzte Worte?" Die Geschwister sahen sich an und nickten. "Ihr glaubt die Fäden in der Hand zu halten, doch ihr herrscht über gar nichts. Ihr zögert nur das Unvermeidliche hinaus.", begann Aym. "Alles muss brennen. Erst dann kann das goldene Zeitalter eingeläutet werden." Beelzebub schnaubte. "Ihr habt den Verstand verloren." "Ruhe.", sagte der Dämonengott scharf. "Stihi?" "Uns zu töten, bringt gar nichts. Es ist zu spät.", fuhr sie triumphierend fort. "Es kann nicht mehr aufgehalten werden, Lilith ist dabei zu erwachen. Früher oder später wird euch eure Ignoranz in den Abgrund zerren. Ihr bemerkt ja nicht einmal, das eure engsten Kreise betroffen sind. Lilith wird beenden, was sie begonnen hat und wir werden uns aus der Asche eurer Knochen erheben." Der Wasserkönig gab sich große Mühe, ihre Worte zu ignorieren, doch vergebens. Wahnsinnig oder nicht, es klang wirklich danach als wäre Lilith kurz vorm Ausbruch und sie wussten scheinbar, wer der oder die Verräter waren. "Das war's? Dann beenden wir es." Satan umkreiste sie und blieb hinter ihnen stehen. "Viel Spaß in Antenora." ...................................................................................................... Rin war (mal wieder) langweilig. Agares war scheinbar dazu verdonnert worden auf ihn aufzupassen, aber sie hatte noch einen zusätzlichen Berg Arbeit. Buchstäblich. Sie saß am Tisch, um sich herum waren lose Blätter und Papierstapel verteilt. Stirnrunzelnd las sie sich einige durch, verglich sie mit anderen, murmelte etwas vor sich hin und schrieb irgendwas dazu oder strich es ganz weg. Er versuchte die Zeit vertreiben indem er mit Kuro spielte, es funktioniere leider nicht so wirklich. Er wollte die Wasserdämonin nicht unnötig stören, aber er hielt es nicht mehr aus. "Was machst du da?", erkundigte er sich. "Lesen." Gut, mit der Antwort hätte er rechnen sollen. "Nichts für ungut, aber ich glaube ein Kind wird das meiste nicht verstehen." "Ich bin kein Kind!", rief Rin entrüstet. Er hätte schwören können, dass sie lächelte. "Du wirst erst 16, nicht wahr? Damit zählst du nach dämonischen Maßstäben höchstens als Kleinkind." Rin stieß ein frustriertes Grollen aus, sie lachte. "Keine Sorge, ich ziehe dich nur auf. Aber trotzdem bist du noch ziemlich jung und ich bezweifle, dass du mit diesem Papierkram so viel anfangen kannst. Um ehrlich zu sein, bin ich mir manchmal selber nicht sicher, was die von mir wollen." Seufzend sah sie auf das Blatt in der Hand. "Was soll's, ich schreibe lieber den Bericht für das Siegel. Wahrscheinlich wird sich das Egyn nachher selbst ansehen." "Das Siegel, was Lilith zurückhält?", fragte der Nephilim neugierig. "Nein. Du weißt, dass zuvor die Aveira versiegelt worden? Das Siegel worum es geht, hält Invidia gefangen." 'Invidia, Invidia...wer war das nochmal?!' "Neid.", half ihm Agares auf die Sprünge. "Sie ist auf einer Insel im Acherusischen See gefangen. Einer Höhle um ganz genau zu sein." "Ok....", sagte er zögerlich. Sie seufzte. "Na gut, da dir ja scheinbar langweilig ist und du es früher oder später ohnehin lernen musst..." Sie zog eines der Blätter hervor und breitete es auf dem Tisch aus, dann winkte sie ihn heran. "Also pass auf.", sagte sie als er neben ihr saß. Sie deutete auf das Papier, welches Rin nun als Karte erkannte. Darauf war ein riesiger See zu sehen, in der Mitte war eine kleine Insel. "Diese Insel heißt Anthemoessa, sie ist auch als 'Insel der Sirenen' bekannt. Sie liegt genau in der Mitte des Sees. Es gibt hier in Gehenna fünf große Flüsse. Der größte ist Acheron, der 'Fluss des Stöhnens'. In ihn münden Styx, Kokytos, Phlegethon und Lethe. Acheron und Styx sind Flüsse des Todes, sie entspringen daher in Azazels Reich. Der Kokytos ist ein Seitenarm des Styx und der 'Fluss des Wehklagens'. Lethe ist der 'Fluss des Vergessens' also Finger weg von dem Wasser. Phlegethon entspringt in Iblis Reich, er führt kein Wasser, sondern Flammen, die alles verbrennen und niemals erlöschen. Es gibt noch andere Flüsse, aber die sind vorerst unwichtig." Rin sah sie mit großen Augen an. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben ihr zuzuhören, aber das klang nach einem geographischen Albtraum. "Der Acherusische See wird vom Acheron gebildet. Er liegt genau auf der Grenze, die Egyns und Azazels Bereich trennt." "Wem gehört er dann?" "Beiden. Der See liegt inmitten eines Waldes. Naja, es ist eher ein Sumpf. Jedenfalls ist es dort immer neblig und ziemlich dunkel, wie in Azazels Geisterwäldern. Im See leben dafür vor allem Dämonen aus Egyns Gefolge: Kelpies, Seeschlangen, Kappas, Fuathan, Rusalken, Nivashi und Sirenen." Bis auf den Kappa und die Seeschlangen kannte Rin nichts. Er meinte auch, mal etwas von Sirenen gehört zu haben und das war nichts nettes gewesen. "Und wie hält man jemanden davon ab, das Siegel zu erreichen?" Irgendwie graute es ihm ein wenig vor der Antwort. "Der See ist riesig und bei dem ganzen Nebel sieht man kaum die Insel. Die einzige Möglichkeit sie zu erreichen sind Holzstege, allerdings bilden diese ein riesiges Labyrinth. Phasensprünge funktionieren dort nicht. Nur wenige kennen den Weg. Aber selbst wenn man den irgendwie erfährt, sind da immer noch die Seebewohner. Sie greifen jeden an, der die Stege unerlaubt betritt. Entweder locken sie einen -das sind die Sirenen mit ihrem Gesang- oder sie versuche sie aus dem Wasser heraus zu greifen. Gelingt ihnen das, ziehen sie ihr Opfer nach unten und fressen es." Rin sah sie mit offenen Mund an. "Du machst Witze." "Nein. Aber keine Sorge, sie sind keine hirnlosen Monster. Gut, Sirenen können manchmal frustrierend sein, aber die Sterblichen machen sie immer richtig schlecht und stellen sie als Monster dar. Vögel mit menschlichen Gesichtern? Also bitte, sie sehen vollkommen humanoid aus. Egyns erste Freundin war übrigens eine Sirene, sie können also vollkommen in Ordnung sein." Der Nephilim beschloss, nicht nachzufragen. "Wie auch immer, an das Siegel kommt keiner heran.", fuhr Agares fort. "Wenn du mich fragst, gehört Invidia zu Liliths gefährlichsten Anhängerinnen, wenn sie nicht sogar die gefährlichste ist." "Warum denn das?" "Sie ist eine Gestaltwandlerin, aber das beschränkt sich nicht auf Personen. Sie kann sich auch in Tiere verwandeln oder Teile ihres Körper, beispielsweise in eine Klinge. Und sie kann ihre Haut verhärten, daran prallen fast alle Waffen ab. Sie ist außerdem wahnsinnig flink und akrobatisch. Ira und sie sind die einzigen, die sich wirklich die Mühe gemacht haben, Nahkampf und Umgang mit Waffen zu lernen. Die anderen verlassen sich immer auf ihre Kräfte." Sie sah auf. "Aber genug davon. Wie wäre es, wenn du mir etwas erzählst?" Das erwischte ihn im kalten. "Was soll ich denn erzählen?", fragte er verwirrt. Sie grinste. "Ich habe eine Menge Fragen über Assiah. Wie wäre es, wenn ich eine Frage stelle, dann wieder du und so weiter?" "Ähm...ok?" Er war sich nicht sicher, ob das funktionieren würde. Andererseits war Agares noch nie in Assiah gewesen. Schlussendlich stellte es ich als gute Idee heraus. Er erzählte der Wasserdämonin von verschiedensten Dingen. Über Japan, das Essen, die Schulen, Sportarten, Filme, Handys und Tiere. Bei einigen Fragen wusste er nicht viel dazu, besonders wenn es um Geschichte und Politik ging. Dennoch schien sie sich über jede noch so unbedeutende Information zu freuen. Kuro hatte sich währenddessen verabschiedet und streunte im Palast herum. Rin erfuhr ebenfalls einiges und es interessierte ihn sogar. Wie er bereits wusste, war Gehenna in neun Bereiche aufgeteilt. Je nach Gebiet unterschied sich die Landschaft. Bei Lucifer war viel Sonne, es gab goldene Wälder und weiße Städte. Bei Azazel gab es dagegen kaum Licht. Alles war düster und neblig. Die Städte und Dörfer waren dunkel und bedrohlich. Überall standen gewaltige schwarze Ruinen, ansonsten sah man überall düstere Geisterwälder und Sümpfe. Der Ort an dem sich die Seelen herumtrieben (oder es sollten, denn manche rissen gerne aus und ließen sich in den Sümpfen und Wäldern nieder) hieß Devachan und wurde von einem Fluss namens Eridanus abgegrenzt. Die Verdammten landeten im Hades, welcher in neun Kreise aufgeteilt war. Die Verbrechen entschieden, wo man landete, je nach Anzahl konnte man sogar in einem Ring landen und dann in den nächsten verschoben werden. Der neunte Ring war beispielsweise den Verrätern vorbehalten und hieß Antenora. Die anderen Seelen durften ins Elysium und somit ihre Ruhe finden. Bei Egyn gab es (logischerweise) hauptsächlich Wasser, weswegen viele Städte und Dörfer darauf errichtet wurden. Einige lagen dagegen an Meeren. Demzufolge war Egyns Gebiet der Hauptlieferant von Meeresgetier, während Amaimons Gebiet quasi die Kornkammer Gehennas war. Von dort kam ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie Holz. Iblis Reich war vor allem felsig, voller Vulkane und sehr warm. Offene Lava und Feuer waren dort nicht selten. Dort wurde vor allem geschmiedet, andere versuchten sich als Zähmer und Trainer für Drachen, Mantikore, Chimären und weitere Feuerwesen. Er erfuhr auch einiges zum Schul- und Versorgungssystem. Jedem stand eine kostenlose Grundbildung zu. Hatten Dämonen ein bestimmtes Alter erreicht, wurden sie für ein paar Jahre in die Schule geschickt, dann wurde Pause gemacht. Hatten sie die nächste Entwicklungsstufe erreicht, wurden sie wieder losgeschickt. Höhere Ausbildungen und der Besuch einer Privatschule konnten teuer werden, aber es gab auch Stipendien. Zu diesen höheren Ausbildungen zählten zum Beispiel Kurse für Sprachen aus Assiah. Außerdem bekam jeder eine (ebenfalls kostenlose) Ration an Grundnahrungsmitteln und anderen Dingen wie zum Beispiel Stoff und Papier. Wenn man mehr -beziehungsweise hochwertigeres- oder Luxusgegenstände wie Alkohol wollte, musste dies bezahlt werden. Dinge aus Assiah waren sehr teuer und auch nicht für alle zugänglich. Schließlich ließ er sich tatsächlich dazu bringen, etwas über sich selbst zu erzählen. Es war nicht viel und auch nichts besonderes, doch dies schien sie nicht zu stören. Als Rin ihr nach einigem Zögern auch einige persönliche Fragen stellte, hatte sie keine Probleme damit zu antworten. Ihr Vater war ein Mensch und ums Leben gekommen als die Dämonen aus Assiah vertrieben wurden. Sie war erst einige Tage alt, konnte sich also nicht an ihn erinnern. Ihre Mutter war Heilerin gewesen, sodass sie sich schon früh ebenfalls dafür interessiert hatte. Das Dorf lag sehr abgelegen am Rande von Egyns Gebiet, weswegen es keine Schule für Heiler gab. Stattdessen lernte sie von ihrer Großmutter, welche auch die Dorfheilerin war. Sie stellte sich als sehr talentiert heraus. Nebenbei lernte sie mit dem Speer und der Kriegssense umzugehen. Später bekam sie ein Stipendium und konnte fortgeschrittene Heiltechniken an einer Medizinschule erlernen. Als Liliths Rebellion ausbrach, meldete sie sich freiwillig als Heilerin. Dort traf sie auf Egyn, welcher sich im Kampf schwere Verletzungen durch eine Naga zugezogen hatte und im Sterben lag. Trotz geringer Chancen hatte sie ihn retten können. Während er sich erholte, lernten sie sich besser kennen und freundeten sich langsam an. Nach dem Krieg trat sie in seine Dienste, später bot er ihr den Posten als seine rechte Hand an. Sie war vollkommen überrumpelt gewesen, hatte nach einigem Zögern jedoch angenommen. Rin war gerade damit fertig geworden ihr etwas von seinem (normalen) Unterricht an der Heiligkreuz-Akademie zu erzählen als es an der Tür klopft. "Ähm, ja?" Die Dämonenkönige kamen herein. Er hatte sich schon gefragt, wo sie sich rumtrieben. "Ihr seid schon fertig?", fragte Agares überrascht. "Schon?", knurrte Astaroth und ließ sich das Sofa fallen. "Ich bin froh, dass das dieser ganze Mist vorbei ist." "Kann ich nur zustimmen.", murmelte Iblis und setzte sich neben ihn. "Entschuldige, dass wir dir so viel aufgehalst haben.", sprach Egyn seine rechte Hand an. "Ich weiß, du hast viel zu tun." Sie lächelte. "Kein Problem, ich hatte eine Menge Spaß und Rin ist im Gegensatz zu manch anderen pflegeleicht." "Dann kannst du dich ja weiterhin um ihn kümmern. In einer Woche fragen wir dich noch einmal.~", feixte Samael. Er hatte es sich in einem der Sessel bequem gemacht. "Sicher, du warst dagegen immer ein kleiner Engel und hast Lord Satan nie Kopfschmerzen bereitet.", antwortete sie augenverdrehend, aber lächelnd. "Ich habe nie gegen irgendwelche Regeln verstoßen, nur etwas ausgedehnt.~" Amaimon hustete und murmelte etwas, was verdächtig nach 'Wette', 'Freizeitpark' und 'Wald' klang. Entweder hörte der Zeitkönig ihn nicht oder er ignorierte es einfach. Agares hatte inzwischen begonnen ihre Papiere einzusammeln. "Hey Egyn, wie wäre es, wenn du Agares beim tragen hilfst?", fragte Beelzebub plötzlich. Zu Rins Überraschung warf Agares dem Insektenkönig einen frustrierten Blick zu, bevor sie schnell wieder lächelte. "Danke, aber ich komme schon klar." "Bist du sicher?", hakte Lucifer nach. "Das ist eine Menge." "Ich kann zweimal laufen-" "Schon gut.", unterbrach Egyn sie. "Ich helfe dir schnell." Die Wasserdämonin wurde rot wie eine Tomate und schaute auf den Boden. Der Wasserkönig bekam es nicht mit, Rin schon. 'Warte...sag mir nicht...' "Bis dann.", verabschiedete sich Agares und ging aus dem Zimmer. "Bin gleich wieder da.", sagte Egyn. "Lasst euch ruhig Zeit.~", antwortete Samael grinsend. Der Wasserkönig sah seinen älteren Bruder stirnrunzelnd an, dann folgte er der Dämonin. "Ihn bekommen wir nicht mehr groß, fürchte ich.", seufzte der Zeitkönig theatralisch. "Ist Agares in Egyn verschossen?", platzte es aus Rin heraus. Seine Geschwister sahen ihn überrascht an, dann begann Astaroth plötzlich zu lachen. "Schon traurig. Erst knapp 'ne Woche hier und trotzdem fällt's ihm sofort auf." "Also stimmt es?" Lucifer nickte. "Agares mag ihn schon seit Ewigkeiten." "Aber Egyn bekommt es einfach nicht mit.", fügte Iblis hinzu. "Er mag gut darin sein, die Gefühle anderer zu erkennen, aber bei sowas ist er hoffnungslos. Es hat ja schon Ewigkeiten gedauert bis er endlich Kyrene um eine Verabredung gebeten hat und noch länger bis sie endlich mal in die Kiste gestiegen sind." Rin war so in Gedanken, dass er den letzten Satz gar nicht richtig mitbekam. "Wir drängen sie schon ewig endlich den ersten Schritt zu machen, aber sie traut sich nicht.", murmelte Azazel. "Sie sagt immer, dass sie als seine rechte Hand nicht ihm zusammen sein kann. Totaler Stuss." "Warum sagt ihr es ihm nicht einfach?" "Wir mussten ihr schwören, es ihm nicht zu sagen.", erklärte Amaimon. Beelzebub grinste. "Sie hat aber nie gesagt, dass wir nicht ein wenig nachhelfen dürfen." "Das Miese ist, dass es inzwischen jeder weiß.", seufzte Astaroth. "Amon hat mir vor kurzem erzählt, dass seine Töchter ständig fragen, wann die beiden endlich heiraten." Rin öffnete den Mund um zu antworten, doch da kam Egyn schon wieder. "Ist etwas?", fragte er als ihn alle anstarrten. "Nein, alles in Ordnung.", seufzte Lucifer. Er wandte sich an Rin während Egyn die Tür schloss. "Dir scheint es ziemlich gut zu gehen, wenn man bedenkt wie weggetreten du warst." Rin spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. "Vorhin ging es mir ziemlich dreckig, aber inzwischen geht's. Was war überhaupt letzte Nacht los? Ich habe nichts dummes oder peinliches gemacht, oder?" Sein Magen zog sich zusammen als die Dämonenkönige vielsagende Blicke wechselten. "Oder?!", wiederholte er fast flehend. "Naja....ich schätze mal, wie schulden dir 'ne Entschuldigung.", sagte Iblis langsam und rieb sich nervös den Nacken. "Besser gesagt werden wir von Vater dazu genötigt.", seufzte Samael. "Was ist passiert?!", fragte Rin nun panisch. "Ganz ruhig, es hat sich im Rahmen gehalten und du musstest auch nicht reihern. Lief also schon mal besser als mein erstes Mal.", versicherte Astaroth ihm schnell. "Das beruhigt mich gar nicht! Was ist denn nun?!" "Naja.....du bist etwas......anhänglich geworden.", antwortete Lucifer vorsichtig. "Heißt?!" "Du hingst jedem von uns mindestens einmal um den Hals.", antwortete Amaimon ungerührt. Rin sah ihn entsetzt an. "Du machst Witze." "Nein.", murmelte Azazel. "Für einen versiegelten Nephilim bist du echt stark..." "Ansonsten hast du noch einige Dinge erzählt. Dass du dich als Kind oft geschlagen und immer Ärger bekommen hast und andere nicht...und irgendwas von Schreinen.", fuhr Beelzebub langsam fort. Der Nephilim sagte nichts, also erzählten ihm die Baal zögerlich, was alles geschehen war. Währenddessen kamen tatsächlich einige Erinnerungen wieder. Als sie fertig waren, vergrub Rin sein Gesicht (welches inzwischen knallrot war) in seinen Händen. 'Oh Gehenna....Scheiße, ist das peinlich. Boden tu dich auf und verschlinge mich. Wenn das hier überhaupt noch möglich ist. Die Exekution durch den Vatikan klingt grad sogar ziemlich verlockend.' Er war sich nicht mal sicher, was am schlimmsten war: die Anhänglichkeit, seine plötzliche Gesprächigkeit oder dass er sich an Satan geklammert hatte. "Komm schon, es hätte schlimmer sein können und wir werden dir das nicht vorhalten.", sagte Egyn. "Sprich für dich.~", grinste Samael. Das Grinsen verschwand jedoch sehr schnell aus seinem Gesicht, als ihn knapp ein Buch verfehlte. "Wer hat das geworfen?!" "Außerdem bin ich dank dir meine Schulden los!", steuerte Iblis bei. "Obwohl du das nicht verdienst hast.", knurrte Egyn. Lucifer ignorierte alles und redete wieder auf ihren kleinen Bruder ein. "Du musst dich für nichts schämen. Glaube mir, uns sind schon wesentlich schlimmere Sachen passiert." "Ja, das hat Agares schon erwähnt. Bitte keine Details.", murmelte Rin. "Wie auch immer: es tut mir leid.", fuhr der Lichtkönig fort. "Es war größtenteils unsere Schuld, wir hätten besser aufpassen sollen. Ich verspreche dir, wir haben dich nicht absichtlich abgefüllt." "Und ich hätte dich wohl nicht ausnutzen sollen um meine Schulden zu begleichen...Sorry.", murmelte Iblis. Azazel, Beelzebub, Egyn und sogar Astaroth murmelten ebenfalls eine Entschuldigung bevor sie erwartungsvoll den Zeit- und Erdkönig ansahen. Samael seufzte. "Ich schätze, wir hätten einiges verhindern können. Schlussendlich ist immerhin nichts passiert." Amaimon brummte zustimmend. "Ja...und es sollte wohl nicht nochmal passieren." Lucifer verdrehte die Augen. "Das ist ihre Art 'Entschuldigung' zu sagen.", übersetzte er. Rin brachte tatsächlich ein leichtes Lächeln zustande. "Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Ich hätte auch besser aufpassen sollen." Er beschloss das Thema zu wechseln. "Was habt ihr überhaupt den ganzen Morgen getrieben?" "Die Blutjäger hingerichtet.", grummelte Beelzebub. "Hingerichtet?", echote Rin überrumpelt. "Was hast du erwartet? Sollen wir sie in die Ecke stellen, oder wie?", erwiderte Astaroth schulterzuckend. "In Japan ist die Todesstrafe doch auch noch erlaubt. Ich glaube durch den Strang, oder?" "Aber-" "Kein 'aber'.", unterbrach ihn Azazel. "Auf die Blutjagd steht der Tod. Selbst Schuld." "Und warum müsst ihr dabei sein?", fragte Rin. "Normalerweise fällt es dem jeweiligen Dämonenkönig zu das Urteil zu vollstrecken, wir haben dennoch Anwesenheitspflicht. Diesmal wollte es Vater selbst übernehmen.", erklärte Samael. "Das klingt als würde mehr dahinter stecken." "Er wollte nicht, dass ich sie töte, weil sie meine Halbgeschwister sind.", fuhr Iblis dazwischen. Alle Augen richtete sich auf ihn. "Meine Mutter war verheiratet als sie mit Vater zusammen war, erst als sie mit mir schwanger war, hat sie es zugegeben. Abtreibungen sind in Gehenna verboten also war sie gezwungen mich zur Welt zu bringen. Anschließend hat sie mich hier abgeliefert und dann hieß es auf nimmer Wiedersehen. Dieses Miststück hat mir nicht mal 'nen Namen gegeben. Natürlich hat ihr das Karma in den Arsch getreten und ihr Mann hat es herausgefunden. Er hat sie und ihre drei Kinder rausgeschmissen. Lilith hat sie gefunden und um ihre erbärmliche Existenz zu retten hat sie einen Deal mit ihr gemacht. Als sie dann ihren Nutzen verloren hatte, wurde sie umgebracht. Stihi und Aym haben uns die Schuld gegeben, Ende der Geschichte." Er schnaubte. "Fast. Das dritte Kind ist auch noch irgendwo und will uns sicher auch erledigen." Unangenehme Stille herrschte. Damit hatte Rin nicht gerechnet, doch er wagte nicht nachzuhaken. "Iblis-", begann Egyn, doch wurde von ihm unterbrochen. "Ich bin drüber hinweg, ok? Es gibt jetzt wichtigeres." "Na gut, wenn du meinst." Er sah auf die Uhr. "So spät schon? Ich muss los." "Das Siegel?", erkundigte sich Azazel. "Ja. Es würde mich wundern, wenn jemand dort hingekommen ist, aber man weiß ja nie." Der Wasserkönig streckte sich. "Also bis später. Wir sehen uns hoffentlich beim Mittagessen." Damit verschwand er in einem blauen Leuchten. "Kann hier wirklich jeder mit einem Phasensprung rein und raus?", fragte Rin verwundert. "Nein, Vater und wir sind die Einzigen.", antwortete Astaroth und stand ebenfalls auf. "Ich muss noch zu Amon und ihn mal auf den neusten Stand bringen." Amaimon sah ihn verwundert (zumindest glaubte Rin, Verwunderung zu entdecken) an. "Ist er nicht im Palast?" "Nein, heute ist doch Feiertag also keine Schule und seine Kinder und Agash sind Zuhause. Hab' ihm deswegen frei gegeben. Auch wenn ich bezweifle, dass er viel Ruhe bekommt." "Jestan zahnt?", tippte Lucifer. "Und schreit die ganze Zeit.", bestätigte Astaroth. "Erwarten sie nicht noch ein Kind?", lachte Beelzebub. "Jepp, sie werden noch Spaß haben und wenn man dann noch seine drei Töchter mit dazu nimmt...das wird lustig. Also bis nachher." Er verschwand ebenfalls. Die restlichen Dämonenkönige standen auf. "Wir müssen uns leider wieder an die Arbeit machen, aber Vater wollte noch mit dir reden.", sagte Lucifer. Rin war nicht begeistert, immerhin war es bis jetzt immer schief gegangen, wenn sie alleine in einem Raum waren. 'Aber irgendwie muss ich mich ja dran gewöhnen.' "Ich bringe dich hin.", verkündete der Lichtkönig. "Ich komme auch mit.", schaltete sich Azazel ein. "Ich muss noch Ankou und Shax suchen. Und mich um die Harpyien kümmern." Bei dem Teil mit den Harpyien schien sich sein Gesicht zu verdüstern, aber es war nur für den Bruchteil einer Sekunde. Amaimon öffnete die Tür und trat auf den Gang, die anderen Baal folgten ihm und nach kurzem durchatmen kam auch Rin. 'Na, das kann ja heiter werden.' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)