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Im Bann der Dunkelheit

von

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Aussprache

Erschrocken fuhr Severus aus seinem Sessel hoch. Wann war er eingeschlafen? Der Tränkemeister war vom Todessertreffen – im Herrenhaus der Malfoys – erst am frühen Morgen zurückgekehrt. Danach hatte er sofort dem Schulleiter von dem Fluch und Lavinias Geburt erzählt, bevor er sich in seine eigenen Räume zurückgezogen hatte. Der Cruciatusfluch des Lords steckte ihm immer noch in den Knochen. Daher hatte er es nicht mehr geschafft, sein Schlafzimmer zu erreichen. Noch in seiner üblichen Robe gekleidet fand er sich – es musste bereits später Nachmittag sein – in seinem Herrensessel wieder.
 

Erneut klopfte jemand an seiner Tür. //Verdammt noch mal, es ist Samstag//, empörte sich Severus in Gedanken und erhob sich schwerfällig von seinem Sessel. Welcher seiner Kollegen kam – an einem Samstagnachmittag, an dem er keine Aufsicht in Hogsmeade oder in den alten Gemäuern der Schule hatte – zum wiederholten Male auf die schwachsinnige Idee, ihn zu irgendeiner ebenso schwachsinnigen gesellschaftlichen Aktivität begeistern zu wollen?
 

Es mussten doch mittlerweile alle wissen, dass er absolut kein Interesse an solchen banalen Freizeitbeschäftigungen hatte und gerade heute wollte er einfach nur seine Ruhe. Träge machte sich der Tränkemeister daran dem Störenfried die Tür zu öffnen, um diesem im selben Augenblick deutlich zu machen, dass er keinen Wert auf Gesellschaft legte und um dann die Eingangstür zu seinen privaten Räumen mit entsprechendem Nachdruck wieder zu zuschlagen.
 

Gerade erreichte der schlecht gelaunte Zauberer sein Ziel, als wieder – diesmal etwas kräftiger – gegen seine Tür geklopft wurde.

„Professor? Professor sind Sie da? Ich muss dringend mit Ihnen sprechen“, vernahm Severus nun die Stimme Lavinias vor der Tür.

Was wollte sie von ihm? Warum war sie nicht mehr in Hogsmeade, wie alle anderen Schüler auch? Und woher, verdammt noch mal, wusste sie wo seine privaten Räume zu finden waren?
 

//Sonst verläuft sich diese Hexe doch auch wenn es einfach nur gerade ausgeht!// grummelte der Tränkemeister in Gedanken. Bevor Severus schlussendlich laut seufzend die Tür öffnete, ermahnte er sich selbst dazu ruhig zu bleiben und seine schlechte Laune nicht an Miss Riddle auszulassen. Seit dem vergangenen Abend wusste der Tränkemeister, dass der dunkle Lord Lavinia mit einem schwarzmagischen Fluch belegt hatte und irgendetwas in ihm, hatte sich seit diesem Zeitpunkt verändert.
 

Es kam ihm so vor, als teilten sie ein ähnliches Schicksal. Lavinia existierte, weil ein mächtiger dunkler Magier an sein eigenes Wohl gedacht hatte und ihr Leben und ihre Bestimmung – schon vor ihrer Geburt – genau festgelegt hatte. Er war ebenfalls in seinem Schicksal gefangen, sein Leben für das größere Wohl einzusetzen. Dies tat er bei jedem Todessertreffen, bei jeder Unterredung mit dem Dunklen Lord.
 

Severus war ein Meister der Okklumentik und auch das Eindringen in den Geist anderer war für ihn keine große Hürde. Aber dennoch befürchtete er, dass der Dunkle Lord, welcher diese Techniken bis ins kleinste Detail perfektioniert hatte, ihn eines Tages überraschen würde und seine wahren Gedanken und Absichten preisgegeben wurden. Dies würde seinen sofortigen Tod bedeuten.
 

So wie er seine Freiheit – durch ein Versprechen, einen Schwur Dumbledore gegenüber – aufgegeben hatte, um seine Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, so würde auch Lavinia eines Tage vor einer Wahl stehen, die ihre Freiheit, nein ihr ganzes Leben vollkommen verändern würde. Eines hatte er sich nach dem gestrigen Zusammentreffen mit dem Lord geschworen. Er würde Lavinia von diesem Tage an, auf keine ihrer Fragen, mit einer Lüge antworten.
 

Er wollte sich die Chance geben, Lavinias Vertrauen zu verdienen und wenn er ehrlich zu sich war, hatte er nicht nur von Anfang an damit gehadert, Lavinia – auf Dumbeldores Anweisung hin – anzulügen. Nein, ihm war durch sein mangelndes Durchsetzungsvermögen – dem alten Zauberer gegenüber – seine eigene Feigheit und Resignation bewusst geworden. Lavinia verdiente die Wahrheit und egal, was sie jetzt von ihm wissen wollte, egal welches Anliegen sie vortragen würde, Severus würde ihr keine einzige Lüge mehr erzählen.
 

Beherzt drückte er die Türklinke hinunter und Lavinia, die gerade erneut angesetzt hatte, gegen seine Tür zu klopfen stolperte ihm erschrocken entgegen. In letzter Sekunde fing sich die junge Hexe jedoch wieder, sodass sie es gerade so vermeiden konnte, mit ihrem Hauslehrer zusammenzustoßen. Dicht vor ihm kam sie zum Stehen. Verärgert zog die Schwarzhaarige die Stirn in Falten und musterte ihren Professor misstrauisch.
 

Hatte er etwa geschlafen? Und wie sah er überhaupt aus? Seine Haare waren völlig zerzaust, seine Augen wirkten müde und abgekämpft. Seine sonst faltenfreie Robe war vollkommen zerknittert. War er etwa krank? Ihr Blick wanderte durch den Raum. So lebte Professor miese Laune also.
 

Das Zimmer war dunkel. Ähnlich wie im Gemeinschaftsraum, schenkte ein magisches Fenster dem Zimmer ein schwaches, grün schimmerndes Licht. Ein riesiges Bücherregal fiel Lavinia sofort ins Auge. Vor dem Kamin stand ein dunkelgrüner Herrensessel. Unzählige Bücherstapel lagen rund um den Sessel. Daneben stand ein kleiner, runder Beistelltisch, auf dem eine leere Flasche Feuerwhiskey thronte. Vom rechteckigen Wohnzimmer abgehend gelangte man in drei weitere Räume.
 

„Habe ich Sie etwa geweckt, Professor? Geht es Ihnen nicht gut?“, erkundigte sich die junge Hexe vorsichtig. Irgendetwas sagte ihr, dass es dem Tränkemeister wirklich nicht sonderlich gut ging.

„Sind Sie hierhergekommen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, Miss Reed? Oder liegt Ihnen noch etwas anderes auf dem Herzen“, antwortete Severus mit müder Stimme.
 

„Ich…eigentlich wollte ich mit Ihnen reden…ich habe Dinge herausgefunden, die…die mich verunsichern“, erwiderte Lavinia mit gebrochener Stimme und schaute unsicher zum Tränkemeister. Was war nur mit ihm los? Sie hatte erwartet, dass er ihr deutlich machen würde, wie sehr sie ihn gerade störte und dass er sie auf der Stelle herausschmeißen würde.
 

Aber stattdessen deutete er ihr auf dem Sofa, Platz zu nehmen. Völlig irritiert von dem Verhalten des Zaubertrankprofessors, setzten sich Lavinias Beine wie von selbst in Bewegung und wenige Sekunden später fand sie sich, auf der ihr zugewiesenen Sitzmöglichkeit wieder.

Severus selbst nahm in seinem Sessel Platz und schaute Lavinia mit einem müden, abgekämpften aber – für Professor Snapes Verhältnisse – freundlichem Gesichtsausdruck an.

//Lächelt der etwa!?//, schoss es Lavinia durch den Kopf, als sie damit begann ihre Gedanken zu sortieren und das unerwartete Verhalten ihres Professors, irgendwie zu erklären
 

„Tee?“

„Äh, was??“

//Wie bitte? Was ist denn jetzt los//, sprudelten die Gedanken, nach Severus Frage durch Lavinias Kopf.

„Möchten Sie einen Tee? Ich gehe davon aus, dass die Dinge die Sie herausgefunden haben nicht in zwei Minuten besprochen sind, Miss Reed…also ich werde einen Tee zu mir nehmen, deshalb noch einmal die Frage: Möchten Sie einen Tee, Miss…Lavinia“, wiederholte Severus seine Frage.
 

Lavinia nickte und kontrollierte sich selbst, ob sie ihren Mund auch wirklich geschlossen hatte und den Professor nicht, mit vor Ungläubigkeit weit aufgerissenem Mund, anstarrte. Sprachlos beobachtete die Hexe wie Severus seinen Zauberstab schwang und mit einem lauten Klirren zwei Tassen und eine Kanne Tee aus einem der Nebenzimmer angeflogen kamen. Sofort füllten sich die Tassen von selbst.
 

Der warme Tee dampfte leicht. Ohne zu zögern griff Lavinia nach ihrer Tasse und trank vorsichtig einen Schluck. Sie schmeckte leichte Minze, Zitrone und Ingwer „Schmeckt er Ihnen? Diese Mischung habe ich selbst zusammengestellt“, teilte der schwarzhaarige Zauberer seiner Schülerin mit. Die junge Hexe nickte und lächelte ihn an.
 

„Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen, Professor Snape? Sie wirken so…abgekämpft und ausgelaugt“, fasste Lavinia den Mut ihren Hauslehrer erneut auf sein Befinden anzusprechen.

„Nun ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass die gestrige Angelegenheit, wegen der ich ihre Zusatzstunden absagen musste, nicht besonders kräftezehrend gewesen sei. Aber deswegen sind Sie doch nicht hergekommen, Lavinia“, entgegnete Severus und nahm ebenfalls einen Schluck aus seiner Porzellantasse.
 

„Also was haben Sie denn so dringendes herausgefunden, dass Sie es unbedingt heute mit mir besprechen möchten“, erkundigte sich der Tränkemeister, während er seine Tasse auf dem Beistelltisch abstellte.

„Ist es wahr, dass...ich meine…wussten Sie, dass Dracos Vater ein Todesser ist?“, rückte Lavinia nun mit der Sprache heraus und schaute ungeduldig zum Zaubertrankprofessor.

„…und glauben Sie, dass Draco,…na ja, auch vor hat sich Voldemort anzuschließen?“, fuhr die grünäugige Hexe fort.
 

Severus erwiderte Lavinias Blick und spürte, dass sie noch mehr erfahren hatte. Nun musste er die richtigen Worte finden, um ihre Fragen ehrlich zu beantworten, ohne die junge Hexe zu überfordern. Sicherlich wäre es das Einfachste, ihr die ganze Geschichte über sie, über Voldemorts Plan, über Harry und über seine eigene Rolle in dieser ganzen Sache zu erzählen, aber der Tränkemeister befürchtete, dass er Lavinia damit völlig aus der Bahn werfen würde.
 

Dennoch wollte der Tränkemeister an seinem Ziel, sich Lavinias Vertrauen zu verdienen, festhalten. Er würde ihr jede Frage beantworten und ihr alles Notwendige – auch über sich – erzählen, damit Lavinia in ihm, weiterhin eine Stütze sehen konnte und er selbst – ohne ein schlechtes Gewissen – das Vertrauen seiner Schülerin annehmen konnte.
 

„Ja Lavinia, der Tatsache, dass Lucius Malfoy ein Todesser ist, bin ich mir voll und ganz bewusst. Ich kann Ihnen sogar mitteilen, dass er zum engsten Kreis seiner Gefolgsleute gehört. Was seinen Sohn – im Übrigen meinem Patensohn, falls Sie dies noch nicht wussten – betrifft, befürchte ich, dass dieser keine andere Wahl haben wird, als dem Weg seiner Eltern zu folgen. Würde er einen anderen Weg wählen, würde er diese Entscheidung auf kurz oder lang mit dem Leben bezahlen. Wie Sie sicherlich schon, das ein oder andere Mal, mitbekommen haben, ist der Weg vieler reinblütiger Zauberer und Hexen, durch die Entscheidungen ihrer Eltern und anderen Vorfahren vorherbestimmt. Draco wird keine andere Wahl haben. Wie schon gesagt, seines und womöglich auch das Leben seiner Familie, stehen dabei auf dem Spiel“, antwortet Severus nun mit ruhiger Stimme auf Lavinias Frage.
 

Die junge Hexe wiederholte die Worte des Tränkemeisters in ihren Gedanken. Genau dies hatte Lavinia befürchtet. Dracos Vater war – wie Hermine es ihr verraten hatte – ein Todesser und auch Draco würde sich eines Tages Lord Voldemort anschließen. Wie sollte sie damit umgehen? Eines war für Lavinia klar, sie würde die Freundschaft zu Draco nicht einfach aufgeben. Nicht jetzt und womöglich auch nicht, wenn der Tag kommen würde, an dem er zu einem der Todesser werden sollte.
 

Die Hexe blickte erneut zu Professor Snape. Ihre grünen Augen fixierten den Blick des Zaubertrankprofessors und dabei erkannte sie, dass ihr Lehrer immer noch ruhig auf seinem Sessel saß und auf eine Reaktion ihrerseits wartete. Erstaunlicherweise hatte sie die Antwort des schwarzhaarigen Zauberers mit Fassung vernommen.
 

Musste die Nachricht, dass der Vater ihres besten Freundes ein Todesser war sie nicht schockieren oder zumindest die Tatsache, dass Draco keine andere Wahl haben würde, als sich ebenfalls dem dunkelsten Zauberer ihrer Zeit anzuschließen?
 

Aber das tat es nicht. Sie brauchte mehr Antworten, mehr Klarheit und würde diese jetzt von Professor Snape verlangen. Sie hatte das Gefühl, dass sich seine Einstellung ihr gegenüber etwas verändert hatte und hoffte dadurch mehr über die unschönen, finsteren Seiten ihrer neuen Welt zu erfahren.
 

„Woher wissen Sie das so genau? Wie haben Sie erfahren, dass Mister Malfoy nicht nur ein Todesser ist, sondern sich sogar im engsten Kreis seiner Anhänger bewegt?“, stellte Lavinia nun eine weitere Frage, die ihr sofort, nach den Erläuterungen ihres Professors in den Sinn gekommen war. Wieso wusste sie nicht genau, aber irgendwas sagte ihr, dass die Antwort auf diese Frage eine Grenze brechen würde, die ihr helfen konnte, vieles zu verstehen.
 

Dabei ahne Lavinia nicht, wie schwer es Severus nun fiel die richtigen Worte zu finden. Er wollte ihr reinen Wein einschenken, ihr sagen, dass er eben auch dazu gehörte und dann auch wieder nicht. Aber würde die junge Hexe – die bisher so viele neue Erfahrungen machen musste – seine Situation verstehen? Würde sie verstehen wieso er sich damals entschieden hatte, das Dunkle Mal anzunehmen und würde sie auch verstehen, was ihn dazu bewog für Dumbledore, diese Rolle weiterhin zu spielen?
 

//Warum ist dir das alles auf einmal so wichtig…verstanden zu werden…?//, huschten die Worte durch seinen Kopf. Doch eine Antwort darauf fand er nicht. Er wusste nur, dass er die einzige Schülerin, die ihn nicht für ein angsteinflössendes Monster hielt und in ihm einen Verbündeten sah, nicht durch die falschen Worte vertreiben wollte.
 

Langsam und ohne wirklich zu realisieren was er tat, öffnete er die Knöpfe an seinem linken Ärmel. Genauso unwirklich kam es ihm vor, als er das Stück Stoff, welches seinen Unterarm stets bedeckte ein Stück nach oben schob und somit sein Dunkles Mal preisgab.

Der Tränkemeister hatte dabei durchaus bemerkt, dass Lavinias Augen seinen Bewegungen verwundert gefolgt waren. Verwirrt, aber auch gleichzeitig sehr wohl wissend, was das Zeichen auf seiner Haut bedeutete, ruhte ihr Blick nun auf seinem Arm.
 

„Weist du was dieses Symbol bedeutet?“, stellt er ihr nun die entscheidende Frage und wartete auf die Reaktion der jungen Hexe.

Diese nickte nur und schaute ihren Professor mit großen Augen an. Es dauerte einige Sekunden bis Lavinia ihre Stimme wieder fand.
 

„Das Dunkle Mal, das Zeichen der Anhänger Lord Voldemorts. Durch dieses magische Symbol, kann er die Todesser zu sich rufen, wo immer sie sich befinden“, wiederholte die grünäugige Hexe die Erklärungen, welche Hermine ihr zu Beginn ihrer Zeit hier in Hogwarts gegeben hatte, mit krächzender Stimme. Ihr Blick wanderte dabei wieder zu Severus Gesicht. In seinen Augen erkannte Lavinia, dass er bereit war, ihr wirklich alles zu erzählen. Sogar einen Teil seiner persönlichen Geschichte.
 

„Warum?“, hauchte Lavinia ihrem Gegenüber unsicher entgegen. Irgendwie kam es ihr unglaublich anmaßend vor, einem ihrer Professoren eine solche Frage zu stellen, aber dennoch wollte sie einfach verstehen, was den Zaubertrankprofessor dazu bewogen hatte, sich Voldemort anzuschließen.
 

„Bevor ich Ihnen das erzähle Lavinia, möchte ich, dass Sie wissen, dass meine Loyalität schon eine lange Zeit nicht mehr beim Dunklen Lord liegt, sondern bei Albus Dumbledore und dem Orden des Phönix. Trotzdem bewege ich mich weiterhin in den Kreisen der Todesser. Um ganz ehrlich zu sein, sieht mich der Dunkle Lord, als einen seiner treuesten Anhänger. Es kostete mich – in der Vergangenheit – sehr viel Geschick und geistige Kraft, den Lord, der ein Meister im Lesen von Gedanken seiner Umgebenen ist, in diesem Glauben zu lassen.

Aber ich weiß, dass das gerade nicht Ihre Frage war“, begann Severus sich zu erklären.
 

Nachdem er bemerkt hatte, dass Lavinia weitaus ruhiger auf seine Offenbarung reagiert hatte, war ihm klar geworden, dass diese junge Magierin ihn nicht sofort verurteilt hatte. Im Gegenteil: sie war offensichtlich daran interessiert seine damalige – im Nachhinein unüberlegte – Entscheidung, das Dunkle Mal anzunehmen zu verstehen. Severus war sich durchaus bewusst, dass er im Begriff war einer jungen Schülerin, die von vielen Dingen in der magischen Welt noch absolut keine Ahnung hatte, einen Teil seiner, in den Tiefen seiner Seele verborgen gehaltenen Erinnerungen und Empfindungen, darzulegen.
 

Aber ein genauso tief verborgener Teil seiner Seele, sehnte sich danach Jemanden gefunden zu haben, denn es wahrhaftig interessierte, was in seinem Innern vor sich ging und warum er verschiedene Dinge, in seiner Vergangenheit getan hatte und in seiner Gegenwart tat.

Severus sah, wie Lavinia sich nach seinen ersten Worten entspannte und geduldig darauf wartete, dass er weiter sprach. Als die temperamentvolle grünäugige Hexe nun seelenruhig ihre Teetasse leerte und ihn mit den Worten „Vergessen Sie Ihren Tee nicht, Professor! Es wäre schade, wenn er kalt wird“, dazu aufforderte ebenfalls einen Schluck, des nur noch lauwarmen Getränkes zu sich zu nehmen, konnte sich der Tränkemeister ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen.
 

Er erwischte sich sogar dabei, wie er ihren Worten Folge leistete und ebenfalls seine Tasse leerte. Dabei sah er, wie sich auch in Lavinias Gesicht ein Lächeln widerspiegelte.

„Während meiner Schulzeit hatte ich nur wenige Momente, in denen mir zum Lächeln zu Mute war und in einem unüberlegen Moment von Enttäuschung und Wut, habe ich damals Jemanden, der mir bis heute wirklich viel bedeutet, sehr verletzt. Ich wusste nach vielen vergeblichen Versuchen, diese Person um Verzeihung zu bitten, dass ich damit den einzigen Menschen, der es aufrichtig gut mit mir gemeint hatte, von mir gestoßen hatte. Danach habe ich mich immer mehr auf die dunkle Seite der Magie eingelassen. Damit experimentiert und auch durch meine Zugehörigkeit zum Hause Slytherin, habe ich dann irgendwann, den Weg zum Dunklen Lord gefunden“, begann Severus, Lavinia seine Vergangenheit zu erzählen.
 

„Was hat Sie damals so sehr aufgebracht? Wenn ich mich daran zurück erinnere, wie sehr ich meine Zeit im Waisenhaus gehasst habe, glaube ich, dass Sie es ebenfalls nicht sonderlich leicht mit Ihren Mitschülern hatten, nicht wahr Professor?“, erwiderte Lavinia verständnisvoll und blickte ihren Professor mit mitfühlendem Blick an.
 

„Um es auf den Punkt zu bringen, Lavinia: Meine ganze Schulzeit war von Demütigungen, Beleidigungen und Beschimpfungen einer gewissen Schülergruppe aus Gryffindor geprägt und wenn ich Ihnen mitteile, dass James Potter – Harry Potters angeberischer, übermütiger und vorlauter Vater – diese Gruppe anführte und immer wieder neue Ideen ausheckte, meine Tage in Hogwarts zu einer Qual zu machen, verstehen Sie auch sicherlich, weshalb ich dem jungen Mister Potter nicht allzu positiv entgegentreten kann“, bestätigte der Zaubertrankprofessor Lavinias Vermutung, mit bitterer Miene und hielt dem Blick der jungen Hexe stand.
 

Diese bemerkte erst jetzt, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte. Es machte sie wütend zu wissen, was dem Professor in seiner Schulzeit widerfahren war und sie konnte vollkommen nachvollziehen, was den jungen Snape dazu bewogen hatte, sich einer Gruppe wie den Todessern anzuschließen.
 

„Ich kann Sie sehr gut verstehen, Professor“

„In wiefern Lavinia?“ hakte er verblüfft nach.

„ Ich denke, dass die Entscheidung, sich dem Dunklen Lord anzuschließen daraus entstanden ist, dass Sie sich zu einer starken Gruppe zugehörig gefühlt haben. Dass Sie sich selbst stärker Gefühlt haben und somit versuchen wollten, ihren damaligen Mitschülern, alles heimzuzahlen. Sie hatten geglaubt in den Reihen Voldemorts, ihre Einsamkeit und Verletzbarkeit zu verlieren. Wissen Sie, ich glaube auch, dass wir in diesem Punkt viele ähnliche Erfahrungen sammeln konnten. Meine Zeit im Muggelwaisenhaus war, ebenfalls einsam. Nicht einmal die Lehrer und Betreuer in dem Heim, wollten mehr mit mir zu tun haben, als es unbedingt nötig war. Von Anfang an hatten sie wohl bemerkt, dass ich anders war und als ich das erste Mal, durch meine Wut, einer Mitschülerin die Haare, nur mit einem Blick anzündete, hatten sie endgültig Angst vor mir. Wenn sie von mir sprachen, war ich das Monster, der Freak…“, erzählte Lavinia nun von ihren unschönen Erfahrungen.
 

https://media1.faz.net/ppmedia/aktuell/2107206662/1.5266031/media_in_article_medium_original/nachdem-otto-schlien-axel.jpg (Waisenhaus Lavinia)
 

„…und in dieser Nacht…es war völlig eskaliert…ich hatte am Morgen einen Streit mit einer Lehrerin gehabt…und als ich bemerkte, dass meine Wut mich überrannte, bin ich aus dem Klassenzimmer gestürmt. Dabei muss ich in einer anderen Sprache etwas gesagt haben und auf dem Kopf meiner Lehrerin, schlängelten sich mehrere Schlangen. Beim Abendessen hatten sich viele der Schüler zusammengeschlossen. Sie hatten mich in die Enge getrieben, mich umzingelt, beschimpft und geschlagen…ich…verlor die Kontrolle…“, erzählte Lavinia weiter. Die Schwarzhaarige merkte kaum, wie sie begonnen hatte zu zittern, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten und sie die noch frischen Erinnerungen vor ihrem inneren Auge sah.
 

„…ich habe …viele von ihnen…“, setzte sie erneut an, doch ihre Stimme versagte.

„Haben Sie seid ihrem ersten Gespräch mit Dumbledore, noch einmal mit ihm geredet?“, ergriff Severus wieder das Wort und als Lavinia verneinte, war es Severus, der seinen Ärger kaum verbergen konnte.
 

//Ich muss wissen was Albus sich dabei denkt? Warum hat er sie nicht darüber aufgeklärt, dass viele von ihren Mitschülern überlebt haben? Warum lässt er sie in dem glauben, unzählige Leben auf dem Gewissen zu haben//, schossen die Gedanken durch Severus Kopf und er nahm sich vor, noch an diesem Abend, den Schulleiter zur Rede zu stellen. Jetzt war es jedoch wichtiger, dass Lavinia sich beruhigte.
 

„Miss Reed hören Sie mir zu?“, Lavinia nickte.

„So wie Sie mir eben mitteilen konnten, dass Sie mich verstehen würden, so kann ich Ihnen versichern, dass ich auch Ihre Situation verstehen kann. Als ich Sie hierher gebracht habe, konnte ich durchaus erkennen, dass die Situation Sie vollkommen überfordert hatte. Sie hatten Angst, Angst vor sich selbst. Vor ihren Fähigkeiten und vor dem was nun mit Ihnen geschehen würde und obwohl ich ebenso verstehe, dass es Ihnen schwer fällt Professor Dumbledore Vertrauen zu schenken, bitte ich Sie dies trotzdem zu tun. Hier in Hogwarts wird Ihnen so etwas nicht noch einmal passieren und Sie sind hier in Sicherheit“, redete der Tränkemeister ruhig auf Lavinia ein.
 

Diese merkte erst jetzt, dass ihr Hauslehrer aufgestanden war uns sich neben sie auf das Sofa gesetzt hatte. Sie nahm auch in diesem Moment erst seinen eindringlichen Blick war und fing diesen nun mit ihren smaragdgrünen Augen ein.

„Ich weiß, dass Professor Dumbledore nicht mein Feind ist…zumindest gehe ich zu diesem Zeitpunkt davon aus, aber…wirkliches Vertrauen kann ich ihm einfach nicht entgegenbringen. Ich weiß…ich fühle, dass er mir vieles verschwiegen hat. Aber da ich Ihnen vertraue, werde ich versuchen auch dem Schulleiter Vertrauen entgegenzubringen“, antwortete Lavinia leise, hielt für wenige Sekunden inne und begann zu lächeln.
 

„Was ist, Miss Reed? Wieso lächeln Sie jetzt auf einmal?“, entkam es dem Professor verwundert.

„Ach,…mir ist nur gerade aufgefallen, dass ich mich noch kein einziges Mal bedankt habe“, erwiderte Lavinia weiterhin lächelnd.

„Bedankt?“

„Ja! Danke, Professor Snape, dass Sie mich nach Hogwarts gebracht haben und mir es ermöglicht haben, ein so wunderbares zu Hause zu finden“, fügte Lavinia ihrer Antwort hinzu und nun erreichte das Lächeln auch ihre Augen.
 

//Diese Hexe! In dem einen Moment ist sie völlig niedergeschlagen, verzweifelt und in der nächsten Sekunde lächelt sie und vergisst ihre vorherige Stimmung vollkommen//, dachte Severus verwirrt. Erst jetzt bemerkte der erfahrene Zauberer, dass die Zeit förmlich davongelaufen war. Die Schüler müssten nun nach und nach aus Hogsmeade zurückkehren und somit würde es bald Abendessen geben, bei dem seine und auch die Abwesenheit von Miss Reed auffallen würden.
 

Der Professor wusste, dass es noch unzählige Dinge zu klären gab. Er wusste, dass Lavinia noch viele Fragen an ihn hatte, aber diese mussten nun auf die nächste Gelegenheit warten. Vielleicht war dies auch besser so, denn so konnten beide die Erzählungen des Anderen verarbeiten und verstehen.
 

„Lavinia? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß, dass Sie noch vieles wissen wollen, aber die Zeit ist schon weit voran geschritten und es wäre unklug nicht zum Abendessen zu erscheinen“, brach er das kurze Schweigen und riss Lavinia aus ihren Gedanken.

„Sie haben Recht Professor Snape. Erlauben Sie mir noch eine Frage?“, entgegnete Lavinia bittend.

„Noch eine!“

„Warum haben Sie Ihre Loyalität gegenüber dem Dunklen Lord verloren?“
 

„Diese Frage, kann ich Ihnen nicht beantworten Miss Reed. Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass die Gründe für meine Entscheidung, mit schwerwiegenden Geschehnissen in der Vergangenheit zu tun haben. Mit Fehlern, die ich gemacht habe und die unmittelbare Konsequenzen mit sich gezogen haben. Konsequenzen die mich dazu bewogen haben meinen Standpunkt zu überdenken, um diese Fehler wieder gut zu machen“ erklärte Severus ehrlich und hoffte, dass Lavinia damit zufrieden sein würde.
 

„Ich verstehe. Dann werde ich jetzt wohl besser gehen, Professor Snape. Ich danke Ihnen, dass Sie mir so vieles anvertraut haben und ich danke Ihnen, dass Sie auch mein Vertrauen ihnen gegenüber, annehmen können“, erwiderte Lavinia prompt. Severus nickte zustimmend und war froh darüber, dass seine Schülerin ihn nicht weiter drängte konkreter zu antworten und folgte Ihr nun höflicherweise zur Tür.
 

„Auf Wiedersehen, Professor Snape…“

„Auf Wiedersehen, Lavinia. Ich muss Ihnen sicherlich nicht sagen, dass alles was Sie heute von mir erfahren haben und alles was ich Ihnen gegebenenfalls noch erzählen werde, unter uns bleiben muss“, teilte Severus, Lavinia noch mit, als diese im Begriff war zu gehen.

„Selbstverständlich, Professor“, bestätigte Lavinia seine Ansicht und verließ lächelnd die Privaträume.

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