Der Schwarze Schatten von Cognac ================================================================================ Kapitel 34: Bittere Wahrheit ---------------------------- Kapitel 34: Bittere Wahrheit Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 34: Bittere Wahrheit Ihre Hände zitterten, als sie ihren Kaffee umklammerte. Sie war spürbar aufgeregt, sah sich immer wieder um und konnte nicht aufhören, mit ihren Beinen unter dem Tisch, auf und ab zu wippen. Zum zehnten Mal, innerhalb von zwei Minuten, schaute sie auf ihre Armbanduhr. Wo bleibt er denn nur, fragte sich das Fräulein Mori, während sie am vereinbarten Treffpunkt auf Shinichi wartete. Dieser Kerl wird es doch nicht wagen sie schon wieder zu versetzen, wie damals im Panoramarestaurant, nachdem er, wie immer, versprochen hatte zurückzukommen. Ihr Griff um die Tasse verstärkte sich. Sie hatte es satt. Immer dieses plötzliche Auftauchen und dann wieder verschwinden und das meistens ohne ein einziges Wort von ihm. Ihr reichte es, sie wollte endlich von Shinichi erfahren, warum er immer weg war, wieso er nicht mehr zur Schule kam und was das immer für Fälle waren, denen er hinterherrannte und die alles andere in seinem Leben, auch sie, in den Hintergrund rückten. Sie wollte oft nicht auf die vielen radikalen Ratschläge ihrer Freundin Sonoko hören, doch hatte auch sie es leid ständig enttäuscht und auf das nächste Mal vertröstet zu werden. Vielleicht würde ein klares Statement von ihr, ihn dazu bewegen bei ihr zu bleiben. So konnte es jedenfalls für sie nicht weitergehen. Diese ganze Situation drohte sie am Ende noch emotional vollständig zu verzehren und soweit wollte sie es nicht kommen lassen. Ran blickte nachdenklich hinaus auf die Straße und verfolgte die vorbeilaufenden Passanten. Der Nachmittag war inzwischen schon recht weit fortgeschritten und die ersten Leute machten sich von der Arbeit auf den Weg nach Hause. Einige erledigten auch noch Besorgungen nach ihrem Feierabend. Den ganzen Tag über, war es recht heiß gewesen, doch vor ungefähr einer Stunde begann etwas Wind aufzukommen und erste Wolken bedeckten den Himmel. Noch warf zwar die warme Sonne ihre Strahlen zwischen dem immer enger werdenden Wolkenband hindurch zur Erde, doch würde man sicherlich demnächst mit einem Schauer rechnen müssen. Sie verlor sich allmählig in ihren Gedanken, als sie die Welt außerhalb des Ladens betrachtete. Als eine Gestalt vor dem Fenster des Cafés stehen blieb, sah sie auf und schaute in das Gesicht von Shinichi, welcher die Hand zum Gruß hob. Mit einer strengen Miene zeigte Ran wortlos auf ihre Uhr am Handgelenk. Der junge Detektiv legte seine Hände zu einer entschuldigenden Geste zusammen, bevor er sich zur Eingangstür begab. Es dauerte darauffolgend auch nicht lange, bis er an ihrem Tisch war und gegenüber von ihr platznahm. Er war also tatsächlich wieder da, dachte sich Ran, als er ihr in die Augen sah. Ganz plötzlich war er wieder zum Greifen nah, doch für wie lange. „Hey, danke das du gewartet hast. Kaum ist man eine Zeit lang nicht mehr zuhause, findet man sich nirgendwo mehr zurecht.“, lachte er gespielt. „Wenn du damit eine sehr sehr sehr lange Zeit meinst, dann kann ich dir zustimmen, ja.“, äußerte sich das Fräulein Mori ernst. Shinichi bemerkte schnell, dass seine Sandkastenfreundin nicht für solche Späße aufgelegt war und beschloss auf solche, für die restliche Zeit des Treffens, lieber zu verzichten. Es gab sowieso wichtigere Themen die er ansprechen wollte und die der eigentliche Grund für dieses Treffen waren. „Also Ran, weswegen ich mit dir sprechen wollte…“, begann er, wurde aber sogleich von ihr unterbrochen. „Hallo Ran, wie geht es dir Ran, wie ist das werte Befinden, was treibt das Leben so, wie kommt es das Shinichi eigentlich nie da ist?“, brach es urplötzlich aus Ran heraus. „So beginnt man ein Gespräch und arbeitet sich dann langsam vor.“ Ihre Traurigkeit von vorhin, hat sich mit dem Auftauchen von Shinichi und den Worten Sonokos in ihrem Kopf, schnell in Frust umgewandelt, welcher nun unbedingt herauswollte. Da tauchte er auf einmal wieder auf und erkundigte sich nicht einmal danach, wie es ihr ging. Nicht einmal mit einer freundlichen Begrüßung durfte sie rechnen. Es schien ihr, als wäre es für Shinichi so, als hätte er bereits heute früh schon mit ihr geredet und sie gesehen. Auch er merkte, wie wütend Ran auf ihn zu sein schien, hatte sie aber auch allen Grund dazu. „Ran, ich weiß du bist sauer und ich verstehe das vollkommen. Ich war lange Zeit wieder weg gewesen und habe mich auch sonst in den letzten Wochen kaum gemeldet oder in der Zeit davor. Ich weiß ich bin immer einfach so verschwunden, aber das nicht ohne Grund. Ich wollte mich heute mit dir treffen, um alles zu erklären.“ Mit solch einer Antwort hatte Ran nun wirklich nicht gerechnet, eher damit, dass er mal wieder versucht, sich aus allem herauszureden. Erst hatte sich noch eingeschnappt aus dem Fenster gesehen, doch nun sah sie Shinichi neugierig an und nahm eine etwas angenehmere Sitzhaltung ein. „Wirklich?“, sie klang noch ziemlich skeptisch, doch Shinichi nickte zur Bestätigung. Innerlich schmerzte es ihm sehr, dass er gleich eine Lüge einfach durch eine andere Lüge versuchen würde zu ersetzen. Sie wäre zwar deutlich näher an der Wahrheit dran als alles was er ihr bisher aufgetischt hatte, aber es war immer noch eine Lüge, doch was sollte er tun. Alle die von seinem Geheimnis wussten und vor allem Ai haben etliche Male betont, dass er sie auf keinen Fall in diese Sache mit hineinziehen darf, zu ihrer eigenen Sicherheit. Gerade die neue Bedrohung durch Cognac war ein ganz neues Level und er könnte sich nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn durch sein Verschulden Ran etwas zustoßen würde. Er würde so gern sich alles von der Seele reden und sagen, wer er wirklich ist, bzw. war, aber es ging einfach nicht, noch nicht. Vielleicht könnte er ihr bald die ganze Wahrheit beichten, doch erst, wenn die Organisation und der Schwarze Schatten besiegt waren. „Du erinnerst dich doch sicherlich noch an unseren gemeinsamen Tag im Tropical Land oder?“, fing Shinichi vorsichtig an. Ran rümpfte ihre Nase. „Natürlich, wie könnte ich das vergessen. Es war der Tag an dem du zum ersten Mal verschwunden bist und ich frage mich bis heute, was damals dort passiert ist.“, antwortete die Braunhaarige betrübt. Eine Kellnerin kam zu ihrem Tisch und fragte Shinichi freundlich, was er gerne hätte, welcher sich daraufhin einen Kaffee bestellte. Als die Bedienung wieder verschwunden war tippte er etwas unruhig mit den Handflächen auf die Tischoberfläche, sein Blick dabei auf seinen Schoß gerichtet. Er überlegte angespannt, wie er fortfahren sollte. „Ich bin an jenem Tag in etwas hineingeraten, dessen Ausmaß ich mir damals nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte. Das Ergebnis meiner detektivischen Neugier sozusagen.“, sprach er leise. Ran lehnte sich etwas mehr nach vorne um ihn besser verstehen zu können. Sie zwang ihn damit schlussendlich auch sie anzuschauen. Seine blauen Augen wirkten bekümmert und dennoch machte es für sie nicht den Anschein, als würde er das Damalige bedauern. „Was ist denn damals in dem Freizeitpark passiert?“, fragte Ran, in einem sanften und beruhigenden Tonfall. „Ich habe ein paar finstere Typen bei ihren kriminellen Machenschaften beobachtet, bei denen sich später herausstellte, dass sie zu einer bekannten internationalen Verbrecherbande gehörten.“ Shinichi war zwar immer ein schlechter Lügner, in allen erdenkbaren Situationen gewesen, doch dieses Mal hatte er sich darauf vorbereitet. Außerdem versuchte er so oft es ihm möglich war, an der eigentlichen Wahrheit anzuknüpfen, durfte er jedoch die Schwarze Organisation nicht direkt erwähnen. Er wartete eine mögliche Reaktion seines Gegenübers ab, doch Ran signalisierte ihm fortzufahren. Shinichi verstand und machte weiter. Die Braunhaarige hörte ihm dabei aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen. „Ich war unvorsichtig gewesen und zog die Aufmerksamkeit dieser Typen auf mich. Ich konnte zwar entkommen, aber wussten sie nun, dass ich alles mit angesehen habe. Ich war damals jedoch nicht der Einzige gewesen, welcher Interesse an diesem geheimen Treffen hatte. Schnell machte ich Bekanntschaft mit Agenten des FBI, welche diese Bande schon seit längerer Zeit überwacht haben. Sie machten mir unmissverständlich klar, dass die Typen zu einer sehr mächtigen Vereinigung gehören und mich nun suchen würden, um mich zum Schweigen zu bringen. Auch jede Person in meinem Umfeld wäre in Gefahr gewesen. Das FBI wusste wer ich war, allein durch den aufgeklärten Mordfall in der Achterbahn und boten mir daher an, ihnen dabei zu helfen, diese Verbrecherbande dingfest zu machen.“, erklärte der Schwarzhaarige. Die Kellnerin kam mit dem gewünschten Kaffee zurück und stellte ihn vor Shinichi auf den Tisch. Dieser bedankte sich höflich und begann damit, einen Zuckerwürfel nach dem anderen in sein Getränk zu tun, während er weitersprach. „Du weißt doch wie ich bin Ran.“, er sah sie verständnissuchend an. Sie nickte zögerlich. „Ich erklärte mich also dazu bereit, meine Hilfe anzubieten. Es gab allerdings bestimmte Bedingungen. Zum Beispiel durfte niemand aus meinem Bekanntenkreis davon erfahren. Ich zog mich also zurück und begann mit meinen Untersuchungen und dem Lösen mehrerer Fälle, welche mit dieser Bande zu tun hatten. Zusammen mit dem FBI gelang es mir dann auch die Kerle, vor ungefähr einem Monat, hinter Gitter zu bringen. Als die Sache dann zu Ende war, boten sie mir jedoch überraschender Weise an, weiter für sie zu arbeiten. Sie wollten, dass ich für das Federal Bureau of Investigation tätig werde. Was sollte ich da sagen? Das war Verbrechensbekämpfung auf höchstem Niveau, also habe ich zugestimmt und bearbeite nun weitere Fälle im Namen des FBI. Jedoch wurde ich weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet und konnte dadurch bisher nie richtig ehrlich zu dir sein.“ Shinichi rührte seinen Kaffee um und nahm einen ordentlichen Schluck des braunen koffeinhaltigen Getränks. Ran spielte nachdenklich an dem Henkel ihrer leeren Tasse herum. Sie versuchte das eben gesagte irgendwie einzuordnen. „Du hattest dich also dafür entschieden für sie weiterhin zu arbeiten, statt wieder zurück nach Hause zu kommen?“ Ran klang zutiefst unglücklich. Sie wich dem direkten Blick von Shinichi aus. Der junge Detektiv seufzte bedrückt. Er wollte es nicht, aber er musste noch weitergehen, schließlich fehlte eine wichtige Sache noch. Die einzige Sache, bei der er wirklich ehrlich sein wollte. „Ran bitte glaube mir, ich wollte zurückkommen. Verdammt nochmal ich dachte anfangs an nichts anderes, als endlich damit abzuschließen um wieder in mein altes Leben und vor allem zu dir zurückzukehren, doch dann…“ Er stoppte schlagartig, da ihm die Stimme versagte. Die plötzliche Pause von Shinichi sorgte dafür, dass Ran ihn wieder in die Augen sah. „Doch dann…?“, wollte sie wissen. „Was ist dann passiert?“ Sie nahm seine Hand, was ihm jedoch unangenehm war, angesichts dem was folgen sollte. „Shinichi bitte nenne mir den Grund dafür, wieso du mich allein gelassen hast, wieso ich auf dich warten musste, wieso ich mich so oft abends in den Schlaf geweint habe, weil ich nicht wusste wie es dir geht und was mit dir war. Verrate es mir und ich werde darüber hinwegsehen, bitte Shinichi.“ In ihren Augen sammelten sich die ersten Tränen. Shinichi hatte den Mund leicht geöffnet und atmete nur noch sehr flach. Er hatte den Kopf gesenkt, sodass seine Haare die Augen verdeckten. Er sah auf seine Hand, auf dessen wiederum Rans ruhte. Mit einer einzelnen Träne, welche seitlich seine Wange hinunterkullerte zog eine seine Hand langsam zurück. Ran war irritiert und ihre Hand folgte seiner Bewegung noch so lange, bis sie ihren Arm nicht weiter ausstrecken konnte und sie sich unweigerlich voneinander trennten. „Entschuldige Ran, aber ich kann das nicht.“, seine Stimme schwankte und er legte nun die Hände in den Schoß, sodass Ran keine Möglichkeit hatte sie erneut zu ergreifen. „Shinichi?“, auch Ran liefen nun die Tränen über die Wange. „Ich kann das nicht, denn der Grund warum ich nicht zurück konnte war, dass ich in meinem neuen Leben jemanden getroffen habe, der mich vollkommen verändert hat und den ich einfach nicht verlassen kann. Ich bereue meine Entscheidung diese Kerle damals beobachtet zu haben nicht, denn ohne diese Wahl, welche ich dadurch für mich getroffen habe, hätte ich sie niemals kennengelernt.“ Ran wich zurück und drückte ihre Hand auf den Mund, um ein mögliches Schluchzen zu unterbinden. Er hatte es noch nicht ausgesprochen, doch sie wusste was kommen würde. Shinichi wischte das Tränenrinnsal aus seinem Gesicht. „Ich habe sie bei meinen Ermittlungen kennengelernt, sie war bzw. ist meine Partnerin im Dienst. Zuerst war da nichts zwischen uns, nur eine einfache Freundschaft, die uns verband, während wir gemeinsam diese Kerle verfolgt haben, doch mit der Zeit, fing ich an zu begreifen, dass sie mir mehr bedeutete. Eine lange Zeit über wollte ich es zuerst nicht glauben, es einfach nicht wahrhaben, jedoch entwickelte sich etwas zwischen uns und meine Gefühle wurden dahingehend immer klarer und ich konnte es nicht länger ignorieren. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, welches sie in mir auslöste. Vor ungefähr einem Monat, habe ich ihr schließlich meine Liebe gestanden und sie machte mir klar, dass sie auch dasselbe für mich empfand. So kamen wir letztendlich zusammen.“ Shinichi hatte noch nicht ganz zu Ende geredet, da konnte Ran es nicht mehr zurückhalten und begann bitterlich zu weinen. Für Shinichi fühlte es sich so an, als würde sein Herz in tausend Scherben zerspringen. Er hatte Rans Gefühle genommen und mit einem Hammer draufgeschlagen. Die ersten Gäste begannen zu ihnen hinüber zu schauen. Der Schwarzhaarige versuchte seine Sandkastenfreundin zu beruhigen, doch sie machte ihm deutlich sie nicht anzufassen. Was sollte er nur tun? Für ihn war das alles doch auch nicht leicht. „Ich habe auf dich gewartet Shinichi. Du hattest mich darum gebeten auf dich zu warten. Du hattest mir versprochen wieder zu kommen und nun erzählst du mir, dass du dich, während deiner Abwesenheit, in eine andere verliebt hast.“ Ran fuhr ihn lautstark an, denn sie war verwirrt, verletzt und auch wütend. Wieso war das Schicksal nur so ungerecht zu ihr. Wieso nahm es ihr ihren Shinichi weg und wieso ließ er es einfach zu. Sie konnte den Andrang ihrer salzigen Tränen nicht standhalten. „Ran, bitte hör mir zu. Ich weiß es ist hart und grausam, mir ergeht es nicht anders, wenn ich dich so sehe, das musst du mir glauben. Es ist alles andere als leicht für mich gewesen es dir zu erzählen, doch ich musste es, weil du die einfach Wahrheit verdient hast. Das erste was ich wollte, als ich mir meiner Gefühle bewusst wurde war, dir alles zu erzählen, denn du solltest nicht noch länger auf einen Idioten warten, der dich nicht verdient hat und eine andere liebt. Auch du hast ein Recht darauf glücklich zu werden und das schaffst du am besten ohne mich.“ Er sah sie noch eine Weile an, während sie ihre Trauer und ihre Verletzlichkeit hinausließ. Sie sah ihn nicht an und sprach auch kein Wort. Shinichi ließ bedrückt den Kopf hängen. Ihm war klar, wie sie sich fühlen musste und dass er eine andere Reaktion auch nicht verdient hätte. Er kramte in seiner Tasche und zog etwas Geld für seinen Kaffee heraus. Er legte es vor sich auf den Tisch und wollte sich erheben, als Ran tränengetränkt sagte: „Nein, bitte… bitte geh nicht.“ Shinichi zögerte. Er war der Meinung gewesen, sie würde ihn nicht länger sehen wollen. „Bist du dir sicher?“, fragte er vorsichtig nach, doch Ran nickte nur schluchzend und so nahm er anschließend wieder Platz. Ran versuchte sich zu beruhigen, was ihr nach kurzer Zeit auch halbwegs gelang. Mit roten und verquollenen Augen, sah sie ihr Gegenüber an, welcher nur schwer ihren Blick erwidern konnte, geplagt von Schuldgefühlen. „Wie… wie ist ihr Name?“, fragte Ran kaum hörbar. Wieder zögerte er kurz. „Ihr… ihr Name ist Shiho Miyano.“ „Ist sie hübsch?“ Shinichi wurde bei dieser Frage rot. Er fühlte sich nicht wohl über so etwas mit ihr zu sprechen. „Ran, ich glaube nicht das…“ „Ist sie hübsch?“, wiederholte sie ihre Frage, nun aber mit etwas mehr Nachdruck. Shinichi nickte. „Ja, für mich ist sie die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“ Wieder musste Ran schluchzen. Für sie brach in den letzten Minuten eine Welt zusammen, an dessen Existenz sie so lange geglaubt hat, sich daran geklammert hat und die sie niemals aufgeben wollte und dass, obwohl alles auf dieser Welt dagegen gesprochen hat und nun musste sie es sich selbst eingestehen. Shinichi, der Mensch den sie liebte oder zumindest immer glaubte zu lieben, empfand nicht das geringste für sie, jedenfalls nicht mehr als eine normale Freundschaft. Er liebte eine andere Frau, diese Shiho Miyano. Sie weiß sie müsste sauer auf ihn sein, war sie auch. Sie weiß sie müsste ihn anschreien dafür, dass er hier einfach so auftauchte und ihr das Herz aus der Brust riss, doch was waren seine Alternativen. Ran wusste selbst nur zu gut, wie es sich anfühlte jemanden zu lieben und das dieses Gefühl stärker war als man selbst und man nichts dagegen tun konnte. Wieso sollte sie ihn hassen und verfluchen dafür, dass er Gefühle für jemanden hatte. Man kann es sich nicht aussuchen, wo die Liebe hinfällt. Es war Fluch und Segen zugleich. Obwohl sie totunglücklich war, herrschte in ihr auch ein Gefühl der Erleichterung. Sie konnte es selbst nicht so recht beschreiben, aber es fühlte sich an, als ob eine schwere Last von ihren Schultern genommen wurde. Das was sie am meisten gequält hatte, war die Ungewissheit. Nicht zu wissen, ob er etwas für sie fühlte oder nicht, ob sie ihn aufgeben sollte oder nicht. Nicht zu wissen, was er wirklich die ganze Zeit über trieb und wo er sich immer aufhielt. Jetzt hatte sie Gewissheit darüber und obwohl es fürchterlich schmerzte in ihrem Herzen, so war sie sich trotzdem sicher, dass diese Schmerzen vergehen würden. Sie war schließlich nicht völlig allein. Vor drei Wochen noch, hätte sie in dieser Situation keinen Funken Hoffnung mehr in sich gehabt, doch seitdem hatte sich auch bei ihr etwas verändert, genau wie bei Shinichi. „Ich danke dir Shinichi.“, brach sie schließlich ihr Schweigen. „WAS?“, kam es von dem Oberschülerdetektiv, welcher bei diesen Worten, seinen Ohren nicht trauen wollte. Hatte er sich gerade verhört? Ran zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Doch doch wirklich. Ich danke dir, dass du den Mut aufgebracht hast und so ungemein ehrlich zu mir warst. Es muss auch für dich nicht leicht gewesen sein, aber dennoch hast du den Weg hierher auf dich genommen. Du wolltest es mir persönlich sagen und das ab dem Augenblick als du Gewissheit darüber hattest, was du wirklich fühlst. Ich kann auch verstehen, wieso du einfach so verschwunden bist. Du wolltest weder mich, noch Paps oder sonst wen aus deiner Umgebung irgendeiner Gefahr aussetzen. Das rechne ich dir hoch an Shinichi.“ Auch wenn der Schwarzhaarige wusste, dass nur die Gefühle für Shiho in seiner Geschichte vollends der Wahrheit entsprachen, so war er dennoch froh, dass Ran begann Verständnis zu zeigen, auch wenn er sich die Gründe dahinter nicht so recht erklären konnte. „Du bist mir nicht böse?“, fragte er vorsichtig nach. „Oh doch und wie.“ Ran musste immer noch leicht schniefen, während sie sprach. „Du bist zwar damals gegangen um mich zu schützen, doch letztendlich hast du meine Gefühle verletzt Shinichi, aber ich kann zumindest nachvollziehen warum. Du hast dich einfach in eine andere Frau verliebt, die nicht ich bin.“ Shinichi spürte wie sie mit sich rang. Der innere Konflikt, ihre Emotionen welche wie wild durch ihren Körper rasten, angetrieben durch ihre tiefe Trauer. Ach Ran, es tut mir alles so wahnsinnig leid, dachte sich der Oberschüler. „Hör mir zu, du bist meine beste Freundin, schon immer gewesen. Genau deswegen hast du es verdient glücklich zu sein. Du warst meine erste Freundin, immer für mich da und sogar die erste Person für die ich, zum ersten Mal in meinem Leben, mehr empfand. Das solltest du wissen und niemals vergessen.“ Ran wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht. „Ja das geht mir genauso.“, stimmte sie ihm, nun wieder mit mehr Kraft in der Stimme, zu. „Du warst meine erste große Liebe Shinichi und du wirst es auch immer bleiben.“ Der junge Detektiv lächelte. „Und du meine.“ Irgendwie empfand Ran neben ihrer Traurigkeit auch einen Anflug von Glück, denn so viele Fragen, welche sie nicht friedlich schlafen ließen, wurden nun für sie geklärt. Außerdem wusste sie jetzt, dass sie ihn immer noch als besten Freund haben würde und auch das war viel wert. „Bist du eigentlich nur deswegen nach Tokyo gekommen? Um mir das zu sagen?“ Shinichi schüttelte ernst mit dem Kopf. „Nein das ist nicht der einzige Grund dafür. Es steht hier ein weiterer Fall mit dem FBI an, aber mehr darf ich dir leider nicht sagen, es ist einfach zu gefährlich. Ich habe dir eigentlich jetzt schon viel zu viel erzählt.“ Ran machte ein besorgtes Gesicht. „Du wirst doch vorsichtig sein, oder Shinichi?“ „Selbstverständlich werde ich das.“ Er bemerkte das Ran etwas verlegen dreinschaute. „Wird… wird sie auch dabei sein?“ Shinichi wusste sofort, wen sie mit >sie< meinte. „Ja, sie ist schließlich meine Partnerin.“, entgegnete er. Ran lächelte leicht. „Seid ihr ein gutes Team?“ „Das Beste.“, kam die schnelle Antwort. „Dann passt auch weiterhin gut auf euch auf, hast du gehört?“ „Ganz bestimmt.“ Sie standen auf und umarmten sich. Shinichi spürte eine ungemeine Erleichterung, während Ran ihn einfach nur fest an sich drückte, froh darüber, dass es ihm zumindest gut ging und er glücklich war. „Ich werde versuchen, mich in ein paar Tagen wieder bei dir zu melden, hoffentlich persönlich und mit guten Neuigkeiten.“, sprach Shinichi, als sie sich wieder voneinander lösten. „Was denn für Neuigkeiten?“, wollte Ran wissen, aber der junge Detektiv wollte nichts verraten. „Das wirst du dann schon sehen und ich hoffe du kannst mir bis dahin verzeihen, was ich dir alles zugemutet habe.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wir finden noch heraus ob ich das kann, aber ich werde es zumindest versuchen.“, erwiderte sie, trat an ihn heran und küsste ihn vorsichtig auf die Wange. Es war eine Aktion, welche sie einfach nicht unterbinden konnte. Wenigstens einmal und auch wenn nicht auf den Mund, wollte sie ihn küssen, ihre erste Liebe. Es war etwas, was sie sich immer gewünscht hatte, wenn auch unter anderen Umständen. Shinichi unternahm nichts dagegen, war es schließlich ein freundschaftlicher Kuss und er war der Meinung, sie hatte ihn auch verdient. Er wurde sogar leicht rot. Ran lächelte als sie das sah. „Mach’s gut Shinichi. Ich hoffe ich höre bald von dir.“ „Versprochen.“, versicherte er ihr. „Und stelle mich bald einmal deiner Freundin vor. Ich würde sie gerne kennenlernen.“ Shinichi war erst kurz verwundert, aber lächelte dann ebenfalls. „Das ist eine tolle Idee. Ihr zwei würdet euch sicherlich wunderbar verstehen.“ „Also dann, bis bald.“, das Fräulein Mori winkte noch zum Abschied und verließ daraufhin das Café. Shinichi sah ihr noch nach und winkte ihr durch die Fensterscheibe das Ladens zu, als sie draußen daran vorbeilief und zwischen den vielen Menschen verschwand. Später schlenderte er noch etwas durch die Straßen und ließ die Ereignisse des Tages nochmal Revue passieren. Der Himmel hatte sich, wie bereits vermutet, nun gänzlich zugezogen und auch einzelne Tropfen fielen bereits zu Boden, was Shinichi jedoch gleichgültig war. Er und Ran haben heute eine große Hürde überwunden und es anscheinend heil überstanden. Ihm war klar gewesen, dass es nicht leicht werden würde, aber war er der Meinung sie habe es deutlich besser aufgenommen als erwartet. Er hatte sich eigentlich schon darauf eingestellt, dass sie eine sehr lange Zeit nicht mehr mit ihm reden würde, vielleicht sogar nie mehr. Seine Sandkastenfreundin war einfach die verständnisvollste Person auf dieser Welt und er hoffte, obwohl sie sicherlich immer noch viel verdauen musste, dass sie nun nach vorne sehen könnte, so wie er. Es war schließlich alles nur zu ihrem besten. Das murmelte er immer wieder vor sich hin und hoffte inständig, dass dies auch wirklich so sein möge. Er bog in eine Straße am Beika-Park ab, indem auch der Comicladen war, wo er, Ai und die Detective Boys hin und wieder vorbeischauten. Als er die Straße weiter entlang ging, passierte er auch ein Geschäft was ihn kurz innehalten ließ. Shinichi setzte vier Schritte zurück und fand sich vor dem Schaufenster des ihm bereits bekannten Juweliers wieder. „Sie ist noch da.“, waren seine Worte, als er auf die weißgoldene Kette im Aushang starrte. Seine seltsamen Träume haben nach der Begegnung mit Cognac in seinem Anwesen einfach aufgehört und er hatte sie schon fast vollständig vergessen. Ein Ereignis, dieser Visionen aus seinen unruhigen Nächten, ist bisher eingetroffen, zum Glück in einer etwas abgewandelten Form, dank Wermut. Der zweite Traum ist jedoch bisher noch nicht eingetreten, würde es aber sicherlich bald, seine Verabredung mit Shiho. Er hatte ihr die Kette als Präsent zu ihrem Jubiläum geschenkt, ein Präsent, was ihm aktuell noch fehlte. Shinichi zögerte kurz und sah weiterhin nur auf die Kette, doch dann fasste er sich doch ein Herz und ging zur Ladentür. Er drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Die Glocke über der Ladentür klingelte, als er den Juwelier betrat. Auch Ran war noch unterwegs, aber auf dem Weg nach Hause. Inzwischen regnete es in Strömen und das Fräulein Mori hatte keinen Regenschirm dabei, wodurch sie klitschnass wurde. Es war jedoch nicht kalt und sie ließ das Wasser ungehindert an ihr herunterlaufen. Dieser strömende Regen erinnerte sie daran, wie Shinichi einst für sie seinen Schirm hergab und selbst eine Erkältung in Kauf genommen hatte, nur damit sie nicht nass werden würde. Das Wetter spiegelte nun gut wieder, wie sie sich momentan fühlte, allein. Niemand sonst war mehr auf der Straße und es war nichts anderes zu hören, als das Rauschen des Regens. Auch wenn sie sich vorhin vor Shinichi tapfer geschlagen hat und sie sich wirklich am Ende ihres Gespräches besser gefühlt hatte, so kam nun die Trauer und die Einsamkeit langsam wieder hervorgekrochen. Sonoko hatte ihr bereits drei Nachrichten geschickt, in der sie wissen wollte, wie das Treffen zwischen ihr und Shinichi gelaufen ist. Ran hat aber bisher alle Versuche ihrer Freundin, etwas in Erfahrung zu bringen, ignoriert. Sie wollte keine trostspendenden Worte und mitleidvolle Blicke. Sie fühlte sich einfach nur außenvorgelassen und war immer noch traurig. Sie hatte Shinichi nicht einmal danach gefragt, ob er bleiben oder nach Ende des Falles wieder gehen würde. Ihre aufkommenden Tränen vermischten sich mit den Regentropfen auf ihrem Gesicht. Sie wusste ehrlich gesagt nicht, was sie fühlen sollte. Sie konnte es nicht ändern, dass sie immer noch etwas für ihn empfand und dass es eine gewisse Zeit dauern würde, bis sie darüber hinweg wäre, aber wie hieß es so schön, die Zeit heilt alle Wunden. Bis es aber soweit wäre, wollte sie mit jemanden reden, doch nicht mit einen ihrer Freundinnen. Es gab eine Person, der sie sich mit großer Gewissheit, mit ihrem andauernden Kummer, anvertrauen konnte, schließlich hat auch sie ihm tage -und wochenlang beigestanden. Wie ein einziger schicksalhafter Augenblick doch zwei Menschen näherbringen kann, dachte sich Ran, als sie die Detektei erreichte. Sie ging aber nicht nach oben, sondern ging einige Schritte weiter zum Café Poirot und schaute, mit den Händen zu einem Visier geformt, durch die Glasscheiben. Er war da, ein Glück, stellte die Braunhaarige erleichtert fest. Er scheint heute Spätschicht zu haben. Es war schön zu sehen, dass es ihm schon wieder so gut ging. Er redete andauernd davon, dass er das nur ihr zu verdanken hatte. Ein Kompliment, welches jedes Mal, wenn Ran es vernahm, ihre Wangen warm werden ließ. Als er sie endlich vor dem Fenster bemerkte, lächelte er und deutete an, dass sie doch hereinkommen soll, raus aus dem Regen, welcher ihre Betrübtheit nährte. Frohen Mutes folgte Ran der Einladung und ging zur Tür hinüber. Vielleicht war ihr gemeinsames Erlebnis an jenem Abend kein Zufall gewesen, sondern, wie Shinichi es ihr heute klar gemacht hat, der Beginn von etwas Neuem, mit dem Blick nach vorn. „Ja, ich vergebe dir, Shinichi.“, flüsterte sie mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie das Poirot betrat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)