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Ein Austausch mit Folgen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Bei diesem Kapitel handelt es sich um einen Rückblick aus Kaibas Perspektive, der sich Gedanken über seine eigenen Worte macht, und darüber, wann ihm seine eigene Schöpfung ein Stück weit entglitten ist.

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Ein Rivale im Rückblick

Kaiba beobachtete sein Gegenüber aus den Augenwinkeln heraus. Wie der Junge an seinem Whiskey nippte, sich mit ihm gerade verbal gemessen hatte, der besorgte Seitenblick, den er Mokuba zugeworfen hatte – etwas an ihm faszinierte den CEO. Wheelers Freund war sein Protegé geworden. Ein Stück weit war ihm seine eigene Kreation entglitten. Dabei hatte er das alles so nicht geplant, zumindest nicht ganz. Nachdenklich lenkte er seinen Blick zum Fenster hinaus und beobachtete noch ein letztes Mal die Wolken, bevor sie landen würden. Seine Gedanken drifteten ab, zurück zu jenen schicksalshaften Momenten, in denen er sich sicher gewesen war, einen rohen Diamanten gefunden zu haben.
 

An seinem ersten Tag, wie der Neue ihn herausgefordert hatte. Geboren aus dem vorlauten Munde Wheelers, war Kaiba überrascht worden. Sein Herausforderer konnte nicht gewinnen, und das wusste er auch, dennoch kniff der Neue nicht. Der CEO war selbst erstaunt gewesen, dass der Kleine so lange durchhalten hatte können. War das reines Glück gewesen?
 

Kaiba schob seine Finger ineinander und beobachtete David dabei, wie dieser auf sein Handy starrte. Er wirkte ein wenig nervös, aber nicht verunsichert. Hätte er mit Wheeler gesprochen, dieser wäre schon längst unter dem Druck zusammengebrochen. Er wirkte so unscheinbar neben Kaiba oder Yugi und doch…
 

Sie hatten damals alles über Kameras beobachten können. Wie sich der Neue durch die Gegnerreihen in der VR gekämpft hatte. Kein Hindernis war ihm zu groß gewesen, kein Gegner zu stark – erst Nakamura mit ihren schmutzigen Tricks hatte ihn aufhalten können. Selbst da war er noch nicht bereit gewesen völlig aufzugeben, obwohl die Lage aussichtslos schien. Warum? Konnten Freundschaft und Liebe wirklich stärker sein als ein kühler Kopf und die Fähigkeit, sich zu nehmen, was man haben wollte?
 

Auch über diese Frage hatte Kaiba lange nachgedacht. Er war zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Etwas an seinem Untermieter war anders. Er kämpfte mit dem gleichen Willen wie Kaiba selbst und Yugi, wollte unbedingt gewinnen.
 

„Seto, du musst ihnen helfen!“
 

Kaiba hatte Mokuba noch nie so erlebt. Sein Bruder war eigentlich ruhig für sein Alter. Auch widersprach er seinem großen Bruder nie oder forderte etwas von ihm. Für ihn war Seto das absolute Vorbild. Zugegeben, der CEO zeigte es ihm viel zu selten, aber Mokuba war sein ein und alles.
 

„Ich helfe niemandem, der sich nicht selbst helfen kann“, entgegnete der Braunhaarige lapidar. Was ging es ihn schon an, wenn Wheeler in der Klemme steckte? Auch nicht der kleine Zwerg, der sich anmaßte, ihn, Seto Kaiba, zurechtzuweisen. Er selbst hatte vor einigen Jahren so mit seinem Stiefvater gesprochen und legte das gleiche Verhalten an den Tag, wenn ihn jemand enttäuschte. Natürlich wurde er nicht laut oder abfällig, aber sein stechender Blick genügte, um selbst die hartgesottensten Manager verstummen zu lassen. Normalerweise machte sich der CEO nicht die Mühe über sich selbst oder seine Art des Handelns nachzudenken, aber dieses Mal – würde er Mokuba nicht enttäuschen, wenn er den Neuen im Stich ließ?“
 

Das Endresultat hatte man gesehen. Er war tatsächlich in die VR gestiegen. Natürlich hatte er das mit persönlichen Gründen wie dem Image der Kaiba Corporation verdeckt, und das war auch zum größten Teil nicht gelogen, doch ein kleines Stück von ihm wollte, dass sein Klassenkollege da heil rauskam. Etwas an ihm faszinierte ihn.
 

Wirklich bewusst wurde ihm erst, was er eigentlich aus dem Neuen machen konnte, als sie sich gegen die Gebrüder Paradox duellierten. Kaiba war davon ausgegangen dieses Duell alleine zu schaukeln. Er brauchte niemanden. Die Labyrinthmauern stellten zwar ein Hindernis dar, doch dafür hatte er sich bereits einen Plan zurechtgelegt, einen Plan, der durch die Taktik seines Teampartners komplett über den Haufen geworfen worden war.
 

Sein Spielverhalten glich dem von Wheeler und Muto, mehr Glück als Verstand und dazu noch dieser alberne Glaube an das Herz der Karten, aber im Gegensatz zu Ersterem besaß er den nötigen Mut anzugreifen.
 

Diesen stellte er unter Beweis, als er Jirai Gumo tatsächlich angriff. Im ersten Moment realisierte Kaiba nicht, was denn mit seinem Mitspieler los war. Dieser zitterte wie Espenlaub und schien mit einer Panikattacke zu kämpfen, dabei war es doch ganz einfach: Garoozis musste nur angreifen. Das Drücken auf eine einzelne Karte und es würde weitergehen. Dann dämmerte es dem CEO: Er zögerte, weil er sich fürchtete. Er hatte Angst vor dem Hologramm. Wie lächerlich – die Spinne war nicht real, und doch, sie war täuschend echt. Dennoch hatte David es durchgezogen, und das hatte Kaiba beeindruckt.
 

Die Idee, die Labyrinthmauern einfach zu zerstören, war natürlich das Tüpfelchen auf dem I gewesen. Er selbst hatte etwas Ähnliches geplant gehabt, doch der Kleine war ihm zuvorgekommen. Dazu noch die richtige Monsterkombination – diese Taktik hatte ihm in die Hände gespielt. Das mochte vielleicht auch noch Glück gewesen sein, doch, und dessen war er sich heute bewusst, sein Mitspieler hatte ihm vertraut, so wie Yugi.
 

Mit seinem Angriff war David der Attacke des Torwächters schutzlos ausgeliefert gewesen und trotzdem, er hatte nicht gezögert zuzuschlagen. Wheeler hätte abgewartet, und Yugi irgendeinen Taschenspielertrick aus dem Ärmel gezogen, sicher nicht rohe Gewalt verwendet. Das war schon mehr sein Stil, wenn sich Kaiba in die Ecke gedrängt fühlte.
 

Nun lachte er tatsächlich wieder, gemeinsam mit Mokuba. Sie alberten über irgendein Game herum. Kindisch, lächerlich, Zeitverschwendung. Kaiba selbst konnte für diese Dinge nie die nötige Muße aufbringen. Er war zu sehr mit der Firma beschäftigt und mit der nächsten Strategie, die sich darum drehte, Yugi zu Fall zu bringen. David tat genau das, was er nicht tun konnte: Für Mokuba emotional da zu sein. Zu Beginn war er eifersüchtig gewesen, wollte den fremden Parasiten möglichst bald zertreten, aber irgendwann hatte Kaiba die Vorzüge erkannt, die Mokubas Freund mit sich brachte. Er mochte es zwar noch immer nicht, wenn sein kleiner Bruder zu dem Anderen „großer Bruder“ sagte, aber diesen Preis zahlte er gerne, denn schon lange nicht mehr war Mokuba so glücklich gewesen.
 

„Ich will ihn nicht in meinem Haus haben“, sagte Kaiba ein wenig ungehalten. Mokubas Vorschlag war der Gipfel der Frechheit gewesen. Jeden anderen hätte er sofort psychisch vernichtet und seine wirtschaftliche Existenz noch dazu. Einen Fremden, noch dazu einen Schleimer, der versuchte über seinen kleinen Bruder an ihn heranzukommen, den wollte er schon gar nicht in seiner Nähe wissen.
 

„Aber Seto“, schmollte Mokuba und warf sich genervt aufs Bett. „Er hat dir nichts getan, im Gegenteil: Bei eurem Duell war er dir eine große Hilfe. Ich habe es dir angemerkt; du warst beeindruckt.“
 

„Wo er ist, ist auch Wheeler. Der strapaziert meine Geduld sowieso schon genug.“ Dass er und David einige Differenzen hatten, verschwieg Kaiba seinem kleinen Bruder. Es war unnötig, ihn damit zu behelligen.
 

„Das stimmt doch gar nicht! Außerdem mag ich Joey genauso gern. Immer muss ich alles nur nach deinem Kopf gehen! Ich will das jetzt und damit basta!“
 

Der CEO schüttelte seinen Kopf. Mokuba war in den letzten Wochen gewachsen, gereift. Natürlich argumentierte er ihm gegenüber oftmals noch wie ein Kind, aber, sich offen gegen ihn zu stellen, das hatte er nicht gewagt. Nicht, dass es nötig gewesen wäre, meist gab Kaiba nach, doch Mokuba forderte nie ein, was ihm eigentlich zustand. Erfolgreich, wie man meinen mochte, denn er hatte tatsächlich nachgegeben und den Neuen in sein Haus einziehen lassen.
 

Kaibas Blick wanderte nach unten, zum Milleniumsring, den sein Klassenkollege um die Brust trug. Früher hatte dieser Tand einmal Ryou gehört, der den gleichen Firlefanz abzog wie Yugi. Eine zweite Persönlichkeit, ein Geist, wie lächerlich. Auch wenn Kaiba bei den Schattenduellen dabei gewesen war und sogar Pegasus Macht am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, konnte er diesen Schwachsinn einfach nicht glauben, zumindest nicht ganz.
 

Wie hatte er das gemacht? Wie hatte der Neue Pegasus geschlagen? Kaiba selbst war daran gescheitert. Der CEO von Industrial Illusions hatte wieder betrogen, eindeutig, und doch…
 

Viel wichtiger war aber die Frage, warum er ihm noch immer vertraute? Pegasus spielte zwar ein uraltes Spiel, die verbündeten Parteien zu entzweien, doch er hatte nicht gelogen. Kaiba dachte nicht einmal im Traum daran, Geld für irgendwelche medizinischen Forschungszwecke beim Fenster hinauszuwerfen. Das musste David wissen. Dennoch hatte dieser mit seiner Exodia angegriffen, als ihn Kaiba und Mokuba dazu aufgefordert hatten.
 

Die Exodia. Ein, in Kaibas Augen, nutzloses Monster. Sein Stiefvater hatte sie nicht korrekt verwenden können im Cyberspace und bisher war es nur Yugi, sowie einem Raritätenjäger, gelungen, alle fünf Karten beieinanderzuhaben. Letzterer betrog aber, Yugi nicht, David genauso wenig. Der CEO mochte das Monster nicht, verabscheute es sogar, war die Exodia doch unmittelbar mit seiner allerersten Niederlage verbunden.
 

Kaiba saß in seinem Büro, seine Duel Monsters Karten vor sich ausgebreitet. Die Taktik, die er angewandt hatte war makellos gewesen. Es war alles perfekt vorbereitet gewesen – der Blauäugige Ultradrache, keine Exodia, ein einziger Zug noch. Wenn sie das Duell nicht abgebrochen hätten, er wäre als Verlierer aus dem Raum gegangen.
 

Mit einem Schlag hatte David ihn Matt gesetzt. Der Schwarze Paladin, als er diesen rief, da veränderte sich etwas. Die Gestalt seines Rivalen, sie wirkte anders, erwachsener, reifer. Dieser stand da, hocherhobenen Hauptes und zog seine letzte Karte mit einer Selbstverständlichkeit, wie nur Kaiba und Yugi es taten. Alles hing von diesem einen Zug ab, von einer einzigen Karte, und der Kleine zögerte nicht. In seinen Augen brannte das Feuer der Entschlossenheit. Er wollte gewinnen, nicht um Wheelers Willen, nein, sondern um ihn endlich in die Schranken zu weisen, ihn, Kaiba, seinen Gönner und Förderer.
 

Kaiba ging das Duell erneut durch, Zug für Zug. Wann hatte er die Oberhand verloren? Konnte es sein, dass sein Klassenkollege wirklich auch in der Lage war seinen Geist zu tauschen, so wie es Yugi tat? War das sein Geheimnis?
 

Nein, auch das konnte es nicht sein. Kaiba war sich sicher, dass David nicht dauerhaft mit dem Geist im Ring tauschen konnte. Nicht einmal Yugi konnte das. Außerdem hingen alle seine Freunde, Wheeler und Mokuba nicht am Geist, sondern an ihm, an seiner Persönlichkeit und seinem Auftreten.
 

Kaiba hatte oft über die versteckte Kamera im Gästezimmer beobachten können, wie sich David mit Wheeler und Yugi duellierte. Was zu Beginn noch plump und unbeholfen wirkte, war einer Form von Eleganz und Perfektion gewichen, die er nur zu gut kannte: Seiner eigenen. Wie David die Karten hielt, seine Züge machte, angriff und dabei auch Rückschläge hinnahm, nur um im nächsten Moment wieder zuzuschlagen – das war sein eigener Spielstil. Das Lauern auf den Fehler des Gegners, nur um diesem die eigene Unfähigkeit aufzuzeigen; viele der Züge von David trugen Kaibas Handschrift.
 

Natürlich, ihm fehlte es an der Erfahrung und dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wie sie Kaiba besaß, doch die Wandlung, die dieser Gaijin, nein, sein Schützling, durchgemacht hatte, war atemberaubend gewesen. Innerhalb von ein paar Monaten war er zu einem herausragenden Duellanten geworden. Das respektierte Kaiba. Doch nicht nur das.
 

Im Laufe der Wochen und Monate hatte der CEO immer mehr das Gefühl gehabt jemanden vor sich zu haben, dem man vertrauen konnte. Kaiba vertraute nicht leicht, denn er wusste, wie schnell dieses Vertrauen missbraucht werden konnte. Alleine schon die Big Five, dann Noah, einige wenige Fehlentscheidungen innerhalb des Unternehmens – bisher hatte ihn der aber Kleine nie enttäuscht. Er mochte vielleicht nicht mit so viel Scharfsinn argumentieren wie Kaiba selbst, doch der Neue hatte ihm oft genug die Stirn geboten und zumindest einen kleinen Stein ins Rollen gebracht. Nicht, dass er sich jemals ändern würde, doch Kaiba fing an, seine Entscheidungen ein wenig zu überdenken.
 

Wenn jemand eine der Götterkarten in seinen Besitz bringen konnte, dann war das David. Er würde zweifelsohne in den Besitz des mächtigsten Monsters gelangen, und es auch alsbald wieder verlieren, doch, und das freute Kaiba tief in seinem Inneren, es würde ein Duell darum geben. Bis dahin hoffte der CEO, dass sein Schützling sich noch mehr entwickelte und vielleicht die Möglichkeit war, die er schon so lange suchte, um Yugi Muto in die Knie zu zwingen.
 

Nur, wenn David wirklich so war, wie Kaiba ihn einschätzte, nämlich ihm gleichend, dann würde dieser seine Prinzipien nicht verraten. Vielleicht wegen eines Druckmittels, sei es ob Wheeler oder Yugi, doch wahrscheinlich würde ihn nicht einmal das aufhalten. Seine eigene Kreation, ein Stück seiner selbst, es war außer Kontrolle geraten und dennoch genoss ihr Schöpfer jeden Moment der Entwicklung, dem er beiwohnen durfte.
 

Es war richtig gewesen, ihm das eine Prozent an der Kaiba Corporation zu überschreiben. Auch wenn er ihn nicht als Freund betrachtete, doch war David zumindest eins: Loyal. Seine Prinzipien standen über allem, genau wie bei ihm, und er würde sie nur verraten, wenn es richtig war. Dieses Battle City Turnier versprach spannend zu werden, spannender als alle vorangegangenen Duelle. Er würde wahrscheinlich einer Mischung aus Yugi und seiner selbst gegenüberstehen. Kaibas virtuelle Klone, die er zum trainieren benutzte, waren keine Gegner mehr für ihn, doch sein bisheriges Meisterwerk, daran glaubte er fest, würde eine Herausforderung darstellen, und das würde er genießen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2020-01-07T21:38:07+00:00 07.01.2020 22:38
Was für ein mega geiles Kapitel. 🤩 Es gefällt mir sehr, mal hinter Kaibas Fassade zu blicken. Für seinen Bruder, die Firma und seine Duelle tut er wirklich alles.
Noch ein Rivale ist nicht verkehrt, so kann auch Kaiba noch weiter wachsen an der Herausforderung. 😁

Antwort von:  SuperCraig
12.01.2020 01:41
Das freut mich! :D

Ich war nämlich ein wenig unschlüssig, ob ich denn überhaupt ein Kapitel aus Kaibas Sicht herausbringen soll, weil er ja nicht der Pov der Story ist. Eine sehr gute Freundin hat mich dann aber doch dazu ermuntert und das ist dann dabei rausgekommen.

Kaiba hat nicht viel im Leben, Duelle und Firma, in denen er sich verwirklichen kann, und Mokuba. Dann ist da noch Yugi bzw. der Pharao. Ein zweiter Rivale tut ihm sicher gut, das glaube ich auch.

Wie hat Teyrn Loghain gesagt: "A man is made by the quality of his enemies." :D

Danke für deinen Kommi!


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