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Der erste Schultag danach

Wir wurden pünktlich durch das schrille Piepen meines Handys wach. Verschlafen rieb ich mir die Augen und linste zu Joey hinüber, der sich noch einmal herumdrehte. Ich lächelte verstohlen und beugte mich über ihn. Zärtlich strich ich ihm mit den Lippen über die Wange, nur um sein Ohr zu küssen. „Guten Morgen, Schatz – Schule ist angesagt.“ Mein Freund brummelte nur etwas von „Lass mich in Ruhe“. Ich grinste breit und schob meine Hände unter die Decke, um sie auf seine Brust zu legen.

„Schatz, wir sollten vielleicht nicht zu spät kommen. Du zumindest nicht“, neckte ich Joey. Dieser stöhnte genervt und seufzte dann: „Du bist echt schlimmer als Tea, wenn sie mich aus dem Bett klingelt.“
 

Nach einem kurzen Aufenthalt im Bad zogen wir uns an, schnappten unsere Sachen, und begaben uns nach unten, zum Frühstück. Mokuba und die anderen trudelten nach und nach ein, während ich mir meinen Vollkorntoast mit Butter beschmierte. „Wo hast du deinen Bruder gelassen, Mokuba?“, erkundigte ich mich und biss von meinem Frühstück ab. „Seto hat heute etwas in der Firma zu erledigen. Er wird also nicht mitkommen.“
 

Joey murmelte etwas von: „Ist eh besser so“, und klaute mir meinen zweiten Toast vor der Nase weg. Ich rollte mit den Augen und schmierte mir das nächste Gebäck: „Hat er etwas zu dir gesagt, Mokuba?“ Der kleien Wirbelwind schüttelte den Kopf und kippte sich seine Tasse Kakao hinunter. „Nein, aber das ist normal. Seto hat viel um die Ohren.“ Wenn Mokuba das sagte. Er musste es schließlich wissen. Außerdem war Kaiba alt genug, und ich nur indirekt auf ihn angewiesen. Mit seinem kleinen Bruder hatte ich durchaus einen starken Verbündeten auf meiner Seite.
 

Wir wurden alle fein in die Schule kutschiert. Eine Limousine brachte uns direkt vor das Schultor. Ich schluckte schwer und atmete tief durch. Was wussten die anderen? Würden sie Fragen stellen? Ich stieg als Letzter aus und bedankte mich noch beim Fahrer, ehe wir ins Gebäude gingen. Der Schulhof war belebt wie immer. Man nahm von uns auch keine Notiz. Beruhigend.
 

Kaiba hatte tatsächlich sein Wort gehalten: Unser Klassenvorstand teilte uns mit, dass Mei für längere Zeit dem Unterricht fernbleiben würde. Ihre Eltern hätten beruflich im Ausland zu tun, und sowohl sie, als auch ihre Schwester seien dabei miteinbezogen worden. Ich konnte Joey erleichtert neben mir ausatmen hören. Eine Sorge weniger.
 

Der Englischunterricht war heute ausgefallen. Frau Fujisas Schwester heiratete, und so hatte man sie freigestellt. Wir bekamen als Aufgabe, einen Text unserer Wahl auf Englisch zu verfassen, der nächste Woche abzugeben war. Ich entschied mich für eine Kurzgeschichte über Ares, den Kriegsgott Griechenlands, und dessen Liaison mit Aphrodite.
 

„Was schreibst du da?“, fragte Joey, und riss mir den Zettel aus der Hand. „Du hättest auch fragen können“, murrte ich und linste zu meinem Sitznachbarn hinüber. Ein Lächeln stahl sich auf meine Züge. Er hatte tatsächlich etwas über den Flammenschwertkämpfer geschrieben. Ein Abenteuer, soweit ich durch das Überfliegen herauslesen konnte. Es ging wohl um den Glauben an sich selbst, und daran, dass man niemals aufgeben durfte.
 

„Viel zu kompliziert. Wer sind überhaupt diese Gestalten? Aphrodite, Ares, Persephone, Adonis?“, wollte Joey wissen, und warf das Blatt auf den Tisch zurück. „Das, Joey, sind Gottheiten und Persönlichkeiten des antiken Griechenlands“, erklärte Yugi, der hinter uns saß. Joey drehte sich im Stuhl um, und bettete sein Kinn auf die Lehne: „Also, wenn die wirklich so drauf war, dann war sie ein ziemliches Miststück.“
 

Yugi und ich lachten zeitgleich und schüttelten den Kopf. „Joey, du misst das an den heutigen Werten. Monogamie war damals total fremd. Der Göttervater selbst, Zeus, hatte unzählige Liebschaften“, erklärte Yugi. Joey bließ seine Wangen auf: „Ist das für dich normal?“ Der König der Spiele schüttelte den Kopf: „Nein, aber Joey, schau. Das war eine andere Zeit, mit anderen Regeln. Aphrodite hat schließlich auch sehr teuer für ihr Fremdgehen bezahlt.“
 

Ich war wirklich erstaunt. Yugi kannte sich in Geschichte exzellent aus. Sein Wissen überstieg meines bei Weitem. Ich interessierte mich auch weniger für Fakten und Zahlen, und auch nicht die jüngere Geschichte, sondern mehr für Mythen und Sagen. Er war aber auch in diesen Gebieten top. „Indem Ares ihren Liebhaber gekillt hat?“ Joey schüttelte den Kopf: „Ein wenig krass, hm?“
 

„Naja, schau einmal. Was würdest du mit dem Liebhaber von Da…“, begann Yugi, biss sich aber sogleich auf die Lippen und zog das Wort, unter Joeys strengem Blick, in die Länge: „Daainer Freundin machen, wenn du ein eifersüchtiger Gott wärst?“ Gut gerettet, das musste ich ihm lassen. „Jedenfalls nicht umbringen“, konterte Joey.
 

„Dir entzieht sich der Sinn der Sage ein wenig, Joey. Aphrodite hat sich nicht an die Regeln gehalten. Selbst Götter waren Regeln unterworfen, zumindest untereinander. Sie und Persephone hatten die Vereinbarung, Adonis frei den dritten Teil seiner Zeit bestimmen zu lassen. Aphrodite hat mit dem Gürtel gemogelt. Darum hat Persephone sie an Ares verraten.“ Yugis ruhige und erklärende Art machte ihn zu einem exzellenten Nachhilfelehrer
 

Joeys Nasenflügel bebten ein wenig: „Dann war diese Persephone aber auch sauber dämlich. Dadurch hat sie diesen Adonis ja auch verloren.“ Ich schüttelte den Kopf: „Nein, denn Persephone war die Königin der Unterwelt. Folglich blieb Adonis auf ewig bei ihr.“ Mein Freund zeigte sowohl mir, als auch Yugi, den Vogel und wandte sich wieder seinem eigenen Text zu.

„Den Romantiker streichen wir also einmal“, sagte Tea nüchtern, die sich neben Yugi setzte. Wir beide grinsten, und machten uns wieder an die eigene Arbeit. Ich war zwanzig Minuten vor Stundenschluss bereits fertig, also beschloss ich, Joey ein wenig unter die Arme zu greifen.
 

„Ich würde das hier umformulieren“, sagte ich, und deutete auf einen Satz, der, wenn ich seine Intention richtig deutete, so viel bedeutete wie „Nichts kann vor meiner Flamme bestehen“. Joey schrägte den Kopf und schob das Ende seines Stiftes in die Mundwinkel: „Wie denn?“ Ich schrägte den Kopf und überlegte kurz. „Nothing can stand before the burning flame of my heart.“ Joey schrieb den Satz so hin und tippte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. „Und da?“, fragte er und deutete auf den nächsten Satz.
 

„I will not tremble before you. Your evil will be undone, Master of Dragons. Nothing can stop me, not even your mightiest dragons”. Joey nickte und lächelte. “Wie sage ich denn, dass ich daran glaube, dass es Schicksal ist?” Ich konnte aus den Augenwinkeln heraus beobachten, wie Yugi und Tea uns lächelnd beobachteten. „I believe in destiny. It was foretold, that this will happen.” Joey kritzelte auch diesen Satz hastig hin.
 

“Ihr zwei ergänzt euch erstaunlich gut”, lächelte Tea. Gerade, als ich etwas erwidern wollte, ging die Tür auf, und die Schulsprecherin, Hiko Mahasaki, betrat die Klasse. Sie räusperte sich dezent: „Ich wollte Euch nur darauf aufmerksam machen, dass wir einen Sponsor für den diesjährigen Weihnachtsball aufgetrieben haben, der so großzügig war, uns eine komplette Location samt Band und Verpflegung zur Verfügung zu stellen. Er hat eine einzige Bedingung gestellt: Es wird ein Mottoball werden.“ Ein Raunen ging durch die Klasse, gefolgt von leisem Flüstern. „Das Motto lautet: Duel Monsters. Seht es als Chance auf einen gemütlichen und genialen Abend an.“ Hiko verbeugte sich und verschwand wieder aus dem Klassenzimmer.
 

Ratlose Gesichter starrten sich gegenseitig an. „Das war sicher Kaiba“, schnaubte Joey. Ich zog die Brauen in die Höhe: „Warum?“ Joeys Antwort ging im Läuten der Glocke unter. Irgendwie hatte er seinen Groll gegenüber Kaiba noch immer nicht ablegen können. Ich hatte gehofft, seit dem Duell gestern, bei dem er so euphorisch gewirkt hatte, wäre seine miese Laune ein wenig verflogen. Den restlichen Tag vermieden wir alle es tunlichst, Kaiba in Joeys Gegenwart zu erwähnen. Vor dem Schultor verabschiedeten wir uns, und ich war ehrlich gesagt froh, endlich wieder einmal in den eigenen vier Wänden sein zu dürfen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2019-02-05T10:54:30+00:00 05.02.2019 11:54
Ich melde mich auch mal zurück. Endlich mal Zeit zu lesen. 😊
Natürlich ist der Sponsor Kaiba, aber warum nur? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gerne zu sowas geht. Ich bin ganz gespannt 😁


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