Until We Meet Again von Morwen (Thor & Loki) ================================================================================ Part II: Sunshine ----------------- „Okay“, sagte Tony, der mittlerweile seine sechste Tasse Kaffee in der Hand hielt. Es war schon weit nach Mitternacht und sie waren alle müde. „Okay. Noch mal zum Mitmeißeln: was genau hat Loki gesagt?“ „Er sagte, er wäre ‚weder hier noch dort, sondern irgendwo dazwischen‘“, erklärte Thor. „Es klang, als meinte er damit zwei verschiedene Orte.“ Tony und Bruce warfen sich einen kurzen Blick zu. Dann fuhr sich Bruce nervös mit der Hand durch die Haare. „Entweder das – oder zwei verschiedene Realitäten“, entgegnete er. „Stimmt es, dass du laut Loki in einer davon nicht existierst?“ „In der, wo er momentan gefangen ist, ja“, bestätigte Thor. „Er muss auf der anderen Seite einen Ort gefunden haben, an dem die Grenze zwischen den Realitäten besonders dünn ist“, murmelte Tony in seinen Kaffee. „Die Frage ist, wie er es schafft, jede Nacht in unsere Realität hinüberzuwechseln“, sagte Natasha. „Und warum.“ „Er ist ein erfahrener Magier“, wandte Thor ein. „Und er scheint genau zu wissen, dass der Ort, an dem er sich befindet, nicht seine Realität ist“, meinte Bruce. „Dass er eigentlich hierher gehört. Weil Thor hier ist, und dort nicht.“ „Also ist Thor die Verbindung, die Loki zu unserer Welt hat“, stellte Steve fest. Dann sah er zu Tony hinüber. „Ich kann sehen, dass du eine Ahnung hast, was hier vor sich geht, Tony. Spuck es aus.“ Tony stellte seinen Kaffee zur Seite. „Es ist meine Schuld“, sagte er. Alle starrten ihn an. „Ich sagte ja, ich habe keine Ahnung, was ich tue, als ich den Handschuh verwendet habe“, fuhr Tony schulterzuckend fort. „Scheint, als hätte ich das Ziel knapp verfehlt. Und jetzt muss Loki den Preis dafür bezahlen. Er lebt... aber in der falschen Version unserer Welt.“ Steve seufzte nur und rieb sich das Gesicht. „Wer Schuld hat und wer nicht, spielt im Moment keine Rolle“, sagte er. „Wichtiger ist, was wir jetzt tun können, um ihm zu helfen.“ „Entschuldigt bitte, aber sollten wir Loki helfen?“, fragte Sam, der sich bisher aus der Unterhaltung rausgehalten hatte. „Ich meine... hat nicht jeder von euch hier genügend Gründe, es nicht zu tun?“ „Oh, ich hätte nie gedacht, dass ich mal froh darüber sein würde, dass Clint nicht da ist“, murmelte Natasha. Sam sah sie fragend an. Natasha räusperte sich. „Er... ist nicht besonders gut auf Loki zu sprechen.“ „Mein Bruder hat viele Fehler“, sagte Thor, der von der ganzen Diskussion genug hatte, und erhob sich. „Niemand weiß das besser als ich. Doch die Ereignisse der vergangenen Jahre sind auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen. Er wird immer Loki sein... doch er versucht jeden Tag erneut, ein besserer Mann zu sein.“ Für einen Moment herrschte Stille. Dann erhob Bruce zu ihrer aller Überraschung – und Thors großer Erleichterung – die Stimme. „Ich muss verrückt sein, das zu sagen, aber... ich kann seine Worte bestätigen.“ Er warf einen kurzen Blick in die Runde. „Der Loki, den ich auf Sakaar und Asgard erlebt habe, ist zweifellos noch immer ein durchtriebener und hinterhältiger Mistkerl, aber wie Thor schon sagte – er gibt sein Bestes. Ich denke, wir sollten ihm wenigstens die Chance geben, seine Fehler wiedergutzumachen.“ Wieder wurde es still. Schließlich gab Tony ein leises Seufzen von sich und alle Blicke richteten sich auf ihn. „Ihr habt den Mann gehört“, meinte er und sah in die Runde. „Wer setzt neuen Kaffee auf?“ Sie hatten die Infinity-Steine nach dem Ende der Schlacht wieder in alle Winde zerstreut. Einer war in Wakanda, einer wieder im Besitz von Strange, einer bei Vision, zwei im Hauptquartier, und einen hatten sie Nebula anvertraut, als sie mit Quill die Erde verlassen hatte, da sie weder Interesse an der Macht des Steins, noch an dem Geld hatte, das sein Verkauf ihr bringen würde. Die Option, den Handschuh erneut zu benutzen, um Loki zurück in diese Realität zu holen, schied damit also aus. Zum Glück kannten sie jemanden, der ebenfalls die Macht hatte, die Realität zu verbiegen... „Ich soll was machen?“, fragte Wanda, nachdem sie eine Woche später wieder im Hauptquartier eingetroffen war. Nach dem Krieg hatten sie und Vision sich erneut eine Auszeit genommen – die ihnen nach den Dingen, die vorgefallen waren, jedoch niemand hatte verübeln können. „Den Übergang zwischen den Dimensionen bei Lokis nächstem Besuch lange genug stabilisieren, damit er endgültig in diese Realität wechseln kann“, erklärte Bruce. „Loki.“ Sie hob eine Augenbraue. „Warum schrillen bei diesem Namen alle Alarmglocken bei mir?“ „Weil er derjenige war, der damals New York in Schutt und Asche gelegt hat“, rief Sam vom Sofa aus zu ihnen hinüber. „Nicht hilfreich, Sam!“, rief Bruce zurück. „Immer wieder gern geschehen, Banner“, erwiderte Sam unbeeindruckt. Doch Thor schenkte ihnen keine Beachtung. „Bitte“, sagte er leise und nahm Wandas Hände in die seinen. „Bitte...! Loki ist mein Bruder. Und er ist alles, was ich noch habe.“ Ein schmerzvoller Ausdruck huschte über ihr Gesicht, doch dann nickte sie. „In Ordnung“, erwiderte sie mitfühlend. „Ich werde es versuchen.“ „Bist du dir sicher, dass sie weiß, was sie tut?“ Lokis Skepsis war nicht zu überhören. „Sei still“, erwiderte Thor nur, ohne ihn auch nur anzusehen. Stattdessen war sein Blick auf Wanda gerichtet, die begonnen hatte, ihre Magie zu wirken, kaum dass Loki sich im Raum materialisiert hatte. Die Luft um seinen Bruder herum hatte begonnen zu flimmern und zu flackern, und hinter ihm konnte Thor nun deutlich die andere Zeitlinie erkennen. Und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Die Spannung im Raum nahm immer mehr zu, bis sie fast körperlich spürbar war, und auch die Luft verdichtete sich immer weiter. Mit rot glühenden Augen wandte Wanda sich schließlich an Loki. „Wenn ich jetzt sage, suche dir einen Punkt im Raum, der dir als Anker dient, und lass ihn nicht los, bevor ich fertig bin!“, wies sie ihn an. Loki richtete seinen Blick auf Thor und nickte. „Jetzt!“, rief Wanda und entfesselte die ganze Macht ihrer Magie, um Loki aus der einen Realität zu lösen und ihn in die andere hinüberzuziehen. Thor machte im selben Moment einen Schritt auf seinen Bruder zu und zog ihn ohne Zögern in seine Arme. Er spürte, wie Loki sich seinerseits an ihm festhielt, und hoffte, dass er stark genug sein würde, um seinen Bruder vor der Rückkehr in die andere Realität zu bewahren – dass er der Fixpunkt zwischen den Dimensionen sein konnte, den Loki brauchte, um zu bleiben. Ein Wirbelsturm von Farben und Geräuschen tobte um sie herum und riss an ihren Haaren, ihrer Kleidung und ihrer gesamten Existenz, doch die Brüder ließen einander nicht los, während Wanda die verschiedenen Realitäten zurück in ihre jeweilige Dimension verbannte. Eine Dissonanz war zu hören, ein schrecklicher Klang, der immer lauter wurde, bis sein Dröhnen den ganzen Raum ausfüllte und Thor das Gefühl hatte, sein Kopf müsste gleich platzen. Und dann, als Thor schließlich glaubte, die Mächte, die zwischen den Dimensionen lauerten, würden ihn schlichtweg zerreißen... ... lag der schlimmste Teil mit einem Mal hinter ihnen. Der Sturm legte sich allmählich wieder und die Dissonanz ging in eine leise, wohlklingende Harmonie über. Thor seufzte erleichtert auf, als endlich wieder Stille herrschte, und öffnete dann zögernd die Augen. Loki erwiderte offen seinen Blick. „Ich glaube, du kannst mich jetzt wieder loslassen“, bemerkte er ruhig, doch Thor entging sein schwaches Lächeln dabei nicht. Langsam löste er die Arme von Loki und lehnte dann mit einem leisen Lachen seine Stirn an die des anderen. „Willkommen zurück, Bruder.“ Es überraschte Thor nicht besonders, dass die restlichen Avengers mit wenig Begeisterung auf Lokis Anwesenheit reagierten. Lediglich Steve sah den Brüdern unbeeindruckt entgegen, als sie in den Gemeinschaftsraum traten. „Loki“, sagte er ruhig. Loki hob eine Augenbraue. „Captain“, kam die kühle Antwort. Thor musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, seinem Bruder den Ellenbogen in die Seite zu stoßen und ihn daran zu erinnern, mit wem er sprach. Doch er beschloss, stattdessen Vertrauen in Loki zu haben und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während er abwartete, was als nächstes geschehen würde. Zur Überraschung aller trat Loki einen Schritt vor und verneigte sich kurz vor dem Anführer der Avengers. „Ich danke euch“, sagte er leise und richtete sich dann wieder auf. „Ihr hattet keinen Grund, mir zu helfen, und ihr habt es dennoch getan. Dafür habt ihr meine Dankbarkeit.“ Für einen Moment war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. „Huh“, meinte Natasha dann, die auf der Couch lag und ihre Nägel feilte. „Vielleicht wäre es doch ganz interessant gewesen, Clint hier zu haben...“ „Wir haben es für Thor getan“, sagte Steve an Loki gewandt. „Er hat darauf bestanden, dass mehr in dir steckt, als Loki, der Gott der Lügen. Ich kann es im Moment noch nicht glauben...“ Steve zögerte kurz. „... aber ich will es versuchen. Und solange du den Willen hast, es zu beweisen, darfst du bleiben.“ Thor konnte förmlich spüren, dass seinem Bruder eine scharfe Erwiderung auf der Zunge lag, doch Loki überraschte ihn einmal mehr, als er sich erneut kurz verneigte. „Ich akzeptiere eure Bedingungen“, sagte er würdevoll. „... warum werde ich das Gefühl nicht los, dass wir alle sterben werden?“, murmelte Sam. Und damit war es beschlossen. „Kann ich dir eine Frage stellen?“, fragte Thor, als sie am nächsten Tag gemeinsam auf einer Bank im weitläufigen Außengelände des Hauptquartiers saßen, während die Sonne warm auf sie herabschien. „Hm...?“, machte Loki abwesend. „Warum bist du nur nachts zu mir gekommen?“ Loki überlegte einen Moment. Schließlich erwiderte er: „Weil dein Bewusstsein zu diesem Zeitpunkt weit genug zur Ruhe gekommen war, dass es für meine Versuche, dich zu erreichen, empfänglich war.“ Er wandte Thor das Gesicht zu. „Es hat mich viel Kraft gekostet, in diese Realität durchzudringen. Dein Bedürfnis nach Schlaf war für mich nicht vorrangig, Bruder, ich hoffe, das kannst du verstehen.“ „Ich verstehe es.“ Und das tat er tatsächlich. Er hatte nur einen winzigen Ausschnitt der anderen Zeitlinie gesehen, doch es hatte gereicht, ihm klarzumachen, dass Loki sehr verzweifelt gewesen sein musste. „Und es wundert mich nicht länger, dass ich dich für einen Traum hielt.“ Dann verstummte er und für eine Weile saßen sie erneut in familiärem Schweigen beieinander. Schließlich ertönten Schritte auf dem Kiesweg hinter ihnen. „Wow, es hört nicht auf, seltsam zu sein, euch beide so zu sehen“, sagte Tony, die Hände in den Taschen seines Pullovers vergraben. „So in... trauter Zweisamkeit, und ohne dass einer versucht, den anderen umzubringen.“ Loki verdrehte die Augen. „Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es, Stark“, entgegnete er. „Okay, weißt du, das verletzt mich gerade ein bisschen“, sagte Tony und hob eine Augenbraue. „Warum füttere ich dich noch mal durch?“ Thor warf Loki einen warnenden Blick zu. „Verzeih sein Verhalten, Stark“, sagte er. „Mein Bruder ist noch nicht wieder ganz bei Sinnen.“ „Ich bin sehr wohl bei Sin-!“ „Nein, bist du nicht“, erwiderte Thor und hielt Loki kurzerhand den Mund zu. Während sein Bruder sich vehement gegen seinen Griff wehrte, schenkte Thor Tony ein strahlendes Lächeln. „Was gibt es, Stark?“ Tony hielt ihm ein zusammengefaltetes Stück Papier hin. „Ein, uh, Rabe ist vorhin eingetroffen“, sagte er. „Mit einer Nachricht, die an dich adressiert war. Wer auch immer ihn geschickt hat – ich mag seinen Humor.“ „Ich verstehe.“ Thor nickte ihm dankbar zu, während er mit seiner freien Hand den Brief entgegennahm und öffnete. Thor Odinson, wir hatten eine Abmachung. Doctor Stephen Strange Tony starrte derweil Loki an, der sich mit der Widerspenstigkeit einer Straßenkatze in Thors Griff wand. „Weißt du, wenn du Hilfe mit ihm brauchst, ich habe erst vor zwei Monaten eine neue Kollektion äußerst wirksamer Handfesseln entwickelt...“, bot Tony an. „Danke“, entgegnete Thor, „aber wir kommen schon klar. Nicht wahr, Bruder?“ Er sah kurz zu Loki hinüber, der Tony einen mörderischen Blick zuwarf. „... wir kommen klar“, wiederholte Thor und schenkte Tony ein Lächeln. Und obwohl es im Moment noch nicht so aussah, obwohl er noch mit Strange um Lokis Recht, auf diesem Planeten zu bleiben, verhandeln musste, und obwohl er seinen Bruder in den nächsten Jahren vermutlich für keine einzige Sekunde aus den Augen lassen konnte... wusste Thor plötzlich mit absoluter Sicherheit, dass sich seine Worte eines Tages bewahrheiten würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)