Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 37 - Herbsteinzug im Schloss ------------------------------------ Leise, um die anderen nicht zu wecken, schlich sie zu ihrer Kommode und prüfte ihren Tränkevorrat, ehe sie ihre morgendliche Dosis nahm. Jeden Schluck trank sie ohne zu zögern, an den Geschmack war sie schon gewöhnt. Fast die Hälfte hatte sie mittlerweile aufgebraucht, doch bis Weihnachten würde es reichen. Trotz ihrer zwei Monate hier fühlte sich noch nichts selbstverständlich an. Jeder Morgen, an dem der seltsame Wecker aus dem Wasserbecken mitten im Raum aufstieg und in selbigem verschwand, war etwas Besonderes. Jeder Vortrag von Flitwick über die Entwicklung einer Zauberstabbewegung war unwirklich. Sie hatte geglaubt, dass trotz der anfänglichen Wunder sich dann irgendwann Routine einschleichen würde, die Zeit hatte sie jedoch Lügen gestraft. Sie schloss die Schublade, in der sie ihre Sachen verstaut hatte und zuckte zusammen, als das Holz unangenehm quietschte. Angespannt lauschte sie auf Geräusche ihrer Zimmerkameradinnen, die bisher friedlich in ihren Betten geschlafen hatten. Millicents leises Schnarchen war deutlich zu hören, während jemand anderes sich in ihrer Decke bewegte. "Evelyn?", durchbrach Daphnes vom Schlafen grobe Stimme die Stille. Einige Finger schoben sich durch den Vorhang ihres Bettes und öffneten diesen einen Spalt breit. "Gehst du wieder laufen?" Das Becken umrundend ging Evelyn näher an Daphnes Bett um nicht zu laut reden zu müssen. "Ja", flüsterte sie, wobei sie bei Daphnes Anblick grinste. Die Arme konnte kaum die Augen auf halten, was kein Wunder war. Sie alle hatten eine lange Nacht der Sternenguckerei hinter sich. Obwohl Evelyn die Antwort glaubte zu wissen, stellte sie der Höflichkeit halber trotzdem ihre Frage. "Möchtest du mit?" Daphnes Finger glitten zurück, sodass der Vorhang zu fiel. Nur noch ihr unverständiges Gemurmel war zu hören.  "Wir sehen uns später", sagte Evelyn beim Gehen, bekam aber keine Reaktion.  Fast schon wie bei einem Ritual band sie zuerst ihre Haare zusammen, die nun zu lang waren um sie ständig offen zu tragen, ehe sie den Sitz ihre Schuhe prüfte. Die engen Sportsachen waren ein starker Kontrast zu den weiten Schulsachen, besonders die Hose. Ständig einen Rock zu tragen war ermüdend, so empfand es zumindest Evelyn. Daphne hatte weniger Probleme damit ständig an sich herumzuziehen, ihren Rockboden zurecht zu zupfen und darauf zu achten, dass man ja nichts sehen konnte. Sie hatte sich sogar mehr als einmal beschwert, dass die Röcke zu lang seien, worüber Evelyn nur den Kopf schütteln konnte.  Besonders beim Fliegen machte ihre Uniform ihr Probleme. Eine Woche nach dem Flugdebakel – nun ein Tabu Thema im Slytherin-Gemeinschaftsraum – war sie schließlich doch gezwungen gewesen auf einen Besen zu steigen. Einarmig hatte sie sich am Stiel festgeklammert, während sie mit der anderen den Stoff ihres Rockes gehoben hatte. An Lenken war in dieser Position nicht zu denken. Irgendwann hatte sie es geschafft den Rock so zwischen Besen und Schenkel zu klemmen, dass sie sich einigermaßen wohl gefühlt hatte zwei Hände beim Fliegen zu benutzen.  Wie zu erwarten gewesen war, machte Harry mit einigen anderen eine besonders gute Figur, was ihm viel Lob von Madam Hooch eingebracht hatte. Evelyn hatte sich die meiste Zeit, in der sie sich nicht um ihre Uniform sorgte, für die Erfindung des Polsterungszaubers bedankt. Aus ihrer Gruppe hatte sich überraschenderweise Daphne als Talent erwiesen. Für Evelyn hatte sich nur bestätigt, dass sie selbst lieber beide Beine auf dem Boden hatte. Beine, die sie vor hatte zu benutzen.  In den letzten Wochen hatte sie aus ihrer Angewohnheit früh aufzustehen das Beste gemacht und die Zeit mit ein wenig Sport vertrieben. Nachdem sie einige Morgen alleine im Gemeinschaftsraum verbracht hatte, mit nichts als dem Plattenspieler als Begleitung, war ihr schnell langweilig geworden und hatte angefangen durch das Schloss zu gehen. Die Sperrstunde war aufgehoben, doch das Schloss und die Gänge waren so gut wie leer. Ab und zu war sie den Geistern begegnet, hatte aber aufgepasst Peeves aus dem Weg zu gehen. Die eine Begegnung hatte ihr gereicht. Das Buch, das nach Peeves' Attacke schon beinahe ruiniert gewesen war, hatte Evelyn Kopfzerbrechen bereitet. Zu gerne wäre sie erneut in die Bibliothek gegangen, wo sie sich hingezogen fühlte, doch das schlechte Gewissen, das sie wohl beim Anblick von Madam Pince übermannt hätte, hielt sie davon ab. Der Rückgabe Termin war unaufhörlich näher gerückt und sie hatte sogar in Erwägung gezogen mit Alkohol zu arbeiten um die Tinte von den Seiten zu bekommen. Falls der nicht geholfen hätte, hätte sie ihn wenigstens trinken können.  Die Lösung war schließlich ganz einfach gewesen und hatte nur einen Sprung über ihren Schatten gefordert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie niemandem von dem Buch erzählt, schon allein weil sie den peinlichen Moment vor versammelter Mannschaft Tinten überströmt gestehen zu haben nicht erneut zur Sprache bringen wollte. Im Endeffekt hatte es nur einen Scourgify bedurft, nachdem sich Evelyn Millicent anvertraut hatte und die das Buch zu Livinius Pucey, dem Vertrauensschüler, gebracht hatte, der sich ohne Fragen zu stellen darum gekümmert hatte. Obwohl die Tinte Zeit gehabt hatte sich tagelang in die Seiten zu trocken, war nichts mehr zu sehen gewesen, was Pucey eine Umarmung ihrerseits eingebracht hatte. Erleichtert konnte sie das Buch zurück geben, nachdem sie dann doch einige Blicke hineinwerfen hatte können; Madam Pince hatte nichts bemerkt. Während ihrer einsamen Erkundungstour durch das Schloss hatte es sie recht früh auch in den siebten Stock gezogen, wo sie sich vor dem Portrait der Fetten Dame wiederfand. Der gesamte Aufgang zum Teil des Turmes, in dem sich der Eingang zu den Gryffindor versteckte, war nicht gerade unauffällig gestaltet. Rote Teppiche bedeckten den Boden, deren Mitte deutliche Nutzungsspuren aufwiesen. Die Fenster waren alle mit schweren Gobelins verhangen, die mit goldenen Kordeln zusammen gehalten wurden. Die Gemälde, die auch in diesem Teil des Schlosses fast jeden freien Platz an den Wänden einnahmen, stellten hauptsächlich höfische Szenen dar; Reiterturniere, Duellszenen, Bankette aller Art und sogar einige pompöse Picknicke. Evelyn Hauptinteresse hatte aber nur der schlafenden Frau in breitem Seidenkleid gegolten, über deren Kopf dichte Traubenranken wuchsen.  Sie saß auf einer steinernen Bank ohne Rückenlehne, den Kopf auf die Schulter gekippt und schlief. Das üppige Dekolleté, das in dem Kleid arg zur Geltung kam, hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Evelyn war langsam herangetreten und hatte den gold-glänzenden Rahmen vorsichtig mit den Fingern berührt und war ihn entlang gestrichen. Ein Japsen verriet, dass die Bewohnerin des Bildes wach geworden war. Von einem Moment zum nächsten hatte sich Evelyn Aug in Aug mit der Fetten Dame wiedergefunden, die sich räusperte, ihre zusammengeflochtenen dunklen Haare zurecht machte und das Kinn reckte.  "Ein wenig früh, um mich zu wecken, oder?", hatte sie gefragt, ehe sie Evelyn abschätzend prüfte. "Passwort?" Evelyn hatte ihre Lippen befeuchtet und geschluckt. Die Versuchung war groß gewesen, sehr groß. Letztlich hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt und die Schultern gezuckt.  "Woher soll ich das wissen?" Das wütende Gezeter der Fetten Dame, der es gar nicht gefallen hatte wegen nichts aus dem Schlaf gerissen worden zu sein, hatte Evelyn bis zur Treppe verfolgt. Dort war sie erneut stehen geblieben und hatte zurück geschaut, wo sie nur noch sah, wie die Fette Dame erneut ihr Kleid glatt strich und den Kopf schüttelte.  Sie erkannte, dass alleine im Schloss zu sein ein zu großes Risiko bestand sich in bestimmte Ecken zu wagen, in die sie nicht hinein sollte. Als sie ernsthaft überlegt hatte einen Blick in den Verbotenen Korridor zu erhaschen, hatte sie eine Alternative gesucht, die sie eher aus dem Schloss heraus zog, statt sich im Innern aufzuhalten.  Die Idee zu joggen war ihr gekommen, als sie die Quidditch Mannschaften beobachtet hatten, wie sie in aller Früh durch die Kerker gewandert waren, durch die Passage hindurch, die das Schloss unterirdisch mit dem Quidditch Feld verbannt. Sowohl Gryffindor, als auch Hufflepuff hatten einige Trainingseinheiten noch vor Beginn des Unterrichts gelegt, wovon sich Evelyn hatte inspirieren lassen.  Als letzten Schliff schob sie ihren Zauberstab in ihren langen Ärmel hinein, der eng an ihrer Haut lag. Ende Oktober war es speziell nachts äußerst kühl, was man auch noch morgens spürte. Ihr Weg würde sie jedoch nah an den Wald führen und als Blaise gehört hatte, dass sie sich anfangs ohne ihren Zauberstab dorthin gewagt hatte, war er regelrecht hysterisch geworden.  Die anderen hatten zum Großteil mit Unverständnis reagier, vor allem Millicent konnte nicht verstehen, wie jemand freiwillig Sport machen wollte.  Evelyn lag es aber am Herzen ein wenig für ihre Fitness zu tun, da sie im Gegensatz zu den Kindern nicht mehr den Luxus eines übereifrigen Stoffwechsels hatte, und die üppigen Abendessen sich langsam bemerkbar machten.  Springend nahm sie die letzten Stufen hoch in die Eingangshalle, die in sanftes Morgenlicht getaucht war. Sie genoss die Ruhe im Schloss, wenn dessen Bewohner noch schliefen. Es gab ihr das Gefühl Hogwarts nur für sich zu haben, wenn man von den Geistern absah.  "Guten Morgen, Herr Baron. Bruder Anselm", rief sie mit geneigtem Kopf den beiden Hausgeistern zu, die gerade durch die Wand geschwebt kamen und in ein Gespräch vertieft waren.  "Sei gegrüßt, mein Kind", erwiderte der Mönch, während der Blutige Baron sie abschätze, was Evelyn mehr und mehr unangenehm wurde. Bruder Anselm lächelte sie mit seinen Pausbacken an. "So früh auf den Beinen, Mädchen? Welch löbliche Eigenschaft." "Tüchtig mag sie sein, doch ihre Bekleidung schickt sich nicht für ein Weib."  Der Mönch klopfte dem Baron auf die Schulter, während er seinen runden Bauch hob. "Mein lieber Baron, sei nicht so griesgrämig heute. Das Mädchen hat vortreffliche Manieren, erweise ihr wenigstens Respekt. Außerdem hat Nicholas seinen Ehrentag heute, also solltest du dein Lächeln üben. Du weiß, wie eigen er ist." "Wen ich meines Respektes für würdig erachte soll nicht deine Sorge sein." Er wandte sich ab und fuhr sich mit den Fingern über seinen feinen Bart. "Nicholas verliert wegen größten Nichtigkeiten sein Temperament, das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben." Bruder Anselm grinste verschmitzt. "Meinst du nicht eher, er verliert seinen Kopf?" Sein Lachen über seinen eigenen Scherz hallte durch die leere Halle, wobei der Baron nur unbeeindruckt die Augenbrauen hob.  Die Angewohnheit der Geister über Personen zu reden, so als seien sie nicht im Raum, war nichts Neues, was es nicht einfacher machte damit umzugehen.  "Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag", sagte sie in die Konversation der beiden hinein und hoffte sich davon stehlen zu können.  Bruder Anselm winkte ihr zum Abschied. "Vielen Dank. Ein fröhliches Samhain, wünsche ich dir, Kind." Samhain. Seit Tagen hörte Evelyn nichts anderes mehr. Die Vorfreude auf das Fest innerhalb ihrer Hauskameraden war deutlich zu spüren gewesen und erinnerte sie an ihre eigene Kindheit, in der sie die Tage bis Weihnachten gezählt hatte. Nur, dass es eben nicht Weihnachten war, sondern Halloween. Für sie war Halloween kein großes Fest und qualifizierte sich schon gar nicht als wichtiger Feiertag. Ihre persönliche Erfahrung beschränkten sich eher auf billige Kostümparties und auf einige wenige hartnäckigen Kindern, die es den Amerikanern nachmachen wollten und nach Süßigkeiten fragten, wobei die wenigsten tatsächlich verkleidet gewesen waren.  Sie wusste, dass es hier anders war, dass man Halloween mit einem großen Bankett feiern würde, und genau das spiegelten die Schüler wider.  Die kalte Morgenluft begrüßte sie, doch ansonsten war es trocken geblieben. Die Sonne war noch nicht komplett durch die Wolkendecke gebrochen und tauchte die Ländereien in bläuliches Licht. Über dem Gras und dem See hing dichter Nebel und machte den Abstieg hinunter zum Ufer schwer. Immer wieder rutschte sie auf dem nassen Gras aus oder erwischte einen Stein, an dem sie hängen blieb.  Stück für Stück kämpfte sie sich nach unten, bis sie flachen Boden erreicht hatte. Anfangs hatte sie um das Schloss herum, durch die Gewächshäuser hindurch, einen Weg gesucht, doch das Gelände war zu uneben und zu bergig, um angenehm laufen zu können. Erstrecht für jemanden wie Evelyn, die erst wieder ins Training finden musste und keine Ausdauer hatte.  Das Ufer um den See hatte sich daher als gute Alternative angeboten. Sie lief keine volle Umrundung, dafür würde sie wohl einen ganzen Tag benötigen, aber eine feste Strecke, die sie jeden Tag ein wenig erweiterte, ehe sie zurück kehrte.  Der Kies knirschte unter jedem ihrer Schritte und das ein oder andere Mal hörte sie etwas aufs Wasser klatschen. Einmal hatte sie einen riesigen Tentakel gesehen, der sich weit aus dem See streckte und mit einem Schwarm Enten spielte, die jedes Mal panisch hochschreckten, wenn der Tentakel sich bewegte, nur um sich dann wieder auf den See zu setzen.  Als sie Daphne heute Morgen gefragt hatte, ob sie sie begleiten wollte, hatte es Evelyn ernst gemeint. Daphne war mit die einzige, die Evelyns Morgensport unterstützte und ihr sogar das ein oder andere Mal bereits Gesellschaft geleistet hatte. Evelyn hatte geglaubt ihr Tempo an Daphne anpassen zu müssen, doch darin hatte sie sich schmerzlich geirrt. Daphne konnte ihr buchstäblich davon rennen, wenn sie wollte. Trotzdem mochte sie ihre gemeinsamen Läufe, in denen sie oft kein einziges Wort wechselten. Beide waren vollkommen zufrieden damit still nebeneinander her zu laufen.  Wenn sie jedoch so wie heute alleine war, nutzte sie die Zeit um sich zu ordnen, nachzudenken und ihre nächsten Schritte abzuwägen. Natürlich hatte in den letzten Tagen das anstehende Halloween-Fest dabei ihre Gedanken beherrscht. Das Fest, das heute abgehalten werden würde. Sie war zum Schluss gekommen, nicht viel beachten zu müssen. Für alle war es ein normaler Tag, wenn man von dem kleinen Zwischenspiel mit dem Troll absah. Aus ihrer Position als unbeteiligter Slytherin sollte sie kaum Einfluss nehmen können. Trotzdem würde sie darauf achten, dass Hermine sich am Ende des Unterrichts im Mädchenklo einschließen würde, und wenn nur um ihr eigenes Gewissen zu beruhigen. Stellte sich nur die Frage, welches Mädchenklo das sein würde? Es gab einige im ganzen Schloss verteilt, darunter auch Myrtes Klo, das sie bisher großräumig vermieden hatte. Mit dem Eingang zur Kammer wollte sie im Moment nicht konfrontiert werden, das war ein Problem, das es in Zukunft zu bewältigen galt. Seit Tagen schon überlegte sie, ob nicht vielleicht doch das Klo bekannt war, in dem Hermine sich verkriechen würde, doch egal wie sehr sie sich anstrengte, falls es eine Erwähnung gab, so konnte sie sich nicht daran erinnern. Sie musste sich eingestehen, dass 4000 Seiten zu viel war, um sich jedes Detail einprägen zu können, so sehr sie es auch versucht hatte.  Der beste Kandidat war in ihren Augen das Klo im dritten Stock, das sich nahe dem Zauberkunst-Korridor befand. Angenommen sie wäre Hermine, ein verletztes junges Mädchen, dann würde Evelyn sich wohl ins erst beste Klo stürzen, das es gab. All das war aber nur eine Vermutung. "Also wirklich", stieß sie schnaufend hervor, "woher wissen die Jungs in welches Klo sie rennen müssen? Es gibt dutzende!" Wenn ich an ihrer Stelle stehen würde, hätte ich mir gar keine Sorgen gemacht, solange Hermine nicht irgendwo im Kerker herumrennt, wo der Troll gewesen sein sollte. Gewesen sein würde? Würde gewesen sein? "Gott, die Sache mit der Zeit macht mich fertig!"  Ihre Gedanken kreisten, bis die ersten Strahlen der Sonne schließlich den Tag ankündigten und den See orange glitzern ließen. Mit Blick auf das Schloss, um das sich die Bäume bereits braun färbten, kehrte sie zurück. Obwohl sie nun einige Wochen Training hinter sich hatte, schnaufte sie nach jedem Lauf schwer, japste regelrecht nach Luft. Sie wusste, dass sich daran nichts ändern würde, da ihre Lunge dank ihres jugendlichen Tabakkonsums nicht mehr ganz so zuverlässig arbeitete.  Die Stufen hinein durch das große Eichentor erklimmend, wünschte sie sich nichts mehr, als einen Schluck trinken zu können, als ihr Professor Quirrell auffiel, der aus dem ersten Stock geeilt kam und scheinbar mit sich selbst sprach. Seine Hände hatte er eng an die Brust gepresst, während er leise seinen Mund bewegte. Jeder andere hätte geglaubt, dass Quirrell wieder eine seiner Panikattacken hatte, so perfekt spielte er seine Rolle, was Evelyn immer wieder erstaunte.  Nie, weder im Unterricht noch auf den Gängen oder beim Essen, fiel Quirrell aus seiner Rolle. Selbst Evelyn, die von seiner Scharade wusste, ertappte sich ab und zu dabei, wie sie ihm seine Gebrechlichkeit abnahm. Auch jetzt wirkte er nur wie ein desillusionierter, kränklicher Mann.  Bisher hatte er Evelyn nicht bemerkt und sie achtete darauf, dass es auch so blieb. Sie drückte sich in die Schatten einer Nische, in die das sanft flackernde Licht der Fackeln nicht reichte. Das Licht von draußen war noch nicht genug, um die Halle völlig zu erhellen, und so lief er an Evelyn vorbei, hinaus auf die Ländereien. Angestrengt hatte sie versucht zu hören, was er murmelte, konnte aber kein Wort verstehen.  Jede Begegnung mit Quirrell war unangenehm, besonders da er immer wieder jeden Slytherin Schüler zu sich rief und sie fragte, ob sie etwas auf dem Herzen hätten, so als verstünde er sich als ihren Hauslehrer. Nach Evelyns Wissen tat er dies nur mit ihnen, und mit sonst keinem anderen Schüler aus anderen Häusern. Evelyn war jedoch zufrieden mit ihrem Hauslehrer, danke schön. Was genau er damit bezweckte konnte sie nur erahnen. Weshalb sie ihn aber heute so früh unterwegs sah, davon hatte sie eine ziemlich gute Vorstellung. Sie widerstand der Versuchung und statt ihm nachzugehen, schob sie sich von der Wand weg und kehrte zum Gemeinschaftsraum zurück.  Noch war es ruhig, doch sie konnte bereits Geräusche und aufgeregtes Gerede aus den Korridoren der Schlafsäle hören.  Bevor sie zu den anderen ging, ließ sie sich auf einen Sessel fallen und schloss zufrieden die Augen. Als sie sie einige Herzschläge später wieder öffnete, stand ein kleiner Servierwagen neben ihr, ein gefülltes Glas Wasser darauf, an dessen Rand Wasserperlen langsam nach unten flossen.  Evelyn schmunzelte und nahm das Glas. "Danke, Neppy!", rief sie in den Raum hinein, ohne sich sicher zu sein, ob die kleine Hauselfe sie hörte. Nachdem Evelyn Neppy einige Male gebeten hatte ihr etwas zu trinken zu geben, hatte Neppy, zumindest nahm Evelyn das an, angefangen ihr ohne Aufforderung etwas zu geben. Eigentlich hatte Evelyn nicht erwartet, dass die Hauselfe auf das hörte, was sie sagte. Wenn sie sich daran zurück erinnerte, wie vehement Neppy jeden Befehlt von Daphne abgewiesen hatte, war das Glas Wasser nicht selbstverständlich. Es musste also einen Unterschied geben zwischen "Halte eine Schülerin mit Wasser am Leben" und "Helfe einer Schülerin ihre Kleidung aufzuheben". Langsam erhellten sich die grünen Lampen um sie herum, das Feuer knisterte bereits einige Zeit im Kamin. Wenn sie nicht zu spät kommen wollte, musste sie sich fertig machen. Mit einem Blick auf den Gang zu den Schlafsälen, wo die ersten Gesichter auftauchten, leerte sie ihr Glas, ehe sie aufstand. Der Tag würde interessant werden.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)