Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Kapitel 25 - Die ersten Knospen im Sommer ----------------------------------------- Kaum, dass sie den Raum, vorbei an dem grinsenden Quirrell, betreten hatten, wehte ihnen der beißende Gestank von Knoblauch entgegen. Millicent war nicht die einzige, die ihre Nase mit beiden Händen bedeckte und auch Evelyn, die eigentlich kein Problem mit Knoblaucharoma hatte, empfand den Geruch als störend. Das Zimmer war eine riesige Halbkugel, an deren einen Seite jede Menge Fenster zum Lüften gewesen wären, doch den dichten Spinnenweben nach zu urteilen die die Gläser bedeckten, waren sie schon lange nicht geöffnet wurden. Kein Wunder, dass der Knoblauch in diesem Raum, voll mit abgestandener Luft, sich bereits zu Sulfur entwickelte, der nach nur wenigen Minuten in der Kehle zu kratzen begann. Irgendwo unter dem dichten Gewächs von Knoblauchknollen hing auch ein Kronleuchter, der schwaches Licht spendete. "Hier riecht es ja wie im Hinterhof des Tropfenden Kessels", flüsterte Draco, der sich mit angewidertem Gesicht einen Platz aussuchte. Dabei fasste er so wenig wie möglich an, so als habe er Angst der Raum und dessen Einrichtung könnte kontaminiert sein. Evelyn sah ihn nur schweigend an, obwohl ihr bereits der Protest gegen Dracos Bemerkung zum Geruch des Tropfenden Kessels auf der Zunge lag. Schließlich fand einer nach dem anderen einen Sitzplatz, sodass sich auch Evelyn niederließ. Ihr Blick fiel dabei direkt auf die Empore im hinteren Teil des Raumes, an deren Treppe dutzende Ketten befestigt waren, die gespickt waren mit kleinen Totems und Kreuzen. "I-Ihr habt eng-eure eng-erste Lektion gn-g-gelernt, Erstklässler. Glückwunsch", sagte Quirrell und klatschte seine Hände zusammen, während er sich vor ihnen aufstellte. Seine Finger fanden jedoch schnell die Falten seines Umhanges, die er nun nervös zu kneten begann. Immer wieder entglitt dem Professor seine Miene und er schluckte zusehends oft und schwer. Evelyn legte ihr Kinn in die Hand, die sie auf ihrem Tisch auf ihren Ellenbogen gestützt hatte und beobachtete jede Geste dieses armen, bemitleidenswerten Mannes; eine Rolle, die Quirrell nahezu perfekt spielte. Niemand, der es nicht wusste, würde etwas anderes hinter seiner Unsicherheit vermuten, als ein schwacher Geist, der mit sich und der Welt überfordert war. "W-wie Ihr gn-g-gesehen habt, i-ist es oft kn-k-klüger, sich zu vn-verstecken, als ..." Oh je. Bereits nach den ersten Worten hatte sie eine Vermutung, was er ihnen mit seiner ersten Ansprache vermitteln wollte. Tatsächlich fuhr er fort darüber zu philosophieren, dass es besser sei Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, dass man nicht kämpfen muss. Schlichtweg, dass man überlebte, wenn man sich hinter einer Tür versteckte. Für Evelyns Geschmack war dies ein äußerst heuchlerischer Start in einen Unterricht, der sich Verteidigung schimpfte. Vor allem wenn man berücksichtigte, mit wem sich Quirrell just in diesem Moment einen Körper teilte. Der Parasit auf deinem Hinterkopf hätte die Tür mit einem Bombarda schneller eingerissen, als ich "kitzeln" aussprechen könnte. Augenrollend lehnte sie sich zurück in ihren hölzernen Stuhl und verlor sich in der Fantasy eines Lord Voldemorts, der verzweifelt eine widerspenstige Tür kitzelte, sodass sie kaum mitbekam, was der erzählte, der den echten Teil des dunklen Zauberers in sich trug. Mit jeder weiteren Minute, in der Quirrell eine Lüge nach der anderen erzählte, strickte Evelyn ihre zugegeben respektlose Fantasy weiter, bis ein kriechender Lucius die Szene betrat um seinem Herrn zu helfen durch die Tür zu kommen, bis sie schließlich beide aufgaben; jedoch nicht ohne eine Nachricht auf die Tür zu kritzeln um die Anwohner wissen zu lassen, "Voldemort war hier". Als sie aus ihren Träumereien mit einem leisen Gluckser zurückkehrte und Quirrell fixierte, überkam sie das schlechte Gewissen. Es war unpassend derart lächerlich von demjenigen zu denken, der dieses Land in Angst und Schrecken versetzt hatte und es in wenigen Jahren erneut terrorisieren würde, bis er gestoppt werden würde. Jedoch nicht ohne hunderte Menschen mit in den Tod zu reißen. Nun war er keine Figur aus Tinte und Buchstaben mehr, der man zum eigenen Vergnügen unsinnige Dinge andichten konnte, sondern eine reale Bedrohung, auch für Evelyn. Anders als McGonagall, die während ihrer Ansprache durch die Reihen der Schüler geschritten war, bevorzugte es Quirrell sich in gebührendem Abstand vor ihnen aufzuhalten, so als sei er an Ort und Stelle mit den Ranken seines Knoblauches verwachsen, die ihm bereits bis an den Turban reichten. Kaum, dass Evelyn an den Turban dachte, wendete sie sich ab und kniff die Augen zusammen. Alles an diesem Mann erinnerte sie an das, was er verbarg und je länger sie darüber nachdachte, je länger sie hier auf engstem Raum mit ihm war, kaum ein paar Schritte von ihm entfernt, desto schlechter wurde ihr. In diesem Moment, in dem Quirrell gerade erzählte, wie sie in diesem Jahr lernen würden einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, wurde ihr klar was es hieß still sein zu müssen. Zuzusehen, wie all die Ahnungslosen um sie herum in ihr mehr oder weniger verfluchtes Schicksal liefen. Abwesend begann sie an ihrer Lippe zu kauen. In der Theorie war ihr das bereits bewusst gewesen, spätestens auch seit sie McGonagall in Ollivanders Geschäft kennengelernt hatte. Es nun jedoch derart vor sich zu sehen, war etwas völlig anderes. Sie entschied, dass Humor und Sarkasmus der beste, wenn nicht gar der einzige Weg waren, diesen Unterricht und vermutlich auch andere ähnliche Situationen in der Zukunft zu überstehen. Und wenn es bedeutete sich Voldemort sprichwörtlich in Unterhosen vorzustellen. Nein, Unterhosen sind vielleicht doch ein wenig zu traumatisierend... Diese Vorstellung würde wohl das genaue Gegenteil in Evelyn bewirken, nämlich dass sie schreiend den Raum verlassen würde, anstatt hier ruhig auf ihrem Platz zu bleiben. Der Geschmack nach Kupfer breitete sich in ihrem Mund aus, während warmes Blut aus einer aufgekauten Wunde an der Lippe sich mit ihrem Speichel vermischte. Trotz des leicht pochenden Schmerzes knabberte sie weiter und vergrößerte völlig in sich gekehrt die Wunde. Humor und Sarkasmus als Mittel gegen schwerwiegende philosophische Fragen ... Andererseits, gab es überhaupt einen richtigen Weg über jemanden wie Voldemort nachzudenken? Vermutlich gab es den nicht, oder zumindest wollte Evelyn nichts Besseres einfallen. In diesem Augenblick, mit noch geringer Gefahr, erschien die Lösung plausibel, ob sie sich jedoch in wenigen Jahren noch traute auch nur in Gedanken lächerliche bis respektlose Geschichten zu erfinden, würde sich zeigen. Quirrells Stunde zog sich dahin und am Ende waren sie sich in einem sicher: dieser Unterricht würde kaum interessanter werden, als er sich heute gezeigt hat. Die Annahme ihres Lehrers "Flucht sei die beste Verteidigung", machte wenig Hoffnung auf praktische Zauber und Übungen jeder Art. Da er nur starr vor ihnen stand und seinen auswendig gelernten Text nur mühsam vortrug, ermüdete Evelyn mit jeder Minuten mehr. Selbst die störende Tinte war irgendwann nicht mehr genug um sie abzulenken, da sie das Gröbste erfolgreich von ihrer Haut gekratzt hatte. Hinzu kam die Aussicht in wenigen Stunden den ersten Astronomieunterricht absolvieren zu müssen. Etwas, worauf sie gerne wenigstens heute verzichtet hätte. Sie versuchte den Kopf hochzuhalten, immerhin war es nicht irgendein Unterricht, sondern magischer Unterricht; der jedoch weitaus interessanter gewesen wäre, wenn sie die Zauberstäbe irgendwann auch benutzt hätten. Die ersten Tage wurden zur Eingewöhnung genutzt, sagte sie sich. Namen mussten gelernt, Regeln festgesetzt werden, da unterschied sich Hogwarts von keiner anderen Schule. Plötzlich wurde es um sie herum unruhig. Eilig griffen alle nach ihren Taschen und erhoben sich unter leisem Gemurmel. Erst jetzt bemerkte sie, dass das Ende der Stunde erreicht war. "S-sss-Slytherins, b-bitte bm-bleibt noch ai-a-einen Moment hier", rief Quirrells Stimme über den lauter werdenden Tumult der flüchtenden Schüler hinweg. Evelyn sah sich schon selbst unter der lang ersehnten Dusche stehen und war wenig angetan nun noch zu warten, was Quirrell zu sagen hatte. Auch die anderen, obwohl die nicht zusätzlich mit Tintenresten übergossen waren, trotteten eher widerwillig zurück in Richtung des wartenden Professors. "Hallo, gn-guten Tag", begann er mit nervösem Zucken um den Mund. Keiner erwiderte den seltsamen Gruß, sodass Quirrell mit einem kurzen Räuspern weitersprach. "E-ssss fn-f-freut mich s-sn-so namhafte Erben u-ung- unterrichten zu dürfen", sagte er mit einem Blick auf den jungen Malfoy, der sofort seine Brust anschwellen ließ. Evelyn hob nur irritiert ihre Augenbrauen. Was soll das werden? Noch schockierter stellte sie fest, dass Quirrell ihnen näher kam, bis der unangenehme Geruch nach Knoblauch, der sowieso schon an ihren eigenen Kleidern zu haften schien, sich verstärkte. Quirrell stank regelrecht danach. "Ich hng-hn-hoffe, wie w-werden gut miteinander ah-a-auskommen. Wenn Ihr rm-reden w-wollt, dann sch-st-steht meine Tür immer offen." Während Evelyn seinen Worten folgte, wäre ihr beinahe der Mund aufgeklappt. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass Schüler, so ahnungslos sie auch waren, es bevorzugen würden ausgerechnet die Knoblauchhöhle ihres Verteidigungsprofessors zu betreten und mit dem einzigen Menschen in Hogwarts zu reden, der genau damit Probleme hatte. Ein flüchtiger Blick in die Gesichter der umstehenden Slytherin gab ihr recht. Trotzdem nickten sie, da die Höflichkeit es ihnen vorschrieb und in der Hoffnung, das Gespräch sei damit endlich beendet. Leider nein. Quirrell widmete jedem ein unsicheres Grinsen, bis er bei Evelyn stockte. "W-wie sehen Sie dn-denn aus. I-ist das T-Ttit-Tit-" "Tinte", unterbrach ihn Evelyn aus Angst, er könnte ein falsches Wort sagen. "Tinte, Sir", setzte sie nach, so widerwillig ihr das Wort auch über die Lippen kommen wollte. "W-wie w-war Ihr Name?", sagte er, wobei er hilfesuchend nach einem Anzeichen an Evelyn suchte, das sie einer Familie zuordnen würde. "Evelyn Harris, Sir." Quirrell verzog seinen Mund zu einem schmalen Lächeln und legte seine Hände eng an die Brust. "I-ist mir kn-kk-kein Begriff", meinte er schlicht mit wenig Elan in der Stimme. Die Gruppe Schüler warf Evelyn einen undurchsichtigen Blick zu, als könnten sie Quirrells Unwissenheit verstehen. Ihre Reputation, oder was andere über sie dachten, war ihr so ziemlich egal, doch ein wenig erleichtert war sie schon durch ihre vermeintlich minderwertige Abstammung ein uninteressantes Ziel für Quirrell und damit für Voldemort zu sein. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass ihr stotternder Professor auch die anderen Schüler anderer Häuser so freigiebig eingeladen hatte mit ihm zu reden, wann immer es ihnen danach war. Dieses Angebot galt mit Sicherheit nur dem in Voldemorts Augen "würdigem" Haus Slytherin. "Oh, i-ich halte Euch auf", sagte er an die anderen gewandt und wedelte mit seinen dürren Händen vor ihren Gesichtern. "H-huu-husch, husch, Ihr habt sn-sicher Hausaufgaben zu mn-mh-machen." Quirrell warf ihnen einen letzten leicht irritierenden Blick zu, ehe er sich auf den Fersen umdrehte und in kurzen Schritten die hintere Empore bestieg. Schließlich, als er in seinem Büro verschwand, dessen Tür er mit erstaunlicher Härte zuschlug, standen sie allein. Allen war das Gespräch unangenehm gewesen und in ihren stummen Gesichtern spiegelte sich Verwirrung wider. Wenn es nach Evelyn ging, so hatte sie genug Zeit in dieser vernebelten Hölle verbracht und sie wollte endlich zurück in den Gemeinschaftsraum. Bevor die anderen sich rührten, war sie bereits so gut wie aus der Tür. Die frische, leicht erdige Luft in den Gängen fühlte sich in ihren Lungen wie Wasser in der Kehle eines Verdurstenden an. Noch einige Zeit hing ihr der schwere Sulfur Geruch in der Nase, doch je weiter sie das Schloss hinabstieg und den Kerkern näher kam, desto freier konnte sie atmen. Für die meisten war der Unterricht für heute vorbei, sodass es den größten Andrang vor und in der Großen Halle gab, wo bereits mehrere Gruppen Schüler an ihren Hausaufgaben saßen, oder sich einfach bei leckeren Schnittchen die Zeit vertrieben. Nichts dergleichen schwebte Evelyn vor. Sie konnte es kaum erwarten sich endlich zurück zu ziehen und Peeves nettes Willkommensgeschenk abzuwaschen. Hinzu kam noch die mittlere Katastrophe, die sich momentan in ihren Händen befand. Der Anteil an Tinte, der über Geschichte Hogwarts' gelaufen war, hatte sich inzwischen in die Seiten gefressen und war ohne Zweifel ebenfalls getrocknet. An lesen war vorerst nicht zu denken, es galt den Schaden zu beheben, oder mal wieder zu improvisieren. Ihr erster weg war die Dusche, denn vorher musste sie sich um ihre verklebten Haare kümmern, wobei sie sogar befürchtete, das intensive Waschen würde die Färbung schneller als geplant verblassen lassen. Es gab noch so viele Dinge, an die sie denken musste, wie zum Beispiel einen Zauber, der die Färbung länger heben lassen würde. So etwas musste es doch geben, oder? Hinzu auf ihre Zu-lernen-Liste kam nun auch noch ein Scrourgify, in dem sie ihre einzige Chance sah das Buch vor Abgabefrist zu retten. Mit schmerzhafter Brust besah sie sich des Buches, als sie endlich nach der Dusche im Mädchenschlafsaal ankam. Ein großer Teil der Seiten waren inzwischen wie bereits vermutet stark verklebt und Evelyn befürchtete, die dünnen Pergamente würden einreißen, falls sie versuchte, sie voneinander zu trennen. Auch der Ledereinband hatte etwas abbekommen. Ein Teil war am Buchrücken zwischen die Schnürung gesickert und war ins Leder gezogen, sodass er nun hässliche Flecken und dunkle Ränder hatte. Selbst die Seiten, die nicht getroffen worden waren, zeigten Spuren ausgelaufener Tinte, sodass das Innere nun beinahe einem Rorschach-Test ähnelte. Sie legte das Buch beiseite, indem sie es in eine der noch leeren Schubladen der kleinen Kommode neben ihrem Bett legte. Aus dem Auge, war definitiv nicht aus dem Sinn, doch bevor sie den Schaden nicht reparieren könnte, würde sie den Anblick des zerstörten Buches nicht ertragen. Stattdessen versuchte sie sich mit Hausaufgaben und zog sie ihre heutige Schullektüre zur Hand um den von Professor McGonagall geforderten Aufsatz vorzuformulieren. Es war angenehm im Mädchenschlafsaal zu arbeiten, solange sie, wie jetzt, alleine war. Theorie der Magie neben sich und ein Stück Pergament auf ihrem Schoß ausgebreitet, saß sie im Schneidersitzt auf ihrem Bett und arbeitete an ihren ersten Hausaufgaben für Hogwarts. Trotz der unschönen Begegnung mit Peeves, die ihre positiven Emotionen ein wenig gedämpft hatte, bereitete ihr das Bearbeiten von Verwandlungstheorie durchaus Freude. Davor tatsächlich irgendwann etwas verwandeln zu müssen, hatte sie großen Respekt, vor allem wenn sie sich die Liste all der Dinge ansah, die dabei schief gehen konnten. Ohne es jemals versucht zu haben bezweifelte sie, dass sie in Professor McGonagalls Unterricht zu ihren Spitzenschülern gehören würde; vermutlich nicht einmal ins Mittelfeld. Bereits kleine Zauber wie Accio oder Reparo bereiteten ihr große Probleme und sie schaffte sie nur unter höchster Konzentration. Sie machte sich keine Illusionen in irgendeinem praxisorientierten Unterricht wirklich gut zu sein, dennoch freute sie sich natürlich darauf. Ironischerweise hatte sie gehofft, die Beschreibung von Professor Binns Lehrmethoden seien ein wenig überzogen, denn sein Unterricht gehörte zu der Kategorie in der sie gehofft hatte, guten Noten für ihr irgendwann anstehendes Zeugnis zu sammeln. Nach der heutigen Stunde, in der ihr nur allzu schmerhaft bewusst geworden war, dass jede Vorstellung und jedes Gerücht über Professor Binns der Wahrheit entsprach, musste sie wohl auch dieses Fach abschreiben. Blieben Fächer wie Kräuterkunde, Astronomie und, so unglaublich es war, Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Quirrell hatte es mehr als deutlich gemacht, dass er in seinem Unterricht die Kunst des Versteckens und des Weglaufens lehren würde. Ihnen stand ein trockener Lehrplan bevor, der Evelyn eigentlich nur recht sein konnte. Blieb nur noch Zaubertränke. Im Grunde traute sie sich das Fach zu und glaubte besser damit umgehen zu können, als beispielweise mit Zauberkunst. Vor allem wenn sie daran dachte, wie sie das bereits mit ihren selbstgebrauten Elixieren unter Beweis gestellt hatte. Allerdings gab es einen gewissen Lehrer, den sie einfach nicht einschätzen konnte und die Bücher, die leider fast gänzlich aus Harrys voreingenommener Sicht geschrieben waren, waren in der Hinsicht nicht gerade vertrauenswürdig, was seine Kompetenz als Lehrer oder faire Benotung anging. Zwar gehörte sie zu "seinem Haus", doch der Slytherinbonus würde wohl kaum genügen die Fehltritte wett zu machen, die sie seit der ersten Minuten zum Teil unfreiwillig veranstaltet hatte. "Hier bist du", rief ihr eine aufgeregte Millicent entgegen, die die Tür hineingeplatzt kam. Evelyn fuhr erschrocken zusammen und hätte beinahe den zweiten Tintenunfall des Tages verursacht, als ihr Tintenfässchen bedrohlich auf dem Bett zu schwanken begann, bevor sie es mit schnellem Griff fest hob. "Ist was passiert?", fragte sie mit klopfenden Herzen, wobei sie versuchte sich zu erinnern, ob in den ersten Tagen etwas Schlimmes geschehen würde. Millicent, die alleine gekommen war, legte jedoch den Kopf schief und blinzelte Evelyn verwundert an. "Passiert? Nein, wie kommst du darauf?" Weil du schreiend ins Zimmer reingeplatzt kommst? Erleichtert atmete Evelyn aus und räumte ihre Hausaufgaben zusammen. Millicent stellte sich daneben und schaute ihr eine Weile zu, ehe sie weiter sprach. "Machst du etwa jetzt schon Hausaufgaben?" "Wieso denn nicht?", erwiderte Evelyn mit einem Schmunzeln als sie sah, wie Millicent regelrecht angewidert das Gesicht verzog. "Wir haben kaum die erste freie Minute heute, und du arbeitest schon wieder." Zu Evelyn Erstaunen schmiss sich Millicent auf das Bett – auf ihr Bett – nachdem Evelyn ihre Hausaufgaben in Sicherheit gebracht hatte. "Wir hatten Mittagspause", sagte Evelyn nüchtern und hob die Hand, um auf Millicent zu deuten. "Eigentlich ist das mein Be-" "Eine Mittagspause, in der wir nur schnell unser Essen hineinstopfen mussten, bevor wir auch schon weiter mussten. All die Stufen hoch in den Nord-Turm. Mit vollem Magen." Entsetzt sah Evelyn nun, wie sich Millicent austreckte und sich auf den Rücken rollte, alle Viere von sich gestreckt, wie eine Katze. Irritiert von dieser plötzlichen Nähe lehnte sie sich weit nach hinten. "Selbst zum Mädchenschlafsaal kommt man nur über Stufen", fuhr Millicent fort. Stichwort. "Stufen, die wir wieder hoch sollten, es gibt bald Abendessen und die anderen warten sicher auf dich." Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen rutschte sie von der Matratze in der Hoffnung Millicent würde ihr folgen. Die starrte jedoch weiter auf dem Rücken liegend an die Decke des Bettes. "Urgh, nicht schon wieder bewegen. Das ganze Gerenne macht mich fertig." Millicent wirkte erschöpft. Aus ihrer Gruppe war sie die Fülligste und Evelyn konnte nur erahnen wie es ihr ergehen musste, all die Stufen rauf und runter zu müssen, ständig angetrieben von einem striktem Stundenplan und den warnenden Worten ihres Hauslehrers nie zu spät zu kommen. In dem Moment, in dem sie Millicent so ausgelaugt auf ihrer Matratze liegen sah, bekam sie plötzlich Mitleid. "Stell die vor zu wärst Filch. Dann müsstest du auch noch nachts in den Gängen rumwuseln und das Schloss auf und ab gehen." Sie hatte gehofft Millicent damit ein wenig zu erheitern, doch die stimmte nicht in Evelyn verhaltenem Lächeln ein. Stattdessen hob sie nur fragend den Kopf. "Wer ist Filch?" "Na, der Hausmeister. Der Alte, Dünne?" "Ach, der mit der süßen Katze." Süß, ja. "Der ist Hausmeister?" Ein trockenes Lachen entfloh ihr, als sie in Millicents verblüffte graue Augen sah. "Was hast du denn gedacht, wer er ist?" Endlich rappelte sich Millicent auf. "Keine Ahnung, nichts, habe ich gedacht." Ihr Blick fiel auf Evelyns Kommode und die Hausaugaben, die darauf abgestellt waren. "Ich habe gesehen, wie du Notizen gemacht hast, sogar bei dem ollen Geist Professor Binns." Ihr Ton, der gerade noch quirlig und laut war, hatte sich plötzlich zu einem melancholischen Flüstern verändert. "Notizen kann man das nicht nennen, ich habe kaum aufgepasst." Millicent schüttelte den Kopf. "Ich beneide dich. Du hast keinen Druck und trotzdem sitzt du hier und machst Hausaufgaben. Du wirst bestimmt eine gute Schülerin; und mein größtes Erlebnis wird sein, eine Tür gekitzelt zu haben." Keinen Druck weshalb? Eben noch hatte Evelyn das Gefühl gehabt sich verteidigen zu müssen, wenn ihr auch nicht klar war, wovor. Doch nun blieben ihr die Worte aus, überfordert mit der Situation. So plötzlich Millicents Stimmung umgeschwenkt war, kehrte sie nun auch wieder zu ihrem fröhlichen Wesen zurück. Mit einem Ruck hüpfte sie vom Bett und streckte sich. "Ich schätze Mal die anderen warten wirklich." Sie war praktisch schon aus der Tür, da stand Evelyn noch immer im Mädchenschlafsaal, die Hände gegen die Seiten gepresst. "Was war das gerade?", fragte sie in den Raum hinein, sodass Millicent es noch hören konnte. Sofort erschien ihr Kopf wieder hinter der Tür. "Ich wollte nur sagen, dass du viel weißt", erwiderte Millicent wenig überzeugend. Evelyn senkte die Augen und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, genauso wenig die Worte, die daraufhin folgten. "Ich bitte dich. Nur weil ich den Hausmeister kenne, bin ich noch lange nicht allwissend." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)