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Distant Stars

von

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Befreiung

September, 1971

 

Sirius hatte am Abend seiner Feier eine Menge von Onkel Alphard gelernt. Zum einen, welche Befreiung es ihm bereitete, einen Tumult zu verursachen und anschließend unschuldig daraus hervorzugehen. Endlich selbst einmal Fädenzieher und Beobachter zu sein, sich nicht unterdrücken und verbiegen zu lassen. Macht zu besitzen, der sich andere nicht entziehen konnten.

Zum anderen, dass er seinen Bruder nicht vor dem schädlichen Einfluss ihrer Eltern beschützen konnte. Sie hatten ihn bereits mit Quidditch, Süßigkeiten und Kreacher (der das vergangene Jahr erstaunlicherweise überlebt hatte) geködert. Sirius kam nicht mehr an Reggie heran. Er konnte ihm nur zugutehalten, dass er weder ihn noch Alphard an die Eltern verraten hatte. Trotz seiner Enttäuschung rechnete Sirius das seinem Bruder hoch an.

 

Ihm blieb also nichts anderes übrig, als die Einladung für seine Aufnahme in Hogwarts abzuwarten, die das führnehme und gar alte Haus der Blacks pünktlich im Juni erreichte. Diesmal hielten Orion und Walburga davon Abstand, ihm zu Ehren irgendwelche Feierlichkeiten zu veranstalten – und sie taten gut daran.

Sirius bekam regelmäßig Tadel für seine neu entdeckte Widerspenstigkeit, wie seine Eltern es nannten, doch er hatte ein interessantes Druckmittel gefunden, wenn sie ihm zu sehr zusetzten: Er weigerte sich, zu essen.

Zunächst hatte Walburga nur gehässig mit den Schultern gezuckt und gesagt: „Soll er doch. Er wird schon sehen, was er davon hat.“

Es dauerte allerdings nicht lange, bis die Leute anfingen, darüber zu reden, wie verwahrlost und krank der älteste Spross der Blacks plötzlich aussah. Seine Eltern mussten feststellen, dass sie ihn nicht, weder mit Gewalt noch Strafe, zum Essen zwingen konnten.

Das Familienleben wurde seitdem nicht unbedingt schöner, aber doch um einiges einfacher für ihn. Insgeheim glaubte Sirius, dass seine Eltern froh waren, ihn bald für einen Großteil des Jahres aus dem Haus zu haben und um ehrlich zu sein, erging es ihm selbst ja kaum anders.

Nur an Regulus‘ Verbleib dachte er gelegentlich noch mit etwas Wehmut. Doch … Mehr, als dafür zu sorgen, dass sein Bruder zu seinem Quidditchtraining kam, konnte er nicht tun.

 

Der Morgen des ersten Septembers brach an, sonnig, mit dem süßlichen Nachgeschmack von Spätsommer, aber auch mit einem frischen Hauch des nahenden Oktobers. Zu seiner Überraschung, war es nicht Kreacher, der ihn heute weckte.

„Steh auf, Siri!“

Regulus zerrte an seiner Decke. Sirius gab ein unwirsches Grunzen von sich. Er hasste diesen Spitznamen und noch mehr hasste er es, früh aufzustehen. Regulus warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze, landete halb auf Sirius und ließ das Bett ächzen.

„Auu!“

„Hogwarts ruft!“, trällerte Regulus, die Nervensäge, und plötzlich war Sirius hellwach – fast. Er blinzelte in das Morgenlicht, das sein Bruder soeben ins Zimmer gelassen hatte, und schob ihn von sich und aus seinem Bett. Regulus landete wie eine Katze auf allen Vieren, noch barfuß und im Schlafanzug, doch breit grinsend und viel zu aufgedreht. Wieder einmal verspürte Sirius den Drang, ihm durch das – schlafzerzauste – Haar zu strubbeln, obwohl er noch immer so tat, als sei er beleidigt ob des unsanften Weckrufs.

„Hast du alle deine Sachen gepackt?“

Schon seit zwei Wochen.

„Klar, was denkst du von mir?“

„Nur das Beste, Bruderherz.“

Sirius seufzte tief.

„Jetzt hau ab, ich will mich anziehen!“

 

Orion und Regulus begleiteten ihn zum Bahnhof King’s Cross. Seltsamerweise schob sein Vater den Gepäckkarren mit seinem Koffer. Eine ungewöhnlich nette Geste für den sonst so lieblosen Mann. Eine ungewöhnlich nette Geste gegenüber Sirius. Vielleicht freuten sie sich wirklich alle, wenn sie einander für eine Weile los waren. Walburga war nicht einmal mitgekommen. Mit plötzlich gemischten Gefühlen steuerte er mit Bruder und Vater auf die Schranke zu, die Gleis 9 von Gleis 10 trennte. Sirius schluckte. Was sollten diese albernen Gedanken? War es nicht alles, was er sich gewünscht hatte? Von hier wegzukommen, endlich Abstand zu gewinnen?

Entschlossen trabte er los, verfiel in einen Laufschritt und rannte schließlich geradewegs auf die Absperrung zu. Er hörte seinen Vater hinter sich rufen, dann hatte er auch schon die magische Barriere zum Gleis 9 ¾ passiert und – KRACH.

„Mensch, pass doch auf!“, rief jemand.

Sirius sah für einen Moment Sterne; er musste blinzeln, bevor er sich vom Boden aufrappeln konnte, auf dem er gelandet war.

„Sorry, ich hab‘ dich nicht – hey. Du hättest auch aufpassen können!“, schnauzte er auf Knien zurück, als er sah, dass er mit einem Jungen zusammengestoßen war, der in etwa in seinem Alter sein musste. Der Junge blinzelte ebenfalls; die Brille hing ihm von dem Zusammenstoß schief von der Nase. Er setzte sie richtig auf, wischte sich die Hände an der Hose ab und starrte Sirius finster aus tiefbraunen Augen heraus an, die durch die Gläser etwas größer erschienen, als sie tatsächlich waren.

Das … rabenschwarze Nest auf seinem Kopf, das er wohl als seine Haare bezeichnete, ließ ihn, zusammen mit dem Blick, entfernt wie eine dürre, wütende Eule aussehen und Sirius musste kichern.

„Was lachst du denn so doof?“, fauchte er der Junge und sah noch zorniger aus. Sirius‘ Lachen wurde umso heftiger.

„Tut mir leid – du … du siehst echt bescheuert aus!“

Sirius hielt sich den Bauch vor Lachen und spürte, dass sich unheilvoll ein heftiger Schluckauf ankündigte.

„Ist nicht dein Ernst!“, zischte der Eulenjunge und merkwürdigerweise begann er plötzlich zu grinsen. Er fuhr sich durchs Haar, das dadurch nur noch schlimmer von allen Seiten ab stand.

„Du siehst auch ganz schön Scheiße aus“, behauptete er frech und reichte Sirius die Hand. Glucksend und von Schluckauf geschüttelt ergriff er sie und sie zogen sich gegenseitig aneinander hoch. Sobald sie sich gegenüberstanden, musterten sie sich, als hätten sie einander gerade erst entdeckt. Eulenjunge war ein schlaksiges Kerlchen, nicht unbedingt gutaussehend, aber doch in gewisser Weise charismatisch. Sein hitziger Blick hatte sich gelegt, nur das Grinsen war geblieben.

„Ich hätte wirklich nicht so vor der Absperrung rumstehen dürfen“, gab er zu und sah Sirius nahezu entschuldigend an.

„Hättest du!“, stimmte er zu und setzte eine todernste Miene auf.

Dann sah er sich zum ersten Mal in seinem Leben am magischen Bahngleis um. Hinter ihnen strömten, wie es schien,  zwei Großfamilien durch durch die magische Schranke. Sein Vater und Regulus waren nicht unter ihnen. Beeindruckt betrachtete Sirius die scharlachrote Dampflock, aus der schwarzer Rauch aufstieg.

Familien, Kinder, teilweise schon in ihren Schulumhängen, Haustiere und Gepäckstücke überfluteten den Bahnsteig. Es war zweifelsohne aufregend, aber auch ein wenig einschüchternd.

„Kennst du hier schon irgendjemanden?“, fragte Sirius und versuchte, möglichst selbstsicher zu klingen. Fehlte noch, dass er vor der Eule Schwäche zeigte. Immerhin hatte dieser Junge einen solchen Dickschädel, dass er ihn damit zu Boden gerammt hatte. Die große Klappe schien allerdings mit Sirius‘ Frage ein wenig in sich zusammenzuschrumpfen. Eule schüttelte nämlich nur kurz den Kopf.

„Nee. Du denn?“

„Nee.“

„Ok.“

Sein Vater und Regulus tauchten hinter ihnen auf. Eule entfuhr ein Kichern als er das finstere Gesicht des bleichen Mannes sah, das sich hektisch in ein Räuspern verwandelte, als der eisige Blick plötzlich ihm galt.

„Hier steckst du, Sirius. Deine Sachen, Junge.“

Orion beachtete Eule gar nicht weiter, sondern stellte den Gepäckkarren vor Sirius ab und betrachtete seinen Sohn einen Moment lang. Dann streckte er die Hand aus. Sirius ergriff sie zögernd und schüttelte sie.

„Schreib deiner Mutter, wenn du es nach Slytherin geschafft hast.“  

„Werd‘ ich“, murmelte Sirius und vermied den Blick in Richtung Wuschelkopf.

Sein Vater ließ seine Hand los und Reggie umarmte ihn stürmisch.

„Schreib‘ mir auch mal!“, sagte er und es klang tatsächlich so, als würde er sich über Post von seinem großen Bruder freuen.

„Mal sehen“, sagte Sirius und drückte Regulus kurz, lächelte aber. Er würde Regulus schreiben. Wenn, dann ihm.

„Auf Wiedersehen, Sohn. Du solltest zusehen, dass du einen Platz im Zug bekommst.“

Sirius nickte zum Abschied und wandte sich dann mitsamt seinem Koffer zu Eule um, der halb erstickt von einem Fuß auf den anderen trat. Aus irgendeinem Grund amüsierte sich dieser Kerl königlich. Sirius verdrehte die Augen und hieß ihn mit einem Kopfnicken, mitzukommen.

„Was ist eigentlich so lustig?“, grummelte er, als sie außer Hörweite seiner Familie waren.

„Gar nichts ist lustig – ich bin nur aufgeregt“, gab der Junge überraschenderweise zu.

„Du heißt Sirius, ja? Ich bin James.“

„Hi, James“, sagte Sirius, nicht ganz ernstgemeint. Für eine Begrüßung war es inzwischen schon etwas zu spät.

„Wartest du auf mich? Ich will mich noch von meinen Eltern verabschieden, aber danach können wir zusammen sitzen. Wenn du willst!“

Sirius wollte. James war schon in Ordnung. Zumindest für den Anfang.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Herzlichen Glückwunsch - ihr seid am Ende angelangt. Ich bedanke mich fürs Lesen! Fertig ist das Bild, das ich von Sirius' Kindheit gekritzelt habe. Es hat Spaß gemacht, ihn auf diese Weise kennenzulernen. Komplett anzeigen

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