Kioku no Kaze von Kibo-kamichan (Wind der Erinnerung) ================================================================================ Prolog: -------- „Hey Katayama-san, herzlichen Glückwunsch zum Abschluss. Schade, dass es nur für den zweiten Platz gereicht hat.“ Ein junger Mann umgriff kurz meine Hüfte, bevor er mich spielerisch zu sich drehte. Ich schnaubte und starrte ihnen aus meinen rotbraunen Augen an. Spielerisch zwickte ich ihm in die Hand, sodass er die Pfoten von mir ließ. „Schwing keine Reden Nummer 100.“, blökte ich, bevor ich meinen grünschwarzen Pferdeschwanz zur Seite schwang und ihm einen verachtenden Blick schenkte. Er schmunzelte und zwinkerte mir kurz zu. „Ich habe ja auch nicht vor zu studieren, Streberin. Kaum zu glauben. Wie viele Streber hast du dafür erpresst, damit sie dich unterrichten?“ „Genug.“, flüsterte ich und strich leicht über seine Wange. „Es war wirklich leicht. Teilweise war es schon sehr kindisch, was ich dafür machen musste. Aber naja. Was tut man nicht dafür?“ „Wurdest du angenommen?“ „Natürlich.“, meinte ich ernst und streichelte noch einmal seine Wange. Es war schon schade, dass er mich nicht an meine Uni begleiten würde. Aber es fand sich bestimmt ein passender Ersatz, der mir gute Dienste leistete. „Was ist mit dir?“ „Ach, ich werde erst einmal etwas Jobben gehen. Kennst mich doch. Ich packe einfach gerne an. Erst recht dich.“ Dieses gewohnte heiße Knistern kitzelte meine Nerven, wenn ich nur an die vielen Dinge dachte, die wir schon gemacht hatten. Er hatte wirklich immer gerne angepackt. Möglicher Weise würde ich ihn doch noch etwas halten. Aber nur etwas. „Verständlich, bei dem was ich zu bieten habe.“ „Verfickt noch mal sehr viel. Was mach ich nur, wenn ich diese Kurven so selten ab jetzt sehen kann?“ Ich löste mich etwas von ihm und hob die Schultern. „Da kann man sich bestimmt einig werden, aber jetzt muss ich erstmal feiern.“ Er grinste mich an: „Gerne, wo?“ „Also…“ „Frau Katayama-dono, Sie werden erwartet.“, meinte eine erwachsene männliche Stimme hinter mir. Ich drehte mich geschickt zu ihm, während sich mein Blick ganz natürlich verfinsterte. Mein dunkelblauer Faltenrock schien auf einmal steif, wie auch meine weiße Bluse, die ich in meinen Rock gestopft hatte. Die blaue Schleife hingegen würgte mich. Ich zog ein wenig daran mit meinem Finger, bevor ich gerade und fest den Chauffeur entgegenblickte. Wieso war er hier? „Worum geht es?“ „Ihr Vater erwartet Sie. Bitte folgen Sie mir.“, meinte er ernst und sah noch einmal zu dem Typen hinter mir. „Alleine.“ Ich hatte schon verstanden. Mein Herz zog sich ein wenig zusammen. Wie konnte er es wagen auch noch diese Grenze zu überschreiten? Mit geballten Fäusten atmete ich einmal tief durch, drehte mich um und lächelte den Schönling an. „Wir verschieben das auf später.“ „Natürlich. Feier schön.“, hauchte er. Mein Magen würgte kurz. Feiern… Wenn der wüsste. Aber so war es halt. Ich folgte meinem Chauffeur. Ich war jetzt 18 und müsste noch 3 Jahre unter der Herrschaft meines Vaters ausharren, aber auch danach wäre es noch die Frage, ob ich von ihm loskäme. In all diesen Jahren hatte es wohl kaum einen gegeben, der wusste, wer mein Vater wirklich war. Wenn es einer rausbekam, verschwand er, außer er arbeitete für meinen Vater. Somit hatte ich irgendwann auch aufgegeben, jemanden zu erzählen, was in meinem Heim so vor sich ging. Es konnte mir doch sowieso keiner helfen. Niemand der es je versucht hatte, hatte seine Taten überlebt. Des Weiteren wusste er, wie er schlechte Nachrichten im Keim erdrückte. Etwas nervös stieg ich in den Wagen. Es war fast so, als würde ich in dem Moment alles verlieren. Mein ganzer Schutzwall schien defekt, als sich die Tür zur Freiheit schloss. Er stieg ein und wie immer verriegelte er die Türen. Angeblich, damit ich nicht entführt würde, aber für mich fühlte es sich eher so an, als ginge es nur darum, dass ich nicht fliehen könnte. Ich presste meine Knie gegeneinander und versuchte mein Herz zu beruhigen. Wie so oft versuchte ich mein Daheim zu vergessen und zu verdrängen. Dabei war meine Maske perfekt, aber sobald es um meinen Vater ging, da konnte ich es nicht mehr wahren. Wie ich mir doch wünschte, ihm auch meine Meinung geigen zu können. Ihm meinen Fächer an den Hals zu halten, den ich mit einer rasiermesserscharfen Klinge bestückt hatte. Doch jedes Mal, wenn ich nur den Gedanken in Betracht zog, verflog alles. Die Angst lähmte mich regelrecht, wenn er meinen Körper gefangen nahm. Argh! Ich schüttelte mich und strich über mein langes hochgebundenes Haar. Gerade hatte ich meinen Abschluss gemacht. Hätte er mir nicht wenigstens diesen Tag lassen können? Zumindest war die Uni weiter weg, sodass ich ausziehen musste. Da war es wirklich positiv, dass er der Boss der Yakuza war. Er konnte es sich nicht leisten, ständig fern zu bleiben. Bestimmt bekäme ich natürlich eins der vielen Häuser zur Verfügung, damit er mich unter Verschluss halten konnte, aber das musste ich hinnehmen. Ich hatte mich für ein duales Studium angemeldet. Mein Vater sollte nichts dagegen haben, dass ich mich für die Politik interessierte und andere Sprachen. So könnte ich nach einiger Zeit ins Ausland zu einem Austauschjahr. Ja, es hatte wirklich seine guten Gründe gehabt, so viel zu lernen. Es würde mich wegbringen. Wenn seine Tochter in der Politik eine Machtposition ergattern könnte, würde das seinen Status definitiv verbessern und ich könnte endlich frei sein, gegen einen kleinen Obolus, den ich wirklich gern zahlte.   Nach einer halben Stunde waren wir dann fast da. Es war klar gewesen, dass die Straßen verstopft waren bei den vielen Schülern, die heute ihren Abschluss gemacht hatten. Leider half es mir überhaupt nicht. Der Druck im Auto wurde von Sekunde zu Sekunde größer. Hoffentlich wollte er wirklich nur reden. Hoffentlich. Ich atmete tief durch und versuchte den Druck auszugleichen, als ich das verächtliche Knirschen unter den Reifen von dem Kies vor unserem Haus hörte. Es fühlte sich wie grobes Schmirgelpapier auf meinen Nerven an. Es war so weit. Die Tür öffnete sich und ich setzte meine Füße auf die vielen kleinen Kieselsteine. Meine Nerven waren gespannt und mein Gang wirkte steif, während ich die langen Flure durch dieses traditionelle Gebäude schritt. Immer kleiner wurden meine Schritte, während mir mein Rock zu kurz vorkam. Auf meiner Zunge bildete sich ein rauer Pelz, der eklig schmeckte. Was würde ich nicht für eine Zigarette tun. Ich griff hinter mich an meinen Fächer, den ich immer bei mir trug. Sichtbar für alle, doch auch wieder unsichtbar. Niemand sah die dünnen Klingen, so hatte ich Jahre lang damit rumlaufen können. Meine Mutter hatte ihn mir vermacht. Sie war wirklich eine starke Frau gewesen. Immer wieder hatte sie mich beschützt und gut behütet. Sie war eine Kämpferin ohne gleichen und schon deswegen, hatte ich mich in ihre Fußstapfen begeben und den Fächertanz gelernt. Elegant wie der Wind. Ich lächelte kurz, als ich den Fächer noch einmal fest drückte. Alles wird gut. Sie ist da.   Dann betrat ich die Höhle des Löwen. Mein Vater saß selbstgefällig auf seinem Thron und spielte ein wenig mit einem Sakeschälchen, während er auf seinen Oberschenkel klopfte. „Kagura. Ich hörte, du bist die Zweitplatzierte?“ Langsam und sehr gemächlich schritt ich auf ihn zu. Er klopfte noch einmal auf seinen Oberschenkel. „Ja, Vater.“, meinte ich und straffte die Brust. Er sollte nicht sehen, wie viel Angst ich hatte. Meine Hand strich noch einmal über den Fächer. Ich wollte nicht, dass er mein Leben weiter in seinen Händen hielt. „Kagura. Trödel nicht so.“, hauchte er lächelnd und drehte die Hand. Ich wusste, er würde sie nicht wegnehmen. Mein Herz setzte kurz aus, als uns nur noch wenige Meter trennten. Mit einem Tunnelblick durchquerte ich den Raum. „Vater, ich werde nächste Woche dann aufbrechen zur Uni.“, sagte ich stark, bevor ich mich auf seinen Schoß und seine Hand setzte. Ich kniff die Augen kurz zusammen, bevor ich es einfach zu verdrängen versuchte. Mir wurde einfach schlecht davon. Warum hatte ich meiner Mutter nur so ähneln müssen? Dieser pädophile Dreckssack. Er seufzte kurz, während ich ihn spürte an Bereichen, an denen ich ihn nicht wollte. Ich kniff leicht die Augen zu und hasste meinen Körper dafür, dass er einfach jedes Mal auf ihn reagierte. „Ich muss dich enttäuschen.“ Ich horchte auf und verkrampfte mich. „Vater?“ „Du wirst heiraten. Auch wenn ich dich sehr vermissen werde.“ „Heiraten?“, keuchte ich und wollte mich von ihm lösen, doch seine Hand ergriff meinen Oberschenkel fest und verhinderte es. „Rein Formell. Ein sehr reicher Geschäftsmann. Nach der Heirat, wird er dir das Geld vererben, wenn er in ein paar Jahren stirbt.“ „Wie alt?“, flüsterte ich heiser, während sich mein Körper krampfte. „60ig.“ Ich erstarrte. „Aber mein Studium!“ „Kagura, hast du wirklich geglaubt, ich würde das zulassen?“ „Aber!“ „Aber was? Du bist meine Tochter und wirst mir dienen. Als schwarze Witwe. So gerne, wie du die Beine breit machst, sollten wir schneller an Macht gewinnen, als dass ich dich studieren lasse. Als Frau würdest du sowieso nie genug Macht besitzen.“ Ich zuckte, als er drängender wurde. Ich wollte nicht mehr. Das war zu viel. Warum konnte ich nicht frei sein? Keuchend umgriff ich den Fächer. Mama. Bitte, gib mir Kraft. Auch wenn es mich das Leben kostet, aber ich kann nicht so weiter machen. Wie er mir jetzt bewies, hatte er mich verarscht. Ich würde nie entkommen und sollte mit seinen Opfern schlafen. Er verkaufte mich mit dem Wissen, dass ich immer wieder in seine Fänge geriet. Mama… bitte… „Kagura. Zieh dich aus, du brauchst diese Kleidung nicht mehr.“ Wütend zog ich mit Schwung den Fächer nach vorne, wissend das eine Hand unter mir und eine Hand auf meinem Oberschenkel war. Er konnte nicht so schnell handeln. Rasiermesserscharf schnitt der eingeklappte Fächer über sein Gesicht, bevor er mich schreiend losließ und von sich schubste. Ich krachte bebend auf meinen Hintern und starrte in das verunstaltete Gesicht. Die Klinge hatte eine Linie von rechts unten und nach links oben gezogen, doch seinen Hals hatte ich verfehlt. Dafür klaffte eine Wunde in seinem Gesicht, auf die er wütend seine Hand presste. „Schlampe. Dir bring ich benehmen bei.“, fluchte er und packte sein Katana, welches neben ihm lag. „Ich bringe dir Dankbarkeit bei.“ Panisch sprang ich auf und nahm meine Beine in die Hand. Mir fiel nichts Besseres ein, als zu laufen mit meinem Fächer in der Hand. Was würde er mir nur antun, wenn er mich erwischte? Das wollte ich nicht erfahren. Gegen sein Schwert hatte ich keine Chance und so wütend wie er war… Ich schluckte und stürzte aus dem Haus. Geschickt wich ich den Wachen aus und sprang über die Mauer. Es war, als würde der Wind mir helfen. Meine Mutter hatte das immer gesagt. Sie hatte davon geredet, dass der Wind mit mir tanzte und sie hatte recht. Er schien mich zu führen und mich zu begleiten, während ich weiter und weiter rannte.   Ich ließ mich einfach leiten, als ich schwer atmend vor der Treppe zum Higurashi Schrein ankam. Eine Böe erfasste mich und wehte ein paar Blätter die Treppe hoch. Erst wollte ich weiterlaufen, doch eine weitere schien mich treiben zu wollen. Als ich dann auch noch die Häscher meines Vaters hörte, tat ich es einfach. Die Treppe nahm ich mit so wenigen Schritten wie möglich und sah das Tempelgelände an. Wo sollte ich nur hin? Niemand konnte mir helfen, sie würden jeden einfach töten… Hier lang… Ich blickte zu einer Holzhütte, zu der meine Haare wehten, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten. Nur diese Stimme… Lautes Geschrei erschallte wieder hinter mir. Anscheinend teilten sie sich auf. Geschwind rannte ich zu der Holzhütte, riss die Tür auf und starrte auf einen düsteren Raum, in dem ein Brunnen war. Weiter… Wieder diese Stimme. Ein warmer Wind schien mich regelrecht in den Raum zu pressen. Sicherheitshalber schloss ich den Raum, bevor ich zum Brunnen lief und hineinblickte. Spring… Sei frei! Ich drückte den Fächer in meiner Hand noch einmal fester, bevor ich ihn anhob und besorgt ansah… Gut, ich vertraue dir, auch wenn du nicht meine Mutter bist… Frei… ja. Ich stieg auf den Rand des Brunnens und blickte hinein. Auch wenn es einfach nur absurd klang, wollte ich es wagen. Wahrscheinlich würden meine Beine bersten, aber … Spring, jetzt! Meine Beine zittern, als ich dann den alles entscheidenden Schritt tat. Ich fiel und fiel und fiel. Eine schier unendliche Dunkelheit erfasste mich, umringt von tausenden Sternen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)