Zurück von Phoenix_Michie ================================================================================ Kapitel 4: Die Farm. -------------------- .oOo. Fassungslos, und zu seinem eigenen Bedauern auch misstrauisch, starrte er auf den Engel hinab, den er tot geglaubt hatte. Sie hatten sich Castiel gegriffen und waren zum Impala gegangen, denn sie konnten nicht länger hier bleiben. Vielleicht würden noch mehr Engel kommen. Castiel saß seitlich auf der Rückbank des Impalas, die Tür offen, Füße auf der Erde. Er hatte die Hände in den Schoß gelegt und starrte gedankenverloren vor sich hin, während Sam und Dean vor ihm standen und ihn eine Weile schweigend musterten. Nach einigen Augenblicken räusperte sich Dean. „Was meintest du, Cass?“, erkundigte er sich. „Du denkst, du bist…du?“ Die Antwort des Engels hatte ihn verwirrt. Castiel sah langsam zu ihm auf, Unsicherheit ließ seinen Blick flackern. „Es ist schwer zu erklären“, begann der Schwarzhaarige. „Ich… Ich bin immer noch Castiel, es ist nur… Etwas hat sich verändert.“ Er hob die Hände etwas an und betrachtete sie konzentriert. „Ich fühle mich anders. Stärker. Ich habe neue Kräfte, und an die habe ich mich offensichtlich noch nicht gewöhnt.“ Sam runzelte die Stirn. „Du meinst deinen Zusammenbruch?“ Castiel nickte. „Ja, das war nicht normal. Allerdings konnte ich bisher auch nie Engel töten, ohne sie anzufassen oder eine Engelsklinge zu benutzen.“ Prüfend blickte Dean den Älteren an. „Also wie jetzt? Bist du mit einem Upgrade auferstanden?“ Castiels Augenbrauen zogen sich zusammen, während er zu Dean hochsah. „Es sieht so aus. Ich weiß nicht einmal, was passiert ist.“ Abwesend befeuchtete der Engel die spröden Lippen. „Wir sollten jetzt erst einmal von hier verschwinden.“ Kurz schloss er die Augen, neigte den Kopf. „Ich glaube, es werden andere hierher kommen. Es wird auffallen, wenn Adrael und Rael sich nicht melden“, fügte er hinzu und blickte zu den Brüdern auf. „Ich bleibe bei euch.“ Dean wechselte einen kurzen Blick mit Sam, dann nickte er. „Na schön, lasst uns verschwinden.“ Castiel nickte und drehte sich, hob die Füße in den Wagen, bevor er die Autotür zuzog. Deans Gedanken überschlugen sich. Er wusste gar nicht, worüber er zuerst nachdenken sollte. Das vertraute Grollen des Impalas vermochte es diesmal nicht, ihn zu beruhigen. Natürlich war er glücklich, Castiel zurückzuhaben – vermutlich war er das. Irgendwie fühlte er nichts in diesem Moment. Plötzlich war sein Freund, sein Bruder, wieder da. Aber wie? Dieser wusste es nicht einmal selbst. Nun waren auch noch Engel hinter ihnen her. Und irgendwas war mit Castiel passiert. Neue Kräfte? Wer hatte sie ihm verliehen? „Und wohin jetzt?“, murmelte Dean schließlich an Sam gewandt, nachdem sie die Kleinstadt verlassen hatten. „Und was ist mit unserem Fall? Sollten wir nicht einem anderen Jäger Bescheid geben?“ Sam zögerte für einen Moment. „Ich denke nicht, dass es je einen Fall gab, Dean. Nicht im herkömmlichen Sinne.“ Verständnislos runzelte Dean die Stirn. „Wie bitte? Wie meinst du das?“ „Ich glaube, dass die Engel uns hergelockt haben. Diese Toten…die Herzen…alles wirkte präpariert, oder nicht? Jemand wollte Aufmerksamkeit – unsere.“ „Hmmm…“ Dean war davon nicht überzeugt, denn direkte Beweise für Sams Theorie hatten sie keine. „Es war eine Falle“, meldete sich Castiel zu Wort, weswegen er einen Blick in den Rückspiegel warf. „Sie konnten euch nicht finden, wegen des Engelschutzes. Also haben sie sich finden lassen. Übernatürliches weckt ja euer Interesse.“ „Warum bist du dir da so sicher?“ „Und warum“, hakte Sam ein, „konntest du uns dann eigentlich finden?“ Ohne eine Miene zu verziehen erwiderte Castiel ihre jeweiligen Blicke. „Ich sagte doch, ich habe neue Kräfte.“ Deans Augen weiteten sich. „Also kannst du jetzt alles und jeden aufspüren? Egal wie geschützt man ist?“ Castiel zuckte nur mit den Schultern und begann, aus dem Fenster zu starren. Dean tauschte einen ratlosen Blick mit Sam aus. Vorerst würde es nichts bringen, weiter auf den Engel zu dringen. Das musste warten. „Also? Rufus Hütte?“, fragte Dean seinen Bruder, welcher die Augenbrauen hob. „Das ist ein ganz schönes Stück. Und…“ Er neigte den Kopf leicht in Castiels Richtung. Ihr Safe House befand sich zu weit weg. Sie mussten sich ausruhen und mit dem Engel reden und das konnte nicht so lange warten. Sam warf einen kurzen Blick auf sein Handy. „In ein paar Meilen sollte es eine verlassene Farm geben. Da können wir für einen Moment Unterschlupf finden.“ Dean nickte „Schön. Fahren wir dahin.“ „Es sind noch zehn Meilen. Rechte Straßenseite, ein Feldweg führt in den Wald und zur Farm“, meldete sich Castiel leise von der Rückbank. „Dann bist du jetzt wohl Google Maps?“, hakte Dean nach, aber der Engel starrte schon wieder gedankenverloren aus dem Fenster und erwiderte nichts. Dean wurde das dumme Gefühl nicht los, dass sich Castiel nicht nur auf seine neuen Kräfte bezogen verändert hatte. Er war wieder so in sich gekehrt wie früher. Das war so lange her… Vielleicht hatte er etwas gesehen, etwas erlebt, das an ihm nagte? Oder war er von etwas besessen? So absurd war der Gedanke nicht, denn der Engel hatte schon mal neben sich gestanden, als er unzählbar viele Seelen mitsamt Leviathanen in sich aufgenommen hatte. Früher oder später würde Dean mit ihm reden müssen, da kam er nicht drumrum. Auch wenn ihm solche Gespräche nicht lagen. Er mochte es nicht, in den Gefühlswelten anderer herumzuwühlen, und genauso hielt er es mit seiner eigenen: Davon hatte man sich fernzuhalten. Wenig später hielt der Impala vor einem heruntergekommenen, schmutzig-weißen Farmhaus. Die Farbe der Dachschindeln war verblasst, der Rasen wucherte. Eine rot gestrichene Scheune befand sich direkt neben dem Haus, die Türen standen sperrangelweit offen. Hatte die jemand aufgebrochen? Stirnrunzelnd schlug Dean die Fahrertür des Wagens zu, dann wandte er sich Sam und Castiel zu, die bereits auf das Farmhaus zugingen. Es war dunkel hier. Einzig der Vollmond erleuchtete die Farm. Schnell und geschickt knackte Sam das Schloss der Haustür, welche sodann mit einem hörbaren Knarren aufschwang. Vorsichtig, mit gezogenen Waffen, betraten die Brüder den Flur. „Ihr könnt euch entspannen, hier ist niemand“, sagte Castiel schließlich, bevor er ihnen in das Haus folgte. Dean warf ihm einen kurzen Blick zu, eine Augenbraue leicht erhoben, woraufhin der Engel die Stirn runzelte, leicht den Kopf neigte. Eine einfache Geste, die Dean für einen Moment von innen wärmte. „Ich irre mich nicht.“ „Schon klar…“, erwiderte Dean, während er seine Pistole wegsteckte. Es war stickig und warm im Haus, die Luft abgestanden. Hier hatte seit Monaten niemand mehr gelüftet. Castiel setzte sich an den Küchentisch und schwieg, während Sam eine alte Camping-Laterne auf die Tischplatte stellte und einschaltete. Kaltes Licht erhellte den staubigen Raum. „Man, was stinkt denn hier so…?“, murmelte Dean angewidert und sah sich um. Auf der Küchenzeile stand ein Teller mit irgendetwas Undefinierbarem. Er verzog das Gesicht, als er es näher inspizierte. Gut und gerne hätte das mal Kirschkuchen sein können. Mit viel Fantasie. Dean hielt ein Würgen zurück, und dann lenkte ihn auch schon Sam ab. Sein Bruder hatte Castiel gegenüber Platz genommen. „Also, was ist passiert? Wer hat dich hierher zurückgebracht?“ Der Engel legte die Hände in den Schoß und hob die Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, es war Gott. Wieder einmal.“ „Was geschah, nachdem du…“, setzte Dean, nicht fähig, den Satz zu beenden, aber Castiel verstand. „Ich starb. Dann wachte ich auf und kam zu euch.“ Dean starrte den Engel lange an, dann senkte er den Kopf. „Huh…“ „Mehr weiß ich nicht“, fügte Castiel hinzu, während er den Tisch anstarrte. Sam seufzte und lehnte sich zurück. „Ich frage mich, was das Ziel dieser Engel ist.“ Dean blickte zu ihm, nachdem er sich gegen die Anrichte gelehnt hatte. „Einer sagte mir, er wolle die Anhänger Rafaels auslöschen. Nur zur Sicherheit.“ Nachdenklich starrte Sam ins Leere. „Das hat aber lange gedauert. Ich meine, wie lange ist es her, seitdem Rafael ein Thema war? Drei Jahre?“ Der Engel seufzte. „Nun ja, es gab da ja noch andere Probleme, wie ihr euch sicher erinnert. Die Apokalypse, Leviathane…“ Er neigte den Kopf. „Prioritäten, Sam.“ Dieser gab nur einen zustimmenden Laut von sich und stellte Castiel die nächste Frage. „Also, du hast dich… Du bist gestorben, es vergehen viele Wochen und dann…? Lebst du wieder, stehst auf irgendeiner Straße und dann? Hast uns mit deinen neuen Fähigkeiten geortet und kamst gerade rechtzeitig, um uns zu helfen?“ Castiels Augen wurden schmaler, es dauerte einen Moment zu lange, bevor er antwortete. „Ja. So in etwa ist es gewesen.“ Sam nickte lediglich, während Dean den Engel stumm musterte. Da war ein ungutes Gefühl in seiner Brust. „Okay, also wir wissen, dass das heute ein Falle war. Aber wie wollen die Engel uns jetzt finden?“, warf Dean in den Raum. Castiel hob den Kopf und sah ihn ausdruckslos an. „Sie werden irgendeinen Dämonen oder Jäger fragen. Foltern, befragen und dann wahrscheinlich töten. Irgendjemand bekommt immer etwas mit.“ Dean und Sam seufzten gleichzeitig, doch sie widersprachen dem Gedanken nicht. Die Engel wussten sich zu helfen. „Gute, alte Recherche“, murmelte Dean kopfschüttelnd, bevor er sich von der Anrichte abstieß und in Richtung Tür ging. Der stechende Gestank des verfaulten Kuchens verschwand langsam. „Gib uns zwei Stunden Schlaf, Cass. Dann können wir weiter. Bleibst du hier?“ Der Engel starrte ihm eine Weile direkt in die Augen und Dean wusste, dass Castiel ahnte, dass sie ein Problem hatten. Aber keiner von ihnen sprach es an. „Natürlich. Ich warte hier einfach.“ Dean nickte und wandte sich um, während Sam sich erhob. Sie suchten das Wohnzimmer auf, wo Regale, Schränke, Tische, Sessel und eine Couch standen. Verstaubt und alt, aber besser als nichts. Sam legte sich auf die Couch, die Jacke als Kissen zusammengerollt unter seinem Kopf, während Dean es sich mehr oder weniger auf einem der dunklen Sessel bequem machte. Seine blaue Jacke breitete er über seinem Brustkorb aus. „Dean“, hörte er seinen Bruder leise in den Raum wispern. „Ist alles in Ordnung?“ Er ließ einen Moment verstreichen, dann nickte er vage. „Ja, Sam. Mir geht’s gut.“ Er entschied sich, nicht über die Zweifel zu sprechen, die an ihm nagten. Bedenken. Zuerst hatte er gedacht, er würde es sich einbilden, doch Castiels Reaktion wenige Minuten zuvor bestätigte ihn darin, dass etwas nicht stimmte. Der Engel log. Dean wusste nicht, in welchem Punkt er log, oder vielleicht hielt er auch nur bestimmte Teile der Wahrheit zurück. So oder so machte Castiel keinen reinen Tisch. Vertraute er ihnen nicht mehr? Als Dean Castiel im Motelzimmer gesehen hatte, hatte er seinen Augen nicht trauen wollen. Mittlerweile glaubte er durchaus daran, dass es sich hier um seinen Freund Cass handelte, und dennoch hatte er ihn nicht in eine Umarmung ziehen können. Dass hatte er doch fast immer gemacht, wenn dem Engel etwas zugestoßen war. Aber jetzt war es anders gewesen. Vielleicht war es das Gefühl, dass Castiel etwas verheimlichte. Oder es waren diese ominösen neuen Kräfte, von denen der Engel gesprochen hatte. Die Frage war, hatte Castiel sein Misstrauen wirklich verdient? Und wie sollten sie mit all den Engeln umgehen, die ihnen jetzt auf den Fersen waren? Dean hatte auf das alles keine Antwort. Er würde einfach irgendwie damit umgehen. Alles würde sich letztlich klären. Doch in dieser Nacht gab ihm dieser Gedanke keine Ruhe. Da saß ein verändert wirkender Engel in der Küche und auch wenn er sich sonst hatte entspannen können, wenn er Castiel in der Nähe gewusst hatte, so war es jetzt nicht möglich. Dean hielt die Augen fest geschlossen, wollte den Schlaf so herbei zwingen. Das letzte, was er wollte, war Castiel so weit zu misstrauen, dass er nicht mal mehr schlafen konnte seinetwegen, weil er befürchtete, dieser würde ihn im Schlaf mit einem Messer abstechen. Nach einiger Zeit fiel Dean in einen unruhigen Halbschlaf, während Sam bereits leise vor sich hin schnarchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)