Gäa von Kair ================================================================================ Prolog: Der Start in einen neuen Morgen --------------------------------------- Schweigen, nichts außer die Geräusche des Waldes waren zu hören. Das Rascheln der saftig-grünen Blätter im Wind, die Schritte eines Tieres, welches von Strauch zu Strauch huscht, das Zwitschern der Vögel, die ihre Weisen austauschten und... das unaufhörliche Keuchen eines Jungen. Seine pechschwarzen, kinnlangen Haare klebten verschwitzt in seinem Gesicht, seine grünen Augen waren vor Müdigkeit halb geschlossen und es schien so, als würden seine Beine jeden Moment unter seinem Gewicht zusammenbrechen. „Dad, wann sind wir endlich da?“, jaulte der Junge und der Vater des Jungen, welcher vor ihm gegangen war, drehte sich zu ihm um. „Keine Sorge, wir sind gleich da“, versicherte er seinem Sohn und konnte sich, bei dem Anblick seines schwächelnden Sohnes, ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Vater setzte seinen Weg fort und der Junge folgte ihm nur mit einem lauten Seufzer. Er hoffte, dass sich diese Wochen-lange Reise wirklich lohnen würde, denn nicht alle Forschungen seines Vaters endeten mit einem herausragenden Ergebnis. Der Blick des Jungen wanderte auf einen Schriftzug, welches er in seiner Hand hielt. Es war ein Dokument über die Forschungen des Projektes. „Der gefrorene See“, las er und bewegte dazu lautlos seine Lippen. Sein Vater hatte jahrelang nach diesem See gesucht. Er wollte der erste sein, der ihn findet, doch konnte sein Sohn den Eifer seines Vaters nicht verstehen. Warum wollte er nach einem See suchen, den es wahrscheinlich gar nicht gab und sie möglicherweise dabei ihr Leben verlieren könnten? Denn dieser See lag nicht in der Sicherheitszone. Seinen Blick auf das Dokument gerichtet, driftete der Junge langsam mit seinen Gedanken ab und merkte nicht, dass sein Vater mittlerweile stehen geblieben war, weswegen er in ihn lief und, sein Gleichgewicht verlierend, zu Boden fiel. Mit schmerzendem Hintern rappelte er sich auf und starrte verwirrt den Rücken seines Vaters an, welcher ihn keines Blickes würdigte. „Dad?“, fragte er und schaute, sich auf die Zehenspitzen stellend, über die Schulter des schwarzhaarigen Mannes. Vor ihnen öffnete sich eine weite Lichtung, die von der strahlenden Sonne erhellt wurde. Dem Jungen fiel ein Glitzern auf, welches vom Boden der Lichtung kam. Es war ... Eis. „Wir haben es geschafft, Mirai!“, seufzte sein Vater erleichtert auf und eilte schnellen Schrittes auf die Mitte, der Lichtung zu, wo sich ein kleiner See erstreckte. Der Junge selbst bewegte sich nicht. Er war fasziniert von dem Glitzern des Sees, welcher trotz der Hitze des Sommers gefroren war. „Na komm schon!“, rief sein Vater, während er seinen schweren Wanderrucksack gegen eines der riesigen, mit Moos übersäten, Steine legte, welche sich nahe am See befanden. Langsam setzte sich der schwarzhaarige Teenager in Bewegung, bis er bei seinem Vater ankam und seine Tasche neben der seines Vaters abstellte. „Das ist grandios“, sprach dieser mit sich selbst während er, sich seine Brille richtend, Notizen in seinem riesigen, mit Leder umhüllten, Notizbuch machte. Der Junge hingegen trat an den See heran und setzte einen Fuß auf das Eis. Ob es ihn wohl tragen könnte. Er schüttelte den Kopf, sich selbst auslachend. Natürlich könnte es das, denn wenn selbst der Sommer es nicht schmelzen kann, so würde ein einfacher Junge es auch nicht brechen können. Er setzte seinen anderen Fuß auf das Eis und streckte seine Arme aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zu seiner Überraschung fühlte sich das Eis an seinen Schuhsohlen nicht kalt an. Vorsichtig setzte er einen Fuß nach den anderen. „Pass auf“, hörte der Junge seinen Vater vom Seeufer sprechen, ehe er die Mitte des Sees erreicht hatte. „Keine Sorge“, erwiderte dieser nur nuschelnd, da sein Augenmerk auf das Funkeln der gefrorenen Seeoberfläche lag. Plötzlich stoppte er. Was war das? Er dachte, er würde etwas unter seinen Füßen sehen, also setzte er sich langsam auf seine Knie und formte seine Augen zu Schlitzen, in der Hoffnung zu erkennen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Mit vor Adrenalin zitternden Fingern versuchte er das lockere Eis auf der Eisfläche weg zu kratzen, um eine klare Sicht zu bekommen. Das erste was er zu Gesicht bekam sah aus wie ein, von der Blässe geküsster, Finger. Verwirrt über seine Entdeckung, versuchte er das, was unter der Eisschicht war sichtbar zu machen. Der Finger führte zu einer Hand. Was machte eine Hand hier? „Mirai, was machst du da?“, rief sein Vater ihm wieder zu, doch dieses Mal antwortete er nicht, da er damit beschäftigt war, die Quelle der Hand zu finden. Er enthüllte einen Arm, der zu der Hand gehörte, sowie eine Schulter. Langsam erschlich ihm die Erkenntnis, was sich unter seinen Füßen befand. Sein Atmen stockte für einen Moment, doch machte er weiter. Seine Neugierde war zu groß um aufzuhören. Als nächstes entdeckte er einen Hals, sowie einen weiblichen Kopf, der mit dem Hals verbunden war. Ein Mädchen? Allein von der Kopfform konnte er feststellen, dass sie ungefähr in seinem Alter sein musste. Ihre Haut war blass wie Porzellan und ihre Augen geschlossen. Wenn er es nicht anders wüsste, würde er behaupten, dass sie eine Puppe wäre. Ihre wilden, orangenen Locken waren überall im Eis gefroren. Es schien so, als würde sie schwerelos im See schlafen, als hätte jemand die Zeit angehalten. Nervös strich der Junge sich mehrmals seine Haarsträhne hinter sein Ohr, ehe er nach seinem Vater rief: „Dad, hier liegt ein Mädchen!“ „Ein Mädchen?!“, wiederholte dieser mehr als nur verwundert und ließ beinahe vor Überraschung sein Notizbuch fallen. Mirai wandte sich von seinem Vater ab und schaute wieder hinunter zu dem schlafenden Mädchen, welche von ihm durch die Eisschicht getrennt war. Sie verzauberte ihn. Sie sah so normal und doch so anders aus, mit ihren runden Wangen und den Sommersprossen, die ihrer Haut Farbe verliehen. Seine Hand wanderte zu der des Mädchens, welche in seine Richtung gestreckt war. Seltsamerweise fühlte sich das Eis, welches die beiden von einander trennte, an jener Stelle warm an, doch war sie nicht heiß, nur … warm. Der Junge spürte wie der Boden unter ihm langsam anfing weich zu werden und seine Augen wurden von etwas leuchtenden geblendet. Es kam von dem See unter ihm. Das Eis leuchtete in einem unvorstellbar¬-hellen Blauton. Ehe der Junge es wusste, war das Eis unter ihm verschwunden, dafür war unter ihm klares Wasser, welches den See füllte. Ohne dass der Junge sich retten konnte, wurde er von dem Wasser verschluckt. Es dauerte mehr als nur einen Moment, bis Mirai realisierte wo er war. Nur verschwommen konnte er die Silhouette des schlafenden Mädchens ausmachen, welche langsam zum Grund des Bodens sank. Schnell griff er nach ihrem Handgelenk ohne weitere Zeit zu vergeuden und schwamm an die Oberfläche, das Mädchen in seinem Arm haltend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)