Tora's (Big) Bang Theory von korai-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1     Kennt ihr diese Momente? Diese kleinen Augenblicke, in denen sich euer Leben schlagartig verändert? Alles ist wie immer. Ein ganz normaler Tag und BANG. Plötzlich steht die Veränderung vor eurer Tür und wird euer neuer Mitbewohner. Nicht einer dieser freundlichen Mitbewohner, die aufräumen und kochen und euch bei euren Sorgen helfen. Ich meine die Art Mitbewohner, die den ganzen Tag herumgeistern und immer alles durcheinanderbringen müssen. Die, die einem das Leben schwer machen. Genau so sind Veränderungen auch! Und das Schlimmste ist, man bemerkt es oft gar nicht! Die Momente ziehen an einem vorbei und man denkt, es wären eben ganz alltägliche Momente. Nichts Weltbewegendes. Es braucht oft eine ganze Weile bis man bemerkt, wem man da die Haustür geöffnet hat. Und dann ist es zu spät. Ich bin nicht gegen jegliche Art von Veränderung. Wenn man sich in diesen Momenten für das Richtige entscheidet, ist eine Veränderung was Tolles. Der Kauf meiner ersten Gitarre. Der Umzug nach Tokio. Die Gründung von Alice nine. Alles Wandlungen meines Lebens, die mich nur bereichert haben. Aber wenn du dich falsch entscheidest… ich muss es wohl nicht nochmal erläutern. Ich hatte letztens wieder einen dieser weltbewegenden Momente. Und es macht BANG und ich treffe die falsche Entscheidung und jetzt sitzt der stinkige Mitbewohner nicht nur in meiner Wohnung, sondern auch in meinem Kopf und macht nichts als Chaos und Ärger. Dieser glorreiche Moment liegt jetzt knappe vier Monate zurück. Das macht das ganze noch viel ärgerlicher. Das ist ein Katzensprung! Müsste es da nicht möglich sein, eine Zeitmaschine zu bauen? Ich will nichts kompliziertes, das mich zwei Jahrtausende zurückschmeißt. Ich will nicht bei Jesus Kreuzigung dabei sein. Ich will nur mein altes Leben zurück! Wie schon gesagt, es war ein ganz normaler Tag. Ein Freitagabend. Ich erinnere mich sogar noch ans Datum, allerdings tut das hier nichts zur Sache, sondern ist eigentlich nur peinlich. Wir saßen zusammen auf meinem Sofa, tranken ein paar Bier und schauten fern. Mit ‚wir‘ meine ich mich und meinem DAMALIGEN besten Freund Reita. Ich hoffe, ihr habt das „damalig“ nicht überlesen… Wir schauten gerade einen Actionfilm. Irgendetwas, was mich gar nicht interessierte. Reita hatte den Film unbedingt sehen wollen und wir hatten uns so lange gestritten, bis ich endlich nachgegeben hatte. Reita ist der einzige Mensch auf dieser Welt, der einen noch größeren Dickschädel hat als ich selbst. Vielleicht war ich deshalb gern mit ihm zusammen. Weil ich es auch manchmal brauchte, in die Schranken gewiesen zu werden. Ich machte gerade ein neues Bier auf, als Reita entnervt aufstöhnte. Das war ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass die Werbung angefangen hatte. Sofort griff ich nach der Fernbedingung und schaltete um. Vielleicht fand ich ja auf die Schnelle irgendetwas anderes, was sowohl Reita als auch mir gefiel. Allerdings lief überhaupt nichts! Werbung, Doku, Werbung, Werbung, Wetter, Porno… „Warte! Lass mal!“ Geschockt sah ich den Blonden an, der meinen Blick mit einem perversen Grinsen erwiderte. Einen Porno? Reita wollte sich jetzt wirklich mit mir zusammen einen Porno reinziehen? Schmunzelnd legte ich die Fernbedingung wieder zwischen uns aufs Sofa und sah zu, wie der Blonde seine Füße auf meinen Couchtisch legte, seine Hände über den Kopf verschränkte und dann seine Aufmerksamkeit auf das Gestöhne vor uns richtete. Auch ich tat es ihm gleich. Es stimmt wirklich, was die Leute sagen: Pornos sind scheiße! Das fällt einem allerdings nur auf, wenn man versucht ihrer Handlung länger als 10 Minuten zu folgen und man seine Hand nicht gerade in seiner Hose hat. Gerade wollte ich wieder zurückschalten, als Reita die Fernbedienung an sich riss. „Warte noch kurz. Du kannst doch nicht einfach vor dem Höhepunkt umschalten!“, meinte der Blonde immer noch dreckig grinsend, was mich zum Lachen brachte. „Kannst du dir sowas nicht alleine zu Hause reinziehn?“ „Klar, aber wo bliebe denn da der Spaß?“ Ich lachte wieder. „Du bist wirklich unmöglich, Reita!“ „Das nennt man Charme. Mir ist klar, dass du davon nichts verstehst.“ Damit war für ihn das Gespräch beendet und er blickte wieder gebannt auf den Bildschirm. Ich nahm noch einen Schluck von meinem Bier und beobachtete Reita belustigt von der Seite. Ja, ich schaue lieber meinen besten Freund an als einen Porno – eigentlich hätte ich da schon bemerken müssen, dass mit mir irgendwas nicht stimmt. „Wen schaust du eigentlich an?“ Reita blickte mich nur verwirrt an. „Häh?“ „Naja, beobachtest du den Polizisten mit dem wirklich beachtlichen Schlagstock oder eher die Knastbraut, die er gerade von hinten `vernimmt´?“ Ich habe keine Ahnung, woher diese Frage kam. Wir kannten uns schon ziemlich lange. Ich würde behaupten, dass Reita und ich seit mindestens einem Jahr beste Freunde waren und wir redeten wirklich über viel. Aber über unsere sexuellen Vorlieben hatten wir noch nie geredet. Vielleicht fragte ich es aufgrund des Films. Vielleicht weil ich mich langweilte und ein bisschen plaudern wollte. Vielleicht interessierte es mich auch tatsächlich. Auf jeden Fall schien Reita sich die Frage zu Herzen zu nehmen, denn er überlegte eine ganze Weile. „Ich schaue auf beide, denke ich. Allerdings ist die Knastbraut echt hässlich. Von daher…“ Er zuckte mit den Schultern. Es war schwer zu sagen, ob Reita sich bei dem Thema unwohl fühlte oder nicht. Er lag immer noch halb auf meiner Couch, halb auf meinem Tisch und schaute mich an als würden wir uns gerade über Fußball unterhalten. „Also… bi?“, hakte ich nochmal nach. Fragt mich nicht, woher das plötzliche Interesse kam. Ich weiß es nicht! Jahrelang war mir Reitas Sexualität egal gewesen, aber jetzt wollte ich es ganz genau wissen. „Ja“, meinte er schlicht. „Und du?“ „Auch bi. Also… theoretisch.“ Der Bassist verzog bei den Worten seine Stirn. „Wie meinst du das?“, hakte er dieses Mal nach. „Naja, ich hab noch nie mit einem Typen geschlafen, also kann ich’s auch nicht so genau sagen.“ Reita nickte verständnisvoll. „Ja, das ist das Beschissene am bi sein. Und plötzlich bist du wieder Jungfrau!“ „Genau!“, stimmte ich ihm lachend zu, woraufhin er mich nur angrinste. Ich hatte immer gedacht, dass er total schrecklich wäre, mit Reita so ein intimes Gespräch zu führen, aber er war ganz normal. Er sagte genau, was er dachte, und traf damit den Nagel auf den Kopf. Ich hatte noch nie mit jemanden so offen über das Thema geredet. Nicht, dass ich nicht die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Meine Freunde sind alle sehr verständnisvoll. Aber ich hatte nie den Drang dazu verspürt mich mitzuteilen. Bis zu diesem Abend. „Das ist echt beschissen! Denk mal, da läuft ein echt geiler Typ an dir vorbei und du traust dich nicht ihn anzusprechen, weil dir die nötige Erfahrung dazu fehlt, ein paar Schritte weiter mit ihm zu gehen.“ Wieder nickte mein Nebensitzer verständnisvoll. „Eigentlich sollte man es einfach hinter sich bringen“, meinte er dann. „Nur damit man’s mal getan hat. Schließlich ist es nur Sex. Keine große Sache.“ Ich stimmte meinem besten Freund zu, obwohl ich an seinem Plan nicht so wirklich glaubte. Er war zwar in den Theorie ziemlich gut, aber wo sollte man bitteschön einen Typen finden, der genau so dachte? Mit wem konnte man ganz unkompliziert Sex haben, ohne dass der andere gleich mehr erwartete? Nachdenklich sah ich auf das Bier in meiner Hand und dann wieder zu meinem besten Freund, der mich nun ebenfalls anschaute. Und ich sah ihn an und er sah mich an und in dem Moment wusste ich genau, dass wir denselben Gedanken hatten. Und BANG! Naja, eigentlich war das noch nicht der Bang selbst, aber die Idee des großen Bangs war in unser beider Köpfe geboren und sobald Reita sich etwas vorgenommen hatte, setzte er es auch in die Tat um. Also sagen wir, es war unser erster Schritt zum Bang… „Nein.“ Ich wusste nicht, ob ich die Worte zu Reita sagte, oder zu mir selbst. „Das wär absolut falsch. Das können wir nicht machen!“ „Und wer hindert uns daran?“ Der Blonde sah mir tief in die Augen. Ich kannte diesen Blick. Er verhieß meistens nicht gutes. Er bedeutete, dass wir wieder einmal aus einem Club geworfen wurden, weil Reita meinte er müsse hinter den Tresen klettern und so tun, als wär er der Barkeeper. Er bedeutete, dass wir über Zäune kletterten und uns durch Toilettenfenster quetschen mussten. Reita war eben ein Rebell. Ich hatte auch sonst kein Problem damit. Ich liebte Abenteuer. Aber das hier ging zu weit. „Wir können nicht einfach miteinander schlafen!“, appellierte ich ein letztes Mal an seinen Verstand. „Das würde gar nicht gehen! Wer von uns würde denn bitte unten liegen?“ Plötzlich löste mein bester Freund unseren Augenkontakt und schaute etwas beschämt auf den Boden. Er trug sein Nasenband nicht, weshalb ich auch ganz genau beobachten konnte, wie seine Wangen sich rot färbten. Es brauchte nicht lang, bis ich seine Geste verstanden hatte, doch richtig glauben konnte ich es trotzdem nicht. „Nein!“, lachte ich fassungslos. „Halt die Klappe“, zischte mein Nebensitzer zurück und schaffte es immer noch nicht, mir in die Augen zu sehen. Ein triumphales Lächeln bildete sich auf meinen Lippen aus. Reita, der Macho, der größte Rebell auf Erden, hatte gerade tatsächlich zugegeben, dass er beim Sex unten liegen würde? Nein! Präziser: Reita hatte gerade zugegeben, dass er unter MIR liegen würde! „Ach, Rei-chan.“, meinte ich scherzend und beugte mich etwas nach vorne, um mit meinem besten Freund auf einer Augenhöhe zu sein. „Mit diesem Geständnis bereitest du mir sicher ein paar sehr heiße Nächte“, flötete ich und grinste ihn breit an. Er schien meinen Witz allerdings nicht im Entferntesten lustig zu finden, sondern starrte nur ernst zurück. „Wenn du nicht so ein Angsthase wärst, könnte ich dir auch jetzt sofort eine heiße Nacht verschaffen.“ Seine Stimme war dabei nicht verführerisch gewesen. Sein Blick in keinster Weise lasziv. Die Tonlage war tief, herausfordernd und vielleicht immer noch etwas eingeschnappt gewesen, doch so durchdringend, wie seine dunklen Augen mich anfunkelten, wusste ich, dass er es ernst meinte. Die Aussage ließ mich schlucken. Jetzt gab es nicht mehr nur die Vorstellung von Sex mit Reita, sondern es gab die Möglichkeit dazu. „Wer hat denn gesagt, dass ich es nicht machen würde?“ Meine Kehle war trocken, aber ich versuchte mir meine plötzliche Nervosität nicht anmerken zu lassen. Reita lächelte leicht. Für ihn war das alles nicht sehr viel mehr als ein Spiel und davon bin ich bis zum heutigen Tag überzeugt. Es ging ihm nur darum, mich wieder von einem seiner waghalsigen Pläne zu überzeugen und diesen dann auch durchzuziehen. Wer bremst, verliert, so heißt es doch? In dem Moment hätte ich die Notbremse anziehen sollen, doch ich konnte nicht. Ich wollte auch gar nicht. Es war einfach zu verlockend. Ich muss zugeben, dass ich schon den ein oder anderen schmutzigen Traum von ihm gehabt hatte. Ich meine, ich steh auf Typen und er sieht verdammt gut aus! Ich glaube, Reita sah ganz genau, wie meine Bedenken langsam dahinbröckelten. Sein Lächeln wurde noch etwas breiter, als er mich dann endlich ziemlich grob an meinem Arm schnappte und mich in mein Schlafzimmer zog. Als wir in meinem Schlafzimmer angekommen waren, lachte ich laut auf. „Ok Reita, du hast gewonnen. Das, was wir hier machen, ist total lächerlich. Ich werde unsere Freundschaft nicht dadurch gefährden, dass wir beide uns irgendetwas beweisen wollen. Schließlich sind wir keine notgeilen Teenager mehr! Also lass uns zurück auf die Couch gehen und noch ein paar Bier trinken, so wie wir es immer machen.“ Das hätte ich sagen müssen! Genau das wären die Worte gewesen! Und wer weiß, vielleicht hätte Reita wirklich nur mit den Schultern gezuckt und wär mit mir zusammen zurück ins Wohnzimmer gegangen. Vielleicht hätte ich mir noch ein paar blöde Kommentare anhören müssen, aber das hätte ich ertragen. Und damit wäre das Thema erledigt gewesen. Ich hätte den großen BANG noch abwenden können. Doch ich wollte es nicht. Ich wollte nicht wieder derjenige sein, der nachgab. Ich war neugierig. Und fühlte mich auch ein bisschen geschmeichelt, dass Reita es wirklich in Betracht zog mit mir Sex zu haben. Und ja, ich muss zugeben, dass mich diese Mischung aus meiner eigenen Sturheit, Neugier und Reita irgendwie anmachte. Also schwang ich keine großen Worte, als wir in meinem Schlafzimmer angekommen waren, sondern stand nur da wie bestellt und nicht abgeholt. Reita hatte inzwischen meinen Arm losgelassen und fummelte an seinem Gürtel rum. „Und jetzt?“, fragte ich, schwachsinniger Weise. Der Blonde blickte kurz zu mir auf. „Ich weiß ja nicht, wie du sonst Sex hast, aber ich zieh dafür meistens meine Hose aus.“ Ich nickte. Das erklärte auch, weshalb er sich die ganze Zeit an seinem Gürtel zu schaffen machte. Da hatte ich es in meiner Jogginghose etwas leichter. Schnell zog ich meine Hose und die Socken aus und beobachtete wieder Reita. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich machen sollte. Ich hatte mich noch nie im Leben so fehl am Platz gefühlt. Und das auch noch in meiner eigenen Wohnung! Reita schien sich in dessen ziemlich wohl zu fühlen. Es war sogar ein triumphierendes „Hah!“ zuhören, als er seinen Gürtel endlich aufbekommen hatte. Jetzt schenkte er wieder mir seine Aufmerksamkeit. „Du weißt schon, dass du deine Boxershorts auch ausziehen musst?“ Wie um seine Worte noch zu bestätigen, entledigte er sich gleich seiner Jeans und seiner restlichen Unterwäsche. Sofort tat ich es ihm gleich als wolle ich ihm damit beweisen, dass ich genau so mutig war wie er. Ich kam mir vor wie ein Kind bei seiner ersten Mutprobe. Es war nicht das erste Mal, dass ich einen Mann nackt sah. Ich besaß schließlich einen Spiegel! Aber es war das erste Mal, dass ich einen Mann sah, der mit mir schlafen wollte. Und es war das erste Mal, dass ich Reita nackt sah. Wobei er ja nicht wirklich nackt war. Wir hatten beide noch unsere Oberteile an, aber das tut hier nichts zur Sache. Ich versuchte nicht so offensichtlich auf das Offensichtliche zu starren, doch das war leichter gesagt als getan. Reita hingegen war die Ruhe selbst und ließ sich, als ob nichts wär, auf mein Bett plumsen. Das Bild, was sich mir jetzt bot, war allerdings noch eigenartiger. Da lang nun mein bester Freund halbnackt auf meinem Bett und hatte schon einen halben Ständer, der von meinem Standpunkt aus nicht zu übersehen war. Kurz überlegte ich mir, ob das wohl noch die Nebenerscheinung von dem kleinen Porno waren, den wir uns gerade angeschaut hatten. Oder war es eher die Vorfreude auf das, was wir gleich zusammen anstellen würden? Wieder atmete ich tief durch. Ich war schon so nervös genug. Da musste ich mich doch nicht durch solche Überlegungen noch selbst unter Druck setzten! Also versuchte ich meinen Kopf so leer wie möglich zu kriegen und legte mich neben Reita auf mein Bett. Etwas unbehaglich lagen wir eine Weile nebeneinander. Beide darauf bedacht, den anderen nicht ausversehen zu berühren. Hier hätte ich den Bang auch stoppen können! Es wär zwar ziemlich peinlich geworden, aber es wär doch richtig gewesen! Wenn das Vorspiel so anfängt, dass beide Parteien nur stocksteif nebeneinander liegen, dann sollte man doch auch keinen Sex haben! Das sagt mir mein heutiger Verstand… Meine damalige Neugier sagte mir jedoch, dass sie‘s ausprobieren wollte. Meine Sturheit meinte, dass ich‘s durchziehen soll. Und mein Schwanz war der Meinung, dass sei die beste Idee des Tages. Meinem Herz war das alles ziemlich egal. Dachte ich damals zumindest. Also sprach doch wohl alles dafür, dass wir‘s machen sollten. Vorsichtig schaute ich zu Reita rüber, der die Decke über sich anstarrte und etwas ängstlich wirkte. Es war nicht das erste Mal, dass wir kurz davor waren einen Plan umzusetzen, aber wir beide dann doch Schiss kriegten. Und es gab nur eine Möglichkeit, die Angst zu überwinden. „Und, willst du also doch nen Rückzieher machen?“ Ich setzte bei den Worten mein überheblichstes Grinsen auf und stützte mich seitlich auf meinen Arm, so dass er dieses auch besser bewundern konnte. Der Blonde schaute zu mir rüber. Ein Lächeln begann sich auf seinen Lippen zu formen. Ich konnte förmlich sehen, wie seine Augen wieder zu funkeln begannen. Reita liebte nichts mehr, als herausgefordert zu werden. Und mit meinen Worten hatte ich ihm das wieder klar gemacht. Dass das hier eine Herausforderung war. Ein Spiel. Völlig harmlos. Mann, war ich bescheuert… Kapitel 2: ----------- Kapitel 2     Auch Reita hatte sich nun seitlich positioniert und grinste mich unverschämt an. „Natürlich will ich keinen Rückzieher machen!“, ließ er mit sicherer Stimme verlauten. „Ach wirklich? Und wieso starrst du dann nur durch die Gegend wie ein verschrecktes Reh und machst nichts?“, fragte ich herausfordernd zurück.   „Kommt das dir etwas wie ‚nichts‘ vor?“ Kaum hatte er die Worte beendet, spürte ich wie eine Hand zielsicher zwischen meine Beine griff.   Ein Zischen entfloh meinen Lippen, als Reita begann mein Glied ziemlich grob zu massieren. Sein Lächeln wurde noch etwas unverschämter, als er hörte, welche Wirkung seine kleine Tortur auf mich hatte. Natürlich revanchierte ich mich sofort und ließ Reitas volle Länge zwischen meiner Hand hindurchgleiten. Der Blonde sah mir immer noch fest in die Augen, doch ich glaubte ein unterdrücktes Keuchen zu hören, als ich an der Spitze angekommen war und mein Daumen sich eine Weile damit beschäftigte. Reitas Griff wurde etwas lockerer. Stattdessen umfasste er meine Erregung mit seiner Hand und bewegte diese quälend langsam auf und ab.   Eins musste ich ihm lassen: Er wusste, was er tat. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er wusste, was er damit bei mir auslöste. Nichtsdestotrotz versuchte ich mich zusammenzureißen. Langsam begann ich meine eigenen Bewegungen denen Reitas anzupassen. Während der ganzen Zeit starrte ich ihm weiterhin in die Augen.     Eine Sache, die ich schon immer an Reita bewundert hatte, war sein Pokerface. Wenn er wollte, konnte er einfach jegliche Emotionen aus seinem Gesicht verbannen. Er war gut darin, Leute in den Boden zu starren. Er sah dich einfach so lange ausdruckslos an, bis du klein bei gabst.     Aber heute wollte ich nicht derjenige sein, der klein bei gab. Es fiel mir schwer, mir nicht anmerken zu lassen, was er mit mir anstellte. Wie es mich absolut scharf machte, dass er seinen Griff immer mehr verstärkte. Wie es immer schwerer wurde gleichmäßig zu atmen bei dem Versuch, jedes Stöhnen und Keuchen zu unterdrücken.   Auch Reitas Atmung ging schneller. Unregelmäßiger. Auf seiner Stirn bildeten sich die ersten Schweißperlen. Doch in seinen Augen war keine Veränderung zu erkennen.   Ich war schon kurz davor aus lauter Frustration meine Hand einfach von seiner Erregung zu lösen. Anscheinend schaffte ich es nicht ihn geil zumachen.     Plötzlich löste Reita den Augenkontakt. Fasziniert sah ich zu, wie der Blonde genießerisch die Augen schloss und sich dabei auf die Unterlippe biss. Ein unterdrücktes Seufzen war zu hören, welches mich zum Aufstöhnen brachte. Langsam öffnete Reita seine Augen wieder. Sein Blick war sofort wieder auf mich fixiert, als hätten wir den Augenkontakt nie gelöst. Mit einem Unterschied.   Ich konnte in den Augen meines besten Freundes etwas sehen, was ich davor noch nie in ihnen gesehen hatte. Es war Lust. Verlangen. Dieser Augenaufschlag reichte mir und ich wusste, dass wir bereit für den nächsten Schritt waren.     Ich würde ja gerne sagen, dass ich hier den „Bang“ noch hätte verhindern können, aber das wär gelogen. Obwohl ich jetzt genau weiß, wie die Geschichte ausgeht, würde ich wohl in diesem Moment trotzdem nicht aufhören können. Dafür ist mein Wille einfach zu schwach.     Ohne groß darüber nachzudenken, ließ ich von Reitas Erregung ab und meine Hand stattdessen etwas tiefer wandern. Als diese allerdings dort angekommen war, wo ich sie haben wollte, stoppte auch Reita plötzlich seine Tätigkeit. „Was hast du vor?“, fragte der Blonde mich erschrocken. „Dich weiten?“ Ich war etwas verwirrt. Zwar war ich auf diesem Gebiet ein Anfänger, doch ich kannte genug Erzählungen und Pornos und schmutzige Manga, um den groben Ablauf des homosexuellen Beischlafs zu erfassen. Und ‚weiten‘ gehörte eindeutig dazu.   Das sah Reita allerdings anders. „Nein!“ „Wie nein?!“ Meine Stimme klang frustriert, doch das war mir in dem Moment ziemlich egal. Der konnte mich doch nicht erst heiß machen und mich dann nicht ranlassen!   „Ich find‘s nur etwas komisch, wenn mein bester Freund seine Finger in meinen Arsch steckt!“ „Ach, und du findest es normaler, wenn er dir seinen Schwanz in den Arsch steckt?!“, giftete ich entnervt zurück. Reita überlegte kurz. Wenigstens schien er die Sache nicht abblasen zu wollen und das beruhigte mich schon etwas.   „Hast du Gleitgel?“ „Ja.“ „Na bitte!“ Reita grinste sein triumphales Reita-Grinsen. Damit war die Sache für ihn erledigt. Ich war da allerdings etwas skeptischer. Tat nicht gerade das erste Mal besonders weh? Ich war zwar geil, aber hatte trotzdem nicht vor meinem besten Freund mehr Schmerzen zuzufügen als unbedingt nötig war.   „Das ist doch albern, Reita. Lass mich dich einfach weiten und ich verspreche dir…“ „Hol das Gleitgel, Tora“, wurde ich entnervt unterbrochen. Ich seufzte bevor ich mich dann aufsetzte und begann in einer meiner Nachttischschubladen rumzuwühlen. Ich war wirklich nicht in der Stimmung, eine lange Diskussion mit Reita zu führen. Nach scheinbar unendlich langem Suchen, fand ich das gewünschte Objekt und drehte mich wieder zu meinem besten Freund um.   Reita schnappte mir das Gleitgel aus der Hand und verteilte eine ordentliche Portion auf seine Finger, bevor er sich zwischen die Beine griff. Ich brauchte kurz, um zu verstehen, dass er sich selbst vorbereitete. Das machte natürlich Sinn.   Etwas verlegen sah ich in die andere Ecke des Raums. Durfte ich Reita dabei zusehen oder war das zu intim? Konnte es in unserer Situation überhaupt ein „zu intim“ geben? Ich fragte mich, ob Reita sich selbst oft so berührte. Er musste es wenigstens schon ausprobiert haben, sonst hätte er der Rollenverteilung nicht zugestimmt. Ich biss mir bei dem Gedanken auf die Unterlippe und fühlte mein Glied pulsieren. Vielleicht sollte ich doch einen Blick riskieren?   „Fertig“, meinte der Blonde sachlich, der sich inzwischen wieder auf den Rücken gelegt hatte. Dieses Mal waren allerdings seine Beine gespreizt und angewinkelt.   Seine Position machte mir noch einmal so richtig bewusst, was wir da vorhatten. Und ich wusste wirklich nicht, ob ich das wollte. Aber jetzt waren wir schon soweit. Ich konnte nicht mehr zurück…     Dachte ich damals! Heute weiß ich, dass es schlimmere Dinge gibt, als einen Rückzieher in einem solchen Moment zu machen. Hätte ich nur ein verdammtes Mal in meinem Leben meiner Intuition vertraut!     Ich schluckte all meine Zweifel runter und begann, meine Erregung ebenfalls mit dem Gel einzuschmieren. Allerdings machte ich meine Arbeit sehr gründlich, um noch etwas Zeit zu schinden. Wie mir das weiterhelfen sollte, wusste ich auch nicht.   „Wenn du dir jetzt einen runter holst und mich hier geil auf deinem Bett liegen lässt, dann bring ich dich um“, drohte mir der Blonde. Ohne zu antworten legte ich die Tube zur Seite und kniete mich vor meinen besten Freund. Reita versuchte möglichst selbstzufrieden zu wirken, doch ich sah die Angst in seinen Augen. Verständlich! Wenn ich schon Schiss hatte, musste es für ihn noch zehn Mal schlimmer sein. Trotzdem schien er es wirklich machen zu wollen.   Ich versuchte wieder mir alles ins Gedächtnis zu rufen, was ich über das erste Mal mit einem Mann jemals gehört hatte. Allerdings war das nicht gerade viel. Also machte ich einfach das, was ich für am sinnvollsten hielt.   Ich platzierte meine beiden Hände neben Reitas Oberkörper, um einen besseren Halt zu gewährleisten. Ich sah, wie Reita die Beine noch etwas weiter spreizte und dann seine Hüfte leicht emporhob. Kurz musste ich ein Stöhnen unterdrücken, als sein Po dann die empfindliche Spitze meines Glieds berührte. Ich positionierte mich noch etwas anders, bis ich dann endlich sicher war, den Eingang gefunden zu haben. Noch ein letztes zustimmendes Nicken von Reita und ich begann, langsam in ihn einzudringen.   Mit zusammengepressten Lippen unterdrückte ich ein erneutes Stöhnen. Reita war eng. Ich hatte vorsichtig die Hälfte meiner Erregung in ihn gleiten lassen, bevor ich stoppte. Wobei ‚gleiten‘ hier vielleicht das falsche Wort ist. Meine Atmung ging schnell. Mein Glied pulsierte furchtbar schmerzvoll.   Reita lag unter mir. Die Augen fest zusammengekniffen. Seine Brust hob und senkte sich bedrohlich unregelmäßig. Ich wusste in dem Moment einfach nicht, was ich machen sollte. Eigentlich fährt man seinem Partner ja beruhigend über die Brust oder küsst ihn sanft. Um ehrlich zu sein, wäre ich in Anbetracht der Umstände zu beidem bereit gewesen. Nur hätte Reita mich dann wahrscheinlich nackt aus meiner eigenen Wohnung geschmissen und die Sache wär gelaufen gewesen. Aber was sollte ich tun?   Plötzlich spürte ich, wie sich Reitas Muskelring noch ein kleines Stück mehr zusammen zog und ich bekam Panik. Würde mein Penis abfallen, wenn die Blutzufuhr zu lange unterbrochen wäre?   „Verdammt, jetzt beruhig dich doch endlich!“ Ganz sicher nicht die besten Worte, um jemand zu beruhigen, aber wenigstens öffnete der Blonde mal wieder die Augen. Ich wusste nicht von was ich mehr sehen konnte, Schmerz oder Wut. „Ich soll mich beruhigen?! Weißt du eigentlich, wie beschissen weh das tut?“ Nein, das wusste ich nicht. Nur leider hatte ich momentan selbst Schmerzen. Außerdem war das schließlich seine Idee gewesen!   Das wollte ich ihm alles an den Kopf werfen, nur leider hatte er seine Aufmerksamkeit von mir abgewendet. Seine Augen waren wieder geschlossen. Seine Atmung ging ein klein bisschen ruhiger. Ein Schweißtropfen rann ihm über die Stirn, weiter an seinem Gesicht entlang, bis er dann endlich die makellos weiße Haut seines Halses erreichte. Fahrig leckte er sich über die Lippen und stieß danach ein leises Keuchen aus.   Kurz war alles vergessen. Ich konnte meinen Blick einfach nicht mehr von Reitas Gesicht abwenden, in das sich ein paar vereinzelte Haarsträhnen geschlichen hatten.   „Gott, siehst du gerade scharf aus.“ Reitas Augen öffneten sich wieder. Misstrauisch erwiderte er meinen Blick. Allerdings war ich in dem Moment gar nicht dazu in der Lage, die Bedeutung meiner Worte abzustreiten. Ich war fasziniert von seinem Anblick. Auch er sah mich eine ganze Weile nur an.   Ich weiß nicht, was er in meinen Augen in dem Moment gelesen hatte, doch es schien ihn dazu zu bringen, sich etwas zu entspannen. Erleichtert atmete ich auf, bevor ich meine Hüfte wieder weiter nach vorne drückte. Ich war gierig danach, mich endlich ganz in ihm zu versenken. Ihn mit meiner vollen Länge zu spüren. Ihn meine volle Länge spüren lassen!   Wieder kniff Reita die Augen zusammen. Wieder beschleunigte sich seine Atmung, doch es war nicht so schlimm, wie beim ersten Mal. Mein Schmerz war ganz gewichen und hatte stattdessen purer Lust Platz gemacht. Wie gerne hätte ich mich mit hemmungslosen Stößen in den hübschen Körper unter mir selbst in den Wahnsinn getrieben.   Doch das ging nicht. Ich musste mich zusammen reißen. Also bewegte ich mich ganz langsam ein Stück vor und zurück, um Reita etwas besser vorzubereiten. Sein Gesicht verzog sich schmerzvoll. Ich wiederholte diese Bewegung einige Male.     Es war schwierig, die Kontrolle zu behalten. Reitas verschwitztes, angespanntes Gesicht. Seine schwere Atmung. Die betörende Enge. Ohne es wirklich zu merken, ließ ich mich gehen. Wenn auch nur etwas. Meine Bewegung war dieses Mal schneller. Ruckartiger. Tiefer. Besser.   Reita schrie unter mir unterdrückt auf. Auch mir entwich ein Stöhnen, während ich genießerisch die Augen verschloss.     „Was war denn das?“ Verwundert öffnete ich die Augen wieder. Die Stimme unter mir hörte sich ziemlich erbost an. „Hast du etwa gestöhnt?“ „Ja… du doch auch.“, antwortete ich verwirrt und fragte mich, warum Reita eigentlich immer die Stimmung kaputt machen musste. „Habe ich nicht! Ich hatte Schmerzen, du Arsch! Und wenn ich gewusst hätte, dass du dich daran aufgeilst, hätte ich mir ‘nen anderen gesucht!“   Ich versuchte, die Ruhe zu bewahren. Das war doch wirklich unglaublich! Ich gab mir hier die größte Mühe, ihm sein erstes Mal so angenehm wie möglich zu gestalten und er konnte nichts anderes tun als meckern!   „Tja, das hättest du dir alles mal ein bisschen früher überlegen können“, giftete ich zurück. „Und jetzt halt endlich mal die Klappe und entspann dich!“ Wie um meine Worte zu bekräftigen, stieß ich erneut in ihn.   Dieses mal sogar noch etwas kräftiger. Wieder gab Reita einen Laut von sich, wenn auch jetzt etwas anders.     „Ich bin verwirrt. War das jetzt Schmerz oder Lust?“ Der Blonde sah mich leicht erschrocken an. „Beides. Glaube ich…“ Ich versuchte meine Position ganz genau beizubehalten. Anscheinend hatte ich den magischen Punkt in Reita gefunden und ich wollte ihn garantiert nicht wieder verlieren.   Grinsend sah ich dabei zu, wie mein bester Freund laut aufstöhnte, als ich ein weiteres Mal kräftig in ihn stieß. Oh ja. Definitiv Lust.   „Hör auf so pervers zu gucken und… ahhhh“ Mein Grinsen wurde noch breiter und auch Reitas Todesblick konnte daran nichts ändern. Es gefiel mir, was für Laute ich dem Blonden entlocken konnte, ohne dass er darauf vorbereitet war.   Meine Stöße wurden rhythmischer und auch stetig kräftiger. Reita hatte seinen Todesblick wieder abgestellt und stattdessen die Augen erneut geschlossen. Der Blonde versuchte die Laute, die er von sich gab, besser zu unterdrücken und auch ich gab nur immer wieder ein Keuchen von mir, auch wenn es mir schwer fiel.     Fasziniert sah ich dabei zu, wie der Bassist sich immer wieder über die Lippen leckte. Wie er sich unter mir wandte. Wie er den Kopf immer wieder in den Nacken warf. Wie er kurz nach meinen Handgelenken griff, fahrig über meine Unterarme strich, bevor er sie wieder über seinen Kopf positioniert, so als wolle er verhindern, dass er mich erneut anfasste.   Gierig beobachtete ich jede seiner Bewegungen, während ich immer kräftiger und tiefer in ihn stieß. Ich kam mir vor wie ein Voyeur, und trotzdem konnte ich meine Augen nicht von meinem besten Freund nehmen, der unter mir immer unruhiger wurde.   Der Blonde begann, sich mir bei jedem Stoß entgegenzubäumen. Meine Beherrschung verflüchtigte sich gänzlich, als ich mich nun noch tiefer in ihn versenkte. Hemmungslos stöhnte ich bei jedem weiteren Stoß auf.   Reitas Hüfte hob sich immer schneller. Veranlasste mich dazu, mich seinen Bewegungen anzupassen. Ich hätte mir ja eigentlich denken können, dass Reita im Bett derjenige war, der das Tempo bestimmte, doch das machte mir wenig aus.     Die Hand des Blonden ging wieder auf Wanderschaft. Fast zärtlich fuhr sie seinen verschwitzten Hals entlang. Über seinen Oberkörper, welcher immer noch mit dem T-Shirt bedeckt war, dass ich ihm in diesem Moment am liebsten vom Leib gerissen hätte. Und weiter runter, zu der zarten Haut seiner Schenkel.   Ich wusste sofort, was er vorhatte.     Ohne lange darüber nachzudenken, stieß ich seine Hand weg und umfasste selbst sein Glied. Kurz sah mich mein Freund skeptisch an, doch ich hielt seinem Blick stand. Schon waren seine Augen wieder geschlossen und er ließ mich gewähren.   Ich wollte nicht, dass er sich selbst zum Höhepunkt brachte. Ich war gierig danach zu sehen, wie er unter mir vor Lust verging. Wie er meinetwegen vor Verlangen laut aufstöhnte.   Ich begann, sein Glied passend zu unseren Bewegungen zu massieren. Immer schneller. Immer stärker.   Die doppelte Stimulation ließ auch Reita alle Hemmungen vergessen. Ungehalten hörte ich ihn unter mir aufstöhnen. Sich mir entgegenstrecken.   Mein eigenes Glied pulsierte gefährlich. Der Druck in meinem Inneren wuchs immer mehr an. Es war kaum noch auszuhalten.   Plötzlich riss Reita die Augen auf und sah mich so intensiv an, wie ich es davor noch nie bei ihm gesehen hatte. Ein letztes Stöhnen entfloh seinen Lippen, als er dann endlich in meiner Hand seinen Höhepunkt fand.   Sein Muskelring zog sich wieder schmerzhaft stark zusammen und sorgte dadurch für eine weitere Stimulation. Mit einem letzten tiefen Stoß ergoss ich mich im Inneren meines besten Freundes.       Mein Atem ging viel zu schnell. Meine Kehle brannte. Mein Brustkorb drückte. Meine letzten Energiereserven waren verbraucht.   Immer noch starrte ich Reita an. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm lassen, als er sich die blonden Strähnen aus dem verschwitzten Gesicht strich und sich über seine trockenen Lippen leckte. Seine dunkeln Augen immer noch mit diesem intensiven Ausdruck verhangen.   Langsam zog ich mich aus ihm und beendete unseren Augenkontakt. Auch wenn es mir schwer fiel. Allerdings hatte ich das Gefühl, nicht mehr lange in dieser Position bleiben zu können, ohne zusammenzubrechen.     Schwach ließ ich mich auf den Rücken plumpsen und starrte die Decke an. Hörte meinen Atem. Hörte Reitas Atem neben mir. Versuchte etwas zur Ruhe zu kommen. Genoss einfach das Nachbeben.     Das was wir getan hatten, ging weit über meine Vorstellungen hinaus. Ich hatte schon damit gerechnet, dass Sex mit einem Mann gut wäre, aber nicht, dass es so intensiv war.     Nach einer sehr langen Zeit der Stille, hatte ich das Gefühl wieder etwas sagen zu müssen. „Ok, ich steh eindeutig auf Typen“, meinte ich nur und versuchte Reita von der Seite anzugrinsen.     Und genau so hatte ich es auch gemeint! Ich hatte echt tollen Sex mit meinem besten Freund gehabt und das war meine Schlussfolgerung: Ich steh auf Typen. Anscheinend hatte Reita mir mein Hirn weggevögelt…     Reita lächelte zurück. Auf eine Art, die ich davor noch nie bei ihm gesehen hatte. Seine Augen waren nur halb geöffnet. Sein Lächeln wirkte glücklich. Befriedigt. Der perfekte Schlafzimmerblick. Ich schluckte. Ich hätte nie gedacht, dass Reita so friedlich und entspannt wirken konnte. Es stand ihm. Wirklich!   „Kai hat für morgen ein frühes Treffen angesetzt. Ich glaube ich geh mal.“ Seine Stimme war noch etwas rauer als sonst. Stand damit im krassen Kontrast zu seinem so sanften Erscheinungsbild. Und ergänzte trotzdem sein ganzes Wesen so perfekt, dass es mir die Sprache verschlug.     Schnell versuchte ich die Gedanken zu vertreiben. Seit wann war ich nach dem Sex so gefühlsduselig? Vielleicht fühlte man sich ja nach dem Sex wie eine Frau, wenn man mit einem Mann schlief?     Jaaa… das waren damals wirklich meine Gedanken. Ich fand meinen besten Freund schön und meinte wirklich, dass das vielleicht an irgendwelchen weiblichen Hormonen liegen könnte, die freigesetzt werden, wenn man mit einem Mann schläft. Das ist der Beweis: Sex macht dumm.     Während ich noch meine ach so intelligenten Überlegungen anstellte, war Reita schon aufgestanden und mit seinen Klamotten verschwunden. Auch ich zog mir meine Shorts an und verließ schwergängig mein Schlafzimmer. Ich hörte noch, wie Reita meine Badezimmertür zuknallte – das war von ihm nicht böse gemeint. Reita ist ein notorischer Türenknaller.   Keine fünf Minuten später ging die Türe wieder auf. Der Schlafzimmerblick war weg. Die Haare wieder gestylt. Das Gesicht frisch gewaschen. Wär ich nicht selbst dabei gewesen, hätte ich nicht geglaubt dass der Kerl vor einer halben Stunde noch ziemlich hart rangenommen worden war. Reita sah wie immer aus.   „Dann geh ich jetzt mal.“ Er benahm sich sogar wie immer! Langsam folgte ich dem Blonden zu meiner Haustür und machte sie für ihn auf, während er seine Schuhe anzog. „Man sieht sich?“, fragte ich so normal wie möglich. „Man sieht sich“, antwortete er lässig und verließ meine Wohnung. Ich wollte die Türe schon schließen, als sich Reita noch einmal zu mir umdrehte. Ein überhebliches Lächeln zierte sein Gesicht, als er sich an meinen Türrahmen lehnte.   „Noch eine Sache: Wie war ich?“   Eigentlich hätte ich mit so einem Macho-Spruch rechnen müssen. „Eng“, antwortete ich trocken und versuchte ein Schmunzeln zu unterdrücken. Reita ließ sich von meinen Worten nicht beirren. „Ach, nach den Lauten zu urteilen, die du so von dir gegeben hast, war ich viel mehr als das.“ Ich schüttelte leicht den Kopf. Der Kerl war wirklich unglaublich.   „Gute Nacht, Rei.“ Mit diesen Worten knallte ich ihm lächelnd die Tür vor der Nase zu und ging wieder in Richtung Schlafzimmer. Erst als ich fast in meinem Bett war, fiel mir die weiße, zähe Flüssigkeit auf, die sich über mein ganzes Oberteil verbreitet hatte. Es brauchte kurz, bis ich verstand, was es war.   Das Sperma meines besten Freundes…   BANG! Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Manche Veränderungen könnten einen mit dem Zaunpfahl erschlagen und man würde sie nicht merken. Man müsste doch meinen, dass man große Veränderungen im Leben mitbekommen würde, oder? Wenn etwas Großes zum ersten Mal geschah, rechnete man doch damit, dass daraus auch etwas folgen würde. Actio = reactio, wie man in der Physik so schön sagt. Ich kannte natürlich die Gesetze der Natur und ich wusste auch, dass die Tatsache, dass ich mit meinem besten Freund geschlafen hatte, eine Veränderung mit sich bringen würde. Ich war auf eine Veränderung gefasst. Doch es kam nichts. Ich hatte an dem Abend des großen „Bangs“ noch mein Bett frisch bezogen, mein Oberteil gewechselt und bin friedlich eingeschlafen. Am nächsten Tag war ich aufgestanden, hatte geduscht und bin zum PSC-Gebäude gefahren. Ich fühlte mich wie immer. Vielleicht etwas besser gelaunt. Aber eigentlich wie immer. Ich begrüßte meine Bandmitglieder und unseren Manager, ich setzte mich zu ihnen an einen Tisch und wir besprachen unser nächstes Album. Und ich fühlte mich ganz normal. Saga hatte mich etwas skeptisch von der Seite beäugt und mich einmal gefragt, warum ich denn so gute Laune hätte, doch Saga spürte Stimmungsschwankungen anderer Menschen aus 100 Meter Entfernung. Also war, außer meiner etwas zu guten Laune, alles normal. In der Pause ging ich in die Küche. Der einzige Raum in der PSC, in dem man rauchen konnte. Summend schaltete ich die Kaffeemaschine an, setzte mich an den Tisch und fischte meine Zigaretten aus der Tasche. Ich nahm genüsslich den ersten Zug, als ein mir allzu bekannter Blondschopf in die Küche stiefelte. Schmunzelnd sah ich dabei zu, wie Reita sehr vorsichtig und bedächtig auf den Tisch zulief. Anscheinend hatte unser kleines Experiment vom letzten Tag Spuren hinterlassen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schmerzvolle Spuren. „Und? Haben die anderen was bemerkt?“, fragte ich ihn ganz direkt. Wir hatten schließlich am Tag davor miteinander geschlafen. Da konnte ich mir die höflichen Begrüßungsfloskeln auch ruhig sparen. „Wieso sollten sie“, kam es entnervt zurück. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Hast du etwa keine Schmerzen?“, hakte ich nach. „Du glaubst doch nicht tatsächlich, dass du mir Schmerzen zufügen kannst!“ „Na wenn das so ist. Willst du dich nicht zu mir setzten?“, fragte ich gespielt unschuldig. Reita schenkte mir einen seiner Todesblicke, doch ich hielt ihm stand. Immer noch schmunzelnd sah ich ihm dabei zu, wie er sich einen Stuhl heranzog und sich ganz langsam darauf setzte. Sein Gesicht verzog sich kein Stück, doch ich kaufte ihm die Nummer nicht ab. Ganze zwei Minuten hielt er es sitzend aus, bevor er plötzlich wieder aufsprang. „Ich steh lieber“, antwortete er schnell und ließ ein erleichtertes Seufzen vernehmen. Ich weiß, dass Schadenfreude keine schöne Eigenschaft ist und trotzdem konnte ich ein Lachen nicht unterdrücken. „Ach Rei, es muss dir doch nicht peinlich sein, dass ich dich gestern so hart rangenommen hab, dass dir heute der Hintern brennt.“ „Halt die Klappe!“, zischte mein bester Freund bloß und schaute sich um, ob mich jemand gehört hatte. Wenn das mit uns rausgekommen wäre, hätte das meinen Ruf ziemlich aufpoliert. Reitas Image dagegen, wäre am Arsch gewesen. Mir dessen völlig bewusst, sprach ich unbeirrt weiter. „Und es muss dir auch nicht peinlich sein, dass es dir so viel Vergnügen bereitet hat.“ Der Blonde blickte mich herausfordernd an. „Und willst du etwa sagen, dass du gestern Abend nicht auch deinen Spaß gehabt hast?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Es war ganz nett.“ Reita gehört zu der Sorte Menschen, die genau weiß, wie gut sie im Bett ist. Er weiß, dass Sex mit ihm nicht ‚nett‘ ist. Es ist atemberaubend. Unglaublich. Es kann dich in den Wahnsinn treiben und noch viel weiter. Aber es ist garantiert nicht ‚nett‘. Das ist auch der Grund, weshalb er mir in diesem Moment sein triumphalstes Lächeln präsentierte. Er wusste genau, dass ich log. Er wusste, dass es viel besser war, als nett und ich wusste es natürlich auch. Vielleicht war es sogar der beste Sex, den ich je in meinem Leben gehabt hatte. Aber das würde ich ihm sicher nicht ins Gesicht sagen. Bei seinem riesen Ego, ging er wahrscheinlich eh schon davon aus. „Nett also…“, meinte der Blonde immer noch überheblich grinsend. „Das heißt also, wenn ich dich fragen würde, ob wir unser kleines Abenteuer von gestern hier und jetzt noch einmal wiederholen, würdest du ‚nein‘ sagen?“ Ich schluckte. Das Gespräch verlief überhaupt nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Wie schaffte es der Typ eigentlich immer, mich so schnell aus dem Konzept zu bringen? „Du verarschst mich.“ Meine Stimme klang um einiges unsicherer, als ich es gerne gehabt hätte. Und natürlich bekam Reita das sofort mit. „Das ist keine Antwort auf meine Frage, Tora“, flötete er mir zu. Verführerischer, als ich es ihm zugetraut hätte, bewegte er sich auf mich zu und stellte sich hinter meinen Stuhl. Ich tat ihm nicht den Gefallen, mich nach ihm umzudrehen. Stur starrte ich geradeaus. Versuchte zu verdrängen, was er mir gerade angeboten hatte. Plötzlich spürte ich seinen heißen Atem auf meinen Hals. Ein Schauer durchfuhr meine Knochen, als er begann, mir rau zuzuflüstern. „Ich hab den Schlüssel zu Miyavis altem Raum. Seitdem der Gute die PSC verlassen hat, steht das Zimmer leer. Vielleicht sollten wir daran was ändern?“ Ich hörte noch, wie Reita einen Schlüssel aus seiner Hose zog und damit klimperte und schon setzte mein Verstand aus. Blitzschnell war ich aufgesprungen und schon halb aus der Küche, als ich Reita hinter mir gehässig lachen hörte. Ich atmete einmal tief durch. Verarscht. Langsam drehte ich mich meinem besten Freund zu, der sich vor Lachen den Bauch hielt. Ein demütigender Moment. Nicht nur wegen Reita. Ich schämte mich in diesem Moment vor mir selbst. Ich hatte mich nie als schwanzgesteuert eingeschätzt. Und ich hatte schon gar nicht damit gerechnet, dass Reita das in mir auslösen konnte! Dieser lachte immer noch. „Ich hätte nie gedacht, dass ein paar verführerische Worte und das Geklimper eines Schlüssels dich so geil machen!“ Wie um meine Demütigung noch schlimmer zu machen, hob er den Schlüssel hoch. Es war sein Autoschlüssel. Wenigstens waren seine Schmerzen so schlimm gewesen, dass er nicht mit dem Motorrad zur Arbeit hatte kommen können. Ein kleiner Trost für mich. Reita hatte sich inzwischen beruhigt und kam schmunzelnd auf mich zu. „Mit der Aktion hast du mir echt den Tag versüßt.“ Er klopfte mir noch einmal freundschaftlich auf die Schulter, was ich allerdings gar nicht lustig fand. Sonst war ich nach so einem Gespräch mit Reita nur furchtbar angepisst. Dieses Mal war ich auch noch sexuell frustriert! „Leck mich!“, zischte ich ihm entgegen, woraufhin er wieder begann zu lachen. „Das hättest du wohl gerne“, meinte er noch belustigt und verschwand auch schon aus der Küche. Ich rauchte noch drei weitere Zigaretten und ging dann, immer noch stinksauer, zurück zum Meeting. An Sagas wachsamen Blick konnte ich erkennen, dass mein Stimmungswechsel für meine Bandmitglieder nur allzu deutlich war, doch keiner verlor ein Wort darüber. Auch wollte niemand von ihnen wissen, wo der Kaffe war, den ich eigentlich hatte holen wollen. Stattdessen ließen sie mich in Ruhe. Sie wussten alle ganz genau, dass ich mich bald wieder abregen würde. Sie wussten, dass meine Wut genau so schnell wieder verpuffte, wie sie auch entstanden war. Und Reita wusste es auch. Deshalb fand ich mich auch keine fünf Stunden später mit Reita in unserer Lieblingskneipe wieder, wo wir ganz gemütlich ein paar Bier tranken. Der „Streit“ war schon längst vergessen. Im Übrigen war das auch das letzte Mal gewesen, dass einer von uns beiden unsere gemeinsame Nacht erwähnt hatte. Und eigentlich hatte ich auch geglaubt, dass das Thema damit erledigt wäre. Es ist nicht so, dass wir die Tatsache, dass wir Sex miteinander gehabt hatten, ignorierten oder verdrängten. Aber es war jetzt einfach Vergangenheit. Und bald würde es zu einer dieser Geschichten werden, die man immer wieder ausgrub, wenn man über alte Zeiten plauderte. „Weißt du noch, als wir Sagas und Uruhas Outfits verstauscht haben und keiner es bemerkt hat?“ „Weißt du noch, als wir stockbesoffen durch Harajuku gelaufen sind und behauptet haben, wir seinen Cosplayer?“ „Weißt du noch, als wir miteinander Sex hatten?“ Die Sache war abgehakt und wurde als schöne Erinnerung zu den Akten gelegt. Und unser Leben ging ganz normal weiter. Natürlich gab es Momente, die mich an die Nacht erinnerten. Immer, wenn Rei kurz die Augen schloss und aufseufzte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Oft reichte es schon, dass es sich die Haarsträhnen, die ihn einzeln ins Gesicht fielen zur Seite strich und ich sah wieder diese Bilder vor mir. Sah, wie er sich verlangend unter mir räkelte. Wenigstens wusste ich, dass Reita auch ab und zu an unseren Sex dachte. Es gab Momente, in denen wir uns kurz in die Augen schauten und in denen ich genau wusste, dass wir denselben Gedanken hatten. Allerdings waren diese Momente nicht wirklich unangenehm. Wir warteten einfach bis sie vorbeigingen und kehrten in die Normalität zurück. Wie schon gesagt: Ich hatte schließlich mit einer Veränderung gerechnet. Nur eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass diese Veränderung so klein ausfallen würde. Außer dieser Momente war schließlich alles wie sonst. Das war eigentlich gar keine echte reactio auf unsere actio. Anscheinend galten die normalen Naturgesetzte für mich und Reita nicht. Mann, lag ich damals falsch. ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~ Es war ungefähr drei Wochen her, dass ich mit meinem besten Freund geschlafen hatte und – ich weiß, dass ich mich wiederhole – alles war ganz normal. Im Fernsehen lief nur langweiliges Zeug und ich überlegte mir, ob ich noch eine Runde Play Station zocken sollte, bevor ich ins Bett ging, als es an der Tür klingelte. „Ja?“, rief ich in meine Sprechanlage und wartete auf eine Antwort. „Reita.“ Ohne weiter nachzufragen drückte ich den grünen Knopf und öffnete die Tür zu meiner Wohnung. Ich wusste, wie sehr Rei Freisprechanlagen hasste, also war ich über die knappe Antwort auch nicht sehr erstaunt gewesen. Erstaunter war ich eher darüber, dass er mich noch besuchen kam. Eigentlich hatten er und der Rest seiner Band heute zusammen ausgehen wollen. Und wenn Gazette zusammen unterwegs waren, war Reita selten vor 6 Uhr morgens zu Hause. Ich ging in die Küche, um Reita ein Bier zu holen, als ich hörte, wie meine Wohnungstür laut zugeknallt wurde. „Verdammt, willst du, dass meine Nachbarn sich schon wieder beschweren?“, rief ich ihm zur Begrüßung entgegen. „Mit der alten Schnalle nehm ich‘s schon auf.“ Ich grinste. „Und was ist mit ihren drei Söhnen?“ Ich hörte, wie der Blonde irgendetwas vor sich hin murmelte. Immer ein klares Zeichen dafür, dass ich Recht hatte und er nicht. „Wolltet ihr heute Abend nicht etwas unternehmen?“, fragte ich, während ich zurück in mein Wohnzimmer ging. Reita war gerade dabei, sich aus seiner Jacke zu schälen und sie achtlos in irgendeine Ecke zu schmeißen. „Haben wir ja auch.“ Ich runzelte die Stirn. „Und ihr seid schon fertig? Es ist noch nicht einmal Mitternacht!“ „Tja, vielleicht habe ich mich so nach dir gesehnt, dass ich schon früher gegangen bin.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Ach, ich bin gerührt!“ Ich sah meinen besten Freund grinsend an. Seine Haare waren zu einem perfekten Iro nach oben gestylt. Er war ganz leicht geschminkt. Zu wenig, als das es wirklich auffiel, aber genug, um seine dunklen Augen noch mehr zur Geltung zu bringen. Er trug ein anliegendes weißes Shirt und eine Hose, die seinen Hintern ziemlich gut betonte. (Wir standen uns gegenüber und ich konnte von meinem Standpunkt aus seinen Hintern natürlich nicht sehen, aber ich kenne diese Hose und habe ein fotografisches Gedächtnis, wenn es um Reitas Rückseite geht.) Wahrscheinlich hatte er es in den paar Stunden mal wieder geschafft etliche Köpfe zu verdrehen, ohne sich mit den armen Personen überhaupt unterhalten zu haben. Es war eben sein typisches Ausgehoutfit. Trotzdem störte mich irgendetwas an seiner Art. Ich begann zu grinsen, als es mir dann endlich auffiel. „Du bist ja betrunken!“, lachte ich laut auf. Mein bester Freund zuckte nur mit den Schultern. „Wer ist das nicht?“, stellte er mir leicht lallend die Gegenfrage. Mein Grinsen wurde bei der rhetorischen Frage noch breiter. Reita und Rhetorik. Das passte mal überhaupt nicht zusammen. „Ich zum Beispiel“, antwortete ich auf die Frage, auf die man ja eigentlich nicht antworten sollte. Ein weiteres Schulterzucken. Der Blonde stand immer noch mitten im meinem Wohnzimmer. Direkt vor der Couch. Trotzdem setzte er sich nicht, was mich etwas verwunderte. Allerdings verwunderte mich die Tatsache, dass er überhaupt hier war, noch mehr. Er war noch nie nach einer Sauforgie bei mir aufgetaucht. „Was habt ihr getrunken? Schnaps?“ „Tequila.“ Ich nickte verständnisvoll und sah meinen Freund weiterhin belustigt an, wie er einfach in meinem Zimmer rumstand und nichts tat. Wenn ich Reita betrunken sah, dann nur wenn wir zusammen getrunken hatten. Umso seltsamer war sein Anblick für mich im nüchternen Zustand. Mir war zum Beispiel nie aufgefallen, dass Reita lallte. Das klang wirklich niedlich! Trotzdem klärte das nicht die entscheidende Frage: Was machte er hier? „Ich habe dir ein Bier mitgebracht, aber ich glaube, du hast genug für heute Abend. Willst du vielleicht ein Wasser?“ „Nee.“ Ich stellte das Bier auf meinen Wohnzimmertisch ab. „Kann ich dir sonst irgendetwas anbieten?“ „Oh ja…“ Ich hielt in meiner Bewegung inne. Seine Stimme hatte einen leicht spielerischen Unterton bekommen. Schon diese kleine Änderung des Tonfalls ließ mich erahnen, was er hier wirklich wollte. Ich ließ das Bier los, welches ich immer noch umklammert hielt, und richtete meinen Blick wieder auf meinem Gegenüber. Reita grinste mich verschmitzt an. Seine Augen funkelten mal wieder gefährlich, so wie sie es immer taten, wenn er etwas Dummes anstellen wollte. Und dieses Mal konnte ich mir auch ziemlich gut vorstellen, was er vorhatte. Und mit wem er es vorhatte! „Was willst du hier, Reita?“, fragte ich ihn unsicher, was den Blonden nur dazu brachte mich weiterhin wissend anzulächeln. „Ich geb dir mal einen Tipp.“ Schon hatte mein bester Freund sich sein weißes Shirt über den Kopf gezogen und es achtlos in eine Ecke geschmissen. Diese Aktion hatte allerdings seine Frisur halb zerstört, weshalb er sich die einzelnen Haarsträhnen wieder auf genau dieselbe Art aus dem Gesicht strich, die mir immer einen Schauer bereiteten – und es auch an diesem Abend taten. Langsam kam er auf mich zu. Stellte sich genau vor mich. Sah mir in die Augen. Gierig. Willig. Verlangend. … Aber auch betrunken. „Wir können das nicht.“ Ich versuchte, standhaft zu klingen, aber das schien Reita von seinem Vorhaben nicht abzuhalten. Er kam mir noch einen Schritt näher. Mein Blick glitt über seinen Oberkörper. Über den glatten Bauch. Über die fast nur angedeuteten Muskeln, die ich allzu gerne mit meinen Fingern nachgefahren hätte. „Das hast du letztes Mal auch schon gesagt.“ Er nahm meine Hand und legte sie sich auf die Brust. Im Gegensatz zu seinen Fingern, die noch von der Nachtluft gekühlt waren, war sein Oberkörper furchtbar warm. Schien mich fast verbrennen zu wollen. Ich spürte sein Herz schlagen. Aber aus der Nähe roch ich auch seinen Atem. „Letztes Mal warst du aber nicht betrunken“, gab ich zu bedenken. Reitas Brustkorb vibrierte unter meinen Fingern, als er schallend auflachte. „Hast du etwa Angst davor, dass du mich ausnutzt?“ Ich konnte seine Reaktion verstehen. Es war lächerlich. Reita war niemand, der sich ausnutzen ließ. Auch nicht mit noch so viel Alkohol im Blut. Er konnte ganz gut selbst entscheiden. Meine Finger fuhren sachte seinen Oberkörper entlang. Nicht zärtlich. Eher neugierig. Forschend. Es war eigenartig Reita so zu berühren. Ihn nur zu berühren, der Berührung wegen und aus keinem anderen Grund. Zischend zog ich die Luft in meine Kehle, als sich Reitas eiskalte Finger unter mein Shirt schlichen und anfingen, sich an meinem Oberkörper aufzuwärmen. Langsam schob er mein Oberteil hoch und ich ließ es zu, dass er mich davon befreite. Die kalten Finger strichen vereinzelt über meine nackte Haut. Sie glitten runter und dann wieder hoch, nur um das Spiel dann zu wiederholen. Immer wagten sie sich ein Stück weiter, bis sie endlich an meinem Hosenbund angekommen waren. Mein ganzer Körper sehnte sich danach, dass er weitermachte, doch mein Verstand wusste es besser. Schweren Herzens umfasste ich das Handgelenk meines besten Freundes, um ihn vor weiteren Dummheiten abzuhalten. Jeder Mensch hat seine moralischen Grenzen. Und wenn man diese nicht einhält, kann das zur Folge haben, dass man jegliche Selbstachtung verliert und sie so schnell auch nicht zurück bekommt. Ich hatte wenig moralische Grenzen – was man wohl auch schon daran erkennen kann, dass mein bester Freund es geschafft hatte, mich zum Sex zu überreden. Trotzdem. Mit einem Menschen zu schlafen, der betrunken ist, ging selbst für meine Verhältnisse zu weit. Vor allem wenn es sich dabei noch um meinen besten Freund handelte. An diesem Abend stand also nicht nur meine Selbstachtung, sondern auch eine Freundschaft auf dem Spiel. Und ich wollte beides sehr gerne behalten. Also festigte ich meinen Griff um Reitas Handgelenk noch etwas. In solchen Momenten sollte Gott auf die Erde herunterschweben und einen höchstpersönlich auf die Schulter klopfen. Ich war dabei alles richtig zu machen, und nichts konnte mich von meinem gewählten Pfad abbringen. Dachte ich. Kapitel 4: ----------- Kapitel 4     Auch Reita schien mir anzusehen, dass ich es dieses Mal ernst meinte. Kurz glaubte ich sogar, dass er aufgeben würde, als er dann plötzlich noch einen Schritt auf mich zukam. Die Lücke zwischen uns war geschlossen. Federleicht schmiegte sein Oberkörper sich an meinen. Übte keinen Druck auf mich aus und erschwerte mir trotzdem das Atmen. Ich spürte, wie Reitas Körperwärme mich durchfloss. Wie gut es mir tat, ihm so nah zu sein. Wie sehr sich jede Faser meines Körpers nach mehr von ihm verzehrte.   Sein warmer Atem war an meinem Ohr. Seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern. „Seit unserem ersten Mal kriege ich dich nicht mehr aus meinem Kopf. Die Bilder sind immer vor meinen Augen. Verfolgen mich in meinen Träumen. Ich dachte, es hört wieder auf, doch das tut es nicht. Und ich will es eigentlich auch gar nicht.“ Seine Lippen legten sich auf mein Schlüsselbein. Fuhren langsam an meinem Hals empor. Hinterließen eine feuchte Spur, die sein heißer Atem sofort wieder trocknete.   Ich stand da wie erstarrt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass Reita je so offen mit mir geredet hatte. Oder, dass irgendjemand je so offen mit mir geredet hatte!   Er verteilte weiterhin sanfte Küsse auf meiner Haut. Versenkte seine Zähne leicht in meinem Hals und ließ dort garantiert ein Mal zurück, was mich am nächsten Morgen daran erinnern würde, dass diese grobe Zärtlichkeit nicht nur ein Traum gewesen war. Genießerisch legte ich den Kopf zur Seite, um meinem Freund dadurch mehr Spielraum zu gewähren. Ein leises Seufzen entfuhr mir. Ich wusste, was gerade geschah. Reita war dabei, mich schamlos zu verführen. Bis dato hätte ich eigentlich nicht damit gerechnet, dass er das so gut drauf hatte. Oder dass ich darauf anspringen würde. Doch wie mir meine immer engere wirkende Hose verriet, tat ich es. „Ich will dich, Tora“, flüsterte er mir rau entgegen und leckte mir über die Ohrmuschel.   Und damit hatte er mich.     Was bringen einem schon alle moralischen Grenzen, die man für sich selbst erbaute, wenn man einen heißen und willigen besten Freund hatte, der ein notorischer Grenzübergänger war und wahrscheinlich nicht einmal wusste, wie man das Wort „Moral“ überhaupt schrieb? Eben. Überhaupt nichts.   Alles, was ich mir vorgenommen hatte, war wie weggeblasen. Es gab nur noch Reita, mich und seine Worte, die es geschafft hatten, auch die letzte Mauer zum Einsturz zu bringen.     Stürmisch begannen meine Lippen selbst damit, die Schultern des Blonden zu erkunden. Reita stöhnte leise auf, als ich dann anfing meine Hände über seinen Rücken streichen zu lassen. Immer wieder pressten wir uns aneinander und stießen uns auch sofort wieder grob weg, um den Oberkörper des anderen besser verwöhnen zu können. Küsse wurden überall dort verteilt, wo die Lippen in den Moment hin gelangten mit Ausnahme auf den Mund. Ich versuchte nebenher Reitas Hose zu öffnen, während er mich in Richtung Schlafzimmer schob. Leider trug er wieder diesen dämlichen Gürtel mit dem er sich selbst schon das letzte Mal abgekämpft hatte. Das war auch der Grund, weshalb er es schaffte, mich schon auf den Weg ins Schlafzimmer meiner gesamten Bekleidung zu entledigen, während ich bis dahin gerade einmal seinen Gürtel geöffnet hatte.   Ohne dass ich wirklich mitbekam, was geschah, war ich schon grob auf mein Bett geschubst worden und fand mich sofort unter meinem nackten besten Freund wieder. Mein einem lasziven Grinsen verteilte er Gleitgel auf seine beiden Hände und verbiss sich dann wieder in meinem Hals. Seine eine Hand verwöhnte mein Glied, während die andere zwischen seine Pobacken wanderte.   Nach einer Zeit ließ er von mir ab und richtete seinen Oberkörper etwas auf, um sich dann auf mein Glied nieder zulassen. Ich stöhnte laut auf, als die betörende Enge wieder anfing, mich in den Wahnsinn zu treiben.   Reita bewegte sich langsam. Vorsichtig ließ er sich immer ein bisschen weiter auf meine Erregung nieder. Sanft strich ich ihm über den Oberkörper. Versuchte ihm ein Stück seines Schmerzes zu nehmen, so wie ich es letztes Mal schon gewollt hatte, doch den Mut dazu nicht aufbringen konnte.   Reita entspannte sich schnell und ich wollte in diesem Moment daran glauben, dass es an meinen Liebkosungen lag und nicht an dem Tequilla, der noch durch seine Venen floss.   Als er sich ganz auf mir platziert hatte, setzte ich mich halb auf und begann wieder mit den Küssen. Jetzt, wo ich ihn endlich verwöhnen durfte, konnte ich auch nicht mehr damit aufhören. Zu gut schmeckte seine verbotene Haut. Zu süchtig war ich nach seinem leisen Keuchen.   Ich hielt inne. Sah meinen Gegenüber an, der mich mit seinem Blick in den Bann zog. Reitas Augen richteten sich kurz auf meinen Mund. Ich sah förmlich, wie er überlegte. Zögernd beugte er sich mir entgegen. Ich konnte schon fast seine Lippen auf meinen fühlen. Mein Herz klopfte. Zu schnell. Zu stark. Es sollte endlich passieren. Jetzt!   Grob wurde ich zurück gestoßen. Lag jetzt wieder unter Reita, der mich küsste. Nicht auf den Mund, sondern auf meinen Oberkörper. Obwohl die Berührungen süß waren, hatten sie doch einen bitteren Nachgeschmack. Ich leckte über meine Lippen, die immer noch nur nach mir schmeckten. Wieso hatte er mich nicht geküsst? Was war schon dabei? Eigentlich war es doch egal. Aber wenn es egal war, warum machte es mir so viel aus?   Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte gerade echt heißen Sex, also sollte ich mich nicht mit solchen Kleinigkeiten aufhalten. Lieber beschäftigte ich mich mit der Person über mir, die begonnen hatte, sich quälend langsam zu bewegen. Ich packte Reita an der Hüfte und versuchte ihn zu einem schnelleren Tempo zu animieren, doch er fuhr unbeirrt damit fort, mich mit seinen kreisenden Bewegungen in den Wahnsinn zu treiben. Ich spürte, wie sich in mir ein unbändiger Druck aufbaute, der mich wahrscheinlich zum platzen bringen würde, wenn Reita mir meine Erlösung weiterhin vergönnte.   Und ich wusste, dass genau das sein Plan war. Seine Hände fuhren weiterhin über meinen schweißnassen Oberkörper, streichelten immer wieder über meine Brustwarzen. Seine Bewegungen auf mir waren quälend langsam. Meine innere Spannung drohte mich bald zu zerreißen. Mein Körper wurde von immer mehr Hitzewellen überrollte, so dass ich mir sicher war, ich würde brennen.   Ich sah zu meinem Peiniger auf. Sah, wie er genießerisch die Augen schloss und sinnlich aufstöhnte, während er sich fester auf meine schmerzende Erregung presste. Die dunklen Augen öffneten sich wieder und starrten mich schadenfroh an. Wieder stöhnte Reita auf, doch ich wusste, dass es nur Show war. Nur um mich noch mehr zu foltern. Und es klappte.   Das hier war seine Rache für unser erstes Mal, als er hatte unter mir leiden müssen. Allerdings glaube ich nicht, dass man seine Schmerzen irgendwie mit der süßen Pein vergleichen konnte, die ich durchlitt.   Nichts desto trotz hielt ich es in meiner Position nicht mehr aus.   „Reita!“, hörte ich meine eigene Stimme halb stöhnend, halb bettelnd meinen Peiniger rufen. Dieser begann sich jetzt schneller auf mir zu bewegen. Stöhnend versuchte ich mich ihm entgegen zu drücken, was der Blonde allerdings zu verhindern wusste. „Gefällt dir etwa, was ich mit dir mache?“, hörte ich Reita über mir schadenfroh fragen, während er mir langsam über die Brust streichelte. Ich hätte es eigentlich wissen sollen. Bitten und betteln hatte bei Reita noch nie etwas gebracht. Wenn man es auf die Tour versuchte, versank der Bassist immer nur in Größenwahn. Wenn man etwas von ihm wollte, musste man ganz direkt sein und es sich einfach nehmen. Und genau das tat ich auch.   Ruckartig stemmte ich mich auf und drehte mich mitsamt Reita zur Seite. Sofort pinnte ich seine Arme über seinem Kopf fest, um ihn daran zu hindern, unsere Positionen wieder wechseln zu wollen. Der Blonde starrte mich verdutzt an. Verständlich. Schließlich hatte er sich gerade noch über mir befunden und im nächsten Moment drückte ihn hart in meine Matratze. Doch anstatt sich zu wehren, schlich sich ein verführerisches Lächeln auf die Lippen meines Freundes.   Harsch zog ich die Luft ein, als sich seine Beine um meine Hüfte schlangen und mich noch tiefer in ihn trieben. Der Blonde stöhnte hemmungslos unter mir auf, während ich mich wieder leicht aus ihm entfernte und ein weiteres Mal hart zustieß. Alle Ängste und Vorsicht von unserem ersten Mal waren vergessen. Gierig umfasste ich sein steifes Glied und massierte es rhythmisch zu meinen Stößen, wohl wissend dass ich mich selbst nicht mehr lange zurückhalten konnte.   „Tora“, stöhnte der Blonde ungehalten auf und ich spürte, wie eine neue Welle der Lust mich überrollte, während ich mich noch härter in die enge Hitze versenkte. Wenn schon meine Mund nicht seinen berühren durfte, so wollte ich wenigstens weiterhin hören, wie diese sündigen Lippen meinen Namen verlangend ausstießen. Mit einem hemmungslosen Aufschrei ergoss sich Reita in meiner Hand. Ich selbst erreichte kurz danach meinen Höhepunkt, als der Blonde das letzte Mal meinen Namen keuchte.     Erschöpft sank ich auf Reita. Unsere heißen nackten Körper rieben sich aneinander. Ich genoss es, Reitas gesamten Köper gegen meinen gedrückt zu haben. Seine verschwitzte Haut. Sein schneller Atem. Das Keuchen an meinem Ohr. Wär ich körperlich nicht so am Ende gewesen, hätte ich wohl direkt eine zweite Runde vorgeschlagen.   Bevor ich doch noch auf dumme Ideen kam, zog ich mich lieber schnell aus meinem Freund zurück und ließ mich schwer neben ihn fallen. Ich schloss die Augen. Genoss ein weiteres Mal, wie Reita es schaffte, alles aus mir herauszuholen und mich dabei an meine eigenen Grenzen zu treiben. Und vielleicht noch etwas weiter.   Verstohlen sah ich zu meinem Verführer herüber, nur um festzustellen, dass dieser schon lächelnd eingeschlafen war. Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als mir klar wurde, dass Reita damit ein typisches Männerklischee bediente: Ficken und einschlafen. Wenigstens hatte er dieses Mal nicht gefragt, ob er gut gewesen sei. Eine ehrliche Antwort meinerseits hätte sein Ego wohl noch größer werden lassen als es ohnehin schon war. Seufzend holte ich ein Taschentuch aus meinem Nachttisch und entfernte damit unsere Überreste von Reitas Oberkörper. Schließlich wollte ich am nächsten Morgen nicht in einem verklebten Bett aufwachen.   Erschöpft richtete ich mich auf und trottete ins Bad. Als ich nach einer entspannenden Dusche zurück ins Schlafzimmer kam, lag Reita noch immer in genau derselben Position wie ich ihn zurückgelassen hatte. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als mir wieder bewusst wurde, dass ich der Grund dafür war, dass mein Freund sogar zu erschöpft war, um sich im Schlaf zu bewegen. Eine schöne Vorstellung! Ich ließ meinen Blick noch einmal über den selig schlummernden Blonden gleiten, bevor ich mich neben ihn ins Bett warf und sofort in einen verdienten Schlaf abdriftete.       Langsam öffnete ich meine Augen wieder und stellte erfreut fest, dass sich neben mir etwas regte. Besser gesagt jemand. „Morgen“, meinte ich leise und grinste Reita breit an, was dieser nur mit einem Grummeln beantwortete. Eigentlich war ich auch kein Morgenmensch, aber wenn man einen Abend so schön beendet hatte, konnte man sich doch schließlich auch auf den nächsten Tag freuen, oder?     Genau dasselbe denken wohl auch die ganzen naiven Gören, die am nächsten Morgen nicht verstehen, dass der Typ neben ihnen eigentlich nur auf einen One-Night-Stand aus war und sie ihm jetzt nur tierisch auf den Sack gehen.     Aber das war hier schließlich nicht der Fall. Reita war nur ein Muffel. Natürlich war er leicht angeheitert gewesen, aber aus ihm hatte die Ehrlichkeit gesprochen.   Sagte die naive, kleine Görenstimme in meinem Kopf.   Und ich hörte auf sie. Warum auch nicht? Es war schließlich nicht unser erstes Mal gewesen, also war es schon einmal garantiert kein One-Night-Stand und er hatte mir am Tag davor unmittelbar klar gemacht, dass er mich nicht nur für eine Nummer wollte.   Also gab es in dem Moment nichts, was meine ausgesprochen gute Laune trübte. Zuversichtlich beugte ich mich zu Reita herüber und begann zärtlich an seinem Hals zu knabbern. Der Blonde erstarrte kurz überrascht, seufzte dann aber auf und begann mir sanft den Kopf zu kraulen. Ich drückte ihm noch einen letzten Kuss auf seinen Nacken und richtete mich dann auf. „Ich steh jetzt auf“, informierte ich den Blonden, der wieder mit einem Grummeln antwortete.   Pfeifend ging ich in die Küche und setzte erst einmal einen Kaffee auf. Weil der blonde Bassist allerdings immer noch kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, als ich meine zweite Tasse leerte, beschloss ich, Frühstück zu machen. Zu meiner Freude befanden sich sogar noch Eier in meinem Kühlschrank.     Ich bin eigentlich kein Morgenmensch. Wirklich nicht! Doch an diesem besagten Tag stand ich fröhlich in aller Frühe an einem freien Tag in meiner Küche und machte Spiegeleier. Ich machte mir nicht wirklich Gedanken darüber, woher diese gute Laune genau kam. Reita war da und das schien mich glücklich zu machen. Irgendwie. Was genauer dahinter steckte, war mir eigentlich egal. Dafür war ich viel zu sehr damit beschäftigt, die Eier nicht in der Pfanne anbrennen zu lassen.     Ein lautes Türenknallen, ließ mich erschrocken den Kopf heben, bis mir wieder einfiel, wer der Übeltäter wohl war. Eigentlich hätte ich ihn sofort anfauchen sollen, wie er es wagen konnte, morgens an einem Samstag meine gesamte Nachbarschaft wecken zu wollen. Aber ich sagte es nicht. Nicht an diesem Morgen. Dafür war ich viel zu gut drauf.   „Ich mache Frühstück“, erklärte ich überflüssiger Weise, als der Blonde in meine Küche geschlurft kam. Reita war wieder vollends bekleidet, während ich lediglich ein altes Shirt und meine Jogginghose trug, die ich mir nach dem Duschen angezogen hatte. „Was willst du essen?“, fragte ich ihn gutgelaunt und wollte schon mein ganzes Repertoire an Frühstücksspeisen herunter rattern. „Hast du 'ne Kopfschmerztablette für mich?“ Ich nickte und reichte dem Blonden das gewünschte Gut. Dankend nahm er die kleine Pille entgegen und füllte sich an meinem Spülbecken ein Glas mit Wasser. „Gehts dir gut?“ Ich sah meinen Freund leicht besorgt an, als er die Tablette schluckte und das Glas mit einem Zug leerte. Sein Kater schien heftig zu sein. Vielleicht hatte er doch mehr getrunken gehabt als ich am Abend davor noch geglaubt hatte?   Ich sah auf seinen Arm herab. Er hatte schon seine Jacke in der Hand.   „Ich muss jetzt los“, nuschelte er leicht verlegen. Mir fiel auf, dass er mir den gesamten Morgen nicht einmal in die Augen geschaut hatte. Mein Blick wanderte wieder zu seiner Jacke. „Okay“, sagte ich perplex. Er schien kurz unschlüssig, was er sagen oder machen sollte und entschied sich dann für die einfachste Variante. Keine Minute später fiel meine Haustür laut ins Schloss und ich fragte mich ernsthaft, was da gerade passiert war.     Vielleicht ging es einem immer so? Vielleicht wussten die naiven Gören beim ersten Mal nie, dass sie nur die Dummen in einem One-Night-Stand gewesen waren? Kapitel 5: ----------- Kapitel 5       Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass Sex mit Reita mich verblödete. Zweimal mit ihm zu schlafen, schien mir wirklich den letzten Rest an Verstand geraubt zu haben. Denn als er an dem Tag meine Wohnung fluchtartig verließ, hatte ich wirklich keine Ahnung, was mit ihm los war. Dabei waren doch alle Zeichen gut zu erkennen gewesen, oder nicht?   Reita war betrunken gewesen, hatte mich im Suff verführt, hatte mit mir Sex gehabt – immer noch gut angeheitert, versteht sich, und war am nächsten Tag mit dröhnendem Schädel und knallender Tür aus meiner Wohnung geflohen.     Allerdings hatte er nicht nur fluchtartig mein Apartment verlassen. In der ganzen nächsten Woche schien er sehr darum bemüht zu sein, mir aus dem Weg zu gehen. Wenn er meine Anrufe mal entgegennahm, war er noch kürzer angebunden als sonst. Und Zeit hatte er erst recht keine. Er war mit Aoi und Uruha saufen, mit Kai reden oder mit Ruki essen.     Es ist ein seltsames Gefühl von einer Person grundlos abgeschoben zu werden, wenn diese eigentlich immer ohne Rücksicht auf Verluste ihre Meinung rausposaunte. Ich versuchte, mir nicht zu sehr den Kopf über das Verhalten meines besten Freundes zu zerbrechen. Versuchte mir einzureden, dass alles so war wie sonst und mich mit anderen Sachen abzulenken. Schließlich war Reita nicht mein einziger Freund!   Nur leider schien er mein einziger Freund zu sein, der gerne mehr als einen Abend in der Woche mit mir verbrachte...   Als ich nämlich Saga an zwei aufeinanderfolgenden Tagen fragte, ob er etwas mit mir machen wolle, stöhnte dieser nur ungehalten auf. „Wir haben doch gestern etwas unternommen“, meinte er gequält, während wir uns vor unserem Raum die Beine in den Bauch standen. Nao hatte uns mal wieder rausgeschmissen, weil wir ihm nicht konzentriert genug gearbeitet hatten. Jetzt durften wir hier warten, bis unser Leader sich wieder beruhigt hatte.   Ich verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust und versuchte, bei den nächsten Worten nicht wie ein beleidigter Schuljunge zu klingen. „Übertreib mal nicht so. Ich bitte dich schließlich nicht darum, mich zum Zahnarzt zu begleiten oder meine Wohnung neu zu renovieren.“ „Nein, aber gestern hast du mich dazu gezwungen, den wohl schwachsinnigsten Film aller Zeiten anzuschauen!“ Jetzt war ich wirklich gekränkt. „Crank ist nicht schwachsinnig! Das ist Kult!“ „Der Film ist genau das, was der Titel verspricht“, gab der Bassist von sich. „Nur zu gut, dass der Typ am Ende des Filmes gestorben ist. Noch so einen könnte ich mir echt nicht antun.“ Gerade wollte ich Saga darüber aufklären, dass Crank sehr wohl einen zweiten Teil hatte, als etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Beziehungsweise: jemand anderes.   Aus dem Gazette-Zimmer spazierte nämlich tatsächlich mein verschollener bester Freund. Als der Blonde uns erblickte, stoppte er und sah uns erschrocken an. Er schien sich kurz zu überlegen, wieder zurück in den Raum zu gehen, ließ es dann aber doch bleiben. Ich sah, wie Saga neben mir skeptisch eine Augenbraue in die Höhe zog. Seine Reaktion war verständlich. Es sah schon eigenartig aus, wie Reita da am anderen Ende des Flures stand und uns wie ein verschrecktes Reh musterte.   Allerdings schien er aus seiner Angststarre zu erwachen und kam dann auf uns zu. „Hi“, meinte er leise, wobei ich nicht wusste, ob er mich oder Saga meinte. Schließlich starrte er währenddessen den Boden an. „Hi“, antwortete Saga skeptisch. „Hey“, meinte ich. Immer noch von seinem Verhalten verwirrt, so wie die letzten paar Tage. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drückte sich der Blonde an uns beiden vorbei und verschwand dann um die nächste Ecke.   Saga sah ihm noch eine Weile stumm hinterher, bevor er sich wieder an mich wendete. „Was ist hier los?“ Ich seufzte. Was sollte ich sagen? Ich wusste es ja selbst nicht. Der einzige, der darauf eine Antwort hatte, war gerade aus unserem Blickfeld verschwunden und hatte anscheinend das Sprechen verlernt.   Ich wusste, dass ich Saga einfach alles hätte erzählen können. Saga kannte sich, anders wie ich, gut mit zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Wahrscheinlich hätte er mir sofort sagen können, weshalb Reita sich so dämlich verhielt. Aber ich wollte es nicht erzählen. Es ging ihn nichts an.   Also machte ich das, was ich am besten konnte: Ich stellte mich noch dümmer als ich bereits war. „Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte ich scheinheilig. Natürlich ließ sich Saga davon nicht überzeugen. Ich war einfach ein verdammt mieser Lügner. „Ach komm schon. Sonst seid ihr immer ein Herz und eine Seele und jetzt schaut ihr euch nicht mal gegenseitig in die Augen!“ „Reita und ich waren noch nie ein Herz und eine Seele!“ Saga schnaubte. „Sag mir, wenn ich falsch liege, aber habt ihr euch nicht mal eine Woche lang bei dir zu Hause eingeschlossen und habt die Wohnung kein einziges Mal verlassen?“ „Das verstehst du nicht. Wir mussten das Spiel einfach durchzocken.“ Ich redete nicht weiter. Saga verstand mich wirklich nicht. Der einzige, der das verstehen konnte, war nun einmal Reita.   Schließlich war es seine Idee gewesen, uns zusammen mit der Play Station bei mir zu verbarrikadieren und die Wohnung erst wieder zu verlassen, wenn wir das gesamte Spiel durchgespielt hatten. Als der Endgegner dann besiegt war, fielen wir beide in einen wohlverdienten Zwei-Tage-Schlaf. Die darauf folgende Woche hatte ich schreckliche Kopfschmerzen gehabt. Außerdem hatte ich meine Daumen nicht mehr richtig bewegen können, was dazu geführt hatte, dass mir Nao noch mehr Kopfschmerzen bereitet hatte – schließlich hört sich Gitarre spielen ohne Daumen echt beschissen an. Aber alles im allem war das schon eine geile Erinnerung.     Wieder sah ich den Flur entlang, aus dem Reita entschwunden war. Zum ersten Mal in dieser Woche musste ich zugeben, dass ich wirklich Angst hatte. Ich hatte Angst davor, einen unglaublich guten Freund zu verlieren, ohne genau zu wissen, was ich falsch gemacht hatte.     „Tora, noch anwesend? Hattet ihr Streit?“, fragte mich Saga mit einfühlsamer Stimme. Das war falsch. Man musste bei mir nicht einfühlsam sein, wenn es um Reita ging. Das hatte man noch nie gemusst. Aber man hatte mich auch noch nie gefragt, ob wir Streit hatten. Und wenn, dann hätte ich darauf sicher eine präzise Antwort gehabt. Hatte ich aber nicht. Irgendwie lief gerade alles aus dem Ruder.   „Ich glaube nicht“, beantwortete ich seine Frage also wahrheitsgemäß. Der Bassist sah mich skeptisch an. Ich hatte keine Lust das Gespräch weiterzuführen. „Und? Was ist nun mit heute Abend?“ Der Blonde überlegte nicht lange. „Ich bin um acht bei dir.“ Seine Entscheidung verwunderte mich nicht sehr.   Wahrscheinlich durfte ich mich den ganzen Abend mit Fragen über Reita löchern lassen, aber das würde ich aushalten. Ein hinterhältiges Grinsen schlich sich auf mein Gesicht als mir einfiel, welchen Film wir heute Abend sehen konnten. Crank 2 würde Saga sicher gefallen...     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Crank 2 hatte Saga doch nicht gefallen. Was für eine Überraschung. Als Jason Statham zum ersten Mal auf dem Bildschirm in meinem Wohnzimmer erschien, hatte der Blonde nur den Fernseher angestarrt. Danach hatte er mich 10 Minuten lang mit einem Kissen verprügelt. Außerdem weigerte er sich den nächsten Abend wieder mit mir zu verbringen. Ich hatte ihm zwar hoch und heilig versichert, dass es keinen dritten Teil gab, aber sein Vertrauen in mich schien mächtig angeknackst zu sein. Als ich dann nicht einmal gewillt war über Reita und unsere „Probleme“ zu reden, zog Saga beleidigt von dannen.     So kam es, dass ich am nächsten Abend alleine auf meiner Couch saß. Eigentlich hatte ich Nao dazu überreden wollen, mir ein Teil seiner kostbaren Freizeit zu schenken, doch der hatte sich mit Kai verabredet, um mit ihm zusammen Papierkram durchzugehen. Blöde Leader. Er hatte zwar gemeint, ich könnte ruhig mitkommen, doch da verzichtete ich. Lieber verbrachte ich den Abend alleine als mir Nachhilfe in Projektmanagement geben zu lassen. Obwohl alleine auch ziemlich beschissen war, wie ich schnell feststellen musste.   Gelangweilt zappte ich durchs Fernsehprogramm. Mir fiel wieder ein, was das letzte Mal passiert war, als Reita und ich gelangweilt auf die Mattscheibe geglotzt hatten. Ich musste grinsen. Mein Blick fiel auf mein Handy. Das Grinsen war wieder weg. Was war nur mit Reita los? Ja, wir hatten miteinander geschlafen, aber beim ersten Mal hatten wir danach doch auch nicht solche Probleme gehabt. Wieso ging er mir aus dem Weg?   Ohne lange nachzudenken, griff ich nach meinem Handy und machte etwas, was ich sonst nie machte. Etwas, das furchtbar peinlich und demütigend war, aber ich sah keinen anderen Ausweg. Ich rief Reita an.   Mit unterdrückter Nummer.   In Gedanken verfluchte ich den Blonden dafür, dass er mich zwang, mich wie ein verschmähter Lover aufzuführen. Natürlich verfluchte ich auch mich, dass ich mich überhaupt auf so ein Niveau herabließ. Wahrscheinlich würde er gar nicht abnehmen. Er würde sich sicher denken können, dass ich es war und...   „Hallo?“ Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Idiot. „Hallo?“, fragte Reita erneut am anderen Ende der Leitung. „Hey Rei. Hier ist Tora.“ Stille. „Hi... deine Nummer wurde gar nicht angezeigt.“ Mein Grinsen wurde noch breiter. „Tatsächlich? Eigenartig. Dann muss ich mein Handy wohl mal zur Reparatur bringen“, flötete ich ihm scheinheilig entgegen. „Ja, musst du wohl“, brummte es zurück. Dann war es wieder still.   Ein Teil von mir hatte gehofft, dass er mich jetzt einladen würde und dass alles nur ein großes Missverständnis war. Aber da kam von seiner Seite aus nichts. „Und was machst du heute noch so?“, hakte ich nach. „Ich treff mich gleich mit Kai. Wir wollten ins Kino. Ich muss dann jetzt auch los. Man sieht sich.“   Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, war Reitas Stimme schon einem nervigen Tuten gewichen. Verwundert starrte ich mein Handy an. Der Idiot hatte doch tatsächlich aufgelegt! Reita war noch nie sehr höflich gewesen, aber so ging man doch nicht mit seinem besten Freund um. Selbst wenn er mit Kai verabredet war, hatte er kein Recht mich einfach abzuwürgen.   Beleidigt verschränkte ich die Arme. Jetzt war ich nicht nur einsam, sondern auch noch angepisst. Ganz super. Vielleicht sollte ich doch mit Kai und Nao mit. Nur um auf andere Gedanken zu kommen...     Wahrscheinlich ist es euch schon aufgefallen, aber mich beschlich erst hier das Gefühl, dass irgendetwas falsch war. Eine geschlagene Minute lang zermarterte ich mir noch das Hirn, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel.     „Der hat mich angelogen!!“, schrie ich entrüstet in die Leere meines Apartments. Zwar war das reichlich bescheuert und meine Nachbarin hielt mich jetzt wohl für völlig verrückt, aber anders konnte ich meiner Empörung nicht Luft machen. Denn wenn Kai nicht vorhatte seinen Stapel Rechnungen mit ins Kino zu nehmen, um sich da mit Reita einen seiner heißgeliebten Splatter-Filme reinzuziehen, dann war das nun einmal die Wahrheit:   Der Arsch hatte mir ganz dreckig ins Gesicht gelogen.   Naja, vielleicht nicht wortwörtlich ins Gesicht, aber er hatte dazu ja auch keine Gelegenheit. Schließlich flüchtete er immer, bevor wir ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen konnten. Zwar hatte ich es bis zu diesem Punkt verdrängt, aber jetzt war es ganz offiziell: Reita ging mir aus dem Weg. Und ich wusste nicht wieso!   Ich überlegte mir, ob ich ihn nochmal anrufen sollte, doch wahrscheinlich würde er nicht zweimal auf den Trick mit der unterdrückten Nummer reinfallen. Reita war vielleicht ein Idiot, aber so blöde war nicht einmal er. Was sollte ich aber sonst tun? Eigentlich war ich ja meistens der Typ, der auf beleidigt machte und die ganze Wut in sich reinfrass, doch das würde in diesem Fall auch nichts bringen. Wahrscheinlich würde Reita dann nur denken, er könnte mich weiterhin an der Nase herumführen.   „Wenigstens hab ich eine!“, rief ich in meine leere Wohnung ohne darauf eine Antwort zu bekommen. Warum sollte sie mir auch antworten? Schließlich wollte ich nicht sie, sondern Reita beleidigen.   Der andere Grund war natürlich, dass meine Wohnung nicht sprechen konnte, doch in dem Moment war ich so aufgebracht, dass diese Tatsache in meinem Kopf nur eine Randnotiz bekam.   Aber was sollte ich sonst machen? Noch einmal anrufen war sinnlos, ignorieren würde er gar nicht mitbekommen und ich war noch nicht tief genug gesunken, um ihm eine Hass-Email zu schreiben. Also blieb mir nur eine Möglichkeit.     Entschlossen stand ich auf und schnappte mir meinen Autoschlüssel. Reita konnte ja ruhig versuchen, mich zu ignorieren, wenn ich vor seiner Wohnungstür stand!     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Zu meinem Glück schaffte ich es tatsächlich bis vor Reitas Tür. Ich hatte schon Angst davor gehabt, dass die Haustüre geschlossen sein würde und ich mich über die Sprechanlage mit ihm unterhalten musste.   Allerdings war auf Reitas schlampige Nachbarn verlass und so stand die Haustür auch an diesem Tag weit offen und erlaubte somit auch ungebetenen Gästen – so wie mir – den Zutritt. So stand ich nun vor Reitas Wohnung und fischte seinen Ersatzschlüssel unter der Fußmatte hervor.   Ich hatte ihm schon tausendmal gesagt, dass er den Schlüssel nicht an dem einen Ort platzieren sollte, an dem Mörder, Diebe und Fans als erstes nach ihm suchen würden, doch heute war ich ihm für seine Sturheit sehr dankbar.   Zufrieden darüber, dass alles so gut geklappt hatte, schloss ich auf und betrat die Wohnung des Blonden. Leise zog ich meine Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer.   Reita war nirgends zu sehen. Verwundert setzte ich mich an den Esstisch. Vielleicht war er ja wirklich unterwegs. Zwar waren alle Lichter an und auch der Fernseher lief, aber das hatte bei Reita nicht sonderlich viel zu bedeuten.   Mir wurde etwas unwohl. Wenn er tatsächlich nicht zu Hause war, war ich nichts weiter als ein Einbrecher und ein Stalker noch dazu. Damit hatte Reita sogar das Recht, gerichtlich dafür zu sorgen, dass ich ihm nicht mehr zu nahe kam.   Gerade wollte ich mich wieder aus dem Staub machen, bevor ich eine einstweilige Verfügung riskierte, als ich eine Tür zufallen hörte. Kurz darauf kam Reita ins Wohnzimmer getappst mit einer Tüte Chips im Arm, deren Inhalt er sich gleich handweise in den Mund stopfte.   Als der Blonde mich erblickte, blieb er wie erstarrt stehen. Es erinnerte sehr an das Verhalten, das er schon am vorigen Tag gezeigt hatte – mit dem Unterschied, dass er jetzt nicht einfach weglaufen konnte.   „Wie...“, begann er die Frage, schloss dann aber doch wieder den Mund, bevor er seinen gesamten Fußboden mit Chipskrümeln übersäte. Zwar war ich aus reiner Verzweiflung persönlich bei ihm vorbeigekommen, doch jetzt genoss ich meinen Triumph. „Ersatzschlüssel“, entgegnete ich nur überheblich lächelnd. „Du weißt genau, dass der nur für Notfälle is“, brummte es zurück. Ich verdrehte die Augen. So ein „Notfall“ trat zum Beispiel ein, wenn Reita gerade Play Station spielte und nicht an die Tür gehen konnte aus Angst sonst seinen „flow“ zu verlieren.     Ja, das ist wirklich seine Begründung und bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, ob er das mit dem „flow“ ernst meint, oder nur zu faul ist aufzustehen. Vieleicht weiß er auch einfach nicht, wo auf dem Controller der Pauseknopf ist...     „Ich dachte, du wolltest weggehen?“, hakte ich nach. Reita beäugte mich misstrauisch. „Woher weißt du, dass ich nicht weggehen will?“ Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete meinen Gegenüber demonstrativ skeptisch. Reita konnte mir mit seinem Pokerface ja viel erzählen, doch dass er in Jogginghose und total ungestylten, wirren Haaren ins Kino ging, nahm ich ihm nicht ab. Anscheinend hatte auch der Blonde gemerkt, dass seine Taktik nicht sehr glaubwürdig war.   „Ich habs mir anders überlegt“, brummte er vor sich hin und sah mir dabei nicht in die Augen. „Super, was machen wir dann heute?“ Mein gespielt fröhlicher Tonfall ließ Reita wieder misstrauisch schauen. Er überlegte sich wohl gerade, ob ich wirklich so blöd war und nicht bemerkte, dass er mich nicht hier haben wollte, oder ob ich nur blöd tat.   „Ich hol uns erstmal n Bier“, gab er dann von sich. Vielleicht half ihm der Alkohol ja bei seiner Entscheidung über meinen Geisteszustand. „Warte, ich komm mit.“ Schon ging ich neben dem Kleineren her Richtung Küche. Reita blieb stehen. Wieder der misstrauische Blick. „Wieso?“ „Naja, du hast in der Küche schließlich ein Fenster. Nicht, dass du aus dem flüchtest.“ Ich klang immer noch fröhlich, weil ich ganz genau wusste, dass meine Worte sonst recht schnippisch rüberkommen würden. Reita grummelte und lief dann weiter.   „Man kann das Fenster nur kippen“, war seine Antwort auf meinen Vorwurf. Ich betrat nach ihm die Küche und überlegte mir ernsthaft, mit welchem seiner Küchengeräte ich ihn am besten erschlagen konnte. Es war doch unglaublich! Da hatte ich ihm noch einmal unmissverständlich klar gemacht, dass ich wusste, dass er mir aus dem Weg ging, und er ignorierte die Tatsache völlig.   Ich sah ihm dabei zu, wie er stumm zwei Bier aus dem Kühlschrank nahm und mir eins davon reichte. Das war doch zum Verrückt werden! Warum tat er plötzlich so, als wär alles wie immer? Als hätte ich mir die letzte Woche nur eingebildet?   „Warum gehst du mir aus dem Weg?“, fragte ich dieses mal ganz direkt. Der Blonde hielt in seiner Bewegung inne. Kurz hatte ich schon Angst davor, dass er sich dumm stellte. Er sah mich an. Schien kurz davor, etwas sagen zu wollen. Und nahm daraufhin einen großen Schluck aus seiner Flasche. Stumm wartete ich, bis er das Bier wieder absetzte. Er sah mich erneut an. Sein Mund öffnete sich. Und schloss sich wieder. Der Blick huschte zu seinem Küchenfenster.   „Reita?“, fragte ich erwartend. Hätte ich den Blonden nicht so gut gekannt, hätte ich mir eingebildet, es wäre ihm zu peinlich mit mir zu reden. Ich schüttelte den Gedanken ab. Reita war so schnell schließlich nichts peinlich. Der Bassist sah immer noch aus dem Fenster. „Ich überlege, ob ich es schaffen würde, mich durch den gekippten Fensterspalt zu quetschen“, gab er etwas benommen von sich. „Das wird eng, aber du könntest die Scheibe auch einschlagen. Nur ist deine Wohnung im siebten Stock“, gab ich zu bedenken, worauf mein Gegenüber nur nickte.     Kennt ihr diese Menschen, denen ihr nie wirklich böse sein könnt? Die ihr in einem Moment noch an die nächstbeste Häuserwand schleudern wolltet und plötzlich verpufft der ganze Ärger in euch? Reita war bei mir so ein Mensch.   Ich weiß, dass ich eigentlich furchtbar sauer auf ihn gewesen war. Und das auch zu Recht! Der Idiot hatte mir eine volle Woche lang die kalte Schulter gezeigt! Doch glaubt mir, wenn der Blonde dann wirklich vor einem steht und die Verlegenheit in Person ist, kann man ihm einfach nicht mehr böse sein!     „Was ist los, Reita?“, fragte ich viel rücksichtsvoller, als der Andere es verdient hatte. Der Blonde seufzte und setzte sich dann auf seine Küchentheke. Eine typische Angewohnheit. Wenn Reita die Möglichkeit dazu hatte, setzte er sich einfach überall hin. Einmal hätte er sich bei mir zu Hause fast auf eine heiße Herdplatte gesetzt.   Ich musste bei der Erinnerung leicht lächeln. Reita hatte mich danach zur Sau gemacht, wieso denn bitte schön der Herd an wäre, ich ihm aber nichts zum Essen kochen würde.   Wo war nur dieser Reita hin? Wo war mein bester Freund, der Macho, geblieben?     Vor mir sah ich nur einen eingeschüchterten Kerl, der scheinbar nicht die richtigen Worte fand. Ich ließ ihn noch eine Weile überlegen. Er schien schließlich gewillt zu sein, sich mir mitzuteilen, nur schien ihm der Ansatz zu fehlen.   „Letzte Woche“, begann er dann endlich nach einer halben Ewigkeit an Stille. „Da war ich soo... und dann hatten wir Sex und dann warst du am nächsten Morgen soo... und dann hab ich irgendwie Panik bekommen, verstehst du?“ Er sah mich erwartend an, doch leider verstand ich nichts. Er seufzte erneut. Raufte sich die Haare. Suchte wieder nach Worten. Ich betete, dass sein zweiter Versuch mehr fruchtete als der erste.   „Ich war betrunken und das, was ich zu dir gesagt habe... Ich meine... Ich war betrunken!“ Zwar war diese Aussage auch nicht sehr viel besser als die erste, doch wenigstens konnte ich mir dieses Mal zusammenreimen, auf was er hinauswollte. „Du meinst, es geht darum, was du an dem Abend zu mir gesagt hast?“ Der Andere antwortete nicht, doch manchmal war keine Antwort eben auch eine.   Ich erinnerte mich daran, wie eigenartig es sich angefühlt hatte, als Reita mir so völlig offen seine Gefühle mitgeteilt hatte. Anscheinend war ich nicht der einzige, der das im Nachhinein eigenartig fand.   Trotzdem verstand ich Reitas Reaktion nicht. Zwar hatte er sich mit seinem kleinen Geständnis vor mir die Blöße gegeben, doch das war lange kein Grund, mir eine Woche lang aus dem Weg zu gehen!   „Du hast mich also deshalb eine Woche lang ignoriert?“, fragte ich ihn leicht verärgert. Konnte der Idiot nicht nur einmal seinen Stolz hinten anstellen?! „Ja. Nein“, gab Reita von sich, raufte sich erneut die Haare, bevor er seufzte und endlich die Katze aus dem Sack ließ. „Ich hab gerne Sex mit dir, aber aus uns wird doch niemals etwas Ernstes.“   Stille. Kapitel 6: ----------- Kapitel 6    Was sagt man nach so einer Aussage? Was wird von einem für eine Antwort erwartet? Wie sollte ich mich fühlen?   Ich konnte nicht einmal sagen, was ich in dem Moment empfand. Viel zu verwirrt war ich von Reitas Worten. Wie kam er auf die Idee, dass ich etwas Ernstes wollte? Ich überlegte weiter.     Wenn man es durch die Blume sehen wollte, war Reitas kleines Geständnis vielleicht als Liebesgeständnis zu betrachten? Konnte man vielleicht annehmen, dass aus ihm nicht tierische Bedürfnisse, sondern wahre Gefühle gesprochen hatten? Ich legte meinen Kopf schief.   Hatte ich das vielleicht angenommen?   Eigentlich hatte ich gar nicht genauer über die Worte nachgedacht. Viel zu sehr hatten sie mich erregt. Hatten meine Triebe angesprochen. Doch vielleicht auch mein Herz? Hatte ich gedacht, dass Reita in mich verliebt wäre? Und wenn nicht bewusst, war ich vielleicht unterbewusst davon ausgegangen? War ich deshalb am nächsten Tag so gut gelaunt gewesen? Weil ich gedacht hatte, ich sei nun in einer Beziehung?     Meine Stirn zog sich in Falten, als sich die alles entscheidende Frage in meinem Kopf bildete. Wollte ich eine Beziehung mit Reita?   Ich sah zu dem Blonden rüber, der immer noch etwas verschüchtert auf den Boden starrte, während seine ungestylten Haare ihm ins Gesicht hingen. Wenn ich ihn so vor mir sah, musste ich eins zugeben: Ich hatte ihn vermisst. Ich verbrachte gerne meine Zeit mit ihm. Deshalb war ich schließlich auch mit ihm befreundet. Und ich hatte gerne Sex mit ihm. Sonst hätte ich auch nicht zweimal mit ihm geschlafen. Und weiter?     Vielleicht hätte ich mir diese Frage etwas mehr zu Herzen nehmen sollen. Vielleicht länger über eine Schlussfolgerung nachdenken; mir einfach mehr Zeit nehmen sollen.     Doch in diesem Moment ließ ich nicht mein Gefühl entscheiden. Ich ließ der Logik den Vortritt. Der Bequemlichkeit.   „Und wer hat gesagt, dass ich eine Beziehung mit dir will?“ Reita sah mich so überrascht an, dass ich direkt weiter sticheln musste. Es kam selten vor, dass ich den Blonden so aus der Fassung brachte.   „Ich meine, findest du’s nicht ziemlich arrogant davon auszugehen, dass ich mich in dich verknallt habe, nur weil wir zweimal Sex hatten? Also, der Sex war zwar gut aber jetzt auch nicht soo…“ „Hey“, fiel mir der Blonde gekränkt ins Wort. Ich musste grinsen. Es war typisch Reita, sich wegen so einer kleinen Stichelei schon in der eigenen Ehre verletzt zu fühlen. Und auch wenn er noch den Augenkontakt vermied, schien er wenigstens keine Angst mehr vor einem plötzlichen Liebesgeständnis meinerseits zu haben. Sollte mich das verletzten? Ich wusste es nicht genau.   „Und wie soll’s jetzt weitergehen?“, fragte mich der Blonde vorsichtig. Ich zuckte mit den Schultern. „Also, eigentlich war’s ja ganz nett. Bis zu dem Punkt an dem du die Flucht ergriffen hast. Wieso also nicht so weitermachen?“ Reita starrte mich überrascht an.   „Du meinst also Freunde bleiben und trotzdem Sex haben?“ Wieder zuckte ich mit den Schultern. „Was spricht dagegen?“   Genau. Was spricht eigentlich dagegen mit seinen besten Freund Sex zu haben? Es gibt ja schließlich nur an die tausend logische Gründe, es nicht zu tun! Auf der Welt gibt es so viele Menschen. So viele gutaussehende Kerle. Warum musste ich mir ausgerechnet meinen besten Freund aussuchen? Warum konnte ich nicht irgendeinen anderen nehmen? Unseren Sex nicht als das abschreiben, was er war? Ein Versuch. Ein Spiel. Vielleicht noch die Dummheit eines Betrunkenen. Mehr war es ja nicht.   Doch da war irgendetwas. Es gab etwas, was mich dazu trieb, dieses Spiel weiterspielen zu wollen. Vielleicht war es die Neugierde, zu erfahren, wie lange wir weiter machen konnten, ohne zu verlieren. Wie weit wir Konventionen und Moral ausdehnen konnten, ohne zu fallen.   Heute weiß ich, wie weit ich gehen kann. Doch es ist wohl schon zu spät. Ich bin schon am Verlieren. Falle schon.   Aber an dem Abend hatte ich noch nicht so weit gedacht. Ich hatte mir keine Gedanken über Konsequenzen gemacht. Hatte nicht einmal damit gerechnet, dass es welche geben würde. Ich wollte nur, dass Reita weiterhin mit mir schlief und seine Zeit mit mir verbrachte.   Auch wenn Reita anfangs etwas skeptisch gewirkt hatte, schien ihm meine Idee immer besser zu gefallen. Als ich das Lächeln bemerkte, das sich auf seine Lippen geschlichen hatte, wusste ich, dass ich gewonnen hatte. „Und“, hakte ich trotzdem nach, um ganz sicher zu gehen. Mein bester Freund grinste mich an. „Klar“, gab er nur cool zurück, aber ich merkte, dass es nur gespielt war. Reita war über diese Entwicklung wahrscheinlich nicht minder erfreut als ich, auch wenn er versuchte mir sein Pokerface zu zeigen. „Und jetzt?“ Reita zuckte bei meiner Frage mit den Schultern, doch an seinem verschmitzten Gesichtsausdruck konnte ich sehen, dass er schon eine genaue Vorstellung hatte, wie es nun weiterging. „Wie wär’s wenn wir in mein Schlafzimmer gehen und die Sache offiziell machen?“   Am liebsten hätte ich wie blöd genickt und wäre schon direkt in der Küche über meinen besten Freund hergefallen. Doch ich beherrschte mich. Meiner Meinung nach, sollte er noch etwas dafür bluten, dass er mich solang wie Luft behandelt hatte. „Das sind aber ziemlich mutige Worte für jemanden, der sich eine Woche lang feige vor mir versteckt hat.“ Hämisch sah ich dabei zu, wie Reita seinen Blick auf den Boden richtete. Wahrscheinlich um nicht die Fassung zu verlieren. Er hasste es, wenn man an seinem Stolz kratzte. Und ich kratzte nicht nur. Ich zerhackte ihn förmlich. Als der Blonde wieder hoch sah, war er die Beherrschung selbst. „Weißt du, was noch feige ist? Seine Nummer beim Telefonieren zu unterdrücken.“   Autsch. Eigentlich hatte ich mir denken können, dass Reita mir Kontra geben würde. Und er benutzte viel mehr als eine einfache Hacke, um sich über meine Ehre herzumachen. Das war bei ihm schon ein Betonbohrer!   Der Blonde grinste mich unschuldig an, doch in seinen Augen konnte ich die Häme sehen. Wie ich ihn in diesem Moment hasste!   „Das werd ich dir heimzahlen“, knurrte ich ihn böse an, was ihn nur grinsen ließ.   „Kann’s kaum erwarten.“   Mit diesen Worten verließ mein bester Freund die Küche. Auch auf meinen Lippen bildete sich ein Grinsen als ich sah, dass der Bassist auf sein Schlafzimmer zusteuerte. Er warf keinen Blick zurück. War sich sicher, dass ich ihm folgen würde. Und wie ich es hasste, wenn er Recht behielt!   Trotzdem schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf, als ich dann den Raum erreichte in dem Reita verschwunden war. Der jetzt nackt auf seinem Bett lag und mich frech angrinste.   Diese kleine Abmachung würde unsere Beziehung mehr als nur bereichern. Und damit hatte ich nicht einmal ganz Unrecht…   ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Den Sex, den wir in dieser Nacht – und in sehr vielen der darauffolgenden Nächte – hatten, könnte man gut als eine Zwischenform unserer ersten beiden Male beschreiben. Wir waren lang nicht mehr so angespannt wie beim ersten Mal. Hatten auch keine Scheu mehr davor, uns gegenseitig zu berühren. Allerdings fehlte die Leidenschaft unserer zweiten Nacht. Wobei ich von heutiger Sicht sagen muss, dass ich sie eher unterdrückte, als dass ich sie nicht mehr empfand. Wir waren im Stillen darüber eingekommen, dass wir nicht die Kontrolle verlieren wollten. Dass sich während dem Sex „fallen zu lassen“ zu einer Liebesbeziehung gehörte und nicht zu dem, was wir miteinander teilten. Ebenso wie das Küssen auf den Mund. Und das störte mich auch alles gar nicht. Umso mehr genoss ich die seltenen Zärtlichkeiten. Es elektrisierte mich jedes Mal, wenn Reitas Lippen eine Stelle meiner Haut berührten. Mein Herzschlag verdoppelte sich, wenn ich sanft über seine Haut fuhr und ihm dabei leise Seufzer entlockte.   Ich genoss diese zärtlichen Berührungen. Genoss sie, weil sie so selten waren. Die Frage, ob es dafür noch einen anderen Grund gab, stellte sich mir gar nicht.   Ich hatte schließlich Sex. Und zwar guten Sex!   Eine Erfahrung, die ich in den nächsten Tagen ziemlich regelmäßig mit Reita teilen durfte. Und wieso auch nicht? Wir waren schließlich gut darin!     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   „Ich kann echt nicht glauben, dass du mich dazu überredet hast.“ Reita versuchte sich so gut es ging die Haare zu richten. Scheiterte dabei allerdings auf voller Linie. „Ich kann nicht glauben, dass du wirklich zugestimmt hast!“ So leise wie möglich schloss ich die Tür wieder hinter uns und betrat neben dem Blonden den langen Flur. Ich drehte den Schlüssel dreimal im Schloss. Genau darauf bedacht, alles so zu hinterlassen, wie wir es vorgefunden hatten. Schließlich musste nicht jeder wissen, was wir in Miyavis altem Besprechungsraum gemacht hatten. Ein dümmliches Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus.   „Wenn du nicht willst, dass alle gleich wissen, was wir getrieben haben, dann hör auf so schwachsinnig zu lächeln!“ „Das sagt gerade der Richtige“, erwiderte ich trocken. Ich hatte in den letzten paar Tagen feststellen dürfen, dass Reita direkt nach dem Sex Schwierigkeiten damit hatte, sein Pokerface einzusetzen. Auch dieses Mal war das Lächeln auf seinen Lippen wohl sehr viel glücklicher und harmonischer als er eigentlich wollte. „Wenn es dir wirklich so wichtig wäre, das zwischen uns geheim zu halten, wärst du vielleicht ein bisschen leiser gewesen“, setzte ich noch einen drauf, woraufhin Reitas Lächeln schon wieder diesen typischen selbstgefälligen Stich bekam. „Bild dir ja nichts ein! Ich war nur so laut, weil ich mich selbst in Miyavis Spiegelwand betrachten konnte. Mit deinen lausigen Fähigkeiten hatte das nicht wirklich was zu tun!“ „Vielleicht sollten wir doch noch einmal zurückgehen und ich zeige dir, zu was ich allem fähig bin.“ Ich sah an dem Funkeln in Reitas Augen, dass er kurz davor war meinen Vorschlag anzunehmen. Seine Hand war schon in meiner Hosentasche verschwunden. Wahrscheinlich auf der Suche nach dem Schlüssel zum Raum. Oder auf der Suche nach etwas anderem.   Bevor ich das erfahren konnte, kamen leider zwei Personen den Gang entlang. Sofort war die fremde Hand wieder aus meiner Hose verschwunden. Gerade rechtzeitig, denn die beiden Gestalten schienen uns entdeckt zu haben und kamen nun zielstrebig auf uns zu.   „Oh oh“, hörte ich leise neben mir und musste auch selbst schwer schlucken. Vor uns standen nun Aoi und Shou. Und beide sahen ziemlich angepisst aus. „Wo zum Teufel warst du die ganze Zeit?“, wurde Reita von dem Gitarristen böse angefaucht. „Reg dich mal ab. War doch Pause.“ „Die ist schon seit 15 Minuten rum!“ Verwirrt zog der Bassist sein Handy aus der Hosentasche. „Tatsächlich“, murmelte er fassungslos und sah dann vom Display zu mir auf. „Respekt!“ „Danke schön“, grinste ich nur breit zurück. Schließlich erhielt ich nur selten Komplimente von Reita. Shou und Aoi tauschten einen verwirrten Blick aus. „Was habt ihr beide denn die ganze Zeit gemacht?“, wollte nun Shou von mir wissen. Überrumpelt sah ich zu dem Blonden neben mir. Er war schließlich um einiges besser, wenn es um Ausreden und Lügen ging als ich. Leider sah auch er dieses Mal ziemlich ratlos aus. Ihr erinnert euch ja noch: der Sex und die schwindende Intelligenz.   „Alsoooo…“, begann er jetzt aber doch, wenn auch etwas langsam. „Tora und ich hatten gerade Sex auf dem Konferenztisch in Miyavis altem Besprechungsraum. Ich lag unten.“ Stille. Drei fassungslose Gesichter. Ja, auch ich war von der Aussage etwas überrascht.   Irgendwann schüttelte Aoi den Kopf. „Ich glaub, ich werd deinen kranken Humor nie verstehen.“ Murrend packte er seinen Bandkollegen am Arm, der sich grinsend mitziehen ließ. Unglaublich. Reita hatte alles riskiert… und war damit durchgekommen. Am liebsten wär ich ihm nachgerannt und hätte ihn für diese Aktion gleich an die nächste Wand gepinnt. Leider hätte das unseren waghalsigen Sieg doch ein bisschen gefährdet.   „Mir ist eigentlich egal, was für einen Schwachsinn ihr dieses Mal wieder angestellt habt, also frag ich auch nicht nochmal. Wenn ich nichts weiß, kann man mich später auch nicht verantwortlich machen. Außerdem bezweifel ich, dass deine Antwort sehr viel wahrheitsgemäßer als Reitas sein wird.“ Ich lächelte Shou als Antwort freundlich an, was diesen nur aufseufzen ließ. Dabei hatte er doch so Recht. Noch wahrheitsgemäßer als Reitas Antwort ging einfach nicht!     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Obwohl wir an dem Tag noch mit dem Schrecken davongekommen waren, beschränkten wir uns danach darauf, unsere neue Lieblingsaktivität nur zu Hause auszuüben. Auch wenn Reita es „Können“ nannte, wusste er eigentlich selbst, dass wir mit Aoi und Shou nur Glück gehabt hatten. Wären Kai und Nao gekommen, wären wir so lange durch die Mangel genommen worden, bis sie das letzte Fünkchen Wahrheit aus uns gequetscht hätten. Reita hatte vor allem vor Ruki Angst. Der Kleine war Rukis zweiter bester Freund und hatte die Gabe, alle Lügen Reitas sofort zu durchschauen. Also versuchten wir uns so normal wie möglich zu verhalten und unseren Bandkollegen keinen weiteren Grund zur Skepsis zu geben. Und es klappte. Wir verhielten uns wie echte Profis. Keiner kam hinter unser kleines Geheimnis. Zwei Wochen lang…     Ich muss an dieser Stelle betonen, dass es nicht meine Schuld war. Vielleicht hätte ich wirklich vorsichtiger sein sollen. Aber ganz ehrlich: Es war Reitas Ruf, der auf dem Spiel stand, und nicht meiner. Also hätte er besser aufpassen sollen.   Wie gesagt, wir waren seit zwei Wochen…“zusammen“. Ich war zu Hause und hatte gerade Reita die Haustür im Erdgeschoss per Anlage geöffnet. Er hatte noch Probe gehabt und war danach gleich zu mir gekommen. Eigentlich sahen wir uns jeden Tag. Ich hatte schon den Ersatzschlüssel zu meiner Wohnung gesucht und wartete nur noch auf eine Gelegenheit, ihn Reita zu geben. Allerdings traute ich mich auch irgendwie nicht, weil ein Schlüsselaustausch nach zwei Wochen doch ziemlich früh wäre.   Findet ihr auch, dass sich das wie eine Beziehung anhört? Ja, ich denke das heute auch…   Da er also keinen eigenen Schlüssel hatte, lehnte ich nur die Wohnungstür an und ging zurück ins Wohnzimmer. Keine Minute später hörte ich schon meine Tür zuknallen. „Hey Rei! Übrigens ist…“ „Oh nein, ich hab echt keinen Bock darauf, dass du mich jetzt auch noch weglaberst!“, wurde ich ziemlich unfreundlich unterbrochen, während der Blonde den Raum betrat. Zugegeben: Er sah wirklich gestresst aus. „Keine Ahnung was Kai heute Morgen über die Leber gelaufen ist, aber mir wär’s lieber gewesen, es hätte ihn zertrampelt! Dem konnte man’s heute echt nicht recht machen und deshalb brauch ich jetzt etwas, um meine Aggression und den Stress abzubauen. Also wenn du mir etwas zu erzählen hast, dann tu das, während du deine Hose ausziehst, denn ich brauche jetzt ganz dringend…“ Dieses Mal wurde Reita in seinem Monolog unterbrochen. Allerdings nicht von mir.   Sein Anblick war so göttlich, als Saga meine Küchentür öffnete und mit einem sehr verwirrten Gesichtsausdruck das Wohnzimmer betrat. Vielleicht sollte ich noch dazu erwähnen, dass Reita während seines Vortrags schon seinen Gürtel geöffnet hatte. In Sekundenschnelle war die Hose des Blonden wieder verschlossen. Ich sah förmlich, wie er in seinem Kopf nach einer passenden Ausrede suchte. Doch wie sollte die bitte lauten, wenn er mich gerade dazu aufgefordert hatte meine Hose auszuziehen weil er „Stress abbauen“ musste? Also wechselte der Bassist die Taktik: Er suchte nach einem Schuldigen für das Desaster.   „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass er da ist!“, zischte er mir wütend zu. „Ich hab’s doch versucht!“, verteidigte ich mich sogleich, wobei ich zugeben musste, dass es mir doch Freude bereitete, Reita so peinlich berührt zu sehen. Auch Saga schmunzelte. „Hallo Reita“, flötete er dem anderen Bassisten grinsend zu. Saga liebte es, hinter Geheimnisse zu kommen. Und dieses schien ihm besonders zu gefallen. An Reitas Gesichtsfarbe konnte ich erkennen, dass ihn die Situation weniger belustigte. „Ich geh dann mal wieder“, nuschelte er leise und ging ohne ein weiteres Wort des Abschieds in den Wohnungsgang, wohin ich ihm folgte. Er tat mir schon ein bisschen leid. Das wertete seinen schlechten Arbeitstag sicher nicht gerade auf.   „Ich red mit Saga. Der wird schon dicht halten“, meinte ich in einem einfühlsamen Tonfall, den ich sonst nicht häufig verwende. „Mach dir keine Sorgen.“ Normalerweise hätte Reita mich für so viel Mitgefühl ausgelacht, doch an dem Tag sah er eher so aus, als würde er mir lieber dankend in den Arm fallen – was er natürlich nicht tat. Stattdessen zog er seine Schuhe fertig an, nickte mir nochmal zu und verließ dann das Apartment. Ich seufzte und sah einen Moment wehleidig die geschlossene Tür an. Dabei war Reita so geil im Bett, wenn er gestresst und aggressiv war! Natürlich war meine erste Emotion Mitgefühl gewesen und das Bedürfnis meinen Freund in Schutz zu nehmen. Aber der Sexgedanke kam ziemlich schnell danach.   Leider musste ich meine Aufmerksamkeit jetzt erstmal einem anderen Bassisten schenken. Kapitel 7: ----------- Kapitel 7   Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, saß Saga bereits auf meinem Sofa und grinste mich an. Und ich konnte nicht anders als zurückzugrinsen. Ja, ich hielt Reita für einen guten Fang und ich war schon stolz darauf, mit ihm Sex zu haben. Mal ehrlich, wer wäre das nicht?   Trotzdem wollte ich den Bassisten wenigstens noch ein bisschen zappeln lassen. Schließlich hatte er mich gerade mit seiner Anwesenheit um eine Nummer gebracht. Also setzte ich mich neben ihn auf die Couch und trank ganz entspannt einen Schluck aus meinem Glas. Saga wartete geduldig, auch wenn ich seinen Blick die ganze Zeit auf mir spüren konnte. Als ich danach allerdings zur Fernbedienung greifen wollte, hielt er es nicht mehr aus. Mit einem vorwurfsvollen „Toraaaa“ boxte er mich in die Seite. „Was zum Teufel war das gerade?!“   „Was war was?“, fragte ich unschuldig, worauf ich erneut geboxt wurde. „Du weißt ganz genau, was ich meine! Und du weißt auch, dass ich dich so lange nerven werde, bis du mir alles erzählst, also sag’s lieber gleich!“ Ich seufzte bei der Drohung des Bassisten. Ich wusste selbst, dass es jetzt sinnlos sein würde zu lügen. Außerdem verlangte ein Teil von mir geradezu danach, es jemandem zu erzählen. Und Saga war dafür sicher ein guter Ansprechpartner… Vielleicht. Naja, viel Auswahl hatte ich ja nicht.   „Du musst mir aber versprechen, dass du’s nicht weiter erzählst. Sonst weiß das nämlich keiner“, ermahnte ich den anderen, woraufhin dieser eifrig nickte. „Klar ich behalt alles für mich. Wie aufregend! Dann kann ich ja deine Mary Sue sein!!“ Ich runzelte die Stirn. „Meine was?“   Saga war viel zu neugierig mir das Wort in dem Moment zu erklären, also hatte ich es im Laufe der kommenden Tage gegooglet. Ja… er wurde so etwas wie meine Mary Sue.   Der Blonde winkte meine Unwissenheit nur ab. „Ist ja auch egal! Jetzt sag endlich. Wenn ich das richtig verstanden habe, lässt du Reita ran?“ Ich war doch kurz ein bisschen perplex bei seiner Vermutung. Allerdings konnte man ihm auch nicht verdenken, dass er Reita bei seinem ganzen Macho-Gehabe die aktivere Rolle zuschrieb. Trotzdem… ein bisschen war ich schon darüber empört gewesen, dass ich so selbstverständlich abgestempelt wurde. Schön, dass ich einen Weg wusste, wie ich mein angekratztes Ego sofort wieder aufbauen konnte. Durch die Wahrheit – und wie oft kam so etwas schon einmal vor!   „Um genau zu sein, “ setzte ich lässig an und versuchte sowohl das Grinsen von meinem Gesicht als auch den Stolz aus meiner Stimme zu verdrängen, „lässt Reita MICH ran.“ Bei Sagas perplexen Gesichtsausdruck konnte ich mir ein Grinsen jetzt doch nicht verkneifen. „Nein“, meinte er nur ungläubig, worauf ich lediglich nickte. Sofort begann der Blonde zu lachen. „Unglaublich! Du Hund!!“ Saga schlug mir mit so viel Anerkennung auf die Schulter als hätte ich gerade für eine besonders gute Leistung einen Preis gewonnen. Wobei man Reita wohl doch schon irgendwie als eine Trophäe ansehen konnte.   Irgendwann beruhigte der Blonde sich neben mir wieder und lächelte mich nur noch leicht kopfschüttelnd an, als könne er meinen Worten immer noch nicht glauben. Wahrscheinlich hatte er seinen Lachanfall nur gestoppt, um mich weiter ausfragen zu können. „Und wie lang seid ihr jetzt schon zusammen?“   Die Frage verwirrte mich. Ich war so in meine eigene kleine Welt vertieft, dass ich gar nicht darüber nachgedacht hatte, wie wir nach außen wirken mussten. Natürlich ging Saga erst einmal davon aus, dass Reita und ich eine Paar waren. Es nur zu denken kam mir schon komisch vor. Reita und ich ein echtes Paar? Mit Gefühlen und Händchen halten und Küssen. Echten Küssen.   Ich hatte den Gedanken wieder abgeschüttelt. Das fühlte sich in meinem Kopf zu fremd an. Dass ich schon darüber nachgedacht hatte, wie es wäre, Reita auf den Mund zu küssen, konnte ich nicht leugnen. Aber so war das eben, wenn man sich so nahe war. Das hatte nichts zu bedeuten. Nur Nebenerscheinungen vom Sex. Ganz sicher. So wie unsere Beziehung jetzt war, war sie perfekt. Unkompliziert. Wieso also alles durch Nachdenken zerstören?   Also begann ich, Saga von meiner perfekten und unkomplizierten Beziehung mit Reita zu erzählen, die ja gar keine Beziehung war. Ich persönlich hielt das damals ja für eine ziemlich coole Sache und für eine super Idee von Rei und mir. Mein Enthusiasmus verflüchtigte sich allerdings, je mehr Skepsis ich in Sagas Blick sehen konnte. Und das war eine ganze Menge Skepsis.   Als ich mit meiner Geschichte fertig war, seufzte der Bassist nur und schüttelte dann leicht den Kopf. Er erinnerte mich in diesem Moment stark an meine Mutter, wenn sie in meiner Kindheit herausgefunden hatte, dass ich wieder die Süßigkeitenschublade geplündert hatte. Scheinbar gönnte mir hier niemand ein klein wenig Spaß.   „Damit ich das richtig verstehe: Du schläfst mit deinem besten Freund, ihr seid aber nicht zusammen. Und du glaubst tatsächlich, dass das funktioniert?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wieso sollte es denn nicht funktionieren?“ Saga sah mich an, als wär ich der größte Volltrottel auf der Welt. War ich in dem Moment vielleicht auch. „Hast du jemals davon gehört, dass eine solche Geschichte funktioniert?“ Nein, natürlich hatte ich noch nie davon gehört. Aber was kümmerte mich schon, dass der Rest der Menschheit zu blöd war, diese geile Geschichte richtig durchzuziehen? „Das bei Reita und mir ist aber anders! Es klappt. Und es ist unkompliziert. Reita ist toll, unser Sex ist toll und ich bin gerne in seiner Nähe“, versuchte ich mich zu erklären und tatsächlich verschwand Sagas missmutiger Gesichtsausdruck. Stattdessen bildete sich ein kleines, wissendes Lächeln, welches mir aber auch nicht sehr viel besser gefiel. „Und du bist sicher, dass ihr kein Paar seid?“ „Natürlich bin ich mir sicher“, antwortete ich verwirrt. Was für eine dämliche Frage war das denn bitte! Saga nickte nur und schien dann ernsten Gedanken nachzuhängen.   „Hättest du ein Problem, wenn ich‘s auch mal bei ihm versuche?“ „Wie bitte?!“ Ich starrte den Bassisten fassungslos an. Das waren also seine „ernsten Gedanken“? Er überlegte sich, wie er Reita flachlegen konnte? Meinen Reita?   „Naja schließlich seid ihr nicht zusammen und da Reita ja scheinbar für so einen kleinen Spaß zwischendurch zu haben ist…“ „Du wirst nicht mit Reita schlafen.“ Ich versuchte nicht ganz so aggressiv zu klingen, wie ich mich in dem Moment fühlte. Das Gespräch hatte eindeutig eine falsche Wendung genommen. Und Sagas breites Grinsen machte das auch nicht gerade besser. „Also stellst du Besitzansprüche an ihn?“, hakte der Bassist nach, worauf ich erst einmal nichts antworten konnte. Hatte der Bastard mir gerade eine Falle gestellt? „Er würde dich eh nicht ranlassen“, murrte ich zurück, was Saga allerdings nicht weiter beeindruckte. „Ihr verbringt viel Zeit miteinander, habt Sex, keine anderen Partner. Hört sich für mich schon verdächtig nach einer Beziehung an. Und wenn jetzt noch nicht, dann wird’s garantiert noch eine.“ „Du hast doch einen Knall“, war meine freundliche Antwort. Anders konnte man Sagas Mutmaßungen auch nicht kommentieren. Ein Paar. Absurd.   Bevor ich ihn aber weiter beschimpfen konnte, klingelte mein Handy. Reita. Ohne meinen Kollegen noch eines Blickes zu würdigen, nahm ich ab. Sollte der doch alleine weiterspinnen.   „Hey.“ Ich versuchte möglichst normal zu klingen, um Sagas Vermutungen nicht weiter anzuheizen. Allerdings fiel mir das nicht gerade leicht, da ich mich wieder an Reitas angeschlagene Stimmung erinnerte, als er meine Wohnung verlassen hatte. Der unsichere Tonfall in seiner Stimme als er mich zurückgrüßte, sagte mir, dass es ihm wohl immer noch nicht besser ging. „Wie sieht’s jetzt aus mit Saga?“, wollte mein Gesprächspartner beinahe ängstlich wissen. „Keine Sorge, der wird dicht halten.“ Saga nickte und ich konnte mir sogar ein dankbares Lächeln für meinen Kollegen abgewinnen. Reitas Reaktion auf meine Worte war ein Seufzen. „Glück gehabt“, gab er erleichtert von sich, was mich doch irgendwie verletzte. Wäre es wirklich so schlimm gewesen, wenn unser kleines Geheimnis gelüftet worden wäre? Durch das Gespräch mit Saga war mir aufgefallen, dass es mir eigentlich ziemlich egal war, wenn die Leute von uns wussten. Das war allerdings nichts, was ich Reita auf die Nase binden musste.   „Kommst du später noch vorbei?“, fragte mich der Blonde und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Ähm ja. Kann ich machen.“ „Cool. Ich mach Spaghetti. Willst du auch was?“ „Spaghetti hört sich gut an.“ „Ok. Dann bis später!“   Bevor ich mich selbst verabschieden konnte, hatte der Andere schon aufgelegt. Allerdings machte ich mir nichts daraus. Ich war nur froh, dass sich Reita am Ende des Gesprächs wesentlich normaler angehört hatte als am Anfang.   Vor lauter Freude darüber hatte ich fast meinen Gast vergessen, der immer noch neben mir saß und ein ziemlich penetrantes Lächeln präsentierte. „War das dein Freund?“ Ich beantwortete Sagas Frage mit meinem besten Todesblick, der diesen leider überhaupt nicht beindruckte. „Macht er dir etwa was zum Essen? Das ist aber süß!“ „Er macht mir nichts zu Essen. Er schmeißt lediglich seine Reste nicht weg, damit ich sie später noch essen kann“, meinte ich trocken. „Nenn es wie du willst. Ich finde, ihr gebt ein sehr niedliches Paar ab.“ „Wenn du so weiter machst, warst du die längste Zeit meine Mariah Cary.“ „Du meinst Mary Sue.“ „Mir doch egal wie das Miststück heißt.“   Saga musste bei meinem derben Kommentar anfangen zu lachen, ließ danach das Thema aber tatsächlich auf sich beruhen. Natürlich wusste ich, dass das nicht mein letztes Gespräch mit Saga über meine Beziehung zu Reita gewesen sein würde. Doch momentan fand ich es einfach nur angenehm, mich mit meinem Bandkollegen wieder über normale Dinge unterhalten zu können. Ich wollte einfach nicht über Reita und mich reden, weil das zwangsläufig auch bedeutet hätte, dass ich über uns hätte nachdenken müssen.   Wahrscheinlich war mir schon damals unbewusst klar gewesen, dass mich das Nachdenken nur in eine Situation führen würde, in der ich eigentlich nicht stecken wollte. Weder mit dem Kopf, noch mit dem Herz.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Saga schaffte es tatsächlich, sich noch eine Stunden lang zusammenzureißen. Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er mit sich selbst zu kämpfen hatte, während wir irgendeine Sendung im Fernsehen schauten, die wahrscheinlich unter seinem Niveau war. Aber er blieb und unterhielt sich sogar ganz normal mit mir. Keine blöden Fragen oder Vermutungen. Nur ein dämliches Grinsen als er dann aufstand und meinte: „Ich geh jetzt mal. Schließlich hast du heute noch was vor.“ Ich ließ die Aussage unkommentiert und brachte ihn sogar zur Tür, ohne ihm eine Kopfnuss zu verpassen. Er hatte schließlich Recht. Ich hatte noch etwas vor.     Kaum war Saga verschwunden, machte ich mich selbst auf den Weg zu Reita. Keine halbe Stunde später schloss ich seine Haustür auf. Ich hatte mir angewöhnt, mich einfach selbst rein zu bitten. Schließlich wusste ich nur zu gut, wo sich der Ersatzschlüssel befand. Reita saß auf seinem Sofa und sah eine Sendung an, die ungefähr auf demselben Niveau dümpelte, wie das, was ich gesehen hatte. Das mochte ich an ihm. Er war ein genauso anspruchsloser Idiot wie ich! Vielleicht einer der Gründe, wieso gerade wir beide uns gefunden hatten.   „Hi“, meinte der Blonde, ohne sich die Mühe zu machen, mich überhaupt anzuschauen. „Hey.“ „Essen ist in der Küche. Muss halt nochmal in die Mikro.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwand ich in den besagten Raum. Wie zu erwarten, sah es hier aus wie nach dem Krieg. Unglaublich, dass man eine Küche bei einer so einfachen Tätigkeit so zurichten konnte. Und mitten in dem ganzen Chaos stand eine Schüssel, die wahrscheinlich für mich bestimmt war. Ich musste bei der Tatsache, dass er das Essen nicht einfach im Topf gelassen, sondern mir sogar eine Schüssel hingerichtet hatte, sanft lächeln. Mir fielen wieder Sagas Worte ein, wie süß es doch sei, dass mein Freund für mich koche. Während sich mein Essen in der Mikrowelle drehte, nutzte ich die Zeit, um ein bisschen aufzuräumen und die benutzten Töpfe einzuweichen. Als das erledigt war, holte ich meine Nudeln, nahm mir Besteck und gesellte mich zu Reita ins Wohnzimmer.   „Ich hab deine Töpfe übrigens eingeweicht. Sonst hättest du die morgen gleich wegschmeißen können“, meinte ich und setzte mich neben meinen besten Freund aufs Sofa. „Dankeschön, Schatz“, antwortete er trocken. „Bitteschön, Liebling.“ Ich hatte nicht gedacht, dass ich es trotz vollem Mund schaffen würde, so sarkastisch zu klingen. Reita grinste neben mir leicht, sah aber weiter fern. Eine Weile waren wir still und ich aß zufrieden meine Spaghetti, die übrigens viel besser schmeckten, als ich Rei jemals zugetraut hätte.   „Und? Was hast du mit Saga noch so besprochen?“ Ich zuckte mit den Schultern. Irgendwie wollte ich ihm nicht erzählen, dass Saga uns schon als eine Art Paar sah. Schließlich wollte ich nicht einmal selbst darüber nachdenken. Und mich mit Reita über das Thema zu unterhalten, wollte ich logischerweise noch viel weniger. Wobei Saga doch eine Aussage getroffen hatte, zu der mich Reitas Reaktion interessierte.   „Nichts wirklich Interessantes“, meinte ich ausweichend und hängte dann in einem möglichst gelassen Tonfall an: „Er hat mich nur gefragt, ob’s mir was ausmachen würde, wenn er auch einmal mit dir schläft.“ Als ich meinen Freund daraufhin neben mir auflachen hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen. „Der Spinner hat sie ja echt nicht mehr alle! Ich lass ja auch nicht jeden dahergelaufenen Deppen ran.“ Ich lächelte breit und fühlte mich rundum zufrieden. Nicht nur, dass Reita die Tatsache genau so abwegig fand wie ich, er hatte sogar noch indirekt gesagt, dass ich für ihn nicht nur ein „dahergelaufener Depp“ war. In Reitas Welt war das schon ein Kompliment! Lachend betrachtete mich der Blonde von der Seite, bis sein Gesichtsausdruck etwas nachdenklicher wurde. „Und was hast du Saga geantwortet?“ „Dasselbe wie du gerade. Dass du ihn eh nicht ranlassen würdest.“ Reita nickte. Immer noch der nachdenkliche Blick. „Aber würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mit ihm Sex hätte?“ Ich ließ bei den Worten fast die Schüssel fallen und starrte Reita entgeistert an. „Das hast du doch nicht etwa vor, oder?!“   Der Blonde schüttelte den Kopf, woraufhin ich erleichtert ausatmete. Sofort darauf wurde mir bewusst, dass ich Reita mit meiner Reaktion ziemlich eindeutig gezeigt hatte, was ich davon hielt, wenn er mit Saga schlafen würde. „Mit so einem Penner wie Saga. Was für eine Beleidigung das wäre“, grummelte ich vor mich hin, wusste aber trotzdem, dass ich aus der Situation nicht mehr herauskam.   Wahrscheinlich fing Reita gleich an, sich darüber lustig zu machen, dass ich Besitzansprüche an ihn stellte und würde mich den ganzen Abend damit nerven. Er liebte es einfach, Schwachstellen zu entdecken und einen damit zu quälen. Doch statt sich über mich lustig zu machen, lächelte er mich einfach nur an. Es handelte sich noch nicht einmal um ein Grinsen! Und ich konnte auch keinen Hohn in seinen Augen funkeln sehen. Nur ein ehrliches, sanftes Lächeln.   „Komm mit“, meinte er schlicht und umgriff mein Handgelenk. „Wohin?“ „Schlafzimmer.“ „Ich bin aber noch nicht fertig mit essen!“ Der Blonde gab mir einen „Ist das dein Ernst“-Blick, der es in sich hatte. Und natürlich war es nicht mein Ernst. Lieber heißen Sex als heißes Essen. Grummelnd stellte ich also die Schüssel ab und ließ mich von dem Blonden mit dem hübschen Lächeln, das ihm fast etwas Engelhaftes verlieh, in sein Schlafzimmer ziehen.   „So ist richtig. Immer schön brav sein, sonst such ich mir vielleicht doch einen Neuen.“   Von wegen Engel. Kleiner Bastard. Kapitel 8: ----------- Kapitel 8   Man kann Saga viel vorwerfen und auch wenn er sonst ein ziemliches Klatschweib ist, hielt er sein Wort und blieb still. Jedenfalls gegenüber den Anderen. Ich hingegen durfte mich regelmäßig mit nervigen Fragen und noch nervigeren Mutmaßungen rumschlagen. Natürlich meinte er es nur gut, doch ich wusste schon, was ich tat!   Jedes Mal wenn ich das Saga gegenüber erwähnte, schenkte er mir einen ziemlich skeptischen Blick. Anfangs versuchte ich die stille Frage darin zu ignorieren, doch irgendwann konnte ich es nicht mehr. Irgendwann kam der Moment, in dem meine innere Stimme unsicher nachhakte: „Weißt du wirklich, was du da tust?“ Nein, ich wusste es natürlich nicht. Ich wusste nicht, was ich tat. Was Reita und ich taten. Was Reita mit mir tat! Ich wusste nur, dass es mir egal war. Fehler.   Wie bereits erwähnt, hielt Saga den Mund und Rei und ich konnten so weitermachen, wie bisher. Ein Teil von mir hatte gedacht, dass wir irgendwann den Spaß an der ganzen Sache verlieren würden, doch es schien eher das Gegenteilige zu passieren. Je mehr Zeit verstrich, desto verrückter schien ich nach dem Blonden zu werden. Und auch er machte nicht den Eindruck als würde er meiner bald überdrüssig sein.   Fast genauso viel Spaß wie der Sex selbst machte es mir, Reitas kleine Vorlieben herauszufinden. Da wir immer noch wenig Zärtlichkeiten austauschten, schien dies meine neue Lebensaufgabe zu werden.   Ich merkte mir jede Stelle seines Körpers, die ich bereits berührt, geschmeckt oder auf andere Art verwöhnt hatte, und seine dazugehörige Reaktion. Ich wusste, dass es ihn wahnsinnig scharf machte, wenn ich ihn in den Hals biss, genoss es aber auch, wie er wohlig aufseufzte, wenn mein Mund die Stelle sanfter verwöhnte. Und wenn ich ganz viel Glück hatte, erwischte ich sogar die Stelle hinter seinem Ohr, an der er kitzlig war. Sanft streichelte ich seine Haut mit meinem federleichten Atem und hoffte inständig darauf, es dann zu hören. Das leise Kichern. Ein Kichern, das sich nach purem Glück anhörte, welches man in dem Moment auch in den Augen des Blonden sehen konnte, während er mich dann meistens liebevoll näher an sich zog. Und ich genoss es.   Ich genoss jeden zärtlichen Blick, jedes glückliche Lächeln, jedes sanfte Streicheln, die Art wie er manchmal während dem Sex meinen Namen stöhnte als würde es für ihn nur mich auf der Welt geben.   Irgendwann kam ich zufrieden zu dem Entschluss, dass Rei wohl das gleiche Spiel spielte wie ich und gemerkt hatte, dass das Stöhnen meines Namens eindeutig zu MEINEN Vorlieben gehörte.   Und die kleinen Zärtlichkeiten wurden ganz langsam immer mehr und es gefiel mir. Ich konnte davon nicht genug kriegen. Ich konnte von Reita nicht genug kriegen! Und so verstrickte ich mich immer tiefer in die Geschichte, bis es kein Entkommen mehr gab.     Schwer atmend sackte ich auf Reita zusammen. Mir war es in dem Moment ziemlich egal, dass der Blonde dadurch wahrscheinlich selbst keine Luft mehr bekam. Das hatte er die Male davor auch immer überlebt. Außerdem war der Sex am Morgen seine Idee gewesen. Eigentlich ein ziemlich dummer Einfall, wenn man bedachte, dass heute ein Arbeitstag war und wir beide Bandmeeting hatten. „Ich will nicht aufstehen“, murmelte der Blonde missmutig unter mir, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ich weiß auch gar nicht, ob du nach der Nummer überhaupt anständig stehen kannst.“ Ich unterstrich meine Aussage mit einem fiesen Grinsen, woraufhin Reita mir einen seiner berühmten Todesblicke schenken wollte. Wie jedes Mal nach dem Sex schaffte er es aber nicht den zufriedenen Gesichtsausdruck ganz zu verbannen, weshalb ich seinen „bösen Blick“ nicht wirklich ernst nehmen konnte. Ich musste mir bei seinem Gesichtsausdruck ein Lachen verkneifen und wollte mich dann von ihm herunterrollen, als ich plötzlich seine Hände auf meinem Rücken spürte.   „Noch nicht“, grummelte er leise und schloss die Augen. Mein Vorsatz aufzustehen, um rechtzeitig bei der Arbeit zu erschienen, war auf einmal nicht mehr so wichtig. Er hatte das noch nie getan. Sonst blieben wir nur kurz aufeinander liegen, bis wir uns wieder zu weiteren Bewegungen in der Lage fühlten. Wir verharrten nie länger als ein paar Atemzüge in dieser intimen Position. Und jetzt lag Reita ruhig atmend unter mir und hatte seine Arme hinter meinem Rücken verschränkt. Schenkte mir damit eine Umarmung, die sich besser anfühlte, als ich mir selbst eingestehen wollte.   Ich legte meinen Kopf auf seinem Schlüsselbein ab und vergrub mein Gesicht leicht in seiner Halsbeuge. Er drückte mich noch etwas näher an sich, seufzte und entspannte sich dann völlig. Auch ich spürte, wie alle Anspannung meinen Körper verließ, als ich meine Augen schloss. Eine Minute konnten wir uns sicher noch Zeit lassen.   Es brauchte über zehn Minuten, bis ich mich dazu aufraffen konnte, etwas zu sagen. Ich hätte noch ewig so daliegen können, doch einer von uns musste ja vernünftig sein. Und wie immer war natürlich ich das. „Wir müssen aufstehen, Rei“, flüsterte ich in sein Ohr. Ein tiefes Brummen war zu hören. „Können wir nicht einfach hier bleiben?“ Seine Stimme war noch tiefer als sonst. Hörte sich noch rau an vom Stöhnen. Sein Brustkorb vibrierte leicht, als er sprach, und eine Gänsehaut überzog meinen Körper.   Konnten wir nicht wirklich einfach hier bleiben? Vielleicht sogar für immer? Ich versuchte diese schrecklich romantischen Gedanken abzuschütteln. Dass Sex mit Reita mich immer so kitschig werden ließ!   „Wenn wir zusammen blau machen, wird das auffallen und wir müssten ein paar unschöne Fragen beantworten“, gab ich zu bedenken. Und obwohl Rei wieder brummte, wusste er ganz genau, dass es stimmte. Wir waren peinlichst darauf bedacht, uns vor unseren Freunden nichts anmerken zu lassen. Reita war sogar mit seinem Motorrad gekommen, damit wir nicht zusammen in meinem Auto zur Arbeit fahren würden. Und eine gemeinsame Ankunft wär wohl noch um einiges unauffälliger als gemeinsames blau machen. Das hinderte Reita trotzdem nicht daran, mich einen Spielverderber zu schimpfen, während er sich unter mir leicht streckte. Ich beachtete den Kommentar gar nicht weiter, sondern nutzte seine Unachtsamkeit, um sanft an der empfindlichen Stelle hinter seinem Ohr zu knabbern.   Obwohl er seinen Kopf gleich instinktiv von mir wegdrehte, hatte ich doch mein Ziel erreicht. Ein sanftes Kichern erhellte den Raum und scheinbar ohne sein bewusstes Zutun, wanderten seine Hände hinter meinem Nacken, wo sie sich gleich wieder verschlossen. Mit mir selbst zufrieden betrachtete ich den Blonden und mir blieb für einen Moment der Atem weg.   Noch nie hatte Reita für mich so wunderschön ausgesehen wie in diesem Moment. Er wirkte so unglaublich glücklich. Sein Augenaufschlag so liebevoll. Ich spürte, wie seine Brust sich unter meiner hob und senkte. Spürte, wie er unglaublich feinfühlig meinen Nacken kraulte. Langsam beugte ich mich seinem Gesicht entgegen. Ich hatte noch nie so viel Zuneigung für einen Menschen empfunden wie in diesem Moment für meinen besten Freund.   „Vielleicht sollten wir jetzt wirklich aufstehen.“ Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. Unsere Lippen berührten sich fast, als er sprach. Aber nur fast. Er hatte mich nicht weggestoßen. Seine Hände waren immer noch hinter meinem Nacken verschlossen. Sein Atem ging ruhig, auch wenn ich mir einbildete, dass sein Herz inzwischen etwas stärker gegen meine eigene Brust schlug.   Trotzdem. Ich hatte seine Worte gehört. Und sie hatten mich aus meiner Trance geweckt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, rollte ich mich endlich von meinem besten Freund. Fast hätte ich mich vom Moment mitreißen lassen. Ich hatte etwas gesehen, was eigentlich nicht da war und jetzt fühlte ich etwas, was ich eigentlich nicht fühlen sollte.   „Ich dusch als Erster!“ Reitas Stimme riss mich aus meinen ernsten Gedanken und holte mich zurück in die Realität. Leider brauchte das einen Moment und Reita hatte schon das Schlafzimmer verlassen, bevor ich überhaupt reagieren konnte. „Aber beeil dich! Wir sind spät dran!!“, rief ich ihm hinterher und hörte nur noch die Badezimmertür knallen.   Reita war tatsächlich nach zehn Minuten fertig, was eigentlich auch zu erwarten war. Der Blonde war immer so schnell. Wie er es in der Zeit schafft, sich zu duschen und zu richten, ist mir heute noch ein Rätsel. Ganz anders als ich, der dann nach ihm das Bad betreten hatte und fast doppelt so lange brauchte – obwohl ich mich beeilt hatte! Die Strafe für meine Langsamkeit erwartete mich dann in der Küche, wo sich Reita schon einen Kaffee genehmigte. Ich stutze als ich ihn dort ganz unschuldig auf einer der Küchenablagen sitzen sah. „Ist das etwa mein T-Shirt?!“ Reita sah kurz an sich herunter und zuckte dann mit den Schultern „Scheint so.“ „Wieso trägst du mein Shirt?“ Bei einem anderen Oberteil hätte mich das vielleicht belustigt, aber es handelte sich hier um ein neues Shirt, dass ich erst einmal getragen hatte. Und billig war es auch nicht unbedingt gewesen.   „Ich trage es, weil ich geil darin aussehe. Oder nicht?“ Der Blonde war von der Ablage gesprungen und zeigte selbstgefällig an sich herunter. Und natürlich hatte er Recht. Der weiße Stoff schmiegte sich leicht an seinen Körper und die schwarzen Verzierungen ließen ihn verboten cool aussehen. „Wie du darin aussiehst, ist hier gar nicht der Punkt“, antwortete ich ausweichend, konnte seinem Grinsen aber ansehen, dass er ganz genau wusste, wie er aussah und was ich davon hielt. Arrogantes Arschloch.   Plötzlich fiel mir ein Argument ein, das sicher ziehen würde. „Was ist, wenn jemand erkennt, dass es meins ist?“ Auch wenn er kein Respekt vor dem Eigentum anderer hatte, die Angst erwischt zu werden, würde ihn sicher aus meinem T-Shirt heraus treiben. Doch da hatte ich mich geirrt. Wieder zuckte der Bassist gelassen mit den Schultern. „Du hast das Oberteil erst einmal im PSC-Gebäude getragen, also wird sich eh niemand daran erinnern. Du bist schließlich nicht für jeden der Mittelpunkt der Welt.“ „DU kannst dich daran erinnern!“ Kurz sah ich etwas in Reitas Augen aufblitzen, was ich an dem Morgen schon einmal darin gesehen hatte.   Inzwischen weiß ich nicht mehr, ob es nur Wunschvorstellung war. Ob ich nur etwas gesehen habe, weil ich es sehen wollte.   Der Blonde kam langsam auf mich zu. Wenn er wollte, konnte er sich gleichzeitig verführerisch grazil und männlich cool bewegen. Etwas, was mich immer wieder aufs Neue faszinieren konnte. Mit einem schelmischen Lächeln beugte er sich mir entgegen. „Deshalb hab ich ja auch gesagt, du bist nicht für jeden der Mittelpunkt der Welt“, flüsterte er mir leise ins Ohr als würde er mir gerade ein Geheimnis anvertrauen. Und dann geschah etwas, womit ich beim besten Willen nicht gerechnet hatte. Weiche Lippen legten sich auf meine Wange. Sie waren wieder weg, bevor ich sie überhaupt richtig registriert hatte. „Man sieht sich später, Kumpel.“ Der Blonde schlug mir freundschaftlich auf die Schulter und verließ dann die Küche. Kurz danach schlug meine Haustür zu. Ich war sprachlos. Reita wusste genau, wie er mich um den Finger wickeln konnte.   ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~     Ich stand in der kleinen Küche in der PSC und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Eigentlich hatte ich den Raum aufgesucht, um zu rauchen. Stattdessen nippte ich jetzt nur an meiner Kaffeetasse und atmete die frische Luft ein, die durch das offene Fenster in den Raum gelangte. Ich fühlte mich zufrieden. Keine Ahnung warum, doch so war es und ich wollte es auch nicht unbedingt hinterfragen. Nur genießen.   Die harmonische Stimmung wurde unterbrochen, als ich einen festen Klaps auf den Hintern bekam und Reita plötzlich grinsend neben mir stand. Ich grummelte. Schließlich hatte er gerade meine Zufriedenheit unterbrochen. Oder war er der Auslöser für dieses Gefühl? Ich verbot mir diesen schnulzigen Gedanken sofort.   Der Blonde nutzte meine Unachtsamkeit dafür, mir meinen Kaffee zu klauen und direkt einige gehäufte Löffel Zucker darin verschwinden zu lassen. Ich verdrehte die Augen. „Ich mag meinen Kaffee aber nicht mit so viel Zucker!“, gab ich beleidigt von mir. „Ich müsste nicht so viel Zucker nehmen, wenn du keinen Liter Milch reingeschüttet hättest!“ „Was hat der Zucker denn bitte mit der Milch zu tun?!“ „Je mehr Milch im Kaffee ist, desto mehr Zucker brauche ich, dass er mir schmeckt!“ Reita trug sein Anliegen so selbstverständlich vor, dass es keinen Sinn machte, ihm zu sagen, dass sein Zucker die Milch nicht aufsaugen würde. In Reitas Universum funktionierte das eben so.   „Wieso machst du dir nicht einfach selbst einen Kaffee?“, wollte ich dann nur verzweifelt wissen. Reita antwortete nicht. Grinste mich nur an. Auch er sah irgendwie zufrieden aus. Ein Ausdruck, bei dem es mir unmöglich war, ihm böse zu sein. Und das wusste er auch.   Der Blonde hüpfte beschwingt auf die Küchentheke, was dazu führte, dass er den Kaffee fast verschüttete. Meinen Kaffee. Auf mein Shirt! „Wenn du dir schon meine Klamotten nimmst, ohne zu fragen, dann mach sie wenigstens nicht auch noch dreckig!“ Scheinbar fiel Reita jetzt erst wieder ein, dass er mein Oberteil trug. Vielleicht tat er aber auch nur überrascht. Rei war schon immer ein guter Schauspieler. Leider.   „Rate mal, wie viele Komplimente ich heute schon für das Shirt bekommen habe“, forderte er mich gespielt fröhlich auf, woraufhin ich ein gespielt beleidigtes „Mir doch egal.“ erwiderte. „Gib doch einfach zu, dass ich in dem Oberteil gut aussehe, Tora.“ „Vergiss es! Ich belohn deinen Diebstahl doch nicht auch noch mit einem Kompliment!“ „Nein? Würdest du mich lieber bestrafen?“ Eine meiner Augenbrauen zog sich hoch. Das waren ja ganz andere Töne. Natürlich neckten wir uns ab und zu, aber das war ja schon richtiges Flirten! Seit wann machte er denn das mit mir?   „Eine Bestrafung hättest du schon verdient.“ Ich stieg sofort darauf ein. Natürlich! Reita hatte mich schließlich schon längst um den Finger gewickelt. Und sein laszives Lächeln tat den Rest. „Ach wirklich?“, fragte er herausfordernd. Sein Grinsen wurde breiter. Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Er stellte die Kaffetasse zur Seite. „Wirklich.“ Er saß noch immer auf dem kleinen Tresen. Ich stand fast direkt vor ihm. Bevor ich mir überlegen konnte, wie lang wir das Spielchen ausreizen konnten, schlang Reita seine Beine um meine Hüfte und zog mich damit an sich. Wir waren uns plötzlich ganz nah. Rei legte seine Arme um meinen Hals. Ich erinnerte mich an die morgendliche Szene im Bett. Ich hörte nur noch seinen Atem. Meinen Atem.   Und dann ein Räuspern.   Erschrocken drehte ich mich um. Ich hatte völlig vergessen, dass wir uns im PSC-Gebäude in der, für alle Mitarbeiter zugänglichen und gerne genutzten, Küche befanden. Um ehrlich zu sein, hätte ich bei Reitas Blick nicht einmal sagen können, in welchem Land ich mich gerade befand. Scheinbar gehörte geheimes Flirten nicht zu meinen Spezialitäten.   Eine Welle der Erleichterung ging durch meinen Körper, als ich dann den Störenfried im Türrahmen erkannte.   „Macht ruhig weiter! Ich bleib einfach hier stehen und genieße die Show“, gab Saga von sich, während er ziemlich anzüglich mit seinen Augenbrauen wippte. „Auf Publikum kann ich gerne verzichten“, meinte Reita murrend und schenkte dem anderen Bassisten einen Todesblick, der sich gewaschen hatte. Ich sah, wie Sagas Lächeln bei der Bemerkung noch etwas breiter wurde, als Reis Hand dann einen leichten Druck auf meinen Nacken ausübte. Ich verstand die Aufforderung und richtete meine Konzentration wieder auf den Mann vor mir. Erst jetzt merkte ich, dass er unsere Pose bei Sagas Ankunft nicht gelöst hatte. Seine Arme und Beine drückten mich immer noch fest an seinen Körper.   „Wir sehen uns später“, meinte er leise bevor er mir einen weiteren flüchtigen Kuss auf die Backe drückte. Wie paralysiert stand ich da, als sich der Blonde von mir löste, um die Küche zu verlassen. Ich konnte hören, wie er Saga noch ein „Spanner“ entgegen knurrte. Ich musste mich ganz stark zusammenreißen, mir nicht an die Wange zu fassen. Schon der zweite Kuss an diesem Tag…   „Wenn du nicht gestört werden willst, dann schließ ab oder häng wenigsten eine Socke an die Türklinke!“, rief Saga dem anderen Bassisten nach. „Junge Liebe ist doch etwas wunderbares“, merkte Saga noch an, was mich die Augen verdrehen ließ. „Reita und ich sind nicht zusammen“, erklärte ich ihm zum gefühlt tausendsten Mal, doch schien es auch dieses Mal nicht zu ihm durchzudringen. Und tatsächlich zuckte der Bassist nur mit den Schultern. „Nettes Oberteil hatte dein Lover da an. Kam mir irgendwie bekannt vor.“ Jetzt zuckte ich mit den Schultern. Saga schien es nicht viel auszumachen das Gespräch alleine zu führen und erzählte im Plauderton weiter: „Ihr könnt froh sein, dass nur ich euch erwischt habe. Ziemlich unvorsichtig von euch. Besonders von Reita, wenn man bedenkt, dass es hier um sein Image geht. Fast als wolle er, dass man von euch erfährt.“   Überrascht sah ich Saga an. Das war wirklich ganz schön gefährlich gewesen. Wäre jemand anderes vorbeigekommen, wären wir entlarvt worden. Nicht einmal Reita wäre zu unserer ziemlich eindeutigen Pose eine gute Ausrede eingefallen. Aber es war Saga gewesen…   Ich spürte einen kurzen Stich. Bedauern? Wollte ich, dass wir erwischt wurden? Wieso? Was dann? Und noch eine ganz andere Frage: Wollte Reita das etwa? Schließlich hatte er mit dem Flirten angefangen und mich an sich gezogen. Noch dazu die Sache mit meinem T-Shirt. Gab ihm das alles nur einen Kick oder wollte er tatsächlich, dass unsere Kollegen von uns erfuhren?   „War das gerade eigentlich ein Kuss?“, unterbrach Saga meinen Gedankengang. „Nur auf die Wange…“ Da! Da war es schon wieder! Bedauern. Jetzt sogar in meiner Stimme. „Was treibt ihr beide da, Tora?“ Saga hörte sich nicht mehr neckend an, sondern ernst. Irgendwie besorgt. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß und die Worte lösten sofort ein mulmiges Gefühl in mir aus.   Es war nicht nur das erste Mal, dass ich vor Saga nicht weiterhin so tat, als hätte ich alles unter Kontrolle. Es war auch das erste Mal, dass ich es mir wirklich selbst eingestand. Ich merkte, wie sich die Dinge zwischen Rei und mir veränderten. Ich dachte sogar an das Wort „weiterentwickeln“, aber das verwarf ich in diesem Moment noch. Inzwischen wünsche ich mir, ich hätte dieses verdammte Wort für immer aus meinem Wortschatz verbannt… Angsteinflößend war allerdings nicht unbedingt die Veränderung, sondern die Tatsache, dass ich eben KEINE Angst vor ihr hatte! Vielleicht hieß ich sie ja sogar irgendwie willkommen? Zumindest hatte ich nicht vor sie zu stoppen, was wahrscheinlich ziemlich nah an „willkommen heißen“ herankam.   „So gern ich dir ja auch beim Grübeln zuschaue, aber wir haben die Pause mal wieder mächtig überzogen“, meinte Saga ruhig, bevor er sich umdrehte und die Küche verließ. Scheinbar fand er, er habe sich für diesen Tag genug über sein neues Lieblingsthema ausgelassen. Auch gut.   Ich schnappte meine Tasse vom Tresen und trank einen großen Schluck davon. Mein ganzes Gesicht verzog sich und ich hatte Angst, einen Zuckerschock zu erleiden. Wieviel Kilo Zucker hatte Rei mir da denn bitte rein gehauen?! Ich wollte den Kaffe gerade wegschütten, doch zögerte. Ich konnte es nicht. Weshalb, konnte ich mir auch nicht genau beantworten, also versuchte ich es erst gar nicht, sondern folgte Saga in unseren Raum. Es war anders, aber scheinbar hatte es mir der süße Beigeschmack irgendwie angetan. Kapitel 9: ----------- Kapitel 9   Wenn mich die beiden Küsse auf die Wange schon verwirrt hatten, dann muss ich wohl gestehen, dass mich die Tage danach in ein völliges Chaos stürzten. Denn es geschah… nichts. Wir machten weiter wie bisher, doch Reitas Lippen berührten mein Gesicht kein einziges Mal. Ich war schier am Verzweifeln. Es brauchte fünf Tage bis ich den Mut aufgebracht hatte, ihn von mir aus zu küssen. Eigentlich ein ziemliches Armutszeugnis für einen erwachsenen Mann. Reita hatte mich abends mit dem Auto nach Hause gefahren, weil ich früh zu einem Photoshoot musste und es so in Strömen geregnet hatte, dass ich mir wahrscheinlich während einer Heimfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von seiner Wohnung zu meiner eine Lungenentzündung geholt hätte.   Im Übrigen hat mich Rei in früheren Zeiten NIE mit dem Auto nach Hause gefahren. Da hätte die Welt untergehen können! An dem besagten Abend hatte er sogar darauf bestanden, mich zu fahren! Vielleicht habe ich auch daher meinen Mut genommen. Aber zurück zum Thema…   Ob mich jetzt die nette Geste ermutigt hatte oder ich einfach nur diese Spannung, die sich in mir aufgebaut hatte, loswerden wollte, weiß ich nicht genau. Jedenfalls hatten sich meine Lippen plötzlich auf Reitas Wange wiedergefunden. Nur ganz kurz. Eigentlich nicht der Rede wert. Trotzdem fühlte es sich extrem an. Ich murmelte noch einen kurzen Abschiedsgruß, bevor ich den Wagen verließ. Zwar traute ich mich nicht Reita in die Augen zu schauen, doch ich glaubte ein Grinsen in seiner Stimme zu hören, als er mir eine Gute Nacht wünschte. Und auch auf meinem Gesicht breitete sich ein kleines Schmunzeln aus, während ich meine Haustür aufschloss.   Mein kleiner Gute-Nacht-Kuss schien für Reita ein Zeichen gewesen zu sein. Vielleicht hatte er sogar die ganzen Tage auf diese Art von Bestätigung gewartet. Jedenfalls schienen wir damit ein stilles Abkommen getroffen zu haben, unser Repertoire an Zärtlichkeiten zu erweitern. Natürlich hört sich das verrückt an. Schließlich hatten wir inzwischen Sex auf so gut wie jedem Möbelstück in meiner Wohnung gehabt und ich machte eine große Sache daraus, dass wir uns ab und zu auf die Wange küssten.   Aber irgendwie war es auch anders. Reitas Oberkörper mit meiner Zunge zu verwöhnen, war geil. Doch ihn sanft auf die Stirn zu küssen, erfüllte mich mit einer unbeschreiblichen Wärme. Verdammt, die Vorstellung, wie er in gespielter Empörung seine Nase krauszieht, wenn ich sie küsse, bringt mich sogar heute noch zum Lächeln! Es war eine unschuldige Art der Zuneigung, die einfach neu war.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Es geschah bei Reita zu Hause. Wir standen in seinem Wohnzimmer und hatten uns beide schon unserer Oberteile entledigt. Auf dem Couchtisch standen zwei Flaschen Bier, die wir nicht einmal angerührt hatten.   Anfangs hatten wir einen sehr hohen Alkoholkonsum gehabt. Nicht unbedingt, um uns Mut anzutrinken, sondern eher aus dem Grund, dass man eine etwas zu zärtliche Berührung oder einen etwas zu schmachtenden Blick immer sehr gut auf den Alkohol schieben konnte. Nach einiger Zeit hörten wir auf, uns etwas vorzumachen. Naja, zumindest in dieser Hinsicht.   Die Hände des Blonden wanderten rastlos über meinen Rücken, doch ich merkte, dass seine Aufmerksamkeit nicht meinem Oberkörper galt. Fast zaghaft küsste er sich meinen Hals empor und drückte seine Lippen dann zart auf meine Wange. Ich zog ihn etwas näher an mich. Küsste seine Stirn. Er tat es mir gleich. Erst die Stirn, dann wieder die Wange. Dann war ich wieder dran. Zuerst wenig Küsse und dann immer mehr. Es muss furchtbar dämlich ausgesehen haben. Zwei erwachsene Männer, die ihre Gesichter gegenseitig mit Küssen bedeckten. Aber ich konnte nicht damit aufhören. Ich wollte mehr, mehr, mehr! Und ich bekam mehr. Es geschah.   Natürlich hatte ich damit gerechnet. Wir beide hatten es. Und ich bezweifel auch, dass es tatsächlich ein Unfall war, so wie wir es beide dargestellt hatten. Es kam, wie es kommen musste. Meine Lippen landeten genau auf der Stelle in Reitas Gesicht, die ich noch nie geküsste hatte, über die ich aber schon am häufigsten nachgedacht hatte.   Unsere Lippen berührten sich nur eine Sekunde lang. Es war genug Zeit, um mein Herz ein Trommelsolo veranstalten zu lassen. Genug Zeit, um Reitas wild pochendes Herz auf meinem Oberkörper zu spüren. Genug Zeit, um zu registrieren, wie wir beide uns instinktiv noch stärker gegeneinander drückten, um den Kontakt weiter zu intensivieren.   Und dann erreichte die Information das Gehirn.   Als hätten wir einen Stromschlag bekommen, sprangen wir auseinander. Der Vergleich ist ziemlich treffend, denn der Moment hatte wirklich etwas Elektrisierendes gehabt. Spannung lag in der Luft. Ich sah Rei in die Augen. Der Blonde atmete schnell. Unregelmäßig. Er sah irgendwie geschockt aus. In anderen Momenten wäre ich schadenfroh gewesen, ihn so aus der Fassung zu sehen, doch mir war bewusst, dass es nicht nur sein Pokerface war, welches Risse bekam. Es war unsere gemeinsame Fassade, die anfing zu bröckeln. Alles war anders.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   „Ihr habt euch also geküsst?“, fragte Saga aufgeregt. Ich nickte gespielt lässig. Im Inneren war ich genauso aufgeregt wie mein Kollege. Eigentlich hatte ich die Info für mich behalten wollen. Der Vorsatz hatte einen halben Tag lang angehalten.   „War es romantisch? Oder eher heiß? Wie lange hat es gedauert? Was hast du gesagt?“ „Naja, das ist alles schwierig zu beantworten. Es ging ziemlich schnell und…“ Saga unterbrach mich skeptisch: „Wir reden hier doch von einem Zungenkuss, oder?“   Meine Augen weiteten sich überrascht und ich versuchte mein Bestes, um nicht rot zu werden. Natürlich hatte ich schon darüber nachgedacht. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich davon sogar auch schon geträumt hatte. Aber zu hören, wie jemand die Worte laut aussprach, ließ mein Herz einen Tick zu schnell schlagen. Ich atmete einmal tief durch und versuchte mich wieder zu fangen. Es war ja schon peinlich genug, Saga überhaupt von dem Kuss zu erzählen! Ich konnte dabei ja wenigstens versuchen, mich cool zu verhalten.   Also erzählte ich dem Bassisten in einem möglichst neutralen Ton, was vorgefallen war. Kurz herrschte Stille. „Soll das heißen, dass nichts weiter passiert ist als ein kurzer Lippenkontakt?“ Ich nickte verlegen. „Willst du mich verarschen?“, sprudelte mein Kollege drauf los. „Ihr schlaft miteinander und dann ist ein kurzer Kuss auf die Lippen für dich eine große Sache?! Ich küsse meine Schwester so zur Begrüßung!“   Ich war schon kurz davor Saga an den Kopf zu werfen, dass ich mir an seiner Stelle Sorgen machen würde, wenn er für seine Schwester die gleichen Gefühle hatte wie ich für Reita. Doch dann schluckte ich die Aussage lieber herunter. WAS für Gefühle hatte ich denn bitte für Reita? Klar, der „Wir sind wie Brüder!“-Zug war schon lange abgefahren. Aber welche war dann unsere Schiene? Eine Stimme in meinem Inneren schrie mir gleich panisch das Wort „Freundschaft!“ entgegnen. Sie war laut, als wolle sie etwas anderes übertönen und ich ließ sie das in dem Moment auch machen. Ich achtete gar nicht weiter auf die vielen flüsternden Stimmen, die mich nur verwirren wollten. Freundschaft. Punkt.   „Glaubst du für Reita war der Kuss eine genauso große Sache wie für dich?“, fragte Saga als er sich dann wieder abgeregt hatte. Ich war froh darüber, dass er keine Antwort von mir verlangte, was den Kuss für mich so besonders machte. Er nahm es einfach hin. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb ich es gar nicht erst bestritt. Ich dachte kurz über seine Worte nach. Plötzlich hatte ich wieder Reita vor Augen. Die unregelmäßige Atmung. Der überraschte Blick.   Ich nickte. Ja, in dem Moment ging ich davon aus, dass der Kuss auch in Reita etwas bewegt hatte. Ich ging davon aus, dass wir uns auf derselben Wellenlänge befanden. Jeder irrt sich mal.   „Habt ihr darüber gesprochen?“ „Was?! Nein! Natürlich nicht!“, rief ich gleich aus. Nur die Vorstellung, wie Rei und ich uns über unsere Gefühle unterhielten, war absolut lächerlich. „Über was sollten wir bitte reden?“ „Vielleicht darüber, dass ihr beide euch endlich eingestehen solltet, dass ihr eine Beziehung führt?“ „So ein Unsinn!“, bestritt ich sofort. Ich versuchte dabei angenervt zu klingen. „Oder darüber, das Reita total in dich verknallt ist?“, flötete Saga grinsend weiter und erreichte damit, dass ich rot anlief. „Wie kommst du denn auf die Idee?“ Ich grummelte die Worte nur und blickte an die gegenüberliegende Wand. Der Bassist musste nicht die Neugier in meinen Augen sehen oder gar das kleine Fünkchen Hoffnung in meiner Stimme hören.   Es war keine rhetorische Frage. Ich wollte wirklich wissen, wie Saga darauf kam! Und zum Glück bekam ich darauf auch eine Antwort: „Ach komm, schon allein die Art, wie er dich ansieht, wenn ihr euch im PSC-Gebäude begegnet, reicht völlig aus! Das glückliche Funkeln der Augen, das liebevolle Lächeln. Und glaub bloß nicht, ich hätte nicht die zärtlichen, aber völlig zufälligen Berührungen zwischen euch beiden gesehen!“   Ich grummelte als Antwort nur vor mich hin, doch Saga wusste in diesem Moment sicher auch, dass das nur Show war. Er wusste, dass mir die Vorstellung gefiel, dass Rei auf mich stehen könnte. Natürlich nur weil das meinem Ego schmeicheln würde! Das war der einzige Grund, weshalb mir die Idee so zusagte! Das hatte nichts damit zutun, dass ich mit Reita zusammen sein wollte!     Saga war gerade dabei zu seinem nächsten Argument auszuholen, als meine Wohnungstür laut aufging. „Hallo!“, rief es uns laut entgegen. „Wenn man vom Teufel spricht“, nuschelte Saga grinsend, bevor er Reita ein lautes „Hallo“ entgegenrief. Auch ich lächelte dem Blonden zur Begrüßung entgegen, als dieser mein Wohnzimmer betrat. Der Gazette-Bassist würdigte meinen Gast und mich keines Blickes, sondern lief direkt auf mein Schlafzimmer zu.   „Das mit den Manieren musst du deinem Freund aber noch beibringen“, merkte Saga trocken an, worauf ich ihm nur ein „Er ist nicht mein Freund, also sei still!“ entgegenzischte. Es war eine Sache darüber zu reden, wenn Reita nicht da war, aber der Blonde musste diese Gespräche nicht unbedingt mitbekommen! „Hast du meine schwarze Hose gesehen?“, rief es mir aus dem Schlafzimmer entgegen, was mich seufzen ließ. Scheinbar hatte er Sagas Kommentar nicht mitbekommen. „Die is in der Wäsche“, antwortete ich laut. „Was? Wieso??“ Der Blonde marschierte gehetzt aus dem Schlafzimmer ins Bad, indem der Wäschekorb und die Waschmaschine standen. Ich machte mir gar nicht die Mühe, ihn daran zu erinnern, dass er die Hose vor zwei Tagen selbst in den Wäschekorb geworfen hatte.   Natürlich erst nachdem ich mich darüber beschwert hatte, dass sein Scheiß inzwischen in meiner ganzen Wohnung verteilt war. Er hatte sogar schon zwei Fächer in meinem Kleiderschrank belegt. Das alles hatte nur rein praktische Gründe. Sagas wippenden Augenbrauen nach zu urteilen, schien er das praktische eines platonischen gemeinsamen Wäschekorbs nicht zu begreifen. Ich wollte gerade zu einem fiesen Kommentar ausholen, als Reita seinen Kopf ins Wohnzimmer steckte.   „Du hast ja meinen Lieblingsweichspüler gekauft!“, antwortete er wie ein kleines Kind bei seinem ersten Weihnachten. Ich hätte sein strahlendes Lächeln nur zu gerne erwidert, doch mit Sagas bohrendem Seitenblick war das gar nicht so einfach. „Seinen Lieblingsweichspüler? Wie romantisch!“ Auch wenn ich ihm für sein gespieltes Augengeklimper gerne eine reingehauen hätte, war ich froh, dass Saga mit dieser Aussage gewartet hatte, bis Reita wieder im Bad verschwunden war.   „Er mag das Zeug halt und mir is scheiß egal, womit ich meine Wäsche wasche“, erwiderte ich böse, auch wenn das nicht die volle Wahrheit war. Ich benutzte schon seit Jahren denselben Weichspüler. Doch wenn Reita den blauen wollte, kaufte ich eben den blauen. Doch das war nichts, was ich Saga auf die Nase binden musste.   „Alles klar. Maschine läuft“, informierte uns Reita, als er ins Wohnzimmer gestiefelt kam und sich gleich daran machte, meine Spielekonsole einzuschalten. „Ich hoffe für dich, dass du nicht wieder meine hellen T-Shirts zusammen mit deiner dunklen Hose reingeschmissen hast.“ „Glaub mir, den Fehler mach ich nur einmal“, entgegnete der Blonde. Ja, was meine Klamotten anging, war ich eben ein bisschen empfindlich. „Wozu brauchst du die schwarze Hose denn?“ „Wir haben morgen ein wichtiges Managertreffen und Ruki meinte, ich soll mich dafür anständig anziehen. Und seiner Meinung nach ist die schwarze Hose die einzige, die als anständig durchgeht“ Der Bassist rollte bei den Worten die Augen, während er sich neben mich auf die Couch fallen ließ.   Allerdings wusste ich genau, was der Gazette-Sänger meinte. „Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du dir neue Klamotten kaufen musst! Du kannst nicht ständig wie ein Penner rumlaufen.“ „Jaja.“ „Nichts „jaja“! Nächstes Wochenende gehen wir einkaufen!“ Reita antwortete auf diese Drohung nicht, was ich als eine Zusage interpretierte. Ich lächelte leicht. Schließlich kam es selten vor, dass ich unsere Diskussionen gewann.   Mein Triumphgefühl verschwand aber sofort wieder, als mein Blick Sagas traf. Ich hatte völlig vergessen, dass mein Kollege noch da war! Sein Grinsen sprach Bände und ich rekapitulierte mein Gespräch mit Reita. Es war schwierig zu bestreiten, dass wir uns wie ein altes Ehepaar anhörten, also konnte ich Saga nur einen Todesblick schenken. Dieser zuckte nur die Schultern und sah dann weg. Auch gut.   Leider blieb sein Blick dann an meinem und Reitas Bein kleben, was ihn noch breiter grinsen ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich der Blonde genau neben mich gesetzt hatte. Und zwar so nahe, dass sich unsere Seiten berührten. Nichts, worüber ich mir unter normalen Umständen Gedanken gemacht hätte. Doch eigenartig war es schon. Schließlich war auf der Couch noch genug Platz und trotzdem saß Reita so dicht bei mir. Als würde er meine Nähe suchen. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen. Dieser dämliche Saga! Musste der mich dazu bringen, in jede von Reitas Gesten etwas herein zu interpretieren?   Vorsichtig rutschte ich ein kleines Stück von dem Blonden weg. Ich hatte keine Lust auf Sagas Blicke. Keine Lust auf diese Gedanken. Doch kaum hatte ich mich einige Zentimeter entfernt, rutsche Reita mir nach. Jetzt saß er sogar noch enger an mich gedrückt als vor einigen Sekunden.   Verwundert sah ich den Bassisten neben mir an. Dieser starrte allerdings nur gebannt auf den Fernsehbildschirm, auf welchem er gerade irgendein Spiel begonnen hatte. Scheinbar hatte er gar nicht gemerkt, wie er mir nachgerutscht war. Vielleicht war an Sagas Vermutungen etwas Wahres dran und Reita suchte wirklich meine Nähe? Erst das leise Kichern meines Kollegen, ließ mich meinen Blick von Reita lösen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er die Szene ziemlich genau verfolgt und konnte einfach nicht mehr an sich halten. Selbst Reita schien durch das Geräusch kurz von seinem Spiel abgelenkt. Skeptisch blickte er zwischen Saga und mir hin und her.   „Was is denn los? Warum redet ihr eigentlich gar nicht?“, fragte er leicht verwirrt. Ich gab meinem Kollegen noch einen drohenden Blick, dass er sich zusammenreißen sollte, doch es half nichts. Auf Reitas Gesicht breitete sich bereits ein eingebildetes Lächeln aus. „Redet ihr etwa nicht weiter, weil es um mich gegangen ist? Awww, das ist aber süß!“ Ich spürte nur, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss. Ertappt. Ein Glück war Saga ein so viel besserer Lügner als ich.   „Es dreht sich nicht immer alles um dich“, entgegnete mein Kollege schon fast hochnäsig, „Wir waren nur von deiner Unfreundlichkeit kurzzeitig überrumpelt.“ „Geeeenau“, antwortete der Blonde und grinste mich noch einen Moment an. Vielleicht hatte er Saga die Antwort nicht voll abgekauft, doch wenigstens widmete er sich jetzt wieder seinem Spiel.   Saga hingegen fing an, über die heutige Probe zu reden, worüber ich ganz froh war. Schließlich mussten wir so tun, als ob wir ein voriges Thema wieder aufgreifen würden. Tatsächlich schaffte ich es nach einiger Zeit, mich gedanklich von unserem eigentlichen Gespräch zu lösen und unterhielt mich eine Weile mit meinem Kollegen über unsere neusten Kompositionen.   Irgendwann meldete sich aber doch mein schweigsamer Nebensitzer zu Wort: „Euer kleines Alibi-Gespräch in allen Ehren, aber sobald ich mit dem Spiel hier fertig bin, falle ich über IHN her.“ Rei zeigte mit dem Finger auf mich. „Weshalb DU dann auch verschwunden sein musst“, fuhr der Blonde unbeirrt fort und zeigte bei „DU“ auf Saga. Dann wendete er sich wieder dem Bildschirm zu. Saga starrte den anderen Bassisten eine Weile an und schenkte dann mir einen empörten Blick. Ich zuckte grinsend mit den Schultern. Schließlich kann ich nichts für Reitas Dreistigkeit. Außerdem war Sagas Blick echt Gold wert.   Als ich genauer über die Aussage nachdachte, verflog meine gute Laune allerdings wieder. Die Probe an diesem Tag war besonders hart gewesen und eigentlich war ich gar nicht in der Stimmung für weitere körperliche Aktivitäten. Allerdings hatte ich bis jetzt noch nie „Nein“ zu Rei gesagt. Das war zu diesem Zeitpunkt auch nie nötig gewesen. Entweder wir hatten Sex – was meistens der Fall war – oder es handelte sich beim Treffen um eine Zockerrunde. Dass einer von uns wollte und der andere nicht, war meines Wissens noch nie vorgekommen. Ein Problem, das ich gern mit Saga diskutiert hätte, doch das ging im Moment schlecht.   Außerdem machte der sich 15 Minuten nach Reis Ankündigung eh vom Acker.     Etwas betreten ging ich zurück ins Wohnzimmer, nachdem ich Saga bis zur Tür begleitet hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt zu Rei sagen sollte. „Na endlich ist der weg!“, rief der Blonde mir fröhlich entgegen. Ich schluckte schwer und setzte mich wieder neben Reita aufs Sofa. Bevor ich aber etwas sagen konnte, wurde mir schon ein Controller in die Hand gedrückt. „Bereit?“, wurde ich anstandshalber noch gefragt und schon hatte der Blonde das Kampfspiel auf 2-Player-Modus umgeschalten. Schweigsam begann ich zu spielen. Reita schien vergessen zu haben, dass er mich vor nicht einmal 20 Minuten noch hatte bespringen wollen, und ich würde ihn garantiert nicht daran erinnern.   „Und? Was habt ihr denn jetzt so über mich geredet?“, fragte der Blonde mich irgendwann grinsend. Ich verdrehte die Augen. Es war klar gewesen, dass er das Thema noch einmal ansprechen würde und keine Ausrede der Welt hätte ihn in dem Moment davon überzeugt, dass er nicht Thema in Sagas und meinem Gespräch gewesen war. Also wieso weiter bestreiten? Ich hatte eine viel bessere Idee.   „Saga meinte, wir sollten nicht mehr miteinander schlafen“, meinte ich möglichst neutral. Nach einer kurzen Pause fand ich den Mut um weiterzusprechen: „Er geht nämlich davon aus, dass du Gefühle für mich hast, was die ganze Sache verkompliziert.“   Ich starrte weiter auf den Bildschirm und versuchte, meine Atmung ruhig zu halten. Das war eine gewagte Aussage gewesen und nicht ganz das, was Saga zu mir gesagt hatte, aber das war mir egal. Ich wollte einfach nur Reitas Reaktion sehen. Das würde mir doch sicher Klarheit verschaffen, oder?   Einen Moment war es still. Auf dem Bildschirm kämpften unsere Charaktere weiter gegeneinander. Alles nur Standardattacken. Alles nur Show, um davon abzulenken, dass wir ein wichtiges Gespräch führten. Aus meiner Sicht zumindest.   „Ich weiß jetzt nicht, was das Saga zu interessieren hat. Selbst wenn ich in dich verliebt bin, ist das immer noch meine Angelegenheit“, erwiderte der Blonde murmelnd.   Mein Kopf drehte sich sofort in seine Richtung und ich starrte ihn an. Mit dieser Antwort hatte ich wirklich nicht gerechnet. Der Blonde sah kurz unsicher zu mir, doch konzentrierte sich sofort wieder auf den Bildschirm. Seine Miene ließ mich nicht erahnen, was er in dem Moment dachte.   Ich konnte mein Herz in meinen Ohren pumpen hören. Mein Blut rauschen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich wollte, dass er mich ansah. Nur ein einziger Blick. Nur ein kurzer Augenkotakt und ich hätte gewusst, was das alles zu bedeuten hatte. Aber er sah mich nicht an.   „Hah!“, rief Reita aus und ich zuckte bei dem Laut zusammen. Ich sah auf den Bildschirm, wo gerade in Zeitlupe eine Wiederholung von dem Vernichtungsschlag lief, den Reitas Charakter meinem zugefügt hatte. „Tora, Tora… wo warst du denn mit deinen Gedanken? Ich hab dir voll eine verpasst und das ganz ohne Gegenwehr!“ Ich nickte. „Ganz ohne Gegenwehr“, dachte ich mir, während auf meinem Fernsehgerät groß die Buchstaben „GAME OVER“ erschienen. Kapitel 10: ------------ Kapitel 10     Ganz ohne Gegenwehr lag ich eine halbe Stunde später auf meinem Bett. Natürlich hatte Reita nicht vergessen, was er mit mir an diesem Abend noch anstellen wollte und die gewonnenen Spiele – ja, ich hatte an dem Abend irgendwie andere Sachen im Kopf als Konsolenspiele und das war meiner Spielart wohl auch anzumerken – hatten ihn scheinbar nur noch schärfer gemacht. Jedenfalls hatte er mich kurzerhand in mein Zimmer geschleift und nun lag ich da, während der Blonde sich in meinem Hals festbiss und meinen Gürtel öffnete.   Ich hätte mich selbst schlagen können. Da stand mir dieser wahnsinnig heiße Sex bevor und alles, woran ich denken konnte, war Schlaf. Und je mehr ich mir einredete, dass ich es endlich genießen sollte, desto weniger tat ich es und desto müder wurde ich. Es war einfach zum verrückt werden!   „Ok, was ist los?“ Verwundert sah ich nach oben. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Reita inzwischen auf meiner Hüfte saß. „Ich geb mir hier ziemliche Mühe, aber du hast dich seit ungefähr 10 Minuten nicht bewegt. Lebst du überhaupt noch?“, fragte mich der Bassist leicht schmollend, wofür ich ihm am liebsten in die Backe gekniffen hätte. Allerdings hatte ich ganz andere Sorgen. Ich versuchte die aufsteigende Röte zu unterdrücken und nach den richtigen Worten zu suchen, ohne wie jemand zu klingen, der gerade einen Migräneanfall vortäuschte.   „Willst du etwa nicht?“, wurde ich ganz direkt gefragt. Ich schluckte. „Es ist nur so, ich hatte heute einen ziemlich anstrengenden Tag und bin müde und…“ Meine Stimme wurde immer leiser und verstummte dann einfach.   Ich hörte Rei seufzen, bevor er von meiner Hüfte herunterstieg. Keine Sekunde später hob er mein Becken an und zog mir meine Jeans aus. Ich lag einfach nur weiter da und ließ ihn gewähren. Nach meinem peinlichen Geständnis war mir nicht mehr wirklich nach Reden. Auch als er seine Hose auszog, blieb ich stumm. Ich würde schon bald genug mitbekommen, was er vorhatte.   Zu meinem Erstaunen kuschelte sich der Blonde an meine Seite und meinte sachlich: „Wenn du so müde bist, dann gehen wir jetzt am besten schlafen.“ „Du bleibst hier?“, fragte ich erstaunt. Reita hatte noch nie bei mir übernachtet, ohne dass wir Sex gehabt hatten. „Ja, also… wenn das für dich ok ist?“ Ich glaubte Unsicherheit in seiner Stimme zu hören, während er mich mit großen Augen ansah. Ich nickte nur. Dann griff ich neben mich und schaltete das Licht aus. Wer weiß, was ich sonst für Dummheiten anstellen würde, wenn ich noch weiter in diese Augen starrte.   „Und du hast wirklich gedacht, dass ich wütend deine Wohnung verlasse, wenn du nicht mit mir schläfst?“ Ich zuckte bei der Frage nur mit den Schultern. Ich wusste nicht mehr, was ich dachte und was ich von Reita erwartete. Wer war dieser neue Reita, der sich gerade an meine Seite schmiegte? War es eine Weiterentwicklung? Eine Fehlkonstruktion? Eine kurze Phase? Oder war es derselbe Kerl, den ich schon seit Jahren meinen besten Freund nannte?   „Du bist so ein Idiot“, murmelte er leise gegen meine Brust, auf die er seinen Kopf gebettet hatte. Er kuschelte. Rei kuschelte mit mir und schien jetzt auch in dieser Position schlafen zu wollen. Ich hätte ihm nur zustimmen können, also blieb ich lieber stumm und schlief schon kurze Zeit später ein.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Ein lautes Gähnen weckte mich. Gefolgt von einem ausgestreckten Arm, der auf meiner Nase landete. Murrend entfernte ich den Arm und schenkte dem Blonden neben mir einen genervten Blick. „Trampeltier“, giftete ich. Das Lächeln im Gesicht des Blonden verriet mir, dass es sich sogar um einen absichtlichen Angriff gehandelt hatte und ich warf ihm ein Kissen ins Gesicht, was ihn zum Lachen brachte.   Er wirkte fröhlich und kein Stück verschlafen. Ob er wohl schon lange wach war? Wieso hatte er mich nicht früher geweckt oder war aufgestanden? „Das ist aber nicht die feine Art, jemandem einen guten Morgen zu wünschen“, tadelte mich der Blonde neckend. „Warum bist du denn schon wieder so angepisst?“ „Weil gerade jemand versucht hat, mir im Schlaf die Nase zu brechen!“ „Bild dir nichts ein. Hätt ich’s gewollt, wär sie jetzt auch gebrochen. Ich glaub, es liegt eher daran, dass ich dich aus einem schönen Traum gerissen habe. Kann das sein?“ Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was der Zirkus sollte, als langsam die Erinnerungen an meinen Traum wiederkamen.   Die Berührungen, das Stöhnen, die Lippen. Seine Lippen. Auf meinen. Verlangend, einnehmend, betörend. Aber das konnte er nicht wissen. Das war unmöglich.   „Keine Ahnung, von was du da redest“, antwortete ich wenig überzeugend. Natürlich glaubte er mir nicht. Stattdessen rückte er mir ein gutes Stück näher und ich spürte plötzlich eine Hand auf meinen Boxershorts, die zum Beweis meine Erregung packte. Jetzt war bestreiten wohl zwecklos. „Tatsächlich? Scheinbar hast du die Müdigkeit von gestern überwunden. Und? Wie war ich?“ „Was?“, stotterte ich benebelt. Seine Hand hatte angefangen, sich langsam zu bewegen und raubte mir den Verstand. Darauf war ich am frühen Morgen beim besten Willen nicht vorbereitet gewesen. „Ich will wissen, was ich in deinem Traum mit dir angestellt habe“, fuhr der Blonde fort und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er endlich die Klappe halten würde. „Keine Ahnung wie du auf die Idee kommst, dass ich von dir geträumt habe“, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor.   Ein Lächeln. Wissend. Er rückte mir näher. Eine Hand auf meiner Erregung. Sein Mund nah an meinem Ohr. Ich unterdrücke ein Wimmern als ich seinen heißen Atem spürte: „Kleiner Tipp. Wenn du weiterhin den Unnahbaren spielen willst, solltest du im Schlaf nicht meinen Namen stöhnen.“ Verdammt. Vielleicht war es nur ein Bluff, wobei die Wahrscheinlichkeit recht hoch war, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Ich hatte also zwei Möglichkeiten: weiter bestreiten und so meine Restwürde bewahren oder…   „Rei…“, hauchte ich ihm willig entgegen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er stockte in seiner Bewegung, was mir verriet, dass ich ihn kurz aus dem Konzept gebracht hatte. Dann begann er wieder damit über meine Shorts zu reiben.   „Ja, so ähnlich hatte sich das vorhin angehört. Nur etwas lauter.“ Er packte fester zu und ich stöhnte seinen Namen. Stöhnte ihn laut, während er in mein Ohrläppchen biss. Ich hatte nicht gewusst, dass er ebenfalls so darauf stand, seinen Namen zu hören und jetzt wo ich das wusste, tat ich ihm den Gefallen gerne. Immer wieder. Ich raunte, stöhnte, hauchte, schrie ihn!   Völlig in Trance bemerkte ich, wie meine Shorts entfernt wurden. Die Hand wurde ersetzt. Durch einen Mund. „Rei…“ Lippen pressten sich an mein Glied. Eine geschickte Zunge fuhr meinen Schaft entlang. „Ngh… Rei…“ Der blonde Schopf bewegte sich. Rauf und runter. Immer schneller. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. „Rei…tah…ahhh…“ Alle Anspannung verließ auf einmal meinen Körper. Wurde geschluckt.   Ich atmete flach und unregelmäßig. Der Blowjob, zusammen mit meinem Traum, hatte mich schnell kommen lassen. Schnell und hart. Es brauchte einige Atemzüge, bis das Blut wieder meinen Kopf erreichte.   Blowjob.   Mein Blick wanderte nach unten.   Der blonde Kopf hob sich gerade von meiner Körpermitte und ich sah, wie sich Reita ein letztes Mal über die Lippen leckte. Erst als sich unsere Blicke trafen, schien uns beiden bewusst zu werden, was wir gerade getan hatten. Ich hatte willig und ergeben den Namen meines besten Freundes gerufen, während dieser mir einen geblasen hatte. Das hatte er noch nie getan und ich hatte eher damit gerechnet, dass er mir das gute Stück abbeißen würde, sollte ich jemals auch nur eine Anspielung in diese Richtung machen.   „Ich… ähm… ich sollte jetzt los.“ Die Hände, die sich bis gerade eben noch auf meinen Beckenknochen befunden hatten, entfernten sich langsam. Ich überlegte, was ich sagen sollte, um die Spannung aus der Situation zu nehmen, doch ich hatte Angst davor, alles nur noch schlimmer zu machen. Der Blonde schien unter einer Art Schock zu stehen, was mich wohl eigentlich beleidigen sollte. Allerdings konnte ich sein Verhalten irgendwie nachvollziehen.   Wir hatten ein neues Level an Intimität erreicht, mit dem keiner von uns an diesem Morgen gerechnet hatte. Also lag ich nur stumm da und ließ ihn gehen, obwohl ich nichts lieber getan hätte, als ihn am Arm zu packen und zurück ins Bett zu ziehen.   Wieso musste das alles immer so schrecklich kompliziert sein? Wieso schien plötzlich jede Berührung so wichtig und jede Tat so bedeutungsschwer? Wollten wir nicht einfach nur ein bisschen Spaß miteinander haben? Mit einem frustrierten Seufzer vergrub ich mein Gesicht im Kissen, als ich hörte, wie Reita meine Wohnungstür zuschlug.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Hiroto redete sicher seit 15 Minuten ununterbrochen und ich stellte mir ernsthaft die Frage, ob es unhöflich wäre, ihm meinen Kaffee über den Kopf zu leeren. Nicht um ihm Verbrennungen zuzuführen! Aber vielleicht würde es ihn wenigstens für einen kurzen Moment zum Schweigen bringen.   Seitdem Reita am Morgen meine Wohnung so überstürzt verlassen hatte, war ich den ganzen Tag nicht richtig zurechnungsfähig. Deshalb war ich froh, dass wir an dem Tag keine Probe, sondern nur Teambesprechung im PSC-Gebäude hatten.   Es war einfach so frustrierend. Sollte das jetzt immer so laufen? Würde sich Rei bei der kleinsten Veränderung unserer derzeitigen Beziehung erst einmal zurückziehen und ich musste dann untätig warten, bis er sich wieder zusammenriss? Eigentlich hatte er auch gar kein Recht, sich so zu verhalten! Schließlich hatte ich ihn nicht zu dem Blowjob aufgefordert!! Wobei ich mich darüber auch garantiert nicht beschweren wollte…   „Pon, fass das jetzt bitte nicht böse auf, aber ist dir entgangen, dass mir scheiß egal ist, was du da von dir gibst oder ist dir einfach scheiß egal, dass es mir scheiß egal ist?!“, platzte es dann am Ende aus mir raus. Der andere Gitarrist war wirklich für einen Moment still und blickte mich ganz entgeistert an. „Um ehrlich zu sein, hab ich sicher schon vor 10 Minuten aufgehört, ein sinnvolles Gespräch mit dir führen zu wollen und unterhalte mich seitdem mit Ruki“, um seine Worte zu unterstreichen, zeigte der Blonde auf den Gazette-Sänger, der neben ihm stand und bei der Erwähnung seines Namens kurz an seinen Kopf tippte. Ich hob meine Hand zum Gruß, auch wenn das jetzt wohl ein wenig zu spät war. Ups.   „Würdest du nicht ab und zu herzergreifend seufzen, wüsst ich nicht mal, ob du noch am Leben bist! Echt, erst willst du unbedingt die Pause mit mir verbringen und dann bist du so gesellig wie ein Stück Treibholz.“ Ich zuckte bei Hirotos Worten mit den Schultern. Konnte ihm ja schlecht sagen, dass ich nur mit ihm zusammen in die Aufenthaltsküche gewollte hatte, um Saga aus dem Weg zu gehen. Für den hatte ich jetzt wirklich keinen Nerv…   „Das ist eigenartig. Reita benimmt sich heute auch sehr komisch. Also… noch komischer als sonst. Schweigsamer.“, meinte Ruki nachdenklich. „Wir haben ihn schmollend im Proberaum sitzen lassen. Er ist ein sturer Bock und wenn er schlechte Laune hat, muss man ihn isolieren oder er steckt uns alle nur an.“ Hiroto nickte bei den Worten des Sängers, als hätte dieser gerade ein psychologisch hochkomplexes Phänomen erklärt. „Vielleicht solltest du Reita Gesellschaft leisten und ihr könnt euch gegenseitig schmollend anschweigen.“, schlug Pon grinsend vor.   Ich überlegte einen Moment. Der Vorfall schien den Bassisten noch zu beschäftigen und wenn ich jetzt nichts unternahm, würde er sich wahrscheinlich wieder von mir zurückziehen und sich tagelang nicht melden, bis ich den ersten Schritt machte. Also warum nicht gleich.   „Wie lang ist eure Pause noch?“, fragte ich den Gazette-Sänger. „Noch 20 Minuten.“ Ich nickte. 20 Minuten müssten ausreichen. Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Küche und ging Richtung Aufzug. „Unsere Besprechung geht übrigens in 10 Minuten weiter, falls es dich interessiert!“, rief mir Hiroto noch hinterher. Es interessierte mich nicht.     Der Aufenthaltsraum von Gazette war leicht zu finden. Reita würde mich jetzt wahrscheinlich grinsend darauf hinweisen, dass der Raum leicht zu finden war, weil er größer als die Zimmer der anderen Bands war. Ein Kommentar, das ich leider immer schlucken musste.   Als ich die Tür aufriss, verspürte ich auch dieses Mal eine Welle des Neids. Der Raum war gut doppelt so groß wie unserer, was mich aber gar nicht so sehr störte. Frustrierender war eindeutig die riesige Fensterfront, die einem einen beeindruckenden Blick über die Tokioter Skyline gewährte. Allerdings interessierte ich mich an diesem Tag nicht so sehr für den Ausblick, sondern mehr für die blonde Gestalt, die auf dem Ledersofa saß und mich mit großen Augen anstarrte.   „Was machst du denn hier“, fragte Reita panisch, doch statt zu antworten, drückte ich seine Beine auseinander und ließ mich zwischen ihnen vor das Sofa fallen. Als ich nach seinem Gürtel griff, packte der Blonde mich dann an meinen Handgelenken und starrte mich empört an. Der Junge war manchmal echt schwer von Begriff.   „Ich hab echt keine Lust, dass du dich wieder wie ein verwundetest Tier vor mir verkriechst, also will ich jetzt den Gefallen von heute Morgen erwidern“, erklärte ich ihm langsam. „Und jetzt lass mich das bitte durchziehen, bevor ich es mir anders überlege.“ „Du bist absolut verrückt“, erwiderte Reita, doch ließ meine Handgelenke los und hob sein Becken leicht an, damit ich ihm seiner Hose und seiner Shorts entledigen konnte.   Ich schluckte schwer, als ich den Blonden dann halbnackt vor mir sitzen hatte. Vielleicht hatte ich das doch nicht ganz durchgedacht. Zaghaft begann ich die Innenseite seines linken Oberschenkels zu küssen, während meine Hand sich um sein Glied schloss. Das war in Ordnung. Und Reitas Seufzen nach zu urteilen, fand er es auch ganz in Ordnung. Etwas mutiger leckte ich weiter, bis ich an einem seiner Hoden angekommen war, den ich vorsichtig in den Mund nahm, während ich mit der Hand weiter sein Glied bearbeitete.   „Kannst du endlich loslegen? Meine Pause geht auch nicht ewig!“, zischte mir der Blonde entgegen. „Deine Pause geht noch 20 Minuten. Das ist noch Zeit“, gab ich lächelnd zurück und nippte weiter an der empfindlichen Haut. Reita zog zischend die Luft ein und spannte seinen ganzen Körper an. Es war toll eine solche Macht über ihn zu haben. „Meine Besprechung geht allerdings in 10 Minuten weiter“, merkte ich noch schulterzuckend an. „Ach, dann bin ich hier also nur ein Quickie? Sehr romantisch.“ „Ich wusste gar nicht, dass du auf Romantik stehst?“ „Klar steh ich auf Romantik und jetzt nimm endlich meinen Schwanz in den Mund.“   Ich schnaubte belustigt auf. Es war unglaublich, aber Reitas Worte gaben mir mein Selbstvertrauen zurück. So lange der Blonde so mit mir sprach, war alles gut zwischen uns. Seiner Bitte nachkommend leckte ich einmal über seine gesamte Länge, bevor sich meine Lippen um seine Erregung schlossen.   Dem Blonden entfuhr ein Stöhnen und eine seiner Hände wanderte in meinen Nacken. Ganz sanft drückte er meinen Kopf nach unten und ich ließ ihn gewähren. Nahm so viel von ihm auf, wie ich konnte. Um den Rest griff ich mit meiner Hand und baute einen langsamen Rhythmus auf. Der Blonde wand sich unter mir und seufzte immer wieder auf. Wahrscheinlich hätte ich ihn daran erinnern sollen, dass er leiser sein sollte, aber dazu schmeichelten mir die Geräusche zu sehr. Rei schien unter meinen Lippen den Verstand zu verlieren.   „Tore… bitte… ich… ngh… ich brauche.“ „Was brauchst du?“, flüsterte ich und verteilte kleine Küsse seinen Schaft entlang. Statt mir zu antworten, ergriff er meine freie Hand und steckte zwei meiner Finger in den Mund. Die Aktion ließ uns jetzt beide aufstöhnen und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Reitas pulsierende Erregung.   Seine Zunge fuhr geschickt über meine Finger und ich ahmte die Bewegung nach. Eine Zeit lang überließ ich Reita das Kommando. Gierig wiederholte ich die Aktionen seiner Lippen und ließ mich in ein immer schnelleres Tempo steigern. Die ungleichmäßige Atmung des Bassisten verriet mir, dass es nicht mehr lange brauchen würde. Er ließ von meinen Fingern ab und rang dann wieder nach Worten.   „Tora, bitte.“ Verwirrt sah ich zu ihm hoch. Seine Augen waren fast flehend, der Brustkorb hob und senkte sich schnell. Die Hand, die sich inzwischen in meinen Haaren festgekrallt hatte, senkte sich und fuhr zärtlich über meine Wange, in der sich noch immer sein Glied befand.   „Bitte“, flehte er und richtete seinen Blick für ein paar Sekunden auf meine feuchten Finger, die sich eben noch in seinem Mund befunden hatten. Danach trafen sich unsere Blick wieder.   Langsam senkte ich meine Hand und hoffte inständig, dass ich ihn richtig verstanden hatte und meine schmutzige Fantasie nicht einfach mit mir durchging. Inzwischen war meine eigene Hose fast schmerzhaft eng und meine Erregung sehnte sich nach Aufmerksamkeit. Ich widerstand dem Drang, mich selbst zu berühren, und strich stattdessen mit meinen Fingern über die Pobacken des Bassisten. Sofort öffnete der Blonde die Beine etwas weiter.   „Komm schon, komm schon“, flüsterte er so leise, dass ich davon ausging, dass die Worte gar nicht für meine Ohren bestimmt waren. Meine Finger fanden seinen Eingang und drangen in ihn ein. Ein lautes Stöhnen entfuhr dem Blonden, als ich meine Finger im richtigen Winkel krümmte. Mit meiner anderen Hand hielt ich sein Becken fest, über dessen ruckhafte Bewegungen er scheinbar die Kontrolle verloren hatte.   Auch mein Mund nahm wieder seine Tätigkeit auf und bewegte sich zum Rhythmus meiner inzwischen drei Finger, die sich unbarmherzig schnell in der Hitze des Blonden versenkten.   „Ja, Tora. Ja, bitte, schneller. Ja!“ Mit einem letzten Aufschrei kam Reita und ich schluckte, während ich meine Finger immer langsamer bewegte und schlussendlich aus ihm entfernte.   Ich atmete durch, den Blick immer noch auf Reita gerichtet. Dessen Atmung sich langsam wieder normalisierte. Ich hatte nie damit gerechnet, dass ein Blowjob so ein intensives Erlebnis sein konnte. Vor allem, wenn man nicht selbst der Empfänger war.   Der Blonde sah mich einen Moment lang nur an, bevor er im ruhigen Ton meinte: „Ich werde dich heute Nacht um den Verstand vögeln, sobald wir beide zu Hause sind.“   Ok. Das war jetzt eindeutig zu viel.   Ich ließ mich frustriert nach hinten fallen und lag jetzt vor der Couch auf dem Boden. „Was?“, fragte Rei verwirrt. „Ich bin hart wie ein Brett und hab jetzt noch gut 3 Stunden Besprechung vor mir.“ „Tja, Pech für dich. Ich fühl mich super entspannt.“ Reita hatte inzwischen seine Hose wieder angezogen und stand über mir. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, das ich erwiderte. Zwischen uns war die eigenartige Stimmung des Morgens weggeblasen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Da konnte ich auch noch eine Weile mit meiner sexuellen Frustration leben.   Der Blonde hatte mir gerade auf die Beine geholfen, als die Tür aufflog und Kai reingestapft kam. Erschrocken sahen Rei und ich den Drummer an, der uns ignorierte und sich an den Besprechungstisch setzte.   „Du hast die Tür nicht abgeschlossen?!“ „Ich…“, setzte ich an, aber mir fiel nichts ein. Schließlich hatte ich sie echt nicht abgeschlossen. Kai sah von seinen Zetteln zu uns. „Wieso sollte Tora bitte die Tür abschließen?“ Bevor einer von uns Antworten musste, kamen auch schon die anderen drei Gazette-Mitglieder und ich machte mich unbemerkt aus dem Staub.   Auf dem Gang atmete ich erst einmal durch. Da hatten wir Glück gehabt. Mit einem Lächeln im Gesicht machte ich mich auf den Weg zur Toilette, um meinen eigenen Druck abzubauen. Schließlich war ich eh schon 10 Minuten zu spät. Das machte jetzt auch nichts mehr aus. Kapitel 11: ------------ Kapitel 11   „Manchmal verstehe ich, wieso die ganze Welt uns für verrück hält.“ „Wieso?“, fragte mich Reita, ohne den Blick von seinem Fernseher abzuwenden. „Wegen so bekloppter Gameshows wie dieser! Ich hab keine Ahnung, was da passiert, und ich bin Japaner!“ Demonstrativ deutete ich auf den Bildschirm, wo gerade ein erwachsener Mann in lila Hasenkostüm Purzelbäume schlug. Weshalb auch immer. Reita lachte bei meiner Bemerkung nur und nahm das Bier entgegen, das ich ihm aus der Küche mitgebracht hatte. Ich runzelte die Stirn. Irgendetwas war anders seitdem ich mich vor ein paar Minuten von der Couch erhoben hatte.   „Du sitzt auf meinem Platz“, schlussfolgerte ich empört. Der Blonde sah mich skeptisch an: „Du weißt schon, dass wir in meiner Wohnung sind?“ „Na und?!“ „Das bedeutet, dass alles hier mir gehört. Ergo ist jeder Platz hier MEIN Platz.“ „Ich sitze aber immer da“, gab ich grummelnd von mir. „Du kannst dafür in deiner Wohnung sitzen, wo du sitzen willst.“ Damit wandte sich Reita wieder der Show zu. Das alles wäre nur halb so frustrierend gewesen, wenn er dabei kein arrogantes Grinsen im Gesicht gehabt hätte. Wir wussten beide, dass seine Aussage eine Lüge war. Der Blonde war ein sturer Bock, der sich in meiner Wohnung aufführte, als gehöre sie ihm. Eingeschlossen meinen Lebensmitteln und meiner Kleidung – und mir, was ein flatteriges Gefühl in mir auslöste. Trotzdem wollte ich ihm das heute nicht durchgehen lassen.   Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich auf meinen Platz auf der Couch und ignorierte Reitas Beschwerden. „Haha, sehr witzig Tora“, der Blonde wandte sich unter mir, aber ich ließ mich nicht wegstoßen, was mir eine weitere Beschwerde einbrachte. „Aua! Nimm deine knochige Schulter aus meinem Gesicht!“ Ich seufzte: „Meckerbacke“. Gespielt genervt drückte ich den Blonden unter mir in eine Liegepostition aufs Sofa und drehte mich bis wir Brust auf Brust aufeinanderlagen„Meckerbacke ist kein echtes Wort“, lachte Reita und nahm seine Arme zur Seite, so dass ich ohne Probleme meinen Kopf auf seinen Brustkorb ablegen konnte. Wir rutschten noch ein wenig hin und her, aber schließlich fanden wir beide eine gemütliche Position.   Ich starrte auf den Fernseher und versuchte mir die Situation nicht zu Kopf steigen zu lassen. Eine Situation, die ich selber zu verantworten hatte und die mal wieder sehr stark an unserem Sex-Arrangement rüttelte. Denn diese Intimität war weder Sex, noch Vorspiel. Das war kuscheln. Furchtbar kitschiges und triefend romantisches Paar-Kuscheln. Und das war eine dumme Idee.   Ohne mit der Wimper zu zucken, machte Reita ein leichtes Hohlkreuz, als ich versuchte meine Arme um seine Taille zu schlingen.   Eine dumme, dumme Idee.   Ich schmiegte mich noch enger an ihn und drückte meine Nase auf sein Schlüsselbein.   Eine furchtbar dumme und furchtbar gemütliche Idee.   Der Blonde seufzte unter mir und ich spürte, wie er sanft meine Haare küsste.   Mir wären in dem Moment noch weitere furchtbar dumme Ideen eingefallen, auf die ich nicht sehr stolz bin, als plötzlich die Wohnungstür aufgeschlossen wurde.     Die folgenden Geräusche waren ein „Fuck“ von Reita und ein „Au!“ von mir, als ich unliebsam auf den Fußboden katapultiert wurde.   „Rei? Bist du da?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stapfte schon der Gazette-Sänger ins Wohnzimmer. „Oh! Hey, Tora.“ „Hi, Ruki.“ Einen Moment herrschte Stille bis der Sänger wieder das Wort ergriff: „Was machst du auf dem Boden.“ „Ich hab ihn vom Sofa getreten“, meldete sich Reita zu Wort, der etwas überfordert aussah. „Ich werde euch beide nie verstehen“, murmelte Ruki und setzte sich neben Reita aufs Sofa.   Tatsächlich hatten die beiden Gazette-Member eine sehr andere Freundschaft als Reita und ich. Reita war in der Gegenwart des Sängers immer ruhiger und sanfter. Ich hatte nie hinterfragt, dass ich mir den Titel des „besten Freundes“ mit Ruki teilen musste. Schließlich war ich der beste Freund, wenn es um die spaßigen Dinge ging wie Games und Saufen und … Sex.   Was ich in diesem Moment allerding hinterfragte war, wieso Ruki einen Schlüssel zu Reitas Wohnung besaß und diesen auch so freimütig benutzte. Ja, ich hatte auch einen Schlüssel. Aber nur, weil ich nach langem Überlegen und tausend fiktiven Szenarien den Ersatzschlüssel zu meiner Wohnung auf meine Flurkommode gelegt hatte. Einen Tag später war das besagte Objekt verschwunden und tauchte an Reitas Schlüsselbund wieder auf. Bei meinem nächsten Besuch in Reitas Wohnung legte dieser wortlos seinen eigenen Ersatzschlüssel auf den Couchtisch. Ich steckte den Schlüssel ein und versuchte für die nächste Stunde ein Lächeln zu unterdrücken.   Ich konnte mir auch vorstellen, wie die Schlüsselübergabe mit Ruki abgelaufen war. Vermutlich war sie während eines Gesprächs mit echten Worten passiert. Darauf konnten Reita und ich verzichten. Wer brauchte schon eine Beziehung, in der man offen miteinander redete …   „Du hast vergessen, dass ich komme, oder?“, fragte Ruki in unser Schweigen. „Sorry“, murmelte Reita kleinlaut. „Nein, ist schon ok. Wir sehen uns halt in letzte Zeit nicht mehr so oft und ich… vergiss es. Wie gesagt. Alles gut! Ich wollte euch ja auch nicht stören. Ich kann auch mal wann anders …“ „Unsinn! Ich geh jetzt und dann darfst du mal wieder babysitten. Der Idiot ging mir sowieso auf die Nerven“, unterbrach ich die Stotterei des Sängers, die selbst mir fast das Herz brach. Scheinbar litt die Freundschaft der beiden Gazette-Member darunter, dass Reita und ich in den letzten Wochen so viel Zeit miteinander verbracht hatten. Mit einem Winken verabschiedete ich mich von den beiden und verließ sofort die Wohnung.     Erst als ich mich auf dem Heimweg befand, ließ ich die letzten paar Minuten Revue passieren: Rukis traurigen Blick und Reitas kleinlaute Entschuldigung. Das Gefühl, das fünfte Rad während eines emotionalen Gesprächs zu sein. Der dankbare Blick, den mir beide zugeworfen hatten, als ich mich verzog. Die Tatsache, dass Ruki einen Wohnungsschlüssel hatte und statt mir jetzt neben Reita auf der Couch saß.   Und mir wurde fast schlecht, als ich mir selbst ernsthaft die Frage stellte: Waren Reita und ich eigentlich exklusiv?     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Über die nächsten Tage versuchte ich die Frage aus meinem Kopf zu verdrängen, aber es ging nicht. Am schlimmsten war es, wenn Reita bei mir war. Ich konnte ihn nicht mehr berühren, ohne mir vorzustellen, dass ich nicht der einzige war. Bei jedem Stöhnen rechnete ich damit, dass es nicht mein Name sein würde, der über seine Lippen fiel.   Mir war natürlich klar, dass der Bassist und ich eigentlich zu viel Zeit miteinander verbrachten, als dass er nebenher noch mit Ruki schlafen konnte. Aber vielleicht ging ihr Arrangement schon seit vielen Jahren? Vielleicht war ich gerade nur eine nette Ablenkung, die man aber auch schnell wieder loswerden konnte. Und die beiden schoben ab und an eine Nummer während den Probepausen.   Diese Unsicherheit ging so weit, dass ich sogar erleichtert war, als Reita für ein paar Konzerte Tokio verlassen musste. Er würde in drei Wochen zurück sein, doch das gab mir genügend Zeit, mich wieder zu fangen. Dachte ich zumindest. Denn jetzt kam zu den quälenden Fragen noch eine schreckliche Langeweile hinzu, die von Tag zu Tag schlimmer wurde. Die Reita-freie Zeit gab mir nur noch mehr Gelegenheiten nachzudenken. Es war schrecklich.     Ich hätte mich darüber gerne mit jemandem unterhalten. Mit jemandem, der mir empathisch zuhören und mir dann eine weise Handlungsempfehlung aussprechen würde. Leider hatte ich aber nur Saga.   „Was soll das heißen, Reita schläft mit anderen Kerlen?! Du meintest zu mir, ihr seid exklusiv!“ „Ich habe nie gesagt, dass Reita NICHT mit anderen schläft. Ich habe nur gesagt, dass er nicht mit dir schlafen will.“ Saga verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust. „Außerdem“, fuhr ich fort, „sage ich auch nicht, dass Reita mit anderen schläft. Ich vermute es… vielleicht … irgendwie.“ „Vielleicht irgendwie?“, fragte der Bassist skeptisch und ließ seinen Kopf theatralisch auf die Rückenlehne meiner Couch fallen. „Der Junge schläft mit keinem anderen. Der ist viel zu verrückt nach dir, um Augen für andere zu haben.“ Ich wusste, dass ich widersprechen sollte, aber die Worte waren Balsam für meine Seele.   „Du glaubst also nicht, dass zwischen Reita und Ruki etwas läuft?“, versuchte ich mich zu versichern und bekam leider eine unerwartete Reaktion. „Oh. Es geht um Ruki? Da versteh ich deine Zweifel…“ „Saga!!“ „Was willst du denn von mir hören? Die kennen sich seit einer Ewigkeit und es gibt so viele Gerüchte über die beiden. Und zwar nicht nur unter den Fans.“ Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. „Na ganz toll. Das Traumpaar der Szene. Da hab ich ja nie eine Chance“, maulte ich.   Stille.   „Eine Chance auf was?“ Ich sah zwischen meinen Fingern hindurch Saga an. Was meinte er? „Ernsthaft Tora. Wegen welcher scheinbar verpassten Chance quälst du dich so? Du sagst immer, dass Reita und du nur Freunde seid, die Gelegenheitssex haben. Was würde ein anderer Kerl daran ändern?“   Wieso stellte Saga so dumme Fragen? Ein anderer Kerl würde alles ändern! Was wäre, wenn Reita lieber Zeit mit ihm verbrachte als mit mir? Wenn er Reita mehr zum Lachen brachte? Wenn er Reita leichter aus dem Konzept brachte? Ich wollte nicht, dass jemand anderes Reita gelegentlich von seinem hohen Ross warf. Oder ihn so federleicht hinterm Ohr kraulte, dass er kichern musste. Oder mit ihm über unaufgeräumte Socken stritt. Ich wollte meine Chance nicht verpasst haben. Meine Chance auf …   Oh, verdammt scheiße …   Meine Chance auf UNS. Auf ein WIR.   Fuck. Fuck. Fuck. Fuck.   Fuck.   In diesem Moment waren alle Mauern eingerissen. Ich konnte es nicht mehr leugnen. Ich liebte Reita und ich wollte eine Beziehung mit ihm und …   „Fuck“, flüsterte ich und sah Saga verzweifelt an. Der Bassist saß nur noch auf der Kante meiner Couch und hatte sich mir so weit entgegengebeugt, als könnte seine Konzentration alleine eine Epiphanie in meinem Dickschädel heraufbeschwören. Vielleicht hatte er das auch tatsächlich geschafft.   „Oh Gott, du hast es endlich eingesehen!“, jubelte Saga auf. „Ich dachte schon, ich müsste dich in eine Einrichtung stecken lassen, aufgrund von mangelnder emotionaler Intelligenz. Das kann schlimme Ausmaße annehmen. Am Ende tötest du deine Mutter und lebst mit ihrer Leiche in einem verlassenen Motel.“ „Hey! Ich bin doch kein Psychopath! Ich bin nur …“ „Nein!“, unterbrach mich Saga aufgebracht! „Sag es nicht zu mir!“ „Was soll ich nicht sagen?“ „Dass du Reita liebst! Mach dein erstes Liebesgeständnis nicht mir sondern ihm!“ „Das wollte ich gar nicht sagen! Ich wollte …“ „Nein, nein. Die Worte sind nicht für mich bestimmt!“ Sage steckte sich seine Finger in die Ohren und begann zu summen. Ich starrte ihn sprachlos an. Und er dachte wirklich, ICH gehörte in eine Anstalt?!   Ich sah bei dem Trauerspiel noch ein paar Sekunden zu und warf dann ein Kissen nach dem Bassisten, welches dieser auffing. Wenigstens hatte ich jetzt wieder seine Aufmerksamkeit. „Und was hast du jetzt vor?“ „Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Vielleicht war ich mir jetzt über meine Gefühle im Klaren … aber der Ausgang meiner Lage blieb für mich undurchschaubar.   Schließlich hatte ich keine Ahnung, was Reita fühlte. Sollte ich mit ihm reden? Hatte er etwas mit Ruki? Und selbst wenn nicht, wie standen meine Chancen, dass er eine Beziehung mit mir wollte? Wenn das der Fall wäre, hätte er ja schon längst etwas sagen können. Außer er war genauso begriffsstutzig wie ich. Ich sah Saga verzweifelt an, der daraufhin nur seufzte, als müsse er einem Grundschüler zum 100. Mal das Alphabet erklären.   „Was würde dir denn dabei helfen, den nächsten Schritt zu entscheiden?“ Ich ignorierte seine Pädagogenstimme und nahm mir die Frage zu Herzen. Der Einzige, der mir jetzt helfen konnte, war Reita selbst. Alle Überlegungen, die ich anstellte, blieben nichts weiter als Hypothesen, solange ich Reita nicht gegenüberstand. Ob ich ihm direkt mein Herz ausschütten konnte, war natürlich ein anderes Thema. Aber ein Treffen würde mir sicher dabei helfen, meine Gedanken und Gefühle zu ordnen.   Also zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche. „Was machst du?“, wollte Saga direkt wissen. „Ich gucke, wo Gazette ihr nächstes Konzert haben… Hah! Chiba! Das ist gerade mal eine Stunde von hier. Perfekt!“ „Du fährst jetzt zu ihm und gestehst deine unendliche Liebe? Wie romantisch!“ „Dir ist schon klar, dass du der einzige bist, der die ganze Zeit von Liebesgeständnissen redet?! Ich will mich einfach nur mit Reita unterhalten und vielleicht ein paar Dinge klarstellen. Das ist alles.“ „Natürlich… Dinge klarstellen. Zum Beispiel ob ihr im Sommer oder im Winter heiraten wollt.“ „Kein normaler Mensch heiratet im Winter… Ich meine, NEIN. Darüber will ich nicht mit ihm reden. Und jetzt verschwinde. Ich muss meine Sachen packen.“   Saga stand schulterzuckend auf und war dabei mein Wohnzimmer zu verlassen, als er sich noch einmal zu mir umdrehte: „Ich hoffe für euch beide, dass alles gut läuft. Du verdienst es.“ Ich lächelte den Bassisten ehrlich an. „Danke Saga. Du bist ein guter Freund.“ „Das ist nett, aber heb dir das sentimentale Gelaber lieber für deinen Verlobten auf.“ Ich warf erneut mit einem Kissen, was ihn aber nur zum Lachen brachte, während er meine Wohnung verließ.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Die Fahrt nach Chiba schaffte ich in Rekordzeit. Auch die Vorbereitungen hatten nur einige Minuten gedauert, da ich einfach nur meine Tasche geschnappt und Wechselkleidung reingeschmissen hatte. Ich wusste ja auch gar nicht, ob ich übernachten würde. Eigentlich wusste ich gar nicht, was mich erwarten würde.   Im Rückblick vermisse ich das Gefühl.   Ich parkte eine Straße vom Hotel entfernt und lief die letzten Meter. Die Unterkunft zu finden, war nicht schwer. Schließlich hatte uns das Management auch schon oft genug dort einquartiert. Ein größeres Problem würde es sein, das richtige Zimmer herauszubekommen. Natürlich hätte ich Reita anrufen können, aber ich fühlte mich noch nicht bereit, ihn direkt zu sprechen, deshalb …   „Tora?“ Ich bleib wie angewurzelt stehen, als ich die Stimme hinter mir hörte. Das war doch so klar gewesen … „Rei, heyyy. Was für ein Zufall!“, lachte ich gekünstelt. Der Bassist sah mich verwundert an. „Was machst du denn hier?“ fragte der Blonde argwöhnisch. Autsch. Nicht die Reaktion, die ich erhofft hatte. Scheinbar sah Reita mir das auch an, denn er setzte hastig nach: „Nicht, dass ich mich nicht freuen würde, dich zu sehen! Ich musste vorhin an dich denken. Also, nicht weil ich dich vermisst hätte. Einfach so halt.“ „Klar, einfach so halt“, antwortete ich grinsend. Der Blonde schenkte mir sein bestes Leck-mich-am-Arsch-Grinsen. „Und was machst du jetzt genau in Chiba?“ „Ich… war Freunde besuchen.“ „Du hast Freunde in Chiba?“ „Jap.“ „Damit ich das richtig verstehe: Du besuchst zufälligerweise deine Freunde an dem Tag in Chiba, an dem ich auch in der Stadt bin und läufst ganz zufällig an dem Hotel vorbei, in dem unser Management all seine Bands immer unterbringt?“ Okay. Ertappt. An meiner Ausrede hätte ich vielleicht etwas besser arbeiten können. „Wie wär‘s, wenn wir das peinliche Gespräch einfach vergessen und ich dich zum Essen einlade“, schlug ich vor, woraufhin der Bassist lachend einwilligte.     Wir gingen in eine kleine Nudelbar in der Nähe. Es war alles wie immer. Wir unterhielten uns, machten uns über Gott und die Welt lustig – und am meisten über einander. Nachdem wir beide unser Essen sowie zwei Bier hatten, bezahlte ich wie versprochen unsere Rechnung und konnte nicht anders als denken, dass sich alles so richtig anfühlte. Genau so würde es sein, wenn Reita und ich ein Paar wären.   Es wäre alles wie immer nur irgendwie besser und wir wären beide wie immer, nur irgendwie glücklicher.   Als wir das Restaurant verließen, war es bereits dunkel geworden. Ich stellte mir vor, wie perfekt es wäre nach Reitas Hand zu greifen und ihn an mich zu ziehen. Ein sanftes Lächeln, ein flüchtiger Kuss, eine Liebeserklärung.   Der Bassist sah mich an, als würde er meine Gedanken lesen können. Ich sah ein angedeutetes Nicken. Eine Ermutigung und dann …   … brach meine Traumwelt zusammen.     BANG     „Du willst mich doch verarschen!“, hörte ich eine Stimme brüllen und Reita wurde auf einmal ganz blass. „Oh fuck“, flüsterte er und sah mit großen Augen Ruki an, der auf uns zugestapft kam. „Wir waren vor einer Stunde verabredet“, fauchte der Sänger. „Es tut mir so leid. Ich hab’s komplett vergessen und …“, setzte der Bassist an, aber wurde sofort abgeschnitten. „Natürlich hast du es vergessen! MICH vergessen. Das passiert dir in den letzten Monaten ständig. Und das immer wegen ihm!“ Ruki zeigte jetzt auf mich. Er sah nicht mehr wütend aus, sondern verzweifelt. Als hätte man ihm sein Herz gebrochen. Fuck.   „Ernsthaft. Jetzt bin ich dir nicht mal mehr für unsere Tour gut genug? Dann muss Tora sogar aus Tokio anfahren, damit du deinen Spaß haben kannst?!“   Ich sah benommen auf den Boden. Ich fühlte mich billig. Als sei ich Reitas Geliebter und wir seien auf frischer Tat ertappt worden. Wobei „Geliebter“ übertrieben war. Nur eine ungezwungene Gelegenheits-Nummer, die gerade eine Beziehung zerstört hatte.   „Ich wünsche euch beiden jedenfalls noch viel Spaß. Ich mach das nicht mehr mit.“ Mit diesen Worten drehte sich Ruki um und verschwand. Ein paar Sekunden war Stille. Ich hoffte darauf, dass Reita das Wort ergriff und mir sagte, dass alles nur ein schreckliches Missverständnis sei und wir die letzten paar Minuten vergessen konnten.   „Ruki, warte!“   Reita rannte los. Ich sah ihm nach. Er drehte sich nicht um.   Okay. Kapitel 12: ------------ Kapitel 12   So. Und das ist meine Geschichte. Ich habe eine wundervolle Freundschaft genommen und sie mit viel Sex und ungewollten Gefühlen ruiniert. Und wahrscheinlich habe ich währenddessen noch dabei geholfen, eine Beziehung zu zerstören. Multitasking auf ganz hohem Niveau.   Der Katastrophen-Abend in Chiba ist inzwischen 2 Wochen her und seitdem gehe ich Reita, Ruki und allen weiteren Gazette-Membern gekonnt aus dem Weg.   Ich hatte die Befürchtung gehabt, dass Reita am Morgen nach dem Tourfinale vor meiner Wohnungstür stehen würde mit Pralinen, Blumen und einem schnulzigen Liebesgeständnis. In dieser Fantasie knalle ich ihm dann meistens die Tür vor der Nase zu. In meinen nicht so starken – und oft auch betrunkenen – Momenten schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und küsse ihn, als würde mein Leben davon abhängen.   Das sind wahrscheinlich normale Gefühle, wenn man in einen Kerl verliebt ist, der sich als Arschloch entpuppt. Das macht die Situation leider nicht weniger frustrierend. Reita hatte sogar noch die Nerven gehabt, mir an dem Abend zu schreiben und mich zu fragen, ob ich noch in Chiba sei. Wahrscheinlich war Ruki weiterhin sauer gewesen und er suchte nach einer Aufheiterung. Ich hatte ihn ignoriert. So wie ich auch seine 8 weiteren Nachrichten und 10 Anrufe ignoriert habe. Nicht, dass ich mitzähle…     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   „10 Anrufe ist ganz schön viel. Findest du nicht, du solltest mit ihm sprechen?“, fragt Saga mich, aber ich schüttele bestimmt den Kopf. Ich muss hart bleiben. Und außerdem … „Du hättest Ruki hören müssen. Der war wirklich ziemlich sauer. Ich hab keine Ahnung, was genau zwischen den beiden abgeht, aber ich möchte da in nichts reingeraten. Naja, zumindest nicht noch tiefer als ich schon bin.“ „Oh… aber du bist schon tief reingeraten, mein lieber Freund“, merkt Saga an und ein dreckiges Lächeln ziert sein Gesicht. „Immer und immer und immer wieder.“ Ich stöhne auf und rolle mit den Augen. Ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen. „Saga, kannst du diese perversen Anspielungen einfach sein lassen? Das ist ein ernstes Thema.“   Wieso muss ich mich auch gerade diesem Deppen anvertrauen? Ach ja, weil er der einzige ist, der von dem Geheimnis weiß. Aber das ist jetzt auch egal. Keine Geheimnisse mehr. Keine verstohlenen Blicke auf den Gängen und keine geflüsterten Flirtereien in der öffentlichen Küche. Keine heimlichen Treffen spät nachts und keine Ausreden, weshalb man morgens zufällig zur gleichen Zeit im Gebäude erschien. Das ist jetzt alles vorbei.   „Da Saga und Tora schon vor 15 Minuten aufgehört haben mir zuzuhören, können wir jetzt alle genauso gut eine Pause einlegen“, seufzt Nao und zieht mich damit aus meinen Gedanken. Ich will ihm gerne widersprechen, aber ich habe tatsächlich schon vor einiger Zeit aufgehört der Band-Besprechung zu folgen, in der ich mich gerade befinde, und habe stattdessen Saga über den neuesten Stand meines traurigen Lebens informiert. Während ich wenigstens noch den Anstand habe beschämt auf den Boden zu blicken, erhebt sich der Bassist fröhlich von seinem Stuhl und schlägt uns allen vor, in die Küche zu gehen. Ich lasse mich von Saga eher lustlos aus dem Zimmer ziehen. Ein Kaffee wird mir jetzt sicher gut tun.     In der Küche angekommen atme ich ein paar Mal tief durch und starre in meine Tasse, in die ich fünf Löffel Zucker gekippt habe. Ich fühle mich jetzt wirklich etwas besser. Wahrscheinlich dramatisiere ich meine ganze Lage zu sehr.     Das Knallen der Küchentüre lässt mich zusammenzucken und ich blicke, genau wie meine Bandkollegen auch, erschrocken Ruki an, der zielstrebig auf mich zuhält. Und er sieht ungefähr so wütend aus wie während der Chiba-Katastrophe.   Ok. Ich nehme alles zurück. Mein Leben ist absolut schrecklich und ich will jetzt sofort nach Hause.   „Du!“, ruft Ruki und zeigt dabei auf mich, sodass all meine Freunde und wahrscheinlich halb Tokio auch wissen, wer jetzt gleich einen Einlauf bekommen wird. „Ich hab keine Ahnung, was du mit Rei angestellt hast, aber ich will gefälligst, dass du das klärst!“ Ich sehe den Sänger einige Sekunden verwirrt an, bis es aus mir rausplatzt: „DU wolltest, dass ich ihn in Ruhe lasse und das mach ich auch. Was zum Teufel ist dein Problem?!“ „Ich hab doch nie gewollt, dass du den Kontakt abbrichst und eure Beziehung beendest. Ich war nur eifersüchtig…“ Die Wut ist wieder aus der Stimme des Sängers verschwunden. Dafür erscheinen jetzt die anderen Gazette-Mitglieder leicht verwirrt in der Küche. Na toll, mehr Publikum ist genau das, was wir brauchen.   Ruki sieht mich verzweifelt an: „Das wollte ich so gar nicht. Ich hab mich in letzter Zeit nur ausgeschlossen gefühlt.“ Ausgeschlossen gefühlt? Das klingt nicht unbedingt nach betrogenem Freund. Ist das zwischen Reita und Ruki also auch nur eine lockere Sache?   „Ich dachte mir“, setzt der Sänger leise an. „Vielleicht können wir auch mal zu dritt…“   Was zum Teufel passiert hier gerade…   Saga unterbricht die Worte des Sängers, indem er seinen Kaffee in einem hohen Bogen ausspuckt. Mein Beitrag wär auch nicht sehr viel intelligenter gewesen. „Kann uns mal jemand aufklären, was dieses ganze Spektakel soll?“, will Kai jetzt wissen, worauf Saga nur zu gerne antwortet: „Ruki hat gerade einen Dreier mit Tora und Reita vorgeschlagen!!“   Stille.   „Wie bitte?“, fragt Ruki und versucht Blickkontakt mit Reita aufzubauen, der uns alle nur mit großen Augen anstarrt. Kai massiert sich mit einer Hand die Schläfe, als wolle er eine einsetzende Migräne verscheuchen und fragt im ruhigen Ton: „Ruki, muss das wirklich sein?“ „Ich hab überhaupt keinen Dreier vorgeschlagen! Wir kommt ihr Idioten darauf?“ Ich habe inzwischen auch genug von diesem Gespräch. Können mich nicht einfach alle in Ruhe lassen? „Wir kommen darauf, weil du mit Reita schläfst und ich mit Reita schlafe und du deshalb eifersüchtig geworden bist und du gerade eben einen Dreier vorgeschlagen hast!!“ „Ich bin eifersüchtig geworden, weil mich mein bester Freund seit Wochen wegen dir versetzt und sich von mir distanziert, da er mit dir irgendwelche komischen Geheimnisse hat. Weshalb ich vorgeschlagen habe, dass wir mal zu dritt etwas unternehmen. Etwas nicht-sexuelles. Ich schlafe nicht mit Reita … Warte, du schläfst mit Reita?!“   Alle Blicke richten sich auf den Bassisten, der versucht, sich hinter Uruha zu verstecken, welcher das aber nicht zulässt. Eine gute Entscheidung. Bei Rukis bohrendem Blick möchte ich auch nicht als menschliches Schutzschild herhalten.   „Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du jetzt endlich mit Tora zusammen bist?“ fragt der Sänger Reita. „Weil wir nicht zusammen-zusammen sind.“ Ruki ist ein paar Sekunden still und dann bricht er wieder aus wie ein Vulkan. Vielleicht wäre eine Wut-Therapie eine gute Investition. „Willst du mich verarschen?! Seit einer halben Ewigkeit weinst du mich voll wegen deiner dummen Gefühle für Tora und jetzt hast du mit ihm eine Fick-Beziehung? Wolltest du die Gefühle etwa wegvögeln?“ „Vielleicht“, antwortet Reita kleinlaut, woraufhin Ruki in wieder anschreit: „Was für eine bescheuerte Idee ist das denn bitte?!“ „Und deshalb hab ich dir davon nichts erzählt und bin dir aus dem Weg gegangen. Weil ich genau wusste, dass du so reagieren wirst“, brüllt Reita zurück. „Und kannst du bitte die Klappe halten?! Ich hab dir das im Vertrauen erzählt.“ „Nein! Ich kann nicht die Klappe halten, weil deine Unfähigkeit mit deinen Mitmenschen zu kommunizieren dazu geführt hat, dass ich deinem Lover gerade ausversehen einen Dreier vorgeschlagen habe!!“   „Den ich noch immer ablehne… aber… Danke“, werfe ich in die Diskussion ein, die ja irgendwie auch meine Diskussion ist. Oder es zumindest sein sollte.   Mein Beitrag scheint Ruki und Reita kurz aus dem Konzept zu bringen. Eine seltene Gelegenheit, auf die Kai wohl nur gewartet hat. „Auch wenn es immer wieder schön ist mit euch Alice-nine-Mitgliedern die Pause zu verbringen, würde ich das Schauspiel gerne hier beenden, bevor ich noch mehr Dinge erfahre, die ich nicht wissen will oder Ruki noch mehr Kollegen sexuell belästigt.“   Ein leises „Ohhh…“ geht durch den Raum, aber Nao nickt zustimmend: „Sehr gute Idee. Und ich würde sagen, wir lassen Tora und Reita fünf Minuten Zeit, damit sie ihr Missverständnis klären und dann können alle wieder PRODUKTIV und PROFESSIONELL weiterarbeiten.“ Dieses Mal ist das „Ohhh …“ unserer Kollegen noch lauter, aber sie lassen sich dennoch alle aus der Küche schieben, bis nur noch Reita und ich da sind.     Mein Gehirn versucht sein bestes, alle Informationen zu verarbeiten. Ruki und Reita schlafen NICHT miteinander. Und wenn ich Rukis Schreierei glauben kann, dann hat Reita schon seit einer Weile romantische Gefühle für mich.   Ok. Die Quantität der Informationen ist doch überschaubar. Mit den Konsequenzen muss ich nur noch klarkommen.   „Ich guck erstmal im Kühlschrank, ob wir Bier haben“, informiert mich Reita und macht sich auf die Suche. Kurz danach öffnet er eine Flasche und leert sie in einem Zug. „Ok… Jetzt bin ich soweit“, setzt der Blonde an. „Du dachtest also, ich würde mit Ruki schlafen und bist mir deshalb die letzten Tage aus dem Weg gegangen?“ Ich zucke mit den Schultern. „Eure Reaktionen bei unserem letzten Treffen waren ziemlich heftig.“ Reita sieht mich lange an, bis er seine nächste Frage stellt: „Warum warst du in Chiba, Tora?“ Ich atme tief durch. „Ich war aus dem Grund in Chiba, aus dem du Ruki nicht erzählen wolltest, dass wir beide miteinander schlafen.“   Wir sehen uns einen Moment an und dann lächelt Reita. Es ist ein kleines Lächeln, fast schüchtern. Aber ehrlich. Es fängt an in mir zu kribbeln. „Cool“, sagt er. „Cool“, erwidere ich. „Dann sehen wir uns heute Abend bei dir!“   Ich grinse bei den Worten erleichtert. Die Krise ist überwunden und wir können so weitermachen wie bisher. Alles bleibt beim Gleichen und …   Moment mal.   „Warte kurz.“ Ich greife nach Reitas Hand, der gerade seine leere Bierflasche auf der Küchentheke abgestellt hat. Der Blonde sieht mich fragend an und ich ringe mit mir. Ich könnte einfach alles so weiterlaufen lassen. Ungezwungene Treffen. Kleine Intimitäten. Keine Verpflichtungen. Kein Risiko.   Ach, scheiß drauf. Zeit für einen echten Big Bang.     Ich ziehe Reita ruckartig an mich und mache, was schon seit Wochen überfällig ist. Ich küsse ihn. Es ist nicht perfekt. Sogar sehr weit davon entfernt. Der Winkel ist falsch, meine Unterlippe schmerzt, weil ich unsere Gesichter zu stark aufeinander gedrückt habe und Reita steht mir auf dem Fuß. Aber ich spüre das Adrenalin, ich spüre mein Herz rasen und ich spüre das Leben und zum ersten Mal seit langer Zeit, weiß ich genau, was ich will und bin bereit dafür ein Risiko einzugehen.   Ich drücke Reita von mir weg. Der Blonde sieht komplett überrumpelt aus. „Ich will DAS“, ich zeige zwischen unseren Mündern hin und her. „Und DAS“, ich halte unsere Hände hoch, die sich noch immer festhalten. „Ich will dich küssen. Auf den Mund. So wie es normale Erwachsene tun, wenn nicht einer von ihnen ein Prostituierter ist. Und ich will deine Hand halten. Wenn wir alleine sind, aber auch in der Öffentlichkeit. Ich will mit dir etwas essen gehen und ins Kino gehen und es dann ein „Date“ nennen. Ich will einen Jahrestag. Mir ist egal, ob wir ihn feiern oder nicht, aber ich will ihn haben. Ich will dich mit zu meinen Eltern nehmen und dich ihnen offiziell vorstellen. Ich will, dass du deine Sachen bei mir bunkerst, ohne Angst davor haben zu müssen, dass du sie irgendwann ohne Erklärung einpackst und dich verdrückst. Ich will eine Beziehung mit dir. Eine richtige, ernsthafte Beziehung.“   „Bist du fertig?“, fragt mich Reita.   „Und ich liebe dich“, ergänze ich dann noch. Vielleicht war das die eigentlich wichtige Botschaft und den Rest hätte ich mir sparen können.   Ich höre von Reita ein ganz sanftes „Okay“, bevor er sich zu mir hochbeugt und mich küsst. Der Kuss ist zärtlicher. Seine Hände wandern in meinen Nacken und er zieht mich näher an sich. Ich schlinge meine Arme um seine Taille. Auch dieser Kuss ist nicht perfekt, aber er ist richtig.   Der Blonde beendet den Kuss und lächelt mich an. „Ich liebe dich auch.“   „Ja?“, frage ich dümmlich, was ihn zum Lachen bringt. „Ja.“ Okay, wow… cool.   „Und jetzt?“ „Und jetzt schließt du die Küchentür ab und wir beide feiern hier drin ein bisschen den Tag, an dem wir offiziell ein Paar geworden sind, damit wir in 12 Monaten einen Jahrestag haben, den wir ignorieren können“, weist Reita mich an und ich gehorche. „Sollten wir nicht lieber zu unseren Bandbesprechungen zurück?“ Der Blonde lacht. „Du glaubst doch nicht, dass die anderen tatsächlich damit rechnen, uns heute wiederzusehen?“   Ich überlege kurz, aber muss Reita dann zustimmen. Und wenn ich darüber nachdenke, wie wir uns verhalten haben, als wir noch kein Paar waren, kommen auf unsere Freunde in nächster Zeit wahrscheinlich noch einige Verspätungen, Fummeleien und öffentliche Austragungen unserer Beziehungsprobleme zu.   „Wir werden ein schreckliches Paar sein“, fasse ich meine Gedanken zusammen. Reita kommt grinsend auf mich zu und wirft wieder seine Arme um mich. „Das schlimmste“, flüstert er noch, bevor er mich in einen weiteren Kuss zieht.     ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~   Und das ist die Geschichte, wie ich angefangen habe mit meinem besten Freund zu schlafen, ohne zu bemerken, dass ich Gefühle für ihn entwickele und mein bester Freund angefangen hat mit mir zu schlafen, in der Hoffnung, seine Gefühle für mich würden dadurch weggehen und wir es beide nicht auf die Reihe bekommen haben, miteinander über unsere Gefühle zu sprechen, bis uns sein zweiter bester Freund ausversehen einen Dreier vorgeschlagen hat.   Mir ist jedenfalls klar geworden, dass ein „Big Bang“ in den seltensten Fällen ein großes, welterschütterndes Ereignis ist, dass über einen hereinbricht. Meistens muss man ein Risiko eingehen und die Veränderung, die man möchte, selbst herbeiführen.   Viel Ärger und Tränen wären uns erspart geblieben, wenn wir von Anfang an offen miteinander geredet hätten. Doch wahrscheinlich mussten wir genau diesen Weg gehen, um an diesen Punkt zu gelangen. Ich würde gerne sagen, dass wir viel aus den letzten Wochen gelernt haben und diese Fehler alle garantiert nie wieder machen werden, aber dafür kenne ich Rei und mich einfach zu gut. Es war chaotisch und eine Katastrophe und es bleibt chaotisch und eine Katastrophe, aber das ist okay.   Denn es ist unsere Katastrophe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)