Scatter and Howl von yezz ================================================================================ Kapitel 26: Rebuilding Walls ---------------------------- Renji fand heraus, dass Kommandant Ukitake kein Morgenmensch war, doch der 3. Offizier der Dreizehnten, Sentarō Kotsubaki war es. Als Renji auf Kotsubaki traf, war er geradezu fröhlich – pfiff vor sich hin und überquerte das Übungsgelände, um Renji mit einem herzlichen „Guten Morgen! Was bringt dich zu unserer Division, Vizekommandant Abarai?“ begrüßte. „Weißt du zufällig, wo dein Chef das Seelentelefon aufbewahrt?“ Kotsubaki kratzte sein Ziegenbart und beäugte Renji argwöhnisch. Er war gekleidet wie immer, in seiner leicht angepassten Uniform: das dünne, weiße, geflochtene Material um seine Schultern und das passende Kopfband, dass die dreieckige Masse seiner dickten Locken in Zaum hielt – einigermaßen. „Wofür brauchst du es?“ Renji öffnete seinen Mund, um es zu erklären, doch Kotsubaki fand seine eigene Begründung: „Gehst du mit einem von den Ryoka? Vielleicht der mit der Brille, der nähen kann?“ Ishida? Was zum Teufel? Warum dachte Kotsubaki das? „Bin mir ziemlich sicher, dass Ishida mich hasst, seit ich ihn blutend auf dem Boden zurückgelassen habe, als wir uns das erste Mal trafen. Menschen sind so empfindlich.“ Renji schob seine Hände in die Taschen seines Hakama und versuchte, beiläufig zu wirken. „Schau, es ist keine große Sache. Ich will nur mit einem Typen reden, bei dem ich gewohnt habe, als ich dort stationiert war.“ Kotsubakis Augen wurden groß. „Urahara? Lass Yoruichi nicht merken, dass du mit ihrem Kerl ausgehst. Sie wird dich umbringen. Tessai auch.“ Mit einem Kopfschütteln murmelte Kotsubaki: „Himmel, mit wie viele Liebhaber kann der Typ überhaupt jonglieren?“ Renji wollte nicht wirklich auf dem Übungsplatz der Dreizehnten stehen und über Uraharas Sexleben diskutieren. „Keine Ahnung. Ich möchte mir nur das verdammte Telefon leihen.“ Ein paar Minuten später stand Renji mit dem Seelentelefon auf der Veranda zum Kommandantenbüro. Direkt auf der anderen Seite der Tür diskutierte Kotsubaki mit dem anderen 3. Offizier, Kiyone Kotetsu, die sie bereits vergraben in Papierarbeit vorgefunden hatten. Irgendwas daran, dass er sie dort gefunden hatte, hatte Kotsubaki verärgert und seitdem stritten sie. Renji schob die Tür zu und wartete darauf, dass Urahara abnahm. „Stehen wir uns so nahe? Ich glaube nicht“, sagte Urahara sogar ohne das traditionelle ‚moshi, moshi‘. „Hast du eine Ahnung, wie viel Uhr es ist, Vizekommandant Abarai?“ Wenn sie die Höflichkeiten übersprangen, konnte Renji auch genauso gut direkt zum Punkt kommen. „Hör zu, lass uns mal annehmen, dass wenn ich jemanden aus dem Madennest rausboxen muss, es dafür absolut einen Weg gibt, oder?“ Da war ein hörbares Luftholen am anderen Ende der Leitung und die Verbindung brach ab. Renji starrte für ein paar Sekunden auf das Telefon, nicht in der Lage zu entscheiden, ob Urahara aufgehangen hatte oder etwas mit der Verbindung nicht in Ordnung war. Er hatte immer noch auf das Telefon in seiner Hand gestarrt, als eine leere Ikebana-Vase auf dem Geländer zu klingeln begann. Warte, eine Vase klingelte? Renji hob das Telefon an sein Ohr. Ja, nein, es war definitiv nicht das Seelentelefon, das klingelte. Er setzte das Telefon ab und nahm die Vase auf. Als sie wieder klingelte, vibrierte die Vase ein wenig. Vorsichtig hob er sie an sein Ohr und sagte: „Moshi, moshi?“ Uraharas Stimme deutlich verärgert. „Man spricht nicht auf einer unsicheren Leitung über Hochverrat, Vizekommandant Abarai. Und ganz sicher spricht man davon nicht durch irgendetwas, dass Kommandant Jūshirō Ukitake gehört.“ Renji blickte zur Vase und hob sie dann zurück an sein Ohr. „Ich bin mir recht sicher, dass das seine Vase ist.“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es meine ist“, sagte Urahara. „Um deine Frage zu beantworten, natürlich habe ich Hintertürchen eingebaut. Wenn müssen wir rausholen und warum?“ „Noch niemanden“, sagte Renji und fühlte sich dämlich dabei, mit einer Vase zu reden. Er blickte über den zugefrorenen See zu Ukitakes Privathaus und fragte sich, warum man Geheimnisse vor Rukias Kommandanten haben sollte. „Ich wollte nur sicher gehen, dass es möglich ist. Du weißt schon, wenn nötig.“ „Oh je, klingt grässlich“, sagte Urahara, allerdings in diesem vorgetäuscht besorgten Ton, den er manchmal draufhatte. Er schien darauf zu warten, dass Renji mehr sagte. Als er es nicht tat, seufzte Urahara und sagte: „Es ist möglich, aber um deinetwillen hoffe ich, dass es nicht notwendig ist. Es ist etwas, was nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.“ „Ja“, nickte Renji. „Habe ich verstanden. Es ist der letzte Ausweg.“ „Absolut.“ „Wie geht es Ichigo?“ Da war eine überraschte, unangenehme Stimme am anderen Ende. „Oh… nun ja, ich bin mir nicht sicher. Wir… ich meine, ich habe ihn nicht gesehen.“ „Huh“, war Renjis einzige Antwort. Ließen alle den Typen alleine, der ihre Ärsche aus dem Feuer gezogen hatte? Renji würde einen Besuch planen, wenn die ganze Haft-Sache nicht einen Riegel davorschieben würde. „Nun ja, wenn du ihn siehst, sag ihm, dass wir an ihn denken, würdest du das tun?“ „Ähm, natürlich.“ „Sag ihm, dass ich ihn nicht um die Schule beneide. Ich habe die Schule gehasst.“ Urahara kicherte mit einem Hauch Traurigkeit. „Ich bin mir sicher, dass es ihm auch so geht.“ Renji blickte auf die Vase und versuchte herauszufinden, wie man auflegte, doch Urahara kümmerte sich mit einem „Tschüss“ und einem endgültigen Klicken darum. Renji starrte die Vase für einige Minuten an und fragte sich, ob er sich darüber Sorgen machen sollte, welche zufälligen spionierende/telefonähnliche/gott-weiß-was-Objekte Urahara noch in der Seireitei versteckt hatte. Doch dann entschied er sich, es zurück an seinen Platz zu stellen und es wahrscheinlich das Beste war, dass er das nicht wusste. Er nahm das Seelentelefon, schob die Tür auf und gab es an den immer noch zankenden 3. Offizieren zurück. Yamamoto war dort, als Byakuya zurückkehrte. Er hielt seinen Kopf hoch und seine Füße trugen ihn weiter voran, auch wenn jede Faser seines Körpers schrie, zu rennen. Soweit Byakuya sagen konnte, musste Shinobu einen bemerkenswerten Job darin geleistet haben, denn niemand schien unglücklich über seine Verspätung zu sein, als er den Garten an der Bibliothek betrat. Er war überrascht, aber erfreut, Rukia an der Seite des jungen Erben zu sehen. Auch wenn sie versuchte, ihre Emotionen zurückzuhalten, konnte Byakuya die bebende Sorge in ihrem Reiatsu spüren, als er näher kam. Kyōraku war natürlich der einzige, der lächelte. Er schob seinen Strohhut mit einem breiten, beruhigenden Grinsen zurück, was die ernste Anwesenheit des Generalkommandanten Lügen strafte. Yamamoto stand unter einer Kiefer, die ähnlich alt und knorrig wie er selbst war. Er lehnte sich schwer auf seinen Gehstock, sein Gesichtsausdruck grimmig und ernst. „Kommandant Byakuya Kuchiki“, sagte er mit autoritärer Stimme. „Bist du bereit, der Strafe für dein Verbrechen gegenüber zu stehen?“ „Das bin ich“, sagte Byakuya, doch in Wirklichkeit war es das keineswegs. Sich bei Senbonzakura zu verabschieden war härter gewesen, als er erwartet hatte, doch das gelegentliche Murmeln von Euphorie von seinem Zanpakutō hob seine Stimmung, festigte ihn emotional und beruhigte ihn. Oder zumindest beruhigte ihn es soweit wie es möglich war, in Anbetracht seines hämmernden Herzens. „Shunsui hat hart daran gearbeitet, die Angelegenheit nicht härter nachzugehen“, grollte Yamamoto und klang dabei, wie ein zermürbter Großvater. Seine langen Augenbrauen zuckten unerfreut. „Also wird deine Strafe nur drei Wochen betragen.“ Das war alles? Byakuya begann, eine Welle der Erleichterung zu spüren, bis der Generalkommandant fortfuhr – „Um dich daran zu erinnern, die Pflichten deiner Position ernst zu nehmen, wirst du allerdings diese Zeit im Madennest absitzen.“ Rukia keuchte. Selbst Kyōraku richtete sich auf, als wäre er auf dem falschen Fuß erwischt wurde. „Whoa, jetzt aber, alter Mann“, brauste Kyōraku auf. „Das ist ein bisschen harsch, denkst du nicht auch?“ Yamamoto grunzte unglücklich. Er hob den Gehstock und knallte ihn auf den Boden. Im Versammlungsraum hätte der Klang sicherlich wider gehallt, aber hier im gefrorenen Garten machte es nur einen dumpfen Knall. „Ich habe entschieden. Wenn der Kommandant Reue zeigt, kann die Strafe verkürzt werden.“ Vielleicht war es unklug, doch Byakuya sagte mit fester Stimme: „Ich bereue nichts. Ich bedauere, dass ich so frei heraus in der Öffentlichkeit gesprochen habe, aber sonst nichts.“ Kyōraku schnalzte mit der Zunge und schüttelte seinen Kopf. Yamamotos Augen verengten sich, als hätte Byakuya seine schlimmste Befürchtung bestätigt. „Wirst du selbstständig die Haft antreten, Kommandant Kuchiki, oder sollte ich dich eskortieren lassen?“ Zumindest das war würdevoller, als Byakuya erwartet hatte. Er hatte sich schon auf Handschellen und Eskorte eingestellt. Selbst hinzugehen würde eine Erleichterung sein. „Ich bin bereit, mich selbst an die entsprechende Autorität zu übergeben.“ Yamamoto nickte. „Lass mich dich zumindest begleiten“, bot Kyōraku freundlich an. Byakuya hätte beinahe aus Reflex abgelehnt, doch er hatte das Madennest niemals zuvor als Gefangener betreten und war sich nicht ganz sicher, wie er das tun sollte. Sich einfach Soi Fon präsentieren? Also nickte er steif. „Wenn du das möchtest, Kommandant.“ Sie standen für einen Moment da, als wären sie unsicher, was nun kam. Yamamoto schnaubte und wandte sich zum Gehen um. Shinobu trat hervor und sagte: „Lasst mich euch nach draußen begleiten, Generalkommandant. Es sei denn, sie wollen etwas Tee oder etwas, um ihr Fasten zu brechen?“ Da war ein verärgertes Grummeln vom alten Mann zu hören, bevor er etwas darüber murmelte, dass er niemals die Gastfreundschaft der Kuchiki abschlagen würde. Shinobu warf Byakuya einen Blick zu, der überraschend selbstsicher war. Der Kenseikan sah immer noch ziemlich verloren in den braunen Locken aus, doch da war etwas Erhabenes und Kuchiki-artiges in seinem Ausdruck, was Byakuya denken ließ, dass der Erbe zurechtkommen würde. Als die beiden im Inneren verschwanden, schlangen sich plötzlich Rukias Arme um ihn. Sie drückte ihn fest, als wolle sie ihn nicht loslassen. „Oh, Nii-sama“, wisperte sie in seinen Yukata. Er tätschelte ihr ungeschickt den Rücken, doch wünschte sich, dass er sie beruhigen könnte. Er hatte nicht bedacht, wie sehr sie in diesem Moment wie Hisana aussehen würde, mit Tränen in ihren großen, violetten Augen. Sein Herz schmerzte unerwarteter Weise und wie als Antwort umkreisten sie mehrere Blüten von Senbonzakura schützend. „Oh, aber, aber“, murmelte Kyōraku. Mit einem Wink in seiner Hand schickte Byakuya die Klingen weg, damit sie sich zu den anderen gesellten, die er in der Nähe spürte. Über Rukias Kopf stellte Byakuya den Blickkontakt mit Kyōraku her, hielt ihn und bedeutete ihm, dass er sich nicht wagen sollte, etwas darüber zu sagen. Er sagte nichts, tippte sich nur gegen den Hut. Rukia, die von dem Austausch nichts mitbekommen hatte, drückte Byakuyas Taille erneut. „Pass auf dich auf“, sagte sie. „Ich liebe dich.“ Byakuya blinzelte. Natürlich hat er immer das Gleiche gefühlt, doch keiner von ihnen hatte solch eine Sache jemals ausgesprochen. Doch konnte er wirklich weggehen und es niemals gesagt haben? Schlimm genug, dass er beinahe gestorben war, ohne ihr die Wahrheit über Hisana zu sagen oder den Grund, warum er oft so kalt ihr gegenüber gewesen war. Er beugte sich hinunter und küsste ihren Scheitel. „Ich liebe dich auch, Rukia.“ Byakuyas Stimme brach überraschend. Es fühlte sich zu sehr nach Abschied an. Und Renji war nicht da. Sie keuchte, aber warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. Sie ließ ihn los und dadurch optimistischer gestimmt, nickte Byakuya Kyōraku zu, dass er zum Gehen bereit war. Als sie das Anwesen verließen, weigerte sich Byakuya, zurückzublicken. Das war nicht nötig. Er würde es wiedersehen. Drei Wochen. Er konnte drei Wochen überleben. „Drei Wochen im Madennest? Wie zum Teufel soll er drei Wochen im Madennest überleben?“, wollte Renji von Rukia wissen. Sie starrte ihn an. „Du hast gesagt, er hätte dem zugestimmt. Du hast gesagt, ich soll dagegen nichts sagen, dass ich ihn gehen lassen soll!“ Renji rieb sich mit den Händen sein Gesicht, versuchte die wilde Panik zu kontrollieren, die in ihm in der Sekunde aufgekommen war, als er ‚Madennest‘ aus Rukias Mund gehört hatte. Scheiße. Er konnte nicht glauben, dass sie das Familienoberhaupt der Kuchiki in ein solches Höllenloch geschickt hatten. Sicher, er hatte an diese Möglichkeit gedacht – genug, um einen Anruf bei Urahara zu riskieren – aber, scheiße. Er ließ sich schwerfällig auf dem nahen Schreibtisch nieder und atmete tief durch. Er starrte den Zen-Koan an der Wand in Büro auf Byakuyas Anwesen an und versuchte sich selbst an Byakuyas Stärke zu erinnern. Selbst ohne Senbonzakura war Byakuya ein Hakuda-Meister. Diese armen Bastarde würden nicht wissen, was sie treffen würde, falls sie irgendwas mit ihm versuchen würden. „Richtig“, sagte Renji, versuchte sich dabei von sich selbst zu überzeugen. „Drei Wochen. Ich denke, es könnte schlimmer sein.“ Außerdem würden sie Byakuya nicht zu den normalen Häftlingen lassen. Konnten sie nicht. Immerhin würden sie Senbonzakura nicht versiegeln – zumindest nicht in dieser Weise. Sie würden Senbonzakura irgendwo separat aufbewahren, irgendwie unter Schloss und Riegel, doch Unzucht war es nicht wert, ihr Band zu zerschneiden. Etwas kratzte über die Fensterscheibe, wie ein Ast, der vom Wind angeschoben wurde. Renji blickte verwirrt hinüber. Das Stockwerk war zu weit oben dafür. Außerdem trimmten die Gärtner die Bäume perfekt. Aus dem Augenwinkel sah er ein vertrautes Pink. Er blinzelte. Es war viel zu spät für Kirschblüten… Drei weitere Klingen schwirrten am Fenster vorbei, dann eine Ansammlung davon. Renji konnte ihr Lied hören. Es war… Es war… Senbonzakura? Das musste so sein, aber was zum Teufel? Renji blickte zu Rukia hinüber. Sie starrte auch aus dem Fenster. Sie blickte zu Renji, ihre Augen vor Angst geweitet. „Du denkst doch nicht, dass er… sich widersetzt, oder?“ „Nein“, Renji war sich sehr sicher, dass Senbonzakura nicht im Kampfmodus war. Er hatte auch dieses Lied gehört. Es war nichts Derartiges. Das Lied, welches es sang war weniger donnernd, weniger hämmernd und mehr… eine Freiform? Renjis Magen drehte sich um. Könnte Byakuya… was getan haben? Es freigesetzt haben? Seine Hand suchte Zabimaru. Du denkst nicht, dass Senbonzakura wie wir ist?, zischte der Schlangenschwanz sarkastisch. Dass sie sich nicht selbst manifestieren können? Der Paviankönig schnaubte. Sie hatten Bankai lange vor uns, Narr. Wie glaubst du, haben sie das zustande gebracht? Richtig, natürlich. Natürlich konnte sich Senbonzakura getrennt von Byakuya manifestieren. „Byakuya ließ sie gehen – Senbonzakura, meine ich“, sagte Renji laut, als er es endlich realisierte. „Dein Bruder und sein Kuchiki-Stolz, huh? Aber es macht Sinn, denke ich. Ich habe nur die gedacht, dass Byakuya-“, seinen festen Griff… lösen konnte… nein, Zabimaru hatte recht. Das war Senbonzakura. Es gab niemandem, den Byakuya in dieser Welt mehr vertraute. Trotzdem. Das bedeutete, dass Byakuya alleine an diesem Ort war. Kyōraku drängte sie nicht zur Eile, doch als Byakuya in den Shunpo überging, folgte der Kommandant. Als sie zurück auf normale Geschwindigkeit abbremsten, hielt Kyōraku seinen Hut leicht fest und sagte: „Ich dachte schon, dass es für einen Spaziergang zu kalt ist, aber ich hätte nicht gedacht, dass du es so eilig hast, an diesen Ort zu kommen.“ Früher drinnen, früher draußen, dachte Byakuya, sagte aber nichts. Sie standen vor der großen Treppe der zweiten Division. Große, immergrüne Kiefern bildeten einen starken Kontrast gegen einen blassen, kalt-klaren Himmel. An diesem Ort waren noch nicht einmal Wachen zu sehen. Auch wenn er freiwillig kam, hatten sich die Haare vor Unheil und Vorahnung an seinem Nacken aufgerichtet. „Wurde ein Schmetterling gesendet? Erwartet die Kommandantin uns?“ Soi Fon schien in diesem Moment aus dem Schatten der Bäume zu treten. Kyōraku lachte. „Ho, sieht so aus. Wenn man vom Teufel spricht! Grüße!“ Er winkte ihr freudig zu, als würden sie sich für ein Picknick treffen. Byakuya knirschte mit den Zähnen. Er hätte vermutlich nicht zustimmen sollen, dass Kyōraku ihn begleitete. Seine Fröhlichkeit war fürchterlich. Byakuya stellte fest, dass er das kalte Feuer in Soi Fons Augen bevorzugte… Es passte zu seinen eigenen. Ohne irgendeinen Ansatz Höflichkeiten auszutauschen oder Kyōraku auch nur zur Begrüßung zuzunicken, fokussierte sich Soi Fon vollständig auf Byakuya, während sie die Treppen hinunterging. „Das Madennest ist kein Zivilgefängnis. Wo ist deine Uniform, Kommandant Kuchiki?“ Statt zu lügen, antwortete Byakuya einfach: „Es ist früh am Morgen.“ „Wir besorgen dir eine“, sagte sie. Dann fügte sie, unnötig höhnisch, hinzu: „Aber sie wird nicht maßgeschneidert sein. Nur ‚von der Stange‘, befürchte ich.“ Kyōraku räusperte sich. „Aber, aber. Das fängt so gut an. Toll zu sehen, dass alle so gut miteinander klarkommen“, bemerkte er. „Warum bist du überhaupt hier, Kyōraku?“, keifte Soi Fon. „Nun ja, meine liebe Kommandantin Soi Fon“, lächelte Kyōraku freundlich, auch wenn er deutlich die höfliche Anrede betonte, die sie ihm verwehrt hatte. „Ich bin hier als Repräsentant des Generalkommandanten. Aus Gründen, die ich nicht hinterfrage, hatte Yama-ji das Gefühl, dass es wichtig sei, dass ein Zeuge dabei ist, wenn Kommandant Kuchiki das Geständnis unterschreibt.“ Byakuya blickte hinüber – und dann hinauf, hatte völlig vergessen, dass Kyōraku sogar größer als Renji war. War das eine Lüge? Oder war das etwas, was Yamamoto und Kyōraku im Vorhinein besprochen hatten? Doch es war unmöglich, Kyōrakus Gesicht zu lesen, da er sein übliches, unerschütterliches Selbst war. Während Soi Fon ihre Arme vor ihrem schlanken Körper verschränkte, blickte sie Kyōraku für einen Moment stumm an. Byakuya bekam den Eindruck, dass da eine ältere Rivalität vor sich ging, doch so etwas machte keinen Sinn. Vielleicht war sie eifersüchtig, weil Kyōraku dem Generalkommandanten so nahestand? Es war kein Geheimnis, dass Kyōraku und Ukitake seine Lieblinge waren. Soi Fon war, genauso offensichtlich, eine ambitionierte Frau. Doch egal, ob es eine Lüge oder eine Absprache war, beunruhigte sie Byakuya. „Warum?“, fragte er. „Bin ich es oder Soi Fon, der als nicht vertrauenswürdig erachtet wird?“ „Eine interessante Vermutung, Herr Byakuya“, lachte Kyōraku. „Aber würdest du glauben, dass du der erste und einzige Kommandant bist, der wegen Unzucht unter Arrest steht? In Anbetracht der delikaten Natur dieser Anklage und der potentiellen Andeutung für Andere, wollte Yama-ji nur die Wortwahl des Geständnisses sicherstellen. Sicher verstehst du die Notwendigkeit darin, Kommandant Soi Fon?“ Ihre einzige Antwort war ein missbilligendes Brummen. Sie drehte sich um und führte sie die große, breite Treppe hinauf. Sobald sie in Soi Fons absichtlich kühl und beklemmend gehaltenem Büro waren, setzte sich Byakuya im Seiza hin, seine Hände ruhten leicht auf den Knien und schloss die Augen, während er ihre Diskussion ausblendete. Vielleicht war es unklug, doch er entschied sich, Kyōraku als Repräsentant seiner Interessen zu vertrauen. Trotzdem würde es ihm keinen Gefallen tun, sich gegen irgendeine Abmachung zu wehren, die sie für ihn gemacht haben. Von diesem Moment an war sein Job, das zu erdulden. Während sie über die Rahmenbedingungen von Byakuyas Schuld diskutierten, atmete er. Es war ein einfaches Ziel, das er sich selbst gesetzt hatte: einatmen und dann ausatmen. Doch mit jedem Ausatmen, baute er die Mauern wieder auf, die Ginrei ihm beigebracht hatte, hochzuziehen. Er benötigte sie, um das massive Ausmaß seines Reiatsu zu verbergen, da er im konstanten Zustand des Bankai war. Doch mit jeder Öffnung, die sich verengte, spürte Byakuya, wie sein Herz schwerer wurde. Dies waren die Mauern, die ihn davon abgehalten hatten, Rukia die Wahrheit zu sagen. Dies waren die Mauern, die erlaubt haben, dass er Renji unbedacht verletzte. Doch ohne sie, würde er es nicht… durchstehen können. Es war, als wäre er wieder jung und wild. Die Wahl war einfach gewesen: verschanze dich oder zerbreche. Dinge, die zerbrachen, konnten nicht wiederhergestellt werden. Dinge, die verschanzt wurden, konnten vielleicht wieder an die Oberfläche gelangen. Natürlich hatte er damals Senbonzakura als Begleiter gehabt. Dieses Mal hatte er noch nicht einmal den Trost ihrer Lieder. Langsam schien sich die Welt zu entfernen, ferngehalten von der Barriere um sein Herz. Emotionen verschwanden, bis da nur noch ein kraftloses Echo war und in den Platz, der zurückgelassen wurde, kroch pflichtbewusste, rationale Stille. Die Mitte des Morgens kam und ging, während Kyōraku und Soi Fon weiter über Semantik kabbelten. Während sie redeten wurde es Byakuya allerdings klar, warum Yamamoto oder Kyōraku selbst gedacht haben, dass dies notwendig sei. Soi Fon hätte Byakuya alle seine Rechte abtreten lassen. Kyōraku blieb fröhlich aufmerksam, lachte bei jedem ihrer Versuche, mehr Macht auszuüben, als strikt notwendig war. Ein Soldat der zweiten Division unterbrach an einem Punkt, indem er einen Shihakushō brachte. Obwohl Byakuya froh war, den Raum zu verlassen, um sich umzuziehen, beharrte Kyōraku darauf, dass sie eine Pause machte oder eine Möglichkeit einrichteten, dass Byakuya weiterhin die Details von den Änderungen mithörte. Enttäuschender Weise, aber für alle nicht überraschend, wählte Soi Fon Letzteres, sodass Byakuya hinter einem Wandschirm ging, um seinen Yukata auszuziehen. An diesem Punkt bemerkte Soi Fon Senbonzakuras Abwesenheit. „War es auch zu früh für dich, dass du dich daran erinnern konntest, dein Zanpakutō anzulegen, Kommandant Kuchiki?“ Da sie ihn in dieser Weise die Frage stellte, war es ziemlich einfach, zu antworten: „Es scheint so.“ „Herr Byakuya ist keine Lerche, muss also kein Morgenmensch sein! Ein Mann nach meinem Geschmack“, gluckste Kyōraku. „Und doch scheinst du nerventötend gerissen für eine solch frühe Stunde“, bemerkte Soi Fon trocken. „Ah, aber meine liebe Kommandantin, das ist, weil ich noch nicht geschlafen habe. Ich bin so eine Nachteule, dass mein später Abend dein früher Morgen ist.“ „Wie glücklich für uns“, seufzte Soi Fon. Der Hakama, der für Byakuya besorgt worden war, war ein bisschen zu kurz. Die Kosode war ein wenig zu groß. Beides, ohne Zweifel, absichtlich, vermutete Byakuya. Soi Fon gewann vielleicht nicht die kleine Semantik-Übung, doch sie machte sehr deutlich, dass selbst die kleinen Annehmlichkeiten in Byakuyas neuem Leben vollständig in ihrer Hand lagen. Er wäre vermutlich mehr verärgert, doch er war bereits zu tief versunken. Er fühlte fast nichts. Außerdem hatte Byakuya diese Art von Trivialität viele Male aus Händen von weitaus grausameren Meistern dieser Kunst durchlitten. Man wurde nicht Kuchiki-Erbe, ohne mit Cousins und Rivalen umgegangen zu sein, die Betten verkürzten und hunderte von anderen Streichen und Beleidigungen ausübten, um herabzuwürdigen und zu demütigen. Einige weitaus schmerzhafter und peinlicher, als ‚Hochwasser‘ im Hakama. Als er hinter dem Schirm hervortrat, beobachtete Soi Fon ihn. „Was hast du mit deinem Zanpakutō gemacht?“ Erneut entschied Byakuya, mit einer Wahrheit zu antworten, die nichts mit der gestellten Frage zu tun hatte. „Senbonzakura haben ihren eigenen, speziell ummauerten Garten auf dem Anwesen, wo sie ruhen und sich erholen können. Er gehört ihnen. Er ist sehr sicher.“ Vielleicht hatte sie seine Ausflucht gespürt oder vielleicht konnte sie das Bankai spüren, das in seinem Reiatsu mitschwang, trotz seiner Bemühung, es zu verdecken. „Tatsächlich“, sagte sie. „Ist dein Zanpakutō gerade dort?“ „Möglich“, musste er gezwungenermaßen zugeben. „Bist du mit gezogener Klinge gekommen, Kommandant Kuchiki?“, wollte sie wissen. Genau genommen, hatte er das vermutlich getan. „Ich habe nicht vor, Gewalt auszuüben“, sagte er knapp. „Mein Schwert ist vielleicht frei von seiner Hülle, aber es ist auf niemanden gerichtet.“ Kyōraku hob als Zeichen des Friedens seine Hände und sagte: „Wer von uns ist keine, wie sie im Diesseits sagen würden, geladene Pistole, eine versteckte Waffe? Selbst ohne ein Zanpakutō, ist zwischen uns genug Kidō-Feuerkraft und Hakuda-Expertise vorhanden, dass wir Berge ebnen und Armeen dezimieren könnten. Wenn Herr Byakuya sagt, dass er im Sinne der Kapitulation hergekommen ist, müssen wir ihm glauben.“ Soi Fons Augen verengten sich. „Es ist egal. Sobald er innerhalb der Mauern des Madennests ist, werden die dämpfenden Steine es unmöglich für ihn machen, Senbonzakura zu befehligen.“ Byakuya nickte bestätigend. Er erinnerte sich an das Gefühl der Steine, als er Seichi besucht hatte. Würde dies die Barriere um sein Herz verstärken, die bereits eine Distanz zwischen ihn und Senbonzakura schuf? Wenn die Verbindung so tiefgreifend durchschnitten wurde, würde sich Senbonzakura wie besprochen wieder im Garten manifestieren. Doch Byakuya wusste, dass es durchaus möglich für Senbonzakura war, auf eigene Faust zu handeln, trotz der geschwächten Verbindung. In der Akademie hatte er herausgefunden, dass wenn er wollte, er Ziele in vielen Kilometern Entfernung zerstören konnte. Er konnte von hier aus ein Dorf im Rukongai dem Erdboden gleich machen. Doch er hatte gelernt, dass es ein Befehl sein musste, den Senbonzakura folgen wollte. An einem Punkt wurde ihre Verbindung… unklar. Byakuya musste einfach vertrauen, dass er gemacht werden würde. So, wie er jetzt vertraute. Es schien Soi Fon zu ärgern, dass sie ihn nicht beunruhigt hatte. Wütend kam sie auf das Geständnis zurück. „Lass uns das zu Ende bringen. Ich möchte euch aus meinem Büro haben. Wir haben genug Zeit verschwendet.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)